Mit welchen Religionen kann ein Philosoph noch einen vernünftigen Dialog führen? Fragen an Jürgen Habermas.

Ein Hinweis von Christian Modehn am 7.7.2024

1.
Im Jahr 2013 äußerte sich Jürgen Habermas erneut (zum letzten Mal in der Öffentlichkeit??) zum Thema „Politik und Religion“ (in dem Sammelband „Politik und Religion“, Hg. von F.W. Graf und H. Meier, C.H.Beck Verlag, 2013, dort S 287 ff.) Das Thema ist seit 2001 für Habermas wichtig.

2.
Wie zuvor tritt Habermas für die Bereitschaft der säkularen Philosophie ein, im Dialog mit den Religionen von den Religionen zu lernen. Dies aber nicht als „philosophisches Hobby“ einiger Spezialisten, sondern weil der Dialog den Transzendenz-Verlust der nachmetaphysischen Welt eventuell einschränken kann…

3.
Auf S. 299 – 300 erläutert Habermas noch einmal die Dringlichkeit des Themas:
Ausgangspunkt sind für ihn die „Mängel des „nachmetaphysischen Denkens“; aber diese „Mängel“ können sich „ausgleichen lassen“ durch die von Habermas oft schon geforderte „Versprachlichung des Sakralen“, es geht also um das Übersetzen religiöser Weisheiten in eine allgemein zugängliche vernünftige Sprache.

4.
Dieses Projekt ist dringend: Habermas spricht von dem „sich zum Universum abschließenden und versiegelnden Kapitalismus, der die Politik entwaffnet und die Kultur einebnet“.

Und angesichts dieser düsteren Situation der Lebensverhältnisse im Kapitalismus ist Habermas von „der Frage beunruhigt”, ob die philosophische Vernunft heute noch die Kraft findet, den eigenen „Defätismus“ (so Habermas wörtlich) zu überwinden.
Die Frage also ist: Hat der „in der Philosophie selbst brütende Defätismus der Vernunft“ die „Kraft zu einer Transzendenz“, so wörtlich, (also einer Transzendenz des Geistes, der Vernunft) „von innen vollends aufgezehrt“? Ist die „Spannkraft eines über den jeweiligen Status Quo hinauseilenden normativen Bewusstseins zermürbt“?

5.
Als Habermas diese Frage 2013 erörterte, gab es schon heftig den gewalttätigen, militanten religiösen Fundamentalismus in allen Religionen. Heute (2024) hat sich dieser religiöse Fundamentalismus weiter ausgebreitet und verschärft. Und manche Beobachter meinen zurecht, es gibt eigentlich kaum noch christliche dogmen-kritische, demokratisch organisierte, nicht – fundamentalistische sich christlich nennende Kirchen. (Bei den Orthodoxen ist die Situation noch düsterer, sie Patriarch Kyrill in Moskau).
Der römische Katholizismus kann sich diesem kleinen Kreis vernünftigen christlichen Glaubens leider nicht zugehörig fühlen, trotz aller ein bißchen progressiv wirkenden Aussagen von Papst Franziskus ! Der römische Katholizismus ist so stur, dass er sich bis heute gern stolz „nicht – demokratisch“ definiert. Wenn die „heilige Kirche“ schon nicht demokratisch ist, warum sollen es dann Staat und Gesellschaft sein, fragen sich viele katholische Lateinamerikaner z.B. und lieben dann halt die autoritären Regime seit altersher.
Und auch das weite Feld dessen, was sich protestantisch nennt, ist schon von Fundamentalisten beherrscht, man denke an die USA und die Herrn Trump förmlich anbetenden Massen der Evangelikalen.

6.
Also: Mit welchen Religionen hat die postsäkulare Philosoph überhaupt noch ernsthaft lernbereite Dialoge führen? Der Kreis der wirklich zu einem vernunftbestimmten Dialog innerhalb der Religionen ist heute (2024) minimal.

7.
Es wird natürlich immer Dialoge der höchsten Religionsvertreter geben, da werden gern fromme Sprüche ausgetauscht, aber unklar bleibt, welcher Maßstab denn ein mögliches gemeinsames inter -religiöses Friedensengagement bestimmt. Dies kann dich nicht ein bestimmter religiöser, kein konfessioneller Maßstab sein!

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin