10 Jahre “Homoehe” in Deutschland: Über Freunde Gottes, Feinde des Respekts und den Aufruf zur Ausgrenzung

10 Jahre so genannte Homoehe in Deutschland:
Über die Freunde Gottes, die Feinde des Respekts und den Aufruf zur Ausgrenzung.

Seit 10 Jahren, seit dem 1. August 2001, gibt es in Deutschland die so genannte Homoehe. Wir haben im Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon schon mehrfach auf das Thema „Homosexualität und Religion/Katholizismus“ hingewiesen. Religionskritik ist nun einmal ein Schwerpunkt religionsphilosophischer Arbeit.
Wir haben in einem eigenen Beitrag etwa daran erinnert, dass die katholische Kirche gern und offenbar ohne theologische Probleme weltweit Autos segnet und Tiere segnet, selbstverständlich auch Wohnungen und Objekte, wie eine Orgel, von Waffensegnungen (einst?) ganz zu schweigen, nicht aber homosexuell lebende/liebende Menschen. Einmal abgesehen von der Frage, ob es überhaupt noch einige Katholiken geben sollte, die ihre Liebe in einem katholischen Rahmen segnen lassen wollen: Dieser Zustand: Autosegnung JA, Segnung von homosexuellen Paaren NEIN, ist eine Diskriminierung, damit werden de facto und ohne große Worte Homosexuelle zu Menschen zweiter Klasse gemacht, d.h. sie sind „nicht des Segens Gottes würdig“. Ein paar Hunde sind es durchaus in Tiersegnungen…
Wir haben schon früher aus der großen Fülle amtlicher Äußerungen der römischen Kirche gegen homosexuell Liebende/Lebende Menschen nur einige besonders merkwürdige (!) Äußerungen dokumentiert, etwa in unserem Beitrag im Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon: „Homosexuelle kommen nicht in den Himmel“.

Nun also 10 Jahre so genannte Homoehe in Deutschland.
Nur ein paar Hinweise: Auf das Wort „so genannte“ Homoehe kommt alles an, denn tatsächlich haben heterosexuelle Eheleute immer noch mehr Rechte.

Tatsächlich hat das Gesetz zur „Lebenspartnerschaft registrierter Homosexueller“ einige Schritte in Richtung vollständiger Gleichberechtigung gebracht, etwa im Bereich von Finanzen und Erbrecht.

Es ist jedoch eindeutig, dass eine wirkliche Homo – Ehe, wie sie etwa in den Niederlanden oder in Spanien besteht, durch konservative Kräfte, der CDU und der katholischen Kirchenführung, verhindert wurde und verhindert wird. Indem man homosexuellen Menschen die Möglichkeit nimmt, Kinder in ihrer Homo Familie großzuziehen, werden sie, ohne dass man es noch ausdrücklich sagt, zu Menschen zweiter Klasse gemacht.
Dabei zeigen Studien eindeutig, dass Kinder in so genannten Homoehen nicht mehr “beeinträchtigt” aufwachsen als Kinder in Heteroehen. Aber diese Tatsachen wollen konservative Kreise nicht sehen.

10 Jahre so genannte Homoehe in Deutschland hat also den Respekt vor den „anderen“ nicht gerade gefördert. Bestenfalls kann von einer müden Toleranz, fast im Sinne von Gleichgültigkeit, die Rede sein. Die großen CSD Termine sind ja oft ins Karnevaleske abgedriftet, da werden Kostümierte beguckt und begafft wie wundersame Tierchen im Zoo…Schwieriger ist es, wenn sich Homosexuelle in ihrer Arbeitsstelle outen.
Interessant ist weiterhin, dass bisher nur ca. 20.000 homosexuelle Frauen und Männer die Registrierung ihrer Lebenspartnerschaft vollzogen haben. Offenbar sind viele Homosexuelle der Meinung, dass sie einem klassischen, nun einmal heterosexuell geprägten Ehe- Ideal nach außen hin nicht entsprechen wollen.

Mit der rechtlichen Verbesserung vor 10 Jahren wurden die Mentalitäten der heterosexuellen Mehrheit nicht besser. Vorurteile, Ablehnung und Hass gibt es immer noch. Die Gewalt gegen schwule Männer hat zugenommen, selbst in liberalen Städten wie in Berlin…

Was uns im religionsphilosophischen Salon besonders interessiert: Es gibt immer gesellschaftlich relevante und durchaus öffentlich noch respektierte Kräfte, die mit ihren Äußerungen dafür sorgen, dass Respekt gar nicht erst aufkommen kann. Wir denken an die immer wiederholten Sätze katholischer Bischöfe auch in jüngster Zeit, Homosexualitität sei abartig und der einzelne homosexuell lebende und deswegen auch selbstverständlich homosexuell liebende Mensch sei ein Sünder. Leitlinie auch der deutschen Bischöfe ist (darin sind sie treue Repetitoren vatikanischer Lehre) der Satz: „Homosexuelle Handlungen sind auf keinen Fall zu billigen“, so heißt es im immer noch gültigen Katechismus der Katholischen Kirche, veröffentlicht im Jahr 1993. Das Zitat steht im § 2357 dieses Katechismus. Was heißt „homosexuelle Handlungen sind in keinem Fall (!) zu billigen“? Sollen diese Handlungen und also diese so Handelnden verfolgt, bestraft, ausgegrenzt, attackiert werden? Werden vielleicht Menschen aufgerufen, ihre Nichtbilligung auch gewaltsam auszudrücken? Bestimmte katholische Kreise, etwa in Polen oder orthodoxe Kreise in Russland, tun das ja. Und in einigen lateinamerikanischen Ländern, wie der Dominikanischen Republik, haben Kirchenfürsten, wie der Kardinal Lopez Rodriguez, so viel Einfluss, etwa für die Schließung von gay bars in Santo Domingo zu sorgen oder kritische schwule Journalisten abzusetzen…(siehe etwa: Clave Digital, Lunes, 19 de junio 2006) „Für Kardinal Lopez Rodriguez ist Homosexualität eine Epidemie, die die moralische Basis der Gesellschaft zerstört“. Diese Beispiele könnten endlos verlängert werden, man müsste Afrika oder die Philippinen heranziehen usw. In 80 Ländern werden Homosexuelle heute noch beeinträchtigt, verfolgt, getötet (wie im Iran).

Wenn katholische Bischöfe im aufgeklärten (?) Deutschland sagen, wie Bischof Franz – Josef Overbeck, Essen, (in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung vom 30. 7. 2011, Seite 8): “Praktizierte Homosexualität ist nach Überzeugung der katholischen Kirche objektiv sündhaft“, dann steckt in dieser Aussage doch die Aufforderung, diese objektiv Sündigen wieder auf den angeblich richtigen Weg zu bringen, etwa durch „Umpolung“ oder durch physische und psychische Einschüchterung. Solche Äußerungen eines Bischofs bergen ein Gewaltpotential in sich, selbst wenn Bischof Overbeck in einem Nebensatz sagt: „auch wenn homosexuellen Menschen mit Achtung zu begegnen ist“.
Mit Achtung begegnen – solche pastoralen Formulierungen finden sich übrigens in katholisch – theologischen Büchern, die vom Umgang mit Schwerverbrechern handeln…
Tatsächlich muss man das ganze Umfeld dieser zumindest indirekt gewalttätigen Ideologie weiter ausleuchten, etwa wenn Sodomie (ein anderes Wort für Homosexualität im Katechismus) als „himmelschreiende Sünde“ (im § 1867) tituliert und im gleichen Paragraphen auf eine Stufe mit dem Mord Kains an Abel gestellt wird!
Man muss nur im Katechismus einmal hin und her, sozusagen quer lesen, um sehr befremdlich erscheinende Verbindungen zu sehen. Zum Beispiel: Inkonsequent ist es auch für gebildete Theologen, wenn im Katechismus in § 2358 gesagt wird: „Homosexuelle Menschen haben diese Veranlagung nicht selbst gewählt“. Wie kann aber etwas nicht selbst Gewähltes, also „Zugewiesenes, Verfügtes”, also eine nicht der Freiheit des einzelnen überlassene “Struktur“, wie kann es da noch Sünde geben? Wie kann jemand, der nicht anders leben und lieben kann (!), dann noch ein Sünder sein? Im klassischen katholischen Sündenbegriff gehört wesentlich FREIHEIT zur sündigen Tat. So ist der Katechismus selbst also inkonsequent und unsicher in der eigenen Einschätzung. Ist das etwa ein Lichtblick?
Man könnte natürlich fragen: Gibt es denn keine dringenderen Themen? Das Hungersterben jetzt am Horn von Afrika ist sicher aktuell dringender; von der „Bevölkerungsexplosion“ und der Geburtenregelung ganz abgesehen oder dem Waffenhandel oder der Gier der Finanzmärkte…
ABER: Beim Thema „Respekt und völlige Gleichberechtigung von Homosexuellen weltweit“ geht es um die menschliche Kultur, um die vollständige Achtung von Menschen, die nicht der herrschenden Mehrheit entsprechen, aber Anspruch auf volle Gleichberechtigung haben. Am Thema „Respekt für Homosexuelle“ zeigt sich auch das ethische Niveau einer Gesellschaft, zeigt sich auch das ethische Niveau einer Kirche.

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