Martin Heidegger – nicht nur ein „Denker“, sondern ein politischer Mensch.
Von Christian Modehn
Eine weitere Fortsetzung (am 15. 3. 2015) zu unserem Thema, unserer Rubrik „Heidegger und die Nazis“:
Wir empfehlen die Lektüre des Interviews mit der Philosophin, Prof. Marion Heinz, Siegen, in „Die Zeit“ vom 12. März 2015 Seite 50f. Die Fragen stellte Thomas Assheuer.
Einige Hinweise zu uns zentral erscheinenden Erkenntnissen von Marion Heinz, die auch von anderen Forschern schon erwähnt wurden, nun aber noch einmal eine Bestätigung finden:
– „Die (jetzt fast vorliegende) Heidegger Gesamt-Ausgabe genügt den Prinzipien kritischer Editionen nicht; wir Forscher tappen im Dunkeln. Keiner weiß, wo Passagen gestrichen wurden….“ Gestrichen von den sich allmächtig aufführenden Erben Martin Heideggers…
-Es gibt die Jahre lang verbreitete These, Heidegger sei letztlich ein a-politischer, ein einsamer Denker in seiner weltfernen Hütte gewesen, der nur auf das Sein selbst lauschte etc… Dagegen betont Prof. Marion Heinz: „Das Bild vom politisch desinteressierten Philosophen Heidegger … ist das Ergebnis dessen, wie Heidegger sich selbst in der Nachkriegszeit inszeniert hat“. Mit anderen Worten: Viele Heidegger – Forscher haben seit 1945 diese Selbstinszenierung geglaubt und brav übernommen und verbreitet.
-Es wird in dem Zusammenhang behauptet, der weltferne Seins-Philosoph sei eigentlich gar nicht am Tagesgeschehen, etwa an der Zeitungslektüre, dem Radiohören etc. interessiert gewesen: „Die Briefe Heideggers zeigen, was für ein wacher und aufmerksamer Beobachter auch der Tagespolitik Heidegger war.. Er ist immer bestens informiert,….er verfolgt die Geschehnisse am Ende der Weimarer Republik überaus interessiert“.
-Martin Heidegger empfiehlt seinem Bruder Fritz in einem Weihnachtsbrief 1931, Hitlers „Mein Kampf“ zu lesen, „begleitet von einer Einschätzung Hitlers, die überaus positiv ist“.
-Martin Heidegger glaubt, zu Hitler gebe es keine Alternative, “er sei ein Erfordernis des geschichtlichen Augenblicks“.
Bezeichnenderweise spricht Heidegger – wie heute andere Kreise – ständig vom Abendland, das es zu retten gelte.
-Auch die oft noch zur „Rettung der Aktualität von Heideggers Denken“ vorgebrachteten Argumente zählen nach Meinung von Marion Heinz nicht: Heideggers Kritik an der Technik wird da oft lobend vorgebracht. Marion Heinz hält diese Lobeshymnen für abwegig: „Es kann ja nicht sein, dass man Heidegger für unverzichtbar hält, bloß weil wir jemanden brauchen, der uns auf die Gefahren unserer Zeit aufmerksam macht“. (Das hat zur gleichen Zeit viel besser etwa Theodor W. Adorno gemacht, CM).
Dann bleibt die Hauptsache, auf die wir schon mehrfach hingewiesen haben: Was bleibt dann eigentlich noch von Heidegger? Ist sein Denken insgesamt „verdorben“, vergiftet“? Aus welchen auch psychischen Motiven hat sich Heidegger nach dem offensichtlichen Scheitern seines „großen“ Projekts „Sein und Zeit“ in die andere Seins-Philosophie gestürzt mit ihren Schickungen und Weisungen? Wollte er sich als der ganz Große, der Allein-Wissende, auf diese Weise etablieren? Diese Frage wäre doch recht spannend. Und: Warum sind so viele Philosophen auf Heidegger „reingefallen“ und haben Jahrzehnte lang seine Weisungen in tausend Büchern hin und her gedreht? Passte Heidegger in die Kultur des Nachkriegszeit, weil er das kritische Denken in das ewige Dunkel der Seinsgeschichte führte und damit ein Alibi schuf, sich mit der realen politischen Geschichte zu befassen, mit dem Krieg, dem Rassismus, mit Auschwitz, mit dem Kolonialismus, dem Anti-Kommunismus usw… Heidegger, so eine These, legte das Material bereit, philosophisch im Dunklen zu tappen und sich philosophisch der Auseinandersetzung mit der Gegenwaert – auch empirisch- zu entziehen. Nebenbei: Es ist doch bezeichnend, dass meines Wissens kaum ein Heideggerianer etwas zur Friedensbewegung, zur Anti-Atom-Bewegung, zur feministischen Bewegung sagte oder jetzt zu dem Massensterben von Flüchtlingen im Mittelmeer sagt. Hat Heidegger das Denken im schlechten Sinne beruhigt? Wahrscheinlich. Das wäre eine spannende Frage. Marion Heinz sagt sehr treffend: “Die ernsthafte Auseinandersetzung darüber, was von der weithin behaupteten Weltgeltung von Heideggers Denken (nach der Veröffentlichugn der Schwarzen Hefte) bleibt, STEHT ERST AM ANFANG”.
In „Die Zeit“ vom 12. März 2015 findet sich ein weiterer interessanter Hinweis des Heidegger-Schülers Prof. Rainer Marten mit dem Untertitel. „Seit Jahren nehmen die Herausgeber Martin Heideggers Werk in Beschlag. Das ist ein Skandal, der endlich ein Ende haben muss“. Marten ist empört, dass sich die Heidegger Familie anmaßt, über den Nachlass eigenmächtig zu verfügen. Er weist darauf hin, dass Heideggers Sohn es sich nicht nehmen ließ, der sehr rechtslastigen Wochenzeitung „Junge Freiheit“ (Nr. 45(02) ein Interview zu geben. Wie schon sein Vater Martin, sagt der Sohn Hermann: „Mein Vater wollte nicht, dass sich die neugierige Journaille auf den unveröffentlichten Nachlass stürzt…“ Journalismus gab es für Martin Heidegger immer nur in der Form der hässlichen „Journaille“… Die Junge Freiheit ist für Hermann Heidegger offenbar seriös, in dem gleichen Geist, in dem Friedrich Wilhelm von Hermann, der treue Heidegger-Deuter, ein Interview dem sehr rechtslastigen russischen Politiker und Putin-Freund Alexander Dugin ein Fernseh-Interview gab. Klicken Sie hier.
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