Ein Hinweis von Christian Modehn: Auf welchem Niveau bewegen sich Predigten/Ansprachen zu Ostern?
Ich möchte die LeserInnen auffordern, auf die Oster-Predigten (auch der Bischöfe) zu achten und zu fragen: Wiederholen diese Prediger bloß zum hundertsten Mal die bildreichen Predigten der vier Evangelisten? Oder machen sie sich als Leute, die sich Theologen nennen, manchmal auch als Dr. theol., die Mühe, die Ergebnisse theologischer Forschung zur Auferstehung Jesu wahrzunehmen und in den Predigten zu erläutern?
Wer als Prediger, auch als predigender Bischof, nur die alten Floskeln und Formeln wiederholt, sorgt schlicht und einfach für die weitere Unbildung, wenn nicht Verdummung der wenigen noch verbliebenen Gemeindemitglieder.
Hier also eine naturgemäß unvollständige Sammlung zentraler Sätze aus den Osterpredigten 2021.
1.
Erzbischof Dr. Heiner Koch, Berlin sagt in seiner Osterpredigt in Berlin, Kirche St. Joseph, 2021. (Titel seiner Doktorarbeit: „Befreiung zum Sein als Grundperspektive christlicher Religionspädagogik“): “Doch dann geschah Ostern: Das Grab war leer und Menschen begegneten ihm, dem von den Toten Auferstandenen“.
2.
Erneut bedient Koch die uralte Üblichkeit: Die Auferstehung Jesu gibt es nur, wenn sein Grab leer ist, also ohne den Leichnam.
Der verstorbene Jesus tritt also in der Welt auf. Koch sagt „Menschen begegneten ihm“, dem Auferstanden, also der auferstandenen Leiche? Man denke an das irreführende Gemälde von Caravaggio, auf dem Thomas, der Apostel, der leibhaftig auferweckten Leiche Jesus förmlich in dessen Seitenwunde grabscht… Ist dies „Begegnung“? Für wie dumm halten eigentlich Prediger ihre Zuhörer?
3.
Interessant ist, dass Koch nicht sagt, wie es die Schriften des Neuen Testaments ständig betonen: „Jesus erscheint (nur) den Jüngern“, also einer kleinen Gruppe. Nein, Koch sagt: „Menschen“ also viele, ganz unterschiedliche Leute, trifft der Auferstandene.
Damit wird suggeriert, als sei die Auferstehung Jesu eine Art historisches Ereignis, das „Menschen“ im allgemeinen wahrnehmen konnten. Dem ist nicht so. Die Auferstehung ist kein datierbares Ereignis! Den Fehler macht Koch noch einmal, wenn er von den Menschen spricht, die wussten, „dass Jesus auferstehen werde am dritten Tag (!). Menschen erfuhren ihn als den Lebenden und bezeugten ihn gegen alle Zweifelnden und gegen alle Einwände“.
4.
Auch die Erwähnung des „dritten Tages“ wird nicht erläutert, es wird wie immer suggerier: Drei exakte Tage nach Karfreitag sei, sozusagen datierbar, die Auferstehung geschehen. Kein Sinn für die Symbolsprache der Bibel wird geweckt.
5.
Diese Predigt könnte man fundamentalistisch nennen. Ich vermute, dass evangelikale Gemeinden diese Predigt gern übernehmen können. Es fehlt jede politische Dimension, etwa Solidarität mit den Armen in den armen Staaten, die keine Impfstoffe erhalten. Oder naheliegend, ein Hinweis auf das politische Friedensengagement. Es gibt doch die katholische friedensbewegung PAX Christi und die Ostermärsche… Nichts davon in der Oster – Predigt Kochs.
Wer lesen will: Diese Koch-Predigt ist über die Pressestelle des Erzbischöflichen Ordinariats Berlin in voller Länge verfügbar.
Die Predigt am Ostersonntag 2021 des katholischen Bischofs Dr. Gerhard Feige, Magdeburg.
Diese Predigt hat die akuelle Situation der Pandemie und auch die dringende Suche nach Reformen in der katholischen Kirche als Schwerpunkt. Seine Argumente leitet Bischof Feige her von einer knapp gehaltenen, aber auf dem Niveau der kritischen Bibelwissenschaft befindlichen Interpretation des “Auferstehungsgeschens”. Bischof Feige sagt:“Das leere Grab hat keine Bedeutung mehr. Es geht auch gar nicht darum, was mit dem Körper Jesu passiert ist. Es geht darum, dass Jesus von nun an nicht mehr unter den Toten, sondern unter den Lebenden zu finden ist. Er ist auferstanden”
Eine treffende Aussage, die keinen falschen Wunderglauben erzeugt: Der tote Körper Jesu ist für uns unerheblich, sagt Bischof Feige. Mit anderen Worten: Im Grab kann auch noch der Leichnam liegen. Jesus ist trotzdem der auf andere Art lebendig. Wichtig sind für Bischof die Konsequenzen dieser Einsicht: “Ja, der Auferstandene ist uns längst vorausgegangen, und es ist an uns, ihn zu erspüren: in den Problemfeldern und Wunden dieser Welt, in unserer eigenen Angst und Ohnmacht, aber auch in unserer Sehnsucht und Hoffnung – und in unserem Mut und unserer Kreativität, womit wir versuchen, der Resignation zu trotzen und als Kirche neue Wege zu gehen”.
Die Predigt kann nachgelesen werden: LINK
Zu den Aussagen zur Auferstehung Jesu von Kardinal Rainer Maria Woelki, KÖLN 2021
1.
Zum eher kurz gefassten „Ostergruß“ (offenbar bestimmt an alle Gemeindemitglieder) Kardinal Rainer Maria Woelkis am 3.4.2021:
Woelki bezieht sich dabei auf die von ihm so genannte „Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs“, dabei erlaubt er sich, diese mit dem Wegwälzen des Steins am Grabe Jesu zu verbinden. Wörtlich schreibt Woelki:
„Auch im Zusammenhang mit der schmerzlichen Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch im Erzbistum Köln liegen schwere Monate hinter uns. Mit dem kürzlich vorgestellten Gutachten ist nun ein erster Stein weggewälzt. Jetzt müssen wir hinschauen, um Entscheidungen für eine bessere Kirche zu treffen. Erste Schritte haben wir bereits eingeleitet, weitere müssen und werden folgen. Ich habe die Hoffnung, diesen Weg mit Ihnen gemeinsam gehen zu können. Lassen Sie uns dabei verbunden im Glauben auf den auferstandenen Christus schauen“. Quelle: https://www.erzbistum-koeln.de/news/Ostergruss-2021-von-Kardinal-Woelki/)
2.
Zur Oster – Predigt im Hohen Dom zu Köln am 4.4.2021:
Woelki erzählt, vermischt aus Zitaten mehrerer Evangelien, die ja bekanntlich je Unterschiedliches zur Auferstehung Jesu sagen, vor allem die Begegnung der Frauen am leeren Grab und dort mit dem Auferstandenen Jesus wieder. Eine übliche und seit Jahrhunderten praktizierte Nacherzählung also.
Interessant ist, was Woelki dann sagt: Dass Maria am Grabe Jesu vom auferstandenen Jesus „jenseits der Todesgrenze, nämlich von der Zukunft Gottes her, beim Namen“ gerufen wird. Eigentlich ein richtiger Ansatz. Aber es wird nicht erklärt, dass der auferstandene Jesus selbstverständlich kein lebendiger Leichnam ist, sondern eine geistige Realität, die in der unsterblichen Seele aller Menschen ihre Begründung hat. Genauere Erklärungen werden aösp nicht geboten. Woelki driftet sofort ab zur religiösen Praxis der Katholiken heute, also Hinweise auf die Taufe, den Zweifel überwinden usw.
Also: Klarheit über die Auferstehung wird nicht geboten.
Das Grab Jesu ist NICHT leer und Jesus lebt trotzdem: Diese selbstverständliche Aussage wagt auch Woelki nicht zu sagen. Er schwadroniert also, wie die meisten, ignoriert die theologische und bibelwissenschaftliche Forschung… Alles bleibt wie immer in einem frommen Nebel. Man möchte wünschen, dass diese Prediger das Buch des katholischen Theologen Hans Kessler „Auferstehung?“ (Grünewald -Verlag, 2021) lesen und ihre Gemeinden auch zu Ostern auf den Stand theologischer Erkenntnis bringen.
Quelle: https://www.erzbistum-koeln.de/erzbistum/erzbischof/dokumente/210404_rcw_pr_ostersonntag.pdf
Fortsetzung folgt alsbald
Das Nachwort:
Was geschieht, wenn etwa praktische Ärzte unbestrittene Erkenntnisse der medizinischen Forschung ignorieren? Sie werden aufgefordert, ihre Praxis zu schließen.
Was geschieht, wenn heute demokratische Politiker politische und ökonomischen Idealen des 18. Jahrhunderts folgen: Sie verlassen die politische Bühne.
Was aber passiert mit Predigern, Priestern und Bischöfen, die die Ergebnisse der theologischen Wissenschaft zur Auferstehung Jesu ignorieren, aus Angst, Unfähigkeit oder Faulheit, wie auch immer: Diese Herren der Kirche brauchen keine theologische Fortbildung, so predigen sie theologischen Unsinn weiter wie bisher. Bis die Kirchen leer sind.
Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.