Christi Himmelfahrt – Mystik und Gerechtigkeit

Ein Hinweis von Christian Modehn.
 Am 2.5.2024

Der Titel des Festes „Christi Himmelfahrt“ kann verstaubt, verschroben, spinös erscheinen. Was das Fest eigentlich meint, hat aber mit Mystik und mit Politik zu tun, genauer: Mit dem Eintreten für die gleiche Würde aller Menschen. Und das können Menschen realisieren. Denn sie haben Vernunft, haben Geist, der heilig ist.

1.
Die neue und – für Dogmatiker und Fundamentalisten – etwas gewagte Erkenntnis lässt sich zusammenfassen: Ostern, Christi Himmelfahrt und Pfingsten, diese drei Feste, beziehen sich auf eine einzige Erzählung von religiösen Menschen. Die drei Festtage sind also ein einziges “Fest”, das in den Berichten des Neuen Testaments folgend, in eine zeitlich gedehnte chronologische Erzähl – Struktur gesetzt wurde.
Tatsächlich haben die drei „Feste“ einen Mittelpunkt: Es ist die Erkenntnis des göttlichen Geistes in allen Menschen. Und genau diese Erfahrung meint Pfingsten.
Wer also Christi Himmelfahrt verstehen will, muss sich zuerst mit Pfingsten befassen.

2.
Das Pfingst – Fest ist diese Erzählung: Die Gemeinschaft der Jesus-Jünger war nach Jesu Tod überzeugt: Wir haben „plötzlich“, wie in einer Überraschung, als Geschenk, ein neues, ein tiefes Verständnis gewonnen über Jesus von Nazareth. Die Freunde Jesu, die Gemeinschaft der „Urkirche“, erkannte – nach langem Zweifeln und in ihrer Verzweiflung über Jesu Tod – plötzlich eine neue, bleibende geistige Lebendigkeit ihres Freundes Jesus von Nazareth. Er ist über seinen Tod hinaus geistig, nur in der Poesie sagbar, präsent, er hat Teil am Ewigen. Die Freunde Jesu konnten also von Jesus als dem Präsenten, dem Ewigen, sprechen. Diesen Geist, der den lebendigen Jesus von Nazareth erkennt, erlebt die Gemeinde als Geschenk, sie spricht vom Heiligen Geist, als einer bislang kaum bemerkten besonderen Qualität ihres eigenen menschlichen Geistes: Die Menschen erkennen: Der Geist ist heilig!

3.
Und warum gibt es noch über Ostern hinaus ein eigenes Fest Christi Himmelfahrt? Dieses seltsame Wort „Himmelfahrt“ ist eine Metapher für den Mythos, die Erzählung: Dieser Jesus von Nazareth ist nicht im Nichts verschwunden. Jesu Leichnam liegt zwar – wie der Leichnam jedes anderen Menschen – in einem Grab! Aber Jesu Geist als ewiger Geist ist „woanders“, er ist – bildlich gesprochen – an dem Ort des Ewigen, des Göttlichen, in dem „Himmel“.
Die Gemeinde will mit dem Fest Christi Himmelfahrt“ also noch einmal explizit feiern, dass dieser geliebte Mensch und Prophet Jesus von Nazareth nicht mehr nur zur Erde, nicht mehr nur zur Welt der Menschen, gehört. Er ist leiblich verschwunden, aber geistig nicht entschwunden. Jesus ist in den Bereich des Ewigen eingetreten, den man „Himmel“ nennen kann oder „Sein beim Ewigen“.

4.
Warum werden in christlichen Kirchen drei Gedenktage und drei Feste (Ostern, Christi Himmelfahrt, Pfingsten) in so kurzer Zeit hintereinander gefeiert? Diese drei christlichen Feste haben, wie gezeigt, alle einen grundlegend gleichen Inhalt: Sie feiern den Übergang Jesu (und damit aller Menschen) vom Tod in den geistigen Bereich des Ewigen.
Dass die Kirchen dreimal (Ostern, Christi Himmelfahrt und Pfingsten) eigentlich das Gleiche, in kurzem zeitlichen Abstand feiern, ist einzig in der sehr menschlichen Begeisterung begründet, möglichst viele Feste – mit unterschiedlichen Akzenten – zu feiern. Be-geisterung kennt oft keine Grenzen…

5.
Noch einmal zurück zur Basis des Festes Christi Himmelfahrt: Pfingsten betrifft das Selbstverständnis der Menschen. Als Fest des Geistes als des heiligen, kritischen Geistes ist Pfingsten das Fest der Dimension, die „den“ Menschen, alle Menschen, auszeichnet. Im Geist als der Vernunft erschließt sich die Menschenwürde, erschließen sich die Menschenrechte. Pfingsten als Fest des Geistes, der heilig ist, macht die Vernunft stark, Pfingsten ist deshalb das politisch sehr präzise Fest der Menschenwürde, der Menschenrechte, der wesentlichen Gleichheit aller Menschen, der universalen Gerechtigkeit also. Pfingsten ist alles andere als ein gedankenloses, fundamentalistisch geprägtes Fest eines frommen, charismatisch sich nennenden Trallala.

6.
Christi Himmelfahrt ist kein Gedenktag an einen ins Unendliche – in himmlische Ferne Entrückten. Christi Himmelfahrt als Erzählung lässt die Welt der Menschen nicht gottlos erscheinen. Vielmehr ist der Geist der Menschen als der göttliche Geist die Anwesenheit des Ewigen im Irdischen.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin