„wo der eigene Wille im Klima strengen Gehorsams ausgelöscht wird“: Das Kloster Le Barroux und “Christ und Welt” (Die ZEIT)

Wenn Frömmigkeit mit Unterwerfung sich verbindet: Das Kloster le Barroux

Ein zweiter Hinweis auf Tobias Haberls zweiten Beitrag über seinen Klosteraufenthalt

Von Christian Modehn. Meinen ersten Beitrag (28.3.2018) lesen Sie hier.

Es ist bemerkenswert, dass Herr Haberl trotz meiner kritischen Hinweise für sein Lieblingskloster Le Barroux nach wie vor, so wörtlich am 5.4. 2018, eine „Faszination“ hat…

Mich freut es, dass in „Christ und Welt“ (5.4.2018), Beilage der „ZEIT“, Tobias Haberl auf meine kritischen Hinweise zum Kloster Le Barroux (bei Avignon) und seinen Aufenthalt dort reagiert. Das zeigt, dass Beiträge im Internet (www.religionsphilosophischer-salon.de) manchmal ernst genommen werden in den Printmedien. Von der journalistischen Sorgfalt her wäre es aber m. E. geboten gewesen, meinen Internet Beitrag auch nun gedruckt den LeserInnen zugänglich zu machen. Daran hatte die Redaktion wohl kein Interesse. So sind viele LeserInnen darauf angewiesen, meine kritischen Hinweise durch die Brille von Herrn Haberl zu lesen. Dabei entgeht ihnen vieles. Darum noch einmal eine weiter führende Stellungnahme.

Warum also noch einmal über Le Barroux reden? Warum ist es – bei aller Freiheit und Religionsfreiheit – bedenklich und der Kritik wert, auf die Gottsuche in Le Barroux zurückzukommen? Weil von dem Besucher dort nun über „Christ und Welt“ eine Ideologie verbreitet wird, die ich gelinde gesagt für sehr problematisch halte in einer demokratischen Gesellschaft. Denn es wird eine Überzeugung verbreitet, die über die Frömmigkeit hinausgeht und die Gesellschaft, also auch das demokratische Miteinander, betrifft. Da wird sehr deutlich, am Schluss des Beitrags, eine Ideologie verbreitet, die man aus rechtsextremen Kreisen gewöhnt ist: Es geht um die Sympathie, wenn nicht das Plädoyer Haberls für „strengen Gehorsam“, für die „Aufgabe des eigenen Willens“, für die „Auslöschung“ des Ichs, alles wörtliche Zitate. Diese Haltungen werden von Haberl im Kloster Le Barroux erlebt und sie werden förmlich als Heilmittel beschrieben gegen die moderne Gesellschaft, die von „Ich – Verherrlichung, Gereiztheit, Neurosen“ usw. bestimmt sein soll. Die Weisungen im Kloster, etwa die Aufgabe des eigenen Willens, geschehen, so der Autor, „in einem heiligen Bezirk“ „außerhalb des Alltags“. Die gute Welt des Gehorsams und der Unterwerfung werden der modernen (bösen) Gesellschaft   abstrakt gegenüber gestellt.

Diese Form des Denkens ist von den rechten und rechtsextremen Meisterdenkern bekannt. Sie wird jetzt wieder auch in christlichen Medien propagiert, im Rahmen des Populismus, des Entstehens neuer rechter Parteien etc. Wer selbst in einem strengen Kloster für die Auslöschung des eigenen Willens plädiert und diese Auslösung bei strengem Gehorsam angemessen findet, hat mit Demokratie, Autonomie, Selbstbestimmung, Menschenrechte usw. meines Erachtens nicht allzu viel im Sinn. Diese Art von Frömmigkeit ist Gift für die Entwicklung einer demokratischen Gesellschaft. Darum also geht es mir bei der Kritik an dem Gott, den man in Le Barroux finden will. Es ist der Gott des ancien régime, der Herrscher, der Unterwerfung liebt und der den französischen wie deutschen Freunden rechtsextremen Denkens entspricht, die ja, wie ich nachgewiesen habe, zum engen Sympathisantenkreis des Klosters Le Barroux gehören. Über die intimen und liebevollen Beziehungen etwa des rechtsextremen Bürgermeisters von Orange, Jacques Bompard, zum Kloster und zu den Äbten, wäre zu reden. Solche Informationen sind im Internet jederzeit zu haben. Jacques Bompard ist bekannt dafür, dass er etwa die Stadtbibliotheken säuberte und nur noch Werke rechter und rechtsextremer Autoren anschaffen lässt. Solche Informationen hätte Herr Haberl mit Leichtigkeit gefunden… Haberl suggeriert, dieses Kloster Le Barroux sei ein ganz normales Benediktinerkloster: Das ist eindeutig falsch: Es wurde umworben vom Vatikan, vom damaligen Kardinal Ratzinger, doch „bitte bitte“ bloß den Papst Johannes Paul II. wieder anzuerkennen und aus dem Netz der Lefèbvre Leute formal herauszutreten: Das haben die Mönche dann formal gemacht. Ratzinger war happy, die uralte Messe, die er selbst als Ultrakonservativer so liebt, dort wieder zelebrieren zu dürfen. Aber nichts hatte sich theologisch in Le Barroux geändert: Nicht nur die Messe des 16. Jahrhundert besteht dort fort, der alte antidemokratische Geist ebenso. Nur ein weiteres Beispiel: Nachweislich haben etwa Mönche von le Barrox die heftigen Massendemonstrationen „gegen die Ehe für alle“ unterstützt. Sie mischen auch auf nationaler Ebene gegen alle gesellschaftlichen Erneuerungen politisch mit!

Kann man dann noch, wie Haberl schreibt, „diese reaktionäre und weltabgewandte Aura als wohltuendes Geschenk“ erleben? Als moderner Mensch, wie er sich selbst nennt, ohne dabei eine totale Spaltung von Spiritualität und demokratischem Alltagsleben zu betreiben?

Schade finde ich es, dass Haberl auf seine Klosterlektüre in Le Barroux nicht noch einmal eingeht: Dort befasste er sich mit Kardinal Sarah, dem wohl heftigsten Feind von Papst Franziskus im Vatikan heute. Das Erleben so wunderschöner alter lateinischer Gesänge von Mönchen mit Tonsur und totalem Gehorsam läss sich gut ergänzen von theologischen Schriften, die eine moderne katholische Kirche mit allen Mitteln bekämpfen.

Mich freut es jedenfalls, dass nun durch den 2. Artikel von Tobias Haberls in Christ und Welt auch das theologisch – politische Profil des mit Haberl offenbar befreundeten Schriftstellers Martin Mosebach noch deutlicher wird. Haberl berichtet, dass Mosebach voller Zustimmung das Benediktinerkloster Fontgombault besucht hat, dort werde „eine ins Zeitlose gesteigerte Individualität“ erfahrbar, was immer das bedeuten mag. Das ebenfalls sehr traditionelle Kloster Fontgombault bewegt sich in derselben Grau(-Braun) Zone wie Le Barroux: Die Mönche denken theologisch antimodern, sind aber mit dem Papst versöhnt, weil dieser kein dringenderes Anliegen hat, als diese Abteien aus dem System der Lefèbvre Traditionalisten bloß formal und bloß rechtlich zu lösen. Mosebach liebt diese antimoderne fromme Welt, das ahnten viele, nun wird es von Tobias Haberl noch mal bestätigt. Nebenbei: Da sitzen viele junge Priester in ihrem Kloster, während in den Gemeinden in der Nachbarschaft kein Priester mehr vorhanden ist und kaum noch Messen stattfinden. Aber kann wohl froh sein, dass die Gemeinden von diesen Benediktiner Mönchen verschont bleiben…

Übrigens und das ist bezeichnend für Fontgombault: Der Chef der Milice von Lyon, der Nazi Paul Touvier, der gesuchte Verbrecher gegen die Menschlichkeit, wurde von den Mönchen des Klosters Fontgombault noch in den siebziger Jahren vor dem Zugriff der Justiz versteckt. Willkommen also, Martin Mosebach, in diesem „Milieu“, das so sehr mit dem von le Barroux verwandt ist! Im Juni 1990 bot der Abt von Fontgombault noch seine Garantie an im Falle einer Freilassung des Verbrechers Touvier. Er wurde 1994 zu lebenslanger Haft verurteilt und starb 1996 im Gefängnis Fresnes. (Siehe auch „Paul Touvier et l église, Edition Fayard, Paris, 1992, Seite 300f. Das Buch wurde u.a. herausgegeben von René Rémond).

Für alle, die Französisch lesen können, ein Hinweis auf das Zusammenleben der Bürger im Ort Fontgombault, Dép. Indre, mit dem traditionalistisch agierenden Kloster.

Der Beitrag des Journalisten Hugo Perrier vom 11.3.2014:

Aujourd’hui, je vous emmène à Fontgombault dans l’Indre. Dans ce bourg de 271 habitants, c’est Christine Boutin qui est arrivé en tête lors de la dernière élection présidentielle. Et pour cause, plus d’un tiers des électeurs sont des moines.

Depuis le 15e siècle, ils occupent une magnifique abbaye bénédictine située au cœur du village et cela fait bientôt 40 ans qu’ils votent pour la même personne, Jacques Tissier. Il faut dire que le Maire, fervent catholique, sait se faire apprécier des moines. Seulement, depuis plus d’un an, un vent de révolte s’est levé sur la commune… Des habitants de Fontgombault, une cinquantaine, ont décidé de mener la fronde contre les moines et leur représentant à la mairie, Jacques Tissier. Ils se nomment eux-mêmes “les indignés” et présenteront une liste du jamais-vu depuis 40 ans. Ils reprochent au Maire de ne pas appliquer les lois de la République et de bafouer la laïcité.

# Les Moines

A Fontgombault, ils sont au nombre de 72. Ils sont issus de l’un des courants les plus traditionalistes du catholicisme : le lefebvrisme. Ils vivent cloîtrés dans leur abbaye où ils célèbrent des messes en latin. A chaque élection, ce sont eux qui tiennent le bureau de vote. Ils sont deux au sein du Conseil municipal. Mais récemment, une décision de justice (appel en cours) a mené à la radiation d’une dizaine d’entre-eux des listes électorales. Motif : ils n’habitent plus Fontgombault.

# People

Christine Boutin et Philippe de Villiers sont deux habitués de l’abbaye de Fontgombault. Plusieurs fois, ils ont été aperçus se rendant aux messes données par les moines. Dans les années 70, le chef de la milice lyonnaise sous le régime de Vichy, Paul Touvier, avait trouvé refuge dans cette magnifique abbaye bénédictine.

Wer Christine Boutin und Philippe de Villiers nicht kennt: Beide gehören zum Rechtsaußen in der französischen Parteienlandschaft.

Quelle: Gelesen am 6.4.2018 http://www.bfmtv.com/politique/fontgombault-ville-tenue-moines-729474.html

Ähnliche objektive Informationen bietet auch die Pariser Tageszeitung Libération am 5.3. 2014:

http://www.liberation.fr/societe/2014/03/05/fontgombault-sous-la-coupe-de-la-droite-bure_984831

Zum Schluss: Leider gibt sich Herr Haberl nicht die Mühe, den Autor der Kritik an Le Barroux, also mich, beim Namen zu nennen. Ich bin kein anonymer „Vertreter des Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salons Berlin“, wie Haberl schreibt. „Vertreter“ hat mich bis jetzt noch niemand genannt…. Ich finde diese Art der Entpersonalisierung („ein Vertreter“) ist nicht nur journalistisch nicht korrekt, sie entspricht zudem nicht der angeblich so tiefen und hohen frommen Spiritualität des Herrn Haberl, die er ja in le Barroux gefunden hat, wie er behauptet. Schade, dass die Redaktion auch in dem Falle der Namensnennung ihre Sorgfalts – Pflicht nicht erfüllte.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin