Heidegger – der Nazi: Aktuelle Diskussionen in Frankreich
Von Christian Modehn
Das Thema „Heidegger und der Nationalsozialismus“ werden wir weiter dokumentieren und besprechen. Nun eine nächste Etappe:
Vom 22. bis 25. Januar 2015 fand in Paris ein Heidegger-Kolloquium statt unter dem Titel „Heidegger und die Juden“. Das Thema war schon seit vielen Jahren festgelegt, heißt es. Finanziert von ARTE, Radio France Culture, Libération und der BNF, waren als Teilnehmer dabei u.a. Peter Sloterdijk, Alain Finkielkraut, Peter Trawny, Barbara Cassin, Luc Dardenne…
Die Tageszeitung „Le Monde“ brachte am 30. Januar in der Rubrik „Le Monde des Livres“, Seite 9, eine Zusammenfassung von Marianne Dautrey. Ich habe einige zentrale Aussagen übersetzt, damit auch diese Etappe der Auseinandersetzungen nicht vergessen wird:
„Heideggers Antisemitismus war keine Tatsache eines Ungedachten (eines der Lieblingswörter Heideggers CM) noch eines Schweigens, sondern die Tatsache einer Negation. Und man kann nicht mehr sagen, dass seine Philosophie davon schadlos/schadenfrei ist“….“Heidegger war kein normaler Nazi, sondern ein überzeugter Nazi“… „Heidegger bedauerte 1934, dass die Nazis nicht radikal genug, sondern zu bürgerlich sind“.
Was die Veröffentlichung der „Schwarzen Hefte“ angeht: Sie liegen auf französisch noch nicht vor, die Übersetzungen werden offenbar von dem immer noch äußerst Heidegger begeisterten Francois Fédier betreut/kontrolliert. Er hielt bei dem Pariser Kolloquium einen Vortrag, in dem er versuchte, die zentralen (antisemitischen) Begriffe Heideggers ziemlich gewunden in eine eher harmlose französische Begrifflichkeit zu übersetzen. Auch das dokumentiert Le Monde. Die junge Philosophin Sidonie Kellerer hat, so wird auch in Le Monde berichtet, in minutiösen Studien herausgefunden, wie Heidegger etwa seinen Vortrag „Die Zeit des Weltbildes“ aus der Nazizeit dann in den fünfziger Jahren von allen Bezügen auf Hitler usw. befreit hat, ohne dass er die Veränderungen des Textes vermerkte. Das empfehlenswerte Sonderheft von „Philosophie Magazine“ über Philosophie und Nazis (Januar 2015) berichtet ebenfalls ausführlich darüber! Frau Kellerer hat sich bei dem Pariser Kolloquium nicht geäußert.
Gar nicht erst nach Paris gereist ist der Philosoph Emmanuel Faye aus Rouen, er hat als einer der ersten auf die Verstrickungen Heideggers mit dem Naziunwesen hingewiesen. Er sieht, wie bei dem der Organisatoren, Gérard Bensussan, der Antisemitismus Heideggers relativiert wird, indem er sagt: „Das ganze westliche (europäische) Denken ist antisemitisch“. Emmanuel Faye weist diese banale Aussage entschieden, argumentativ, zurück.
Offen bleibt nach wie vor die Frage, welche Ideen, Perspektiven, „Werke“ (etwa aus den früheren Jahren, wie „Sein und Zeit“) bleibend gültig sind, also vom Ungeist des Rassismus nicht erfasst ist. Das wäre ein Thema für mehrere internationale Kolloquien und Sammelbände, so hätten die frustrierten Heideggerianer etwas Neues zu denken und sich zu bekennen zu der Frage: Wie sinnvoll war und ist all unser Jahre langes Interpretieren und Verstehenwollen dieser so dunklen Heideggertexte. Zugespitzt und etwaa polemisch gefragt: Hätten wir nicht besser andere Philosophen durchbuchstabieren sollen? Ob Heideggerianer so viel Mut und Selbstkritik aufbringen, einen Sammelband zu veröffentlichen unter dem durchaus Heideggerschen Titel: „Auch wir waren in der Irre“?
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