Weihnachtslieder: Verstehen wir, was wir da singen?

Über ein „Opium des Volkes“ und ein „Opium für das Volk“.
Ein Hinweis von Christian Modehn

Die meisten Lieder zur Weihnachtszeit dienen der kurzfristigen Verzauberung der elenden Wirklichkeit. Wer diese “entrückten Momente” des Wegtretens in eine Traumwelt angemessen und betäubend – hilfreich findet, kann die Lieder selbstverständlich singen. Diese SängerInnen sollen nur nicht meinen, mit dem Wachrufen kurzer Verzauberungen hätten sie verstanden, was die humane Botschaft Jesu von Nazareth ist, schon gar nicht darf diese (!) Verzauberung als Vorschein der messianischen Welt gedeutet werden.

1.
Darf man Lieder gedankenlos singen? Wahrscheinlich. Wie viele dumme Schlager und Songs werden mitgesungen, ohne dabei auf den Inhalt dieser so genannten „Poesie“ zu achten.. Singen macht offenbar vielen Menschen einfach nur Spaß, sie lieben halt mehr die Melodien als den Inhalt. Die süßen oder manchmal harten Klänge wecken dabei diffuse Erinnerungen an die Kindheit, die Jugend, da singt und summt man gerne mit und versinkt im „einst“.

2.
Das gilt auch für die Weihnachtslieder, die seit Ende November allerorten erklingen, auf den Weihnachtsmärkten, als akustische Dauerberieselung auch in Kaufhäusern und „shopping – malls.“

3.
Und viele Weihnachtssongs sind auch Kirchen – Lieder, manchmal noch „Choräle“ genannt; sie werden eben auch in Gottesdiensten gesungen: Etwa „Stille Nacht“. Oder „Es ist ein Ros entsprungen“ oder „O du fröhliche…“ „Vom Himmel hoch“, singen wir mit dem Engel, der Frieden verheißt (aber nicht realisiert).

4.
Diese Songs kann man gedankenlos mitsingen und mit-summen oder die Musik an den Ohren kurz vorbei rauschen lassen, vielleicht mit einer Träne im Auge und mit dem Gedanken „Ach, wie schön war doch die Kindheit“…

5.
Diese Erinnerung ist manchmal auch eine Regression, sie beruhigt kurzfristig in diesen verrückten Zeiten („Nicht nur Religion, auch Musik als Opium des Volkes“…).

6.
Aber einige Menschen können sich und sollten sich nachdenklich und kritisch die Frage stellen: Was singe ich da eigentlich im Advent und zu Weihnachten, welche Bedeutung haben die Worte der Lieder?

7.
Kurz zusammengefasst: In den meisten üblichen kirchlichen Weihnachtsliedern wird eine Gestalt des christlichen Glaubens beschworen und verbreitet, den man heute theologisch als hoch umstritten, sogar als irreführend, falsch, als „von vorgestern“ bestimmen sollte. Diese Texte sagen einen christlichen Glauben aus, den ein vernünftig Glaubender heute (und den Typ des Glaubenden gibt es vielleicht noch) nur noch als historische Erinnerung deuten kann.

8.
Im wichtigsten Song zur Weihnachtszeit „Stille Nacht“ heißt es. „Christ, der Retter ist da“. Der Retter soll also „da“ sein, anwesend sein. Hat er als anwesender Retter die Welt verwandelt? Das behaupten ja die Weihnachtslied – SängerInnen.
Aber allein das Bekenntnis zu diesem Retter in der Gestalt des Kindes Jesus rettet eben gar nicht. Das Lied führt in die Irre, weckt falsche Hoffnungen: Denn der Retter ist erst da, erst dann wirksam, wenn Menschen anfangen, diesem Menschen Jesus, dem Weisheitslehrer, praktisch zu folgen und selber Frieden schaffen, selber Gerechtigkeit schaffen und nicht tränenreich singen: Wie schön, „der Retter ist da“, der wird’s schon machen.

9.
In dem katholischen Weihnachtslied „Heiligste Nacht“ (Kathol. Gesangbuch für das Erzbistum Berlin Nr.806) heißt es in der 2. Strophe: „Was uns der Sündenfall Adams geraubt, schenket uns deine Huld, sie tilgt die Sündenschuld, jedem, der glaubt“.
Da wird das uralte theologische Zentrum sehr vieler kirchlicher Weihnachtslieder ausgesprochen: Erlösung durch das Kind in der Krippe ist Befreiung von der Erbsünde, die Adam und Eva begangen haben, so der Mythos aus dem biblischen Buch Genesis. Diese Erbsündenlehre ist inzwischen als theologische Ideologie entlarvt worden, dazu gibt es stapelweise theologische Studien LINK, aber diese Ideologie wird immer noch behauptet von den Kirchenführungen und….zu Weihnachten besungen. Wäre diese Erbsünde besiegt, wäre wohl die Menschheit in einem besseren Zustand. Nein: Die Welt wird nur besser, wenn die Menschen gerecht handeln, und das könnten sie, das sollten sie, die Menschenrechte sind formuliert, aber sie bleiben Papier. Und die Weihnachtssänger schalten lieber Ihre Vernunft aus und singen: Das Jesuskind tilgt die Erbsünde … wie soll man bloß solch einen „Glauben“ bezeichnen?

10.
Auch in dem Lied „Es kam ein Engel hell und klar“ (Kath. Gesangbuch Nr. 138, 4. Strophe) heißt es im traditionellen Sinne der Befreiung von der Erbsünde. „Christ, unser Gott (sic!) der will euch führen aus aller Not … und von allen Sünden machen rein.“

11.
Die meisten dieser kirchlichen Weihnachtslieder verwirren den Geist, führen sozusagen in spinöse seelische und geistige Regionen, in Denkwelten, die Märchenwelten sind. Manche sagen ja: Märchen helfen, Märchen heilen. Aber sie erzeugen eben faktisch Märchenwelten.
Wie sieht denn die Bilanz der Weihnachtsfeste seit ca. 1.700 Jahren aus? Wie die Bilanz der tränenreich gesungenen Weihnachtslieder? Es ist evident: Nicht sehr viel Gutes hat das Singen dieser Songs faktisch, überprüfbar, bewirkt, nicht viel für den Frieden getan, für die Gerechtigkeit. Hilfosigkeit als auch zu Weihnachten.
Bezeichnenderweise werden zu Weihnachten Spenden gesammelt von uns Reichen und Superreichen, um durch Spenden das Elend der Armen zu mindern,. Nicht gerechte Politik ist DAS Weihnachtsthema, sondern Spenden, lächerlich geradezu.

12.
Noch einmal: Die Liste einer theologisch – kritischen Betrachtung der üblichen Weihnachtslieder in beiden so genannten Volkskirchen in Deutschland ließe sich fortsetzen. In diesen Liedern wird ein illusorischer, ein ideologischer vergifteter (Erbsünden-) Glaube besungen, den die Menschen am Heiligabend einfach so mitsingen und irgendwie übernehmen. Wer in seinem Leben mindestens 20 mal Heiligabend Gottesdienste und Messen besucht und diese und andere Songs gehört hat, entwickelt einen naiven, einen unreifen Glauben. Die übliche Form der Weihnachtsgottesdienste kann also für die religiöse, seelische Reifung gefährlich sein.

13.
Man könnte ja auch die Texte des Weihnachtsoratoriums von J.S. Bach analysieren, was da so alles inhaltlich gesungen wird. Aber in dem Fall verhält es sich wohl so wie mit Opern und Operetten: der Text ist eigentlich egal, Hauptsache die Musik stimmt. Und die Musik stimmt bei Bach.

14.
Was also ist Weihnachten für uns als Menschen, die auch zu Weihnachten nicht unsere Vernunft und das kritische Nachdenken auf Eis legen?
Es ist die Geburt eines Weisheitslehrers, der viel Richtiges und Wegweisendes sagte: Liebe zuerst! Gerechtigkeit zuerst! Frieden zuerst. Menschenrechte sind etwas Heiliges. Sie sollten also in den Gottesdiensten gelesen und besprochen werden. Und: Respekt für einen transzendenten Grund allen Seins, der Güte ist und nicht auf sture Befolgung von irgendwelchen Gesetzen Wert legt.
Jesus von Nazareth ein Weisheitslehrer also, der sein Leben hingab im Dienst an der Gerechtigkeit. Und der Menschen ermuntert, seinen Inspirationen, zusammen mit anderen humanen Inspirationen anderer Weisheitslehrer, zu folgen…

Das wäre schon alles, was an Weihnachten zu sagen und singen ist. Aber das als Realität einmal zu erhoffen, ist eine Utopie. Die meisten Menschen und mit ihnen die Kirchen lieben aufgrund der langen üblichen, erstarrten Weihnachtstraditionen das Trallala, den Rausch, das Absinken in ferne Welten der Regression zu Weihnachten. Opium halt. Begleitet vom Konsum – Rausch derer, die mit viel Geld Überflüssiges kaufen. Und manchmal etwas spenden. eher

15.
Der berühmte niederländische Theologe und Poet Huub Oosterhuis aus Amsterdam (+ 2023) hat auch Weihnachtslieder und Weihnachtsgedichte geschrieben, die für ein reifes, kritisches religiöses Bewusstsein sagbar und singbar sind. Oosterhuis hat leider auch in Holland nur eine eher begrenzte Aufnahme, zumal in katholischen Kreisen, gefunden, in Deutschland kennt man ihn auch nicht angemessen. In dem Buch „Du Atem meiner Lieder“ (Herder Verlag, 2009) heißt ein schönes Weihnachtslied von Huub Oosterhuis:

„Jesus, Kind aus Nazareth,
Liebe, sagst du, lässt sich tun,
Wirk in uns, dass wir dich tun, leucht in uns, dass wir dich sehn!

Dass wir unser Leben leben,
Dass wir tun, was nötig ist: Rechte für jedes Menschenskind, Brot für jedes Kind von Menschen
Eine neue Welt in Frieden und der Tod wird nicht mehr sein…

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

Weihnachten: „Christus, der Retter, ist da…“ Oder: „Jesus der Retter ist da” ?

….diese Frage ist alles andere als theologisch nur subtil…
Ein Hinweis von Christian Modehn

1.
In Krisenzeiten neigen Menschen dazu, sich in (angeblich) altbewährte Traditionen zu flüchten, wenn sie sich denn nicht gleich Wahnvorstellungen und Verschwörungstheorien hingeben.
Um beim Weihnachtsfest zu bleiben: Es gibt das Bedürfnis in unserer „durchrationalisierten“ und digitalisierten Welt der totalen Ernüchterung, in die „verzauberte“ Welt der Kindheit, der Märchen und Legenden einzutauchen, um dort – wie im Traum – etwas Halt und seelische Wärme zu empfinden: Weihnachten ist der Inbegriff der Ergriffenheit, der Traditionspflege, des „Einst war es so schön“. Der ganze Kommerz–Wahn zu Weihnachten hat diese Wunschvorstellung nicht nur nicht kleingekriegt, der Kommerz hat diffuse Sehnsüchte wohl noch beflügelt…

2.
Also bleiben wir realistisch: Man kann wirklich nicht sagen, dass die Weihnachtsgefühle inklusive der obligaten Weihnachtslieder tatsächlich eine spürbare Verbesserung der Lebensverhältnisse gebracht haben. Man hat „Christus der Retter ist da“ viele Male gesungen, vielleicht mit Tränen in den Augen voller Wehmut, der Kindheit gedenkend … und ist dann drei Tage später wieder in die übliche Alltagsroutine zurückgefallen, die Alltagsroutine aus Egoismus, Hass, Neid, Gier. Weihnachten und seine humane Botschaft hat zu keiner Neuorientierung, zur Abkehr vom üblich gewordenen Inhumanen geführt. Das über alle die Jahrzehnte und Jahrhunderte empirisch zu belegen, wäre eine tolle Aufgabe. Die Kirchen würden solche Forschungen bestimmt nicht unterstützen…Also: Wer will im Ernst der Erkenntnis widersprechen, dass Weihnachten gefeiert und Weihnachtslieder gesungen,  wenig spürbar zu einer menschlicheren Welt beigetragen hat. Das ist die traurige Bilanz einer Religion, die sich als Heil, als Rettung selbst versteht. Bestenfalls fand diese Erlösung, Rettung, dann im Innern der privaten Seele statt.

3.
Manche „Optimisten“ werden auf die Bereitschaft zum Spenden hinweisen für „Brot für die Welt“ oder „Adveniat“. Aber Spenden für die Armen sind nun einmal der hilflose Ausdruck dafür, dass „wir Erlöste“ strukturell die Welt nicht verbessern können: Der Hunger besteht weiter weltweit seit Jahren, die Kriege sind Alltagsrealität, die Rüstungsindustrie floriert, die Zahl der Milliardäre nimmt zu, die der Armgemachten ebenso… Da sind Spenden ein Alibi für die Hilflosigkeit der Kirche, wirklich praktisch und politisch und sozial spürbar durchzusetzen, dass „Christus der Retter da ist“. Es blieb und bliebt also beim Singsang. Wirkungslos. „Ohne Resonanz“ würde der Soziologe Hartmut Rosa wohl sagen.

4.
Mein Vorschlag zu einer wirklichen wirksamen Resonanz von Weihnachten zu kommen: Singen wir zum Beispiel nicht länger „Christus, der Retter ist da“, sondern „Jesus, der Retter ist da“. Das ist mehr als eine theologische Spitzfindigkeit. Da geht es um Wesentliches. Aber das muss erklärt werden.

5.
Mir geht es um ein Thema, das nicht nur religionsphilosophisch Interessierte bewegt: Wenn der christliche Glaube, auch im Falle von Weihnachten, im Leben des einzelnen noch eine Rolle spielen soll, dann ist Glaube sinnvoll nur zu definieren als eine Form der Lebensorientierung, als eine Gestalt einer Lebensphilosophie. Der christliche Glaube als Lebensphilosophie mit der entsprechenden Lebenspraxis: Dann ist immer – wie bei jeder Philosophie – gemeint das vernünftige Verstehen, das Reflektieren, also auch logischerweise die Kritik der „Inhalte“ dieser Lebensphilosophie, die da als kirchlicher Glaube verbreitet wird.

6.
Wer die uralten Weihnachtslieder betrachtet oder singt und eben darin einen hilfreichen Ausdruck seiner Lebensphilosophie sehen will, sollte sich also fragen: Was singe ich da eigentlich, welche Inhalte singe ich oder summe ich dann mit? Wenn es mir auf den Inhalt, den „Text“ der Lieder gar nicht mehr ankommt und diese für mich verständlicherweise veraltet wirken, dann reicht es, einige Weihnachtslieder einzig instrumental zu inszenieren. Und ich kann beim Hören der Melodie mir meine eigenen Gedanken machen jenseits von „O Kindelein von Herzen“ und den „himmlischen Heeren, die Ehre jauchzen“ usw. Nebenbei: Eines der wenigen, auch vom Inhalt her noch singbare alte Weihnachtslied ist das von Paul Gerhardt: „Ich steh an deiner Krippen hier“…

7.
Das beliebte Lied „Stille Nacht…“ verdient eine besondere kritische Aufmerksamkeit. Da heißt es in der 2. Strophe: „Christus der Retter ist da“? Christus ist der Retter. Und er soll also „da“ sein.
Wer das singt, hat, irgendwie verschwommen, einen oder seinen „Christus“ vor Augen, eine Art hoheitlicher Heilsgestalt, einen Gottessohn, der sich am Ende seines Lebens blutend und leidend für die Sünden der Menschen hingibt und dadurch seinen zornigen Vater(gott) versöhnt. Ist diese Überzeugung von Christen aus dem Mittelalter heute noch glaubwürdig und nachvollziehbar? Wie viele andere Theologen und Religionsphilosophen sage ich Nein. Es geht Weihnachten um Jesus von Nazareth, geboren als Kind von Obdachlosen in der Krippe zu Bethlehem, im Stall, inmitten seiner Eltern Maria und Josef. Dann war Jesus in Nazareth als Tischler tätig, später als Prophet und Prediger. Und er wurde umgebracht und später wussten seine Freunde: „Er ist der „Auferstandene“.

8.
Und jetzt kommt in meiner Sicht – ein theologisches Ereignis! Ein spiritueller Umbruch. Dabei geht es nur dem Schein nach um etwas Subtiles für „Spezialisten“: Es geht um den Unterschied zwischen „Christus“ und „Jesus“. Christus ist der himmlische Herr oder der Sühne leistende Sohn Gottes. Dies gilt, selbst wenn oft von „Jesus Christus“ die Rede ist: Da tritt aber die Gestalt des Jesus immer in den Hintergrund gegenüber dem allmächtigen Christus.

Jesus von Nazareth hingegen ist eben der Mann mit einer bestimmten Geschichte, mit einem Lebensentwurf, einer bestimmten Lebensphilosophie. Er ist ein Mensch mit einem Gesicht, einer Geschichte, er wird zum Propheten, den viele für einen Lehrer, einen Weisen halte.

9.
Und was ist das „theologische Ereignis“? In der heute üblichen katholischen Version heißt es seit 1975 im Lied „Stille Nacht“ sehr treffend: „Jesus der Retter ist da“. Im katholischen Gesangbuch „Gotteslob“, (Lied Nr. 145, in „Gotteslob“, Berlin, Morus-Verlag, 1975, Seite 219) rettet also Jesus. Die Evangelische Kirche in Deutschland und alle volkstümlichen Songs singen hingegen nach wie vor: „Christ(us) der Retter ist da“. In einer kritischen heutigen Theologie hat die katholische Version zweifellos recht: Jesus ist der Retter, Jesus ist da ALS Retter: Warum ist Jesus für uns der Retter? Und nicht die abgehobene Christus-Gestalt?

10.

Natürlich kann diese einzelne, konkrete Person aus Nazareth nicht die Welt, nicht alle Menschen dieser Welt seit Anbeginn der Welt, retten, umkrempeln, zum Besten führen, allen Schmerz und alles Leiden auslöschen. Aber er als Person, mit einem Gesicht, einer Geschichte, mit seiner Liebe zur Gemeinschaft, zum gemeinsamen Speisen, seiner Praxis der Meditation und des gelegentlichen Rückzugs in die Wüste, mit seiner Liebe für die Frauen, seiner Liebe zu seinem “Lieblingsjünger Johannes” usw.: Dieser Mann Jesus weckt eine Resonanz! Da wird Leben geweckt – anders als bei der abstrakten Christusgestalt, dem Himmelherrn, dem Logos, dem sich aufopfernden Gottessohn etc.

11.
Jesus von Nazareth kann Welt und Menschen nur insofern als „Retter“ angesprochen werden, als sich Menschen einigen Aspekten seiner Lebensphilosophie, der des Menschen und Propheten Jesus von Nazareth im Geist, in der Seele, in der Praxis anschließen. Also: Nächstenliebe, Solidarität, Gerechtigkeit, Freundlichkeit als oberste Werte anerkennen. Wie bei jedem Menschen können wir einiges von dem, was er lehrte, problematisch finden und heute zurückweisen: Wie etwa Jesu Vorstellung seiner alsbaldigen Wiederkunft…
Jesus, der Retter ist da: Aber bitte differenziert betrachtet, als Vorbild und damit als Einladung, den Weg der Humanität mit ihm zu gehen. Diese humane Praxis war für Jesus von Nazareth der einzig wahre Gottesdienst, wie alle wissen, die das Neue Testament lesen (vgl. Matthäus, Kap. 25, Verse 31-46).

12.
Jesus von Nazareth als Vorbild für eine individuelle, aber auch politische Lebensgestaltung, die allen Wert auf Dialog, Versöhnung, Gerechtigkeit legt: Aber für das soziale und politische Zusammenleben bleibt das entscheidende Kriterium unsere Bindung an die universalen Menschenrechte, die in mancher Hinsicht auch einiges den Lehren des Jesus von Nazareth verdanken.

13.
Man denke daran, dass der große katholische Theologe Edward Schilllebeeckx (Nijmgen, NL) von Jesus als dem erlösenden Vorbild sprach. Insofern befinde ich mich hier in bester theologischer Gesellschaft. Und Jesus als Vorbild führt weiter zu der argumentierenden Frage: Wo sind heute weitere Vorbilder? Wahrscheinlich Gandhi oder Martin Luther King? Oder Bonhoeffer? Oder Erzbischof Romero aus El Salvador? Oder bestimmte Werke der Musik, vielleicht die Missa Solemnis von Beethoven? Oder manches von Literaten oder von Malern, etwa von van Gogh? Wie auch immer: „Jesus der Retter ist -in gewisser Hinsicht – da“. Rettung erhält so ein Angesicht, eine historische Konkretheit. Rettung ist dann etwas anderes als ein transzendentes, als ein nur innerliches Geschehen der Versöhnung, das sich abstrakt „himmlisch-irdisch“ zwischen Gott – Vater und seinem „eingeborenen“ Sohn „abspielt“.

14.
Rettung der Welt, auch ökologisch, auch friedenspolitisch… wird zur Aufgabe der Menschen, die Weihnachten feiern. Nicht als Last, nicht als Fremdbestimmung, sondern als Form, das eigene Wesen zu leben, lebendig zu sein. Vorbilder und ethische Reflexionen stehen uns zur Verfügung.

Weihnachten hat also nichts mit Nostalgie zu tun, sondern mit Lebensenergie. Weihnachten ist das „Eingedenken“ an Jesus von Nazareth, den Lehrer der Weisheit, den Propheten. Das „Eingedenken“ an diesen Menschen kann inspirieren und „Resonanz erzeugen“.

Copyright: Christian Modehn, www.religionsphilosophischer-salon.de