Der Übermensch ist wieder da.
Ein Hinweis zum Mentalitätswandel in Deutschland, anlässlich einer Schrott-Mail zum Thema Feindesliebe.
Von Christian Modehn
„Der Übermensch“ ist wieder da und wird (wie in der Nazi-Zeit) als Vorbild und Ideal beschworen. Jene höchst umstrittene Symbol-Gestalt der Philosophie Nietzsches, die so selten im Sinne Nietzsches verstanden wird, aber so oft “populistisch“ mit Herrschaft des Stärkeren, mit Rücksichtslosigkeit „der weißen Rasse“, identifiziert wurde und wird. Weil bestimmte Leute hierzulande meinen, diesen Übermenschen als Alternative zum liebenden, toleranten, friedfertigen Menschen (im Sinne der authentischen Lehren Jesu oder Buddhas und vor allem im Sinne der Erklärung der Menschenrechte) durchsetzen zu müssen.
Dieser hässliche, absolut egoistische Herren- und Übermensch ist also wieder da! Explizit, sichtbar. Und er taucht plötzlich zwischen den Zeilen auf, in Hass und- Schrott-emails, die z.B. geschrieben werden auf einen Beitrag in unserer website zum Thema Feindesliebe im Sinne Jesu. Da schreibt ein offenbar hoch nervöser, das sieht man an der Orthografie, aber offenbar nicht verwirrter älterer Mann dem Redakteur dieser website zum genannten Beitrags zur Feindesliebe: Ich zitiere jetzt wörtlich, und diese Worte sollte man trotz ihrer hässlichen und beleidigenden Polemik einmal wahrnehmen als einen Ausdruck für heutiges Denken in Deutschland im Jahr 2016: „Ich bin nur noch enttäuscht von so einer Antwort. Feinedsliebe, das ich nicht lache. Diese widerwärtigen Asylanten, die unsere Freiheit, Gewalt ausüben, Frauen verachten, bedrohen auch noch lieben ?!. Das ist schizophren. Da liebe ich eher Zarathustra“. Soweit also die Auslassung eines Herrn, der mit Vornamen HJ. unterzeichnet, der vollständige Name ist der Redaktion bekannt.
Zarathustra ist im Sinne Nietzsches, wie jeder weiß, der Lehrer des Übermenschen. Wir wollen hier die manchmal widersprüchlichen Hinweise zum Übermenschen in der philosophischen Poesie Nietzsches nicht weiter ausführen, es ist bekannt, dass Nietzsche schon in „Jenseits von Gut und Böse“ vom Übermenschen spricht. Nur ein Hinweis des Nietzsche Spezialisten Giorgio Penzo in „Nietzsche Handbuch“, Metzler Verlag, 2000, Seite 342: „Der Übermensch kann als die Chiffre für die authentische Dimension des Menschen angesehen werden“. Also: „Der“ Übermensch ist keineswegs im Sinne Nietzsches das absolute Herrscherwesen eines europäischen Egoismus. Als ein solcher geistert er in den Köpfen und Seelen jener herum, die damit ihre Vorurteile gegen Toleranz und universale Menschlichkeit kaschieren und ideologisch ausschmücken.
Aber um die Nietzsche-Interpretation geht es hier nicht: Es geht um den Wechsel der Werte: Nicht mehr der tolerante, friedfertige selbstkritische, Notleidenden (Flüchtlingen) helfende Mensch steht als Ideal vor Augen, sondern eben der Übermensch, die Herrschergestalt, die ein Oben und ein Unten kennt. Und wertvolle von nicht-so-wertvollen Menschen unterscheidet. Und wer für biblische Werte, wie Feindesliebe, eintritt, wird von diesen Leuten diskriminiert…
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