Die Kurie des Vatikans ist mental versteinert. Die Weihnachtsansprache von Papst Franziskus 2014.

Hinweise zur Rede des Papstes am 21. 12. 2014 vor Mitarbeitern der römischen Kurie, also Kardinälen, Erzbischöfen, Prälaten usw.

Von Christian Modehn am 24. Dezember 2014

1.

Die hochrangigen  Mitarbeiter der päpstlichen „Kurie“, sind schwer krank, sagt der Papst in seiner Weihnachtsansprache vor hoch ranigigen Mitarbeitern im heiligen Rom: Die noch harmloseren Krankheiten und Fehlverhalten (Sünden im klassischen katholischen Verständnis) sind  für den Papst: „Sich für unverzichtbar halten“ oder „exzessives Tätigsein“. Schwerwiegender und wahrscheinlich  kaum noch heilbar sind hingegen: „Geistliche Alzheimer Krankheit“, „mentale und spirituelle Versteinerung“, „existentielle Schizophrenie“, „Gleichgültigkeit gegenüber anderen“, „Vergöttlichung der Oberen“, „Anhäufung materieller Güter“, „Sucht nach weltlichem Profit“: Insgesamt sind es 15 schwerwiegende, eigentlich tödliche Gebrechen, die da bei genauer Analyse unter den Mitarbeitern der Kurie diagnostiziert werden. Der Text  ist in deutscher Sprache  am schnellsten auffindbar in einer Publikation von Radio Vatikan, klicken Sie bitte hier.

Diesen in dieser Deutlichkeit niemals erwartbaren Befund hat Papst Franziskus in seiner üblichen Ansprache zu Weihnachten am 22. 12. 2014 im Vatikan vor der versammelten Mannschaft der Kardinäle und Prälaten gehalten. Sie alle leiden unter den genannten Gebrechen/Sünden. Das üppige Weihnachtsessen wird ihnen wohl erst einmal vergangen sein.

2.

Über sofortige oder spätere Wutausbrüche der konservativen geistlichen Mitarbeiter – Schar, die sich in ihrer Macht und in ihrem Luxus als die Nachfolger des armen Jesus von Nazareth immer noch fühlen, ist naturgemäß nichts bekannt. Aber die Wut muss maßlos sein auf einen „Fürsten“, also den Papst, der seinen Hof (die Kurie) für ein dermaßen korruptes “Volk” hält und dies zur allergrößten Schande auch noch öffentlich sagt. Eigentlich hat sich der Fürst damit selbst entthront. Und diese Karriere hat Papst Franziskus begonnen, als er nicht im monströsen Palast, sondern im schlichten Gästehaus seine Wohnung bezog.

3.

Man greift wohl nicht zu hoch, wenn man diese Rede, die auch noch einen Tag danach in der deutschsprachigen Presse unseres Wissens nach nur in Auszügen vorliegt, also als eine historisch höchst relevante und höchst bedeutende Rede hält. Und die Kritik am Klerikalismus kehrt immer wieder in der päpstlicher Kritik, ergänzt am 28.9.2024, CM

Und man kann nur hoffen, dass Papst Franziskus diese Rede überlebt, nicht nur im engeren Sinne physisch überlebt, sondern auch seelisch halbwegs stabil bleiben kann. Denn man ahnt, in welcher perfiden Umgebung von Feindseligkeiten und in welchem verlogenen System sich der Papst im Vatikan aufhält. Und man ahnt, wie er leidet, diese Rede ist Ausdruck eines tiefen Schmerzes.

4.

In einer solchen Situation ist es paradox, dass ausgerechnet religionskritische Institutionen, wie unser „Religionsphilosophische Salon Berlin“,  Papst Franziskus explizit verteidigen und ausdrücklich loben muss. Religionskritiker freuen sich also -etwas – über Papst Franziskus:

5.

Bei allem Lob: Uns erscheint doch problematisch, dass Papst Franziskus nicht die strukturellen Ursachen dieser 15 Perversionen/Krankheiten/Sünden im Vatikan selbst nennt. Er spitzt die Kritik zu auf die Personen allein, soweit wir bisher den Text gelesen haben.

Diese Perversionen/unheilbaren Krankheiten/Sünden entstehen aber in einem System, das ausschließlich zölibatären Männern die Macht total überlässt; die keine interne demokratische Kontrolle kennt; keine Beteiligung der Gläubigen, etwa in der Bestimmung des Chefs der Glaubensbehörde usw. Es ist nicht nur das System aus uralten Renaissance-Zeiten, es ist vor allem auch die fundamentalistische Interpretation der Lehre (der Bibel) selbst, die solche Missstände fördert und verursacht: Wenn sich etwa Kardinäle als Mitarbeiter der göttlichen Wahrheit sehen, wenn sie und nur sie meinen, richtig die Ehemoral auslegen zu dürfen usw., wenn diese Herren und nur sie vorgeben zu wissen, was katholisch ist usw. Dieser wahnhafte und totalitäre Machtanspruch, der keine Widerrede duldet (man lese nur einmal die Äußerungen von Kardinal Müller, Rom) ist letztlich theologisch-ideologisch erzeugt. Er ist für die Gemeinschaft der Glaubenden verletzend, wenn nicht (seelisch) tödlich.

Wenn sich die Kirche zum Evangelium und zur Menschlichkeit hin entwickeln will, muss dieser krankhafte Machtwahn, diese geistliche Alzheimer Krankheit wie der Papst sagt, gebrochen/geheilt, werden.

6.

Historiker können aus aktuellem Anlass noch einmal die Analyse Luthers studieren, als er sich über die Curie äußerte. Vermutlich werden da gleichlautende Analyse von Luther und Papst Franziskus auffallen. Oder man lese die Analyse über den Klerus, die der böhmische Reformator Jan Hus äußerte. Oder man lese das Buch des Theologen und Philosophen Antonio Rosmini über „Die 5 Wundmahle der heiligen Kirche“ (1849), ein Buch ähnlichen Inhalts wie die Rede des Papstes am 22. 12. 2014. Antonio Rosminis Buch (er ist einer der bedeutendsten Philosophen im Italien des 19. Jahrhunderts und Gründer von Ordensgemeinschaften) wurde selbstverständlich sofort auf den Index gesetzt. Gott sei Dank kann niemand die Rede des Papstes am 22. 12. 2014 auf den Index setzen.

7.

Aber aufgrund dieser durchaus reformatorischen Kirchen-Kritik könnte Papst Franziskus doch definitiv Ehrengast und Redner sein bei den Feiern rund um das Reformationsjubiläum. Man muss ja nicht bis 2017 warten. Dann könnten sich auch die anderen Kirchen, die Russisch – und Griechisch-Orthodoxen Popen und Patriarchen, die Protestanten, Pfingstler usw.  fragen, wie es denn mit ihrer eigenen “Kurie” (Bürokratie) bestellt ist. Und wo auch sie “Versteinerungen” “spirituelles Alzheimer” usw. zeigen.

8.

Die RP (“Rheinische Post”) berichtet am 24. 12. 2014, dass sich der deutsche Kurienkardinal Cordes, er ist eng mit der Neokatechumenalen Bewegung des Kiko verbunden, öffentlich von Papst Franziskus distanziert hat. Die RP schreibt: “Mit allen Würdenträgern und solchen, die sich dafür halten, pflegte Franziskus zum Abschiedsgruß (am 22. 12. 2014, CM) eine kurze herzliche Unterhaltung; nicht so mit dem emeritierten Kurienkardinal Paul Josef Cordes. Der hatte zum Entsetzen vieler seiner Mitbrüder neulich einem Besucher seine Abneigung gegen den Papst so offenbart: “Es hätte schlimmer kommen können.” Ein Vatikan-Intimus meinte dazu, Cordes sei wenigstens ehrlich, andere Traditionalisten in Purpur und Violett dächten genau abschätzig wie der Deutsche über den “Tango”-Theologen auf dem Stuhl Petri, sagten es jedoch nach vatikanischer Sitte nur hinter zwei vorgehaltenen Händen. (RP ONLINE am 26.Dez 2014 gelesen)

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