Verlassene Kirchen: Aufgegeben. Verfallen. Christentum im Übergang

Meditative Foto – Studien von Francis Meslet.
Ein Hinweis als Buchempfehlung von Christian Modehn, zuerst 2020 publiziert.

Reisezeit ist für viele auch Zeit der Kirchenbesichtigungen, der gotischen Kathedralen oder der romanischen Dorfkirchen. Oder eben auch, wer realistisch ist, der Kirchenruinen, die sich vor allem in Frankreich, Spanien, Italien geradezu massenwesie befinden. Auch im Land Brandeburg wird man da findig… Wer sich – vielleicht als Fan von Casper David Friedrich oder Carl Blechen – für Kirchenruinen aus kunsthistorichen Motiven interessiert, sollte auch den aktuellen Fotoband von Francis Meslet “Verlassene Kirchen. Kultstätten im Verfall” nicht übersehen und meditativ betrachten.

1.
Ein kultureller Bruch ist in ganz Europa sichtbar: Immer mehr „Gotteshäuser“, wie Katholiken sagen, in denen noch gebetet wird und Gottesdienste gefeiert werden, verschwinden allmählich. Eine altersschwach gewordene Kirche und Konfession zeigt auf diese Weise ihre Altersschwäche, im Verfall von Kirchengebäuden, Kapellen, Klöstern. Noch stehen diese verlassenen Gebäude, noch. Es ist jetzt die Zeit des Übergangs, vom einst Lebendigen zum Verschwindenden, dann zu Verschwundenen, zum Toten.
2.
Der Enthusiasmus der Frommen einst schuf „heilige Gebäude“ in Hülle und Fülle, in strahlender Schönheit oder in merkwürdigem Kitsch. Seit Jahrzehnten ist dieser Enthusiasmus in Europa dahin, entschwunden, aufgegeben. Neue Kirchen werden nur selten gebaut, manchmal von so genannten Stararchitekten, wie Mario Botta. Aber in wie vielen neuen Stadtvierteln werden heute noch Kirchen gebaut? Äußerst selten, man sehe sich nur einmal in Berlins Neubauvierteln um.
Verlassene Kirchen als Zeugnisse des Übergangs. Spiritualität lebt (wahrscheinlich) anderswo. Aber die alten und nun ehemaligen christlichen „Gotteshäuser“ bleiben noch in der Landschaft stehen, Ruinen sind es ja nicht, die Mauern sind noch stabil. Nur der Schutt und Dreck überall im Raum, die zerstörten Heiligenfiguren, die zertrümmerten Sitz-Bänke, die verwahrloste Orgel deuten an: Bald werden die verlassenen Kirchengebäude verschwunden sein, zerfallen als Ruinen oder sie werden abgerissen.
So wird auch das kulturelle Gedächtnis eingegrenzt. Das kulturelle und religiöse Gedächtnis braucht Sichtbarkeiten. Noch sind die verlassenen und langsam verfallenden Kirchen da. Schauen wir sie an, als Zeugen einer untergehenden Epoche. Auch einer untergehenden religiösen und kirchlichen Kultur? Wahrscheinlich ist das so. Die heutigen vielen katholischen Ultra – Mega-großen – Pfarreien werden sich um eine oder zwei große Kirchen gruppieren, so wollen es die Bischöfe, die sich nur mit einem (hoffentlich zölibatären) Priester eine Gemeinde und damit eine gepflegte Kirche vorstellen können. So werden die Bischöfe und ihr mittelalterliches Kirchenrecht mit der Klerus–Fixierung mittelfristig dafür verantwortlich sein, dass es immer mehr verlassene und dann abgerissene Kirchen geben wird.
3.
Es ist ein großes Verdienst des französischen Fotografen und Fotokünstlers Francis Meslet, dass er in einem neuen Buch sein Können zeigt und sich die Mühe machte, verlassene, aufgegebene Kirchen vor dem definitiven Verschwinden und Einebnen zu fotografieren. Er hat zu seinem umfangreichen Fotobuch (das in mehreren Sprachen erschienen ist) eine Einführung geschrieben über seinen persönlichen Weg zu dem Thema. Er betont ausdrücklich, dass die vielen fotografisch dokumentierten verfallenen Kirchen nicht mit Ortsangaben ausgestattet sind. So soll ein möglicher „Ansturm“ von interessierten Touristen verhindert werden, sie könnten den Verfall beschleunigen…Francis Meslet hat einige französische Autoren eingeladen, anlässlich der Fotos zu jeweils einer verlassenen Kirche Meditationen oder Beobachtungen oder poetische Bemerkungen zu verfassen. Die Titel zu den einzelnen Fotos regen die Phantasie an, manche sind verstörend, viele sehr treffend. Religionssoziologische Studien oder theologische Reflexionen darf man in dem Buch nicht erwarten. Francis Meslet weist aber (S.7) darauf hin, dass es in Frankreich eine staatliche „Beobachtungsinstitution für das religiöse Erbe“ gibt, das „Observatoire du Patrimonie religieux“, OPR, in Paris. Auf dessen Website werden ständig lange Listen aktuell bedrohter Kirchen genannt, also alte Gotteshäuser, die als ganze oder hinsichtlich bestimmter Bauteile vom Verfall oder Einsturz bedroht sind. Allein für den Monat Oktober 2020 werden 20 Kirchen genannt, darunter auch 2 protestantische, die als „édifices menacés/fermés“ genannt werden. Für Kirchengebäude, die vor dem Jahr 1905 errichtet wurden, ist der französische Staat verantwortlich, jedenfalls für das äußere Mauerwerk, nicht aber für Gestaltung im Innern, so schreibt es das Gesetz zur Trennung von Kirche und Staat vor.
Francis Meslet weist darauf, dass auch Kirchen von aktuellen Vandalismus angegriffen und zerstört wurden und werden. Vandalismus gegen Kirchen ist bekanntlich vor allem in Frankreich ein weit verbreitetes Vergehen extrem fundamentalistischer oder krimineller Kreise. Der Fotograf erinnert auch an Gemälde, die den Kirchenabriss vor langer Zeit dokumentieren, etwa ein Gemälde aus dem Jahr 1800 mit dem Titel „Abriss der Kirche von Saint-Jean-en-Grève“, gemalt von Hubert Robert, es ist im Pariser Musée Carnavalet zu sehen. Dieser Hinweis ist wichtig: Viele Kirchen wurden im Umfeld der sich radikalisierenden Französischen Revolution, der „Entkirchlichung“, geplündert und zerstört.
4.
Die Fotoserien in dem Buch „Verlassene Kirchen“ beziehen sich auf 37 verschiedene Kirchengebäude aus unterschiedlichen Epochen (vom 11. bis in 19. und sogar 20. Jahrhundert: Diese verlassenen „Gotteshäuser“ – nun, in diesem Zustand, auch von Gott verlassen? – entdeckte Francis Meslet vor allem in Frankreich, aber auch in Italien, Portugal, Belgien und 2 Kirchen sogar in Deutschland.
Oft sind bis zu 10 verschiedene Fotos auf ein Gebäude bezogen. Und wie gesagt, die manchmal poetischen Texte der Einstimmung lassen der Phantasie der Leser freien Raum. Abgesehen von den zahlreichen Texten von Francis Meslet schätze ich besonders die Beiträge des Historikers und Autors Christian Montesinos: Sie sind oft auf aktuelle, letztlich auch religiöse oder sogar theologische Fragen bezogen. Nebenbei: Es ist schon bemerkenswert, dass Francis Meslet keinen Theologen als „Kommentator“ zu seinem Buch eingeladen hat, ist das etwa „typisch französisch“ für die „laicité“?
In seinem Hinweis zu einer Kirche aus dem 16. Jahrhundert in Burgund erinnert Christian Montesinos eher nebenbei daran, dass im 19. Jahrhundert in Frankreich mehr Kirchen neu gebaut wurden „als in allen Jahrhunderten zuvor“. Ich ergänze: In der politischen Restauration nach der Revolution blühte förmlich der katholische Glaube wie eine Art Volksreligion auf, er zeigte förmlich eine Leidenschaft fürs Bauen und fürs Klosterleben.
5.
Die Betrachtung der großen, ganzseitigen Fotos (im Querformat) weckt die Stimmung der Melancholie, besonders bei denen, die den Verfall nur als Verlust deuten. Wichtig sind die Bemerkungen von Sylvie Robic zu einer verlassenen Kirche in Okzitanien aus dem 19.Jahrhundert: „Mit Blick auf das Meer“ ist der Titel. Diese Kirche kannte die Autorin persönlich gut, selbst nachdem gar keine Gottesdienste mehr stattfanden zog es sie dorthin. „Wenn ich mich recht erinnere, ging das so bis zu dem großen Sturm 1977, als so viele Boote nicht zurückkehrten. Wir fühlten uns verraten. Ja, es muss 1977 gewesen sein, als das Dorf die Kapelle aufgab“ (S. 72). Mit anderen Worten: Die Fischer sind mit ihren Booten im Meer versunken. Und die Gemeinde, die Pfarrer, fanden keine passenden Worte des Trostes. Auch deswegen verfallen Kirchengebäude! Die Fotos bestätigen die Aussage: Der kleine 2. Altartisch steht noch, den man nach dem 2. Vatikanischen Konzil brauchte, damit der Priester die Messe dem Volk zugewandt lesen konnte. Voller Staub und Spinnweben zwar stehen auch noch die Bänke. Dazu die ironische (?) Bildunterschrift „Es ist nie zu spät“… Wird diese Kirche noch einmal genutzt werden für Gottesdienste? Wohl kaum. Sie ist wie viele andere Kirchen in diesem Buch aufgegeben worden – auch weil die Gemeinde den Glauben verlor, weil ihnen eine religiöse Lehre vorgesetzt wurde, die kaum noch jemand verstand, die auch das Herz nicht berührte. Mein Eindruck: An den verlassenen Kirchen ist auch die Kirchenführung schuld.
6.
Jetzt stehen die beschädigten Gipsfiguren der Heiligen wie kleine banale Ruinen da, Zeugnisse einer Zeit, als die Kirche mit allerlei Volksfrömmigkeit und Kitsch und grellen Wandgemälden meinte, religiöses Bewusstsein zu fördern, das den Geist der Menschen prägt.
7.
Über dieses Buch, seine hervorragenden Fotos, seine inspirierenden Texte, sollten theologische Debatten und Vorlesungen veranstaltet werden, auch in Kirchengebäuden bzw. katholischen oder evangelischen Akademien. Immer auch unter der Frage: Sind die Gebäude, in denen wir jetzt noch sitzen, in einigen Jahren auch verlassene Kirchen und verlassene Kirchengebäude? Die Antwort heißt wohl mit JA – mindestens “sehr wahrscheinlich”. Weil die verlassenen Kirchengebäude immmer auch mit den von allen guten kritischen Geistern verlassenen Dogmen der Konfessionen verbunden sind, wie etwa dem Wahn des Erbsündendogmas oder der Bindung an christologische Dogmen aus dem 4. Jahrhundert.

Werden die Kirchen heute zu solchen Debatten, etwa anlässlich des Buches „Verlassene Kirchen. Kultstätten im Verfall“, den Mut haben? Ich vermute nein, denn die oberste Tugend der (katholischen) Kirchenleute und Theologen ist bekanntlich Angst, Angst vor den fernen Autoritäten, etwa im Vatikan. Sie reden den Glaubenden ein, als selbsternannte, niemals demokratisch gewählte Autoritäten allmächig und unfehlbar zu sein.

Francis Meslet, “Verlassene Kirchen. Kultstätten im Verfall”. Editions Jonglez, Versailles. 2020. 224 Seiten, viele ganzseitige meisterhafte Fotos. 35 Euro. In Deutschland erreichbar unter Mairdumont in Ostfildern bzw.:buchcontact@buchcontact.de

Copyright: Christian Modehn, www.religionsphilosophischer-salon.de

Katholische Kirche in Deutschland – vor der Abspaltung von Rom?

Ein Hinweis von Christian Modehn

Dieser kurze Hinweis ist interessant, weil er das mögliche Scheitern des „Synodalen Weges“ der katholischen Kirche in Deutschland heute mit einem Hinweis auf das tatsächlich Scheitern des „Niederländischen katholische Pastoralkonzils“ und damit der katholischen Kirche der Niederlande insgesamt begründet. Nebenbei: Bekanntlich hat Philosophie immer die Aufgabe, Religionskritik zu lehren.

Dieser knappe Hinweis hat sechs kleine Kapitel:

1. Die heutige Angst im Vatikan vor einem Schisma.
2. Was ist ein Schisma, bzw. damit eng verbunden, was bedeutet der Häresie-Vorwurf?
3. Der „Synodale Weg“ der Kirche in Deutschland.
4. Das Scheitern der „Synode der katholischen Kirche in den Niederlanden“ als Hinweis auf das Scheitern (die Erfolglosigkeit) des „Synodalen Weges“ in Deutschland.
5. Warum die römische Kirche außerstande ist, tiefgreifende Reformen, die den Wert einer Reformation haben, zu gestalten.
6.
Warum wollen die Herren der Kirche in Rom kein Schisma in Deutschland?

1.
Die katholische Tageszeitung „La Croix“ (Paris) ist meist gut informiert über das, was die päpstliche Kurie und der Papst über die katholische Kirche in Deutschland denken. Der Vatikan-Korrespondent dieser Zeitung Loup Besmond de Senneville publizierte am 26.6.2021 einen Beitrag mit dem Titel: „Deutschland, die große Angst (des Vatikans) vor einem Schisma“. Dieser Titel deutet schon an, wie die Kirchenführer im Vatikan nun in Deutschland Angst erzeugen wollen: Denn nichts ist für „normale“ Katholiken belastender, als eines Schisma bzw. der Häresie angeklagt zu werden.
2.
Schisma ist ein Wort aus dem Griechischen und bedeutet Abspaltung von einer bestehenden Kirchenorganisation. Ein Schismatiker wird aber schnell zu einem Häretiker in der Sicht des katholischen Kirchenrechts, weil etwa die Ablehnung des päpstlichen Primates nicht nur ein Schisma bewirkt, sondern eine Irrlehre ist, also eine Häresie. Es gibt also nur eine geringe Trennschärfe zwischen dem mehr aufs Institutionelle abzielenden Schisma und der Ablehnung bestimmter Dogmen, also der Haltung der Häresie.
Es gab bedeutende Abspaltungen von der römischen Kirche in den letzten Jahrzehnten, etwa die Gründung der Alt-Katholischen Kirche in Deutschland als Protest einiger Theologen gegen das Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit 1871. Es gab die, in Deutschland kaum bekannte, Abspaltung von Rom durch zahlreiche Pfarrer, die 1920 die von Rom unabhängige „Tschechoslowakisch-Hussitische Kirche“ gründeten, die in den ersten Jahren einen starken zahlenmäßigen Zuspruch fand. Diese Kirche besteht bis heute. Man denke an die unabhängige katholische Kirche auf den Philippinen, die Aglipayan – Kirche. Und es gab kürzlich die Spaltung, die der ursprünglich römisch- katholische, dann aber traditionalistische Erzbischof Marcel Lefèbvre 1988 vollzog, als er ohne die Erlaubnis Roms vier seiner traditionalistischen Priester zu Bischöfen weihte. Diese Gemeinschaft besteht bis heute und die römischen Gelehrten sind sich nicht im klaren, ob diese Pius-Brüder nun bloß Schismatiker oder schon Häretiker sind. Viele Kenner meinen, die Traditionalisten sind Häretiker.
Man sieht bei diesem Thema, dass es fürs katholische Denken tatsächlich eine Art „Wahrheits-Zentrale“ im Vatikan gibt, die einfach verfügen kann: „Du bist Häretiker, du bist Schismatiker“. Dass diese Wahrheitszentrale („Glaubenskongregation“, einst „Inquisition“) selbst häretisch sein kann bzw. auch ist, liegt außerhalb des selbstherrlichen Blickfeldes der „Mitarbeiter der Wahrheit“ (so der Wahlspruch von Kardinal Joseph Ratzinger). Man denke nur daran, mit welcher Bravour der Vatikan den Wahn der Erbsündenlehre aus dem 4. Jahrhundert bis heute pflegt und verteidigt….Aber dies ist ein anderes Thema.
3.
Der „Synodale Weg“ der katholischen Kirche in Deutschland, 2019 begonnen, ist durchaus bekannt, es handelt sich um einen „Gesprächsprozess eigener Art“, an dem Laien und Kleriker beteiligt sind. Werden Beschlüsse gefasst, die tatsächlich dringende Reformbeschlüsse wären, wie die Aufhebung des Pflichtzölibates, müssen diese Beschlüsse „selbstverständlich“ in den Vatikan zur Überprüfung und Genehmigung geschickt werden. Nun weiß jedes Kind, dass grundlegende Reformwünsche, wie etwa zum Zölibat oder zum Priestertum der Frauen, von den Herren der Kirche a priori abgeschmettert werden, auch von Papst Franziskus, der bekanntlich alles andere als ein deutlicher und präziser Reform-Theologe und Reformpapst ist.
Der Synodale Weg kann also als eine Art Freizeitbeschäftigung diskussionsfreudiger, oft frustrierter Katholiken, ohne weitreichende Bedeutung, interpretiert werden. Man denke etwa auch an die mit großem Aufwand betrieben, aber ziemlich wirkungslose „Synode der deutschen Bistümer“ in Würzburg (1971 -1975) oder an spätere Beratungsrunden in vielen einzelnen Bistümern, wie auch in Berlin unter Bischof Joachim Meisner, die nichts anderes waren als zeitraubende Debatten. Der Autor dieses Textes, damals noch Mitglied der römischen Kirche, hat selbst an solchen Tagungungen teilgenommen, da wurden Laien vom Klerus mit leeren Versprechen schlicht und einfach in die Irre geführt. Ich denke an die von mir inszenierten Debatten über Kirchenreformen in der Großstadt, die nichts anderes waren als hübsche Plauderstündchen.
Führende vatikanische Kleriker warnen jedoch seit langem vor dem heutigen „Synodalen Weg“: „Niemand weiß, wie weit die Deutschen gehen werden, aber es ist potentiell explosiv“, zitiert der Korrespondent von „ La Croix“ vatikanische Herren, auch Kardinal Pietro Parolin, Staatssekretär des Heiligen Stuhles, hat mehrfach seine Sorgen geäußert, dass der Synodale Weg die Einheit der Kirche störe. (Mit Einheit der Kirche meint er natürlich die vom Vatikan definierte Einheit der Kirche).
4.

In den Niederlanden wurde das Zweite Vatikanische Konzil (1962 – 65) und dessen Reformbeschlüsse mit besonders großem Enthusiasmus aufgenommen. Katholiken veranstalteten von 1966 – 1970 das „Pastoraal Concilie“, das niederländische Pastoralkonzil, ein Beratungsgremium aus Laien, Priestern und Bischöfen. Sie waren entschlossen, auf ihre Weise die Reformvorschläge des Zweiten Vatikanischen Konzils für ihre Kultur und ihr Land umzusetzen und zu erweitern. Am 7.1.1970 wurde etwa vom Pastoralkonzil mit überwältigender Mehrheit beschlossen, dass Priester heiraten dürfen und als verheiratete Priester weiterhin in ihren Gemeinden arbeiten sollten. Dieses Thema war nur eines, das, dem römischen Rechtssystem entsprechend, nur von den Herren der Kirche im Vatikan genehmigt werden konnte. Der Beschluss der katholischen Niederländer wurde selbstverständlich im Vatikan abgelehnt. Zuvor hatten sich die niederländischen Katholiken in Rom total unbeliebt gemacht wegen ihres neuen Glaubensbuches, den sie „Neuen Katechismus“ nannten, ein Buch, das den christlichen Glauben in moderner Sprache nachvollziehbar beschreibt, ohne auf Kirchenkritik explizit zu verzichten, etwa was den Zentralismus der Kurie angeht. Dieses Glaubensbuch wurde in 34 Sprachen übersetzt und zu hunderttausenden von Exemplaren verbreitet. Das waren Zeiten, als einige progressive Geistliche in Deutschland  aus purer Neugier plötzlich begannen, Niederländisch zu lernen, um dieses Buch zu lesen.
Aber Rom hatte nicht das geringste Interesse, in einen Dialog mit den sehr reformbegeisterten Niederländern einzugehen. Der Vatikan hörte damals wie heute auf die Stimmen der Reaktionären und setzte den Niederländern dann Bischöfe vor, die ganz stramm und extrem auf römischem Kurs standen und entsprechend autoritär handelten.
Mit anderen Worten: Das Niederländische Pastoralkonzil war ein begeistertes Unternehmen, auch von den damaligen Bischöfen, wie Kardinal Alfrink oder Bischof Bluyssen unterstützt, aber es war eine Art Spielwiese, die Beschlüsse des Pastoralkonzils konnten nicht Wirklichkeit werden. Immer mehr Katholiken zogen sich enttäuscht von der Kirche zurück, heute (2021) nennen sich noch etwa 23 Prozent katholisch, zur Messe am Sonntag gehen (2021) regelmäßig etwa 1 Prozent. Die katholische Kirche der Niederlande wurde vom Papst (Johannes Paul II. und Benedikt XVI.) de facto als progressive Kirche zerstört, vor allem durch zahlreiche sehr konservative Bischöfe, am bekanntesten wurden Simonis und Gijsen, aber es sind noch viele andere. „Diese reaktionären Bischöfe haben ihre Gläubigen im Stich gelassen“, sagen niederländische Katholiken seit langer Zeit, resigniert. Und die Gläubigen sind „ausgewandert“, aber wohin? In kleinere eigenständige Basisgemeinden (etwa die Gemeinde, die Huub Oosterhuis gegründet hat) oder in progressive protestantische Kirchen (wie die Remonstranten) oder in spirituelle Gruppen, die noch sehr zahlreich sind in Holland. Ein explizit progressiver niederländischer Katholizismus (im „Synodalen Geist“) ist fast nicht mehr vorhanden. Die großen Orden, wie die Franziskaner, Dominikaner, Jesuiten oder Augustiner stehen kurz vor dem Verschwinden, falls nicht polnische oder indische „Mitbrüder“ noch ein leerstehendes Kloster bewohnen wollen. Jedenfalls ist die Kultur der Orden und Klöster, auch der Frauenorden, so gut wie tot. Ursache dafür ist nicht etwa (nur) der vom Rom viel genannte säkulare Ungeist, sondern vor allem das reaktionäre und sture Verhalten Roms und der meisten Bischöfe. Sie haben die Katholiken aus ihrer Kirche vertrieben, das ist klar. Der niederländische Katholizismus wurde von Rom und den meisten Bischöfen „platt“ gemacht, Tendenz „scheintot“, sagen manche. Das wäre ein Thema für deutsche Historiker, die nicht der Kirche und ihrer Kontrolle verpflichtet sind, also keine Theologen, sondern Historiker sind. (Zur führenden progressiven Gestalt unter den niederländischen Bischöfen: Über Kardinal Alfrink : Siehe den Beitrag von Walter Goddijn (1988) in der Zeitschrift Orientierung, Zürich: http://www.orientierung.ch/pdf/1988/JG%2052_HEFT%2001_DATUM%2019880115.PDF

NOCHMAL direkt zu Kapitel 4:
Die Strukturen der römisch-katholischen Kirche sind so, dass die herrschenden Kleriker über alle Gewalten verfügen. Sie haben sich selbst zu den einzig maßgeblichen Interpreten der Bibel und der Kirchenlehre gemacht, der Papst hat sich mit seinem Anspruch, in Glaubens-und Sittenfragen unfehlbar gemacht und ins Getto eingemauert. Nun gibt es zwar die ca. mehr als eine Milliarde katholischer Laien: Aber die haben in der Kirche nichts zu bestimmen, können nicht mitbestimmen und mitentscheiden. Sie sind wie immer die gehorsamen Schäfchen, denen der Klerus jetzt, weil alles andere total blamabel wäre, gewisse Debattiermöglichkeiten freistellt. So weckt diese autoritäre und, was Demokratie angeht, wahrlich aus der Zeit gefallene religiöse Großorganisation nur den Anschein, dialogbereit und lernfähig zu sein. Sie ist es aber gar nicht. Dies nicht nur zu erkennen, sondern auch mit allen Konsequenzen für einen anderen religiösen Weg anzunehmen, fällt sehr vielen Katholiken schwer. Sie begeben sich gern auf die Spielwiese und fühlen sich aufgewertet, weil sie ein paar Worte sagen, die bei den ewigen Strukturen dieser Klerus beherrschten Kirche aber letztlich keinerlei Rolle spielen. Masochismus und katholische Kirchenbindung waren und sind oft eine innige Einheit.
Um wirklich frei und befreit zu sein, muss ein Schisma doch auch mal gewagt werden. Davon hat der große Reformtheologe Hans Küng leider nie gesprochen. Hätte Luther ewig Angst vor dem Papst gehabt, wäre die Papstkirche entweder verschwunden (was Nietzsche bereits voller Freude andeutete) oder sie würde als riesiges Renaissance – und Barock – Theater noch fortbestehen, zur Erbauung aller Theaterfreunde.
6.
Warum also wollen die Herren der Kirche in Rom kein Schisma der deutschen Katholiken? Nicht nur aus theologisch – ideologischen Gründen, damit des Vatikans Herrschaft universal bleibt.
Die Antwort ist auch und sehr materiell: 6,76 Milliarden Euro hat die katholische Kirche im Jahr 2019 an Kirchensteuern eingenommen. Auch die Spenden für den Vatikan, „Peterspfennig“ genannt, sind beträchtlich. Bricht diese ultrareiche deutsche Kirche für den Vatikan weg, wird sie schismatisch, geht sie eigene Wege, wäre dies auch ein finanzielles Desaster für den Vatikan, auch darauf weist der Korrespondent von „La Croix“ ausdrücklich hin.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Neues von den Legionären Christi: Der Nachwuchs im Orden bleibt aus… und die alten Freunde des Gründers sind aktiv…

Ein Hinweis von Christian Modehn am 18.6.2021.

Der Grund für diesen erneuten Hinweis auf den katholischen Orden der Legionäre Christi (gegründet von dem als Verbrecher geltenden Pater Marcial Maciel): Der Orden klagt über den geringen „Nachwuchs“.

1.
Über die katholische Ordensgemeinschaft „Legionäre Christi“ hat der „Religionsphilosophische Salon Berlin“ seit 2007 regelmäßig berichtet, dadurch haben viele andere Journalisten überhaupt erst wichtige deutschsprachige Informationen erhalten und davon profitiert. LINK
Unser Interesse hat nicht nur theologische Gründe, sondern auch philosophische, also religionskritische Motive. An dieser von Päpsten bis zu Johannes Paul II. geliebten und bevorzugten Ordensgemeinschaft wird die systemische Korruption innerhalb der Kirche, als Klerus-Kirche, offensichtlich.

Der korrupte Ordensgründer und enge Freund des polnischen Papstes, also der sich Generaldirektor seines Ordens nennende Mexikaner Pater Marcial Maciel seit 13 Jahren tot. Aber die Korruption seiner Person und seines Ordens wirkt weiter und wird weiter dokumentiert. Bevor dazu einige Hinweise folgen, hier zur Erinnerung einige Fakten:

2.
Wenn man angesichts der Menge der Untaten richtig zählt, dann sind bislang dem Pater etwa 60 „Fälle“ sexuellen Missbrauchs und Vergewaltigungen nachgewiesen, Untaten, die er als nach außen hin zölibatär lebender Priester an seinen eigenen Kindern beging, geboren von seinen (sehr wohlhabenden) Gebliebten. Maciel war also nicht nur „pädophil“, er war offenbar bisexuell … Seine besondere Leidenschaft aber war das Geldbeschaffen in Millionenhöhe, Geld für sich und seinen Orden. All dies war in Rom, also im Vatikan und in seiner Heimat Mexiko und den USA, seit Jahrzehnten bekannt.

3.
Erst Papst Benedikt XVI. hat den greisen, aber aktiven Ordensgründer aus dem „Verkehr gezogen“, nicht etwa, dass er ihn den Justizbehörden übergab. Nein, Benedikt ermahnte ihn in der üblichen klerikalen Kumpanei zur Buße und zum zurückgezogenen Leben. Daran hielt sich der umtriebige Ordensgründer nun gar nicht, sondern nutzte die freie Zeit bei seinem Millionen-Vermögen (als „armer Ordensmann“), um noch mal das Leben zu genießen, er hielt sich vorwiegend in den USA auf, dort ist er in den Armen seiner Getreuen und Geliebten verstorben.

4.
Einige neue Erkenntnisse, die der Mexiko – Korrespondent der katholischen Tageszeitung LA CROIX, Diego Calmard, am 17.6.2021 in dieser Pariser Tageszeitung veröffentlicht.

Etwa ein Drittel der Mitglieder des Ordens lebt in Mexiko, dem Heimatland des Ordensgründers. „La Croix“ nennt 385 Legionärs – Priester in Mexiko. Sie hatten kürzlich dort ein „Ordenskapitel“, eine interne Konferenz und stellten fest: „Es gibt eine Notlage, was den Ordensnachwuchs betrifft, es gibt eine kontinuierliche Verminderung der Zahlen neuer Mitglieder“. Das bestätigt der ehemalige Legionär Christi, Cristian Borgono in „La Croix“: „Die Alten blieben, es gibt wenige Seminaristen, also Priesteranwärter. Die große Mehrheit der 300 Mitglieder, die aus dem Orden geflohen sind, waren eher jüngere Mitglieder“. Cristian Borgono hat die Facebook Legioleaks geschaffen.
Ende März 2021 musste der Orden 27 Namen weiterer Priester veröffentlichen, die 175 sexuelle Vergehen an Minderjährigen begangen haben, so “La Croix”.
Die Mexikanische Bischofskonferenz hat dieser Zeitung keine Stellungnahme gegeben, was sie jetzt vom Orden der Legionäre denkt. Der päpstliche Nuntius im Land, Bischof Coppola, versichert jedoch der Zeitung: „Die Legionäre erfüllen eine fundamentale Mission, die die Kirche vergessen hat: die spirituelle Begleitung“. Eine denkwürdige, man könnte sagen allzu wohlwollende Sympathiebekundung für diesen Orden. Der Nuntius betont: „Die Legionäre Christi sind ein Patient auf dem Weg der Heilung“.
Erstaunlich, dass der ehemalige Legionärspriester Christi Cristian Borgono über den neuen Chef des Ordens in Mexiko berichtet: „Pater Siman und andere Verantwortliche des Ordens standen dem Gründer, Pater Maciel, nahe“. Können diese Leute den Orden heilen?
5.
Tatsache ist ferner, dass der Orden sich bemüht, mit den Reichen in Mexiko, die man „Elite“ nennt, weiterhin in bestem Einvernehmen zu bleiben. Mit der Gattin des ehemaligen Präsidenten Vicente Fox gab es gute Kontakte. Bernardo Barranco, Religionssoziologe, meint, die Legionäre Christi hätten die Medien, die politische und ökonomische Macht in Mexiko infiltriert, das alles berichtet die katholische Tageszeitung La Croix. Pater Marcial Maciel ließ es sich nicht nehmen, die kirchliche Eheschließung des reichsten Mannes in Mexiko, Carlos Slim und seiner Gattin, zu leiten.
Roberto Blancarte, ehemaliger Botschafter Mexikos beim Heiligen Stuhl, meint, die Legionäre Christi hätten Milliarden US – Dollar bei diesen Kontakten erhalten, wörtlich: „Die Legionäre Christi haben zwei Ziele: Sie sind eine Art Maschine, um Priester auszubilden und um Geld anzuhäufen“.
Zu allen diesen aktuellen Aussagen wollte sich dieser Orden in Mexiko gegenüber „La Croix“ nicht äußern.

6.
Es bleibt die schon oft gestellte Frage: Warum muss dieser Orden, von einem Verbrecher gegründet, mit dem vorwiegenden Ziel, sehr viele Millionen für den Orden zu sammeln, überhaupt noch weiter bestehen? Es wäre ein Leichtes für den Papst, diesen Orden aufzulösen. Macht er sich Sorgen, was dann mit den Milliarden passiert, die der Orden besitzt, etwa, dass die Ex-Mitglieder dann alles für sich behalten? Was sind also die Gründe, diesen Orden weiter bestehen zu lassen, zumal die „berühmte“ Ordens – Universität Anahuac in Mexiko „längst nicht wegen der Qualität ihres Unterrichts berühmt ist“, wie “La Croix” schreibt. Und wirkliche Tätigkeit der Legionärs-Priester in den (priesterarmen) Gemeinden kaum erwünscht ist.

7.
Andererseits ist es ja durchaus ein positives Zeichen, wenn jetzt offenbar immer weniger junge Männer bereit sind, in den Orden der Legionäre Christi einzutreten. Aber angesichts der Chancen, in einem Orden mit sehr viel Geld eine traditionelle klerikale Karriere (immer den Talar tragen!) zu machen, ist wohl noch groß. So dass dieser Orden, immer noch durchsetzt von den alten Freunden des korrupten, manche sagen verbrecherischen Gründers, weiterhin die Kirche prägen und die Welt der Reichen und sehr Reichen „beglücken“ kann.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Weitere Quellen:

Legioleaks: https://www.facebook.com/groups/623513181133578/

Über den Nuntius Franco Coppola:
https://www.swissinfo.ch/spa/m%C3%A9xico-abusos_nuncio-en-m%C3%A9xico-aclara-que-no-se-investiga-encubrimiento-a-marcial-maciel/46637008

Über Cristiano Borgono:

“Inteligente y seductor”, así convenció el fundador de los Legionarios de Cristo a Juan Pablo II

Siehe auch den Beitrag in der Tageszeitung EL PAIS:
https://elpais.com/sociedad/2020-02-28/los-legionarios-de-cristo-publicaran-el-nombre-de-los-sacerdotes-condenados-por-pederastia.html

Der Religionssoziologe Bernardo Barranco: https://mvsnoticias.com/podcasts/manuel-lopez-san-martin/debemos-creerle-a-legionarios-que-quieren-redimirse-bernardo-barranco/

Und vor allem zu den Finanzgebahren des Ordens:
https://www.elnorte.com/aplicacioneslibre/preacceso/articulo/default.aspx?__rval=1&urlredirect=https://www.elnorte.com/urgen-investigar-a-fondo-a-legionarios/ar1849067?referer=–7d616165662f3a3a6262623b727a7a7279703b767a783a–
oder auch:
https://www.reforma.com/aplicacioneslibre/preacceso/articulo/default.aspx?__rval=1&urlredirect=https://www.reforma.com/pagan-por-sus-pecados/ar2152057?referer=–7d616165662f3a3a6262623b727a7a7279703b767a783a–

Zum „Kapitel“, der Konferenz, der Legionäre Christi in Mexiko im Mai 2021:

Convocan en México a la semana vocacional virtual 2021

Die 5. unerhörte Frage: Warum gibt es – in der von Europa gesteuerten Ökonomie – wertvolle “Herrenmenschen” und zweitklassige Arme, etwa Afrikaner?

Von Christian Modehn.

Was bedeutet „unerhört“?
„Unerhört“ werden außerordentliche Themen genannt.
Als „unerhört“ gilt, wenn ein wahres Wort, ein vernünftiger Vorschlag, von anderen nicht gehört und nicht wahr-genommen wird, also un-erhört bleibt. Unerhörte Fragen müssen entfaltet , beschrieben werden, um ihre provokative Kraft zu bezeugen.

Diese “unerhörte Frage” ist ein politischer Beitrag UND zugleich ein philosophischer Beitrag, weil er mit Fakten noch einmal die unerhörte Frage Nr. 4 aufgreift: „Warum haben Menschen das deutliche Kriterium für ihre Moral vergessen?“ Warum haben also die Konzerne und die Konzernchefs die Aktienbesitzer und die Politiker in Brasilien, Nigeria usw. dieses Kriterium vergessen?

1.

Warum haben sich die Bürger aller Staaten letztlich an diesen Zustand gewöhnt oder wegen unfähiger bzw. korrupter Politiker daran gewöhnen müssen: Es geht um die „Ackergifte“ von Bayer und BASF, also um die weit verbreiteten Pestizide der deutschen Hersteller der so genannten „Agrarchemie“. Es handelt sich um 33 Pestizidwirkstoffe , die Bayer und BASF entwickelt und vermarktet haben:
Diese Wirkstoffe töten ganze Familien armer Bauern, etwa in Oye-Obi, in Gyawana oder in Bauchi, im Osten Nigerias, wo diese einfachen Bauern, meist Analphabeten, aus dem Zwang überhaupt zu überleben, Pestizide auf ihre Felder sprühen, Pestizide, die in Deutschland verboten sind. „Eine tödliche Logik, was für die Europäer zu gefährlich ist, ist für Afrikaner noch gut genug. Bayer in Leverkusen streitet nicht ab, in Afrika Chemikalien zu vermarkten, die in Europa nicht eingesetzt werden dürfen. Der Chemiekonzern verweist aber darauf, dass die Einfuhr dieser Stoffe von den nigerianischen Behörden genehmigt sei“, das berichten Wolfgang Bauer und Andy Spyra in ihrem ausgezeichneten Investigationsbeitrag für das „Zeit – Magazin“ Nr. 23/2021, Seite 14 bis 31, Zit. Seite 30. (Dieser Beitrag wird LEIDER nicht in voller Länge im Internet angeboten, aber allein dieses Artikels wegen lohnt sich ein Test dieser Zeitung, die diese wichtige politische Aufklärung nicht kostenlos zum Nachlesen anbietet!!!) A propos „von nigerianischen Behörden genehmigt“, wie Bayer behauptet: Die Autoren haben herausgefunden, dass es in Nigeria vier entsprechende Behörden gibt, die sich gegenseitig blockieren und Gegenteiliges sagen…(Seite 30)
Die Folgen des Gebrauchs von Pestiziden in Nigeria, die auch von Indien geliefert werden, sind verheerend. Das Trinkwasser wird vergiftet, Tiere krepieren, Menschen sterben qualvoll in einer entlegenen Gegend, die Krankenhäuser, die den Namen verdienen, gar nicht kennen.
Auch in Lateinamerika werden die Gifte von Bayer aus Leverkusen eingesetzt. Dort gefährden die Bauern ihre Gesundheit, die diesen Produkten der Agrarchemie ausgesetzt sind. Und wenn dann Obst oder Gemüse – Produkte wieder aus Mexiko oder Brasilien oder Südafrika wieder nach Europa exportiert werden, dann steht das giftige Zeug (Papaya, Mango, Limetten, Orangen etc.) auf den Tischen auch der Deutschen, wahrscheinlich auch in Leverkusen, dem Sitz von Bayer, vielleicht auch in den dortigen Kantinen, aber sicher nicht in den Restaurants der Vorstandsmitglieder. Durch das Handelsabkommen MERCOSUR wird der Handel mit den Pestiziden aus Deutschland und anderen europäischen Staaten noch weiter gefördert, aber dem CDU Wirtschaftsminister sind diese verheerenden Zusammenhänge offenbar egal. Hauptsache, Deutschland geht es gut! (Quelle: https://www.greenpeace.de/themen/umwelt-gesellschaft-wirtschaft/handelsabkommen/vergiftete-doppelstandards)

2.

Die Zeitschrift „Südwind“, Nr. 196 vom Juni 2021, berichtet auf Seite 62:“ In ihrer Recherche stießen die AutorInnen (siehe unten) immer wieder auf Schwierigkeiten, da die Handelsströme auf dem globalen Wirkstoffmarkt wenig dokumentiert und kaum einsehbar sind. Dies macht es den (Gift-)Herstellerfirmen leicht, sich dem kritischen Licht der Öffentlichkeit zu entziehen… Weiterhin lassen die Ergebnisse dieser Studie kein anderes Urteil zu, als dass der Export von in der EU bereits verbotenen Pestizidprodukten endlich beendet werden muss“. (Die komplette Studie auf Deutch und Englisch nachlesen: https://bit.ly/doppelstandards-und-ackergifte

Die Fortsetzung dieses Handels ist ein internationales Vergiftungsgeschehen, organisiert u.a. auch von Bayer in Leverkusen. Also: Export des Giftes, Anwendung auf lateinamerikanischem Boden und von dort als Obst etc. wieder zurück nach Deutschland. Diesen Kreislauf kann man ethisch – philosophisch nur als langfristigen Selbstmord bezeichnen. Und das Verhalten von Bayer in Nigeria würde man kritisch betrachtet als das Verhalten von Herren-Menschen bezeichnen, von Menschen besonderer Würde, die um des Profits willen Menschen von geringerer Würde (Afrikaner) einfach so vergiften dürfen.

3.

Was hat das Thema mit dem Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon Berlin zu tun?
– Wir wollen die Philosophie pflegen, und damit auch die universal geltende Ethik, also keine Ausnahme zulassen für wohlhabende Herren-Menschen.
– Mit Religion hat diese Frage viel zu tun, wenn man denn die christliche Religion als eine wesentlich ethische Religion versteht, wie es auch den Intentionen des Propheten Jesus von Nazareth entspricht. Seine Botschaft ist im wesentlichen eine ganzheitlich humane und humanistische und damit politische, zugunsten der universalen Menschenrechte.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Die 4. unerhörte Frage: Warum haben Menschen das deutliche Kriterium für die Qualität ihres Lebensstils (ihrer Moral) vergessen?

Von Christian Modehn: Die 4. Frage unserer Reihe „Unerhörte Fragen“: Warum haben wir den „Kategorischen Imperativ“ vergessen?

Was bedeutet „unerhört“?
„Unerhört“ werden außerordentliche Themen genannt.
Als „unerhört“ gilt, wenn ein wahres Wort, ein vernünftiger Vorschlag, von anderen nicht gehört und nicht wahr-genommen wird, also un-erhört bleibt. Unerhörte Fragen müssen entfaltet , beschrieben werden, um ihre provokative Kraft zu bezeugen.

1.

Über Moral und Ethik kann man natürlich ewig diskutieren und dann sagen: Ja, ja, jeder und jede hat irgendwie recht. Also soll jeder – auch politisch und ökonomisch – so leben, wie es ihm passt. Egal, was dann weiter passiert.

Immanuel Kant hat die menschlichen, die sozialen und politischen Gefährdungen dieser simplen Haltung erkannt und ihr mit Gründen vernünftiger Einsicht, die DEN Menschen auszeichnet, widersprochen.

Kant wusste: Mit äußeren Befehlen und Gesetzen ist einer banalen moralischen Haltung allein nicht beizukommen. Einzig die innere Überzeugung, also eine Leistung der Vernunft, hilft auf Dauer weiter und führt zu einer menschenwürdigen und freien Gesellschaft, also einer, in der alle Menschen ihrer Würde entsprechend leben können. Dass Moral dabei nicht den Mief einer spießbürgerlichen Sexualmoral hat, ist sowieso klar.

2.

Man sollte sich fragen, warum die verschiedenen Formulierungen des Kategorischen Imperativs von Kant so wenig bekannt und noch viel weniger respektiert werden? Sie sind doch so einfach zu verstehen. Liegt die Unkenntnis an dem etwas schwierigen Titel? Liegt es an der allgemeinen Unbildung vor allem auch in Fragen der vernünftigen Lebensgestaltung, und dies ist ja die Philosophie? Wahrscheinlich ist das so. Indem man Philosophie als „schwierige Disziplin“ in die Ecke des Marginalen stellt, entledigt man sich auch der Grundsätze einer universalen humanen Lebensgestaltung.

Zwei Formulierungen des „Kategorischen Imperativs“ von Immanuel Kant, die sich auf die Grundsätze der individuellen Lebensgestaltung beziehen, folgen gleich.

Zunächst: Diese unbedingt (also kategorisch) geltenden Imperative beziehen sich auf die zahllosen Maximen, also die Leitlinien individueller Lebensgestaltung, die jeder und jede, irgendwie, mehr oder weniger bewusst, „hat“ und lebt.
Heute wäre eine aktuelle Maxime etwa: „Zuerst muss ich mich als Teil der reichen Länder um mein eigenes materielles Wohlergehen kümmern“.
Oder: „Die Frage der Klimapolitik überlasse ich künftigen Generationen“.
Oder: „Wir als deutsche Unternehmer (etwa Bayer) haben moralische Doppelstandards und akzeptieren, dass unsere Gifte für den Acker (mit Pestiziden) im reichen Europa nun verboten sind, um so mehr sind wir dankbar, dass wir unsere Gifte an anderen Orten, etwa im armen Lateinamerika, auf den Markt bringen können.“
Oder: „Ich als Agrar-Unternehmer (etwa in Spanien) brauche für meine Obstplantagen Menschen, die als Ungelernte und zudem noch als Flüchtlinge aus Afrika eben schlechter als andere bezahlt werden dürfen und in eher primitiven Unterkünften leben können“.
Jeder und jede kann weitere, seine eigenen Maximen formulieren. Diese Maximen hätten im Denken der Vernunft, im Sinne Kants, keinen Bestand in der Moral.

Kant macht es uns insofern einfach, als er für die denkbare Fülle von Maximen Kriterien hinsichtlich ihrer Vernunft formuliert, also Prüfsteine ihrer moralischen und allgemein menschlichen Qualität,

Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“
Oder:
Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst.
In heutige Alltagssprache übersetzt könnte man diesen Kategorischen Imperativ so verstehen: „Handle so, dass du die allgemeine menschliche Würde aller Menschen sowohl für dich selbst und für jeden anderen Menschen niemals instrumentalisierst. Du sollst dich selbst und auch keinen anderen Menschen als Mittel, als Ding, verstehen und behandeln. Sondern: Du selbst und jeder andere Mensch ist Selbstzweck, hat also unendlichen Wert an sich selbst. Kein Mensch darf für irgendetwas wie ein Instrument behandelt werden“.

Werden diese Imperative mit den jeweiligen Maximen verbunden, kann die Qualität der Maxime beurteilt werden. Aber die Erkenntnis stellt sich der Freiheit eines jeden, der Erkenntnis zu folgen.

3.

In sehr vielen religiösen Kulturen setzte sich die so genannte „Goldene Regel“ durch: Als Sprichwort ist sie sehr weit verbreitet, etwa:
„Was du nicht willst, dass man es dir tut, das füg auch keinem anderen zu“. Oder auch „moderner“ formuliert:
“Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst“.

Über diese traditionsreichen „Goldene Regel“ wurde viel geschrieben, oft wurden die Grenzen dieses Weisheitsspruches dargestellt. Etwa etwas spitzfindig: „Wenn ich geschlagen werden will, dann kann ich auch andere schlagen“…

Wegweisend ist die aktuelle Formulierung des Kategorischen Imperativs durch den Philosophen Hans Jonas: Er hat einen ökologischen Imperativ vorgeschlagen: „Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden.“ Oder auch: „Handle so, dass die Folgen deines Tuns mit einem künftigen menschenwürdigen Dasein vereinbar sind, d.h. mit dem Anspruch der Menschheit, auf unbeschränkte Zeit zu überleben.“

Jeder kann sich weitere kategorische Imperative überlegen, auch: „Welche Maxime ist mir wichtig?

Für die Bildungspolitiker könnte man formulieren: „Handle so als Bildungspolitiker, dass die SchülerInnen ethische Grundkenntnisse wie den Kategorischen Imperativ nicht nur auswendig lernen, sondern auch für ihr Leben verstehen. Denn moralisches Leben ist ohne Reflexion der Vernunft nicht möglich“.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

Die 3. unerhörte Fragen: Inwiefern ist der heutige Katholizismus immer noch vom Aberglauben bestimmt?

Ist der Katholizismus auch heute noch, nicht nur eine Religion des Wunderglaubens, sondern auch des Aberglaubens?

Von Christian Modehn, am 10.6.2021.

Was bedeutet „unerhört“?
1.Unerhört werden außerordentliche Themen (auch Dinge) genannt.
2.Als unerhört gilt, wenn ein Wort, ein Vorschlag, von anderen nicht gehört und nicht beachtet wird, also un-erhört bleibt, mit Schweigen übergangen wird. Unerhörtes wird oft von Machthabern „totgeschwiegen“. Und die Fragenden werden zu “unerhörten Leuten” erklärt…

Die 3. unerhörte Frage also:
Inwiefern ist der heutige Katholizismus immer noch vom Aberglauben bestimmt

1.

Ein Gebetssturm wegen der Pandemie wurde bereits kürzlich offiziell von Papst Franziskus entfacht. Durch Rosenkranz-Gebete sollte Gott im Himmel bestürmt werden, für eine gute Lösung der Pandemie zu sorgen. Die Ergebnisse dieses weltweiten Betens kann man sich ansehen und darf wohl sagen: Geholfen hat nachweislich die Wissenschaft der Medizin, etwa das Impfen. Die Impfgegner ließen sich durch den Gebetssturm nicht korrigieren. Sie blieben stur. Und stecken andere an. Die Frommen wurden hoffentlich bestärkt, durchzuhalten und aufs Impfen zu warten.

Schon dieser „Gebetssturm“ im Mai 2021 hatte den Charakter von Aberglauben: „Bete nur heftig und viel, und Gott persönlich wird dich und die Welt insgesamt gesundheitlich heilen“.

Nun aber geht es weiter: Vom 7. Juni bis zum 15. August 2021 wird erneut ein großer Gebets – „Marsch“ quer durch Frankreich stattfinden, um alle Familien der Nation dem heiligen Josef anzuvertrauen. Dies ist der französische Beitrag zum Josefs-Jahr, das der Papst schon 2020 ausgerufen hatte.

Also, ein Josefs-Jahr: Ja, wirklich, dem Gatten Mariens, dem Vater Jesu von Nazareth, dem Bautischler dort selbst, gilt die Verehrung. Aber was ich da schreibe ist ein offizieller Irrtum in der Person: Denn der heilige Josef ist nach katholischer Dogmatik ein ganz anderer: Er ist nicht etwa der wirkliche, der leibliche Vater Jesu, von dem aufgeklärte Theologen gelegentlich sprechen, sondern der katholisch ersonnene sexuell eher apathische alte so genannte „Nährvater“ Jesu. Denn das Kind Mariens, also Jesus, wurde ja dem Mythos folgend von Gott selbst gezeugt. Gott ist der Vater des Jesus von Nazareth!
Von dem asexuellen Nährvater Josef, meist sehr alt auf Barock – Gemälden dargestellt, überliefern die Bücher des Neuen Testaments meines Wissens höchstens zwei oder drei Sätzchen. Genaues weiß man von ihm nicht, seinen Tod kennt niemand, keiner weiß, ob er die Kreuzigung seines „Pflege-Sohnes“ erlebt hat etc. Alles ungewiss. Aber die Kirche spekuliert trotzdem ungebremst: Fürsorglich war der Mann Josef, sexuell und erotisch aber völlig desinteressiert und … darin wohl für die Kleriker ein Vorbild für katholische Familien auch heute.

Alle sollen sich nun im Juli und August 2021 ihm anvertrauen und um himmlischen Beistand bitten. Denn der heilige Josef kann im Himmel Gott selbst direkt anflehen, seine irdischen Josefs-Freunde in Frankreich besonders zu schützen. Dies ließ jedenfalls der Apostolische Nuntius in Frankreich, Monsignore Celestino Migliore verlauten, als er den Josefs-Pilgern die Segenswünsche von Papst Franziskus übermittelte: „Indem der Papst diese Pilger der Fürbitte des heiligen Josef anvertraut, gewährt der Papst von ganzen Herzen seinen väterlichen und liebevollen apostolischen Segen“.

Die Josefspilger können selbstverständlich wie alle anderen glauben, was sie wollen. Die Josefs-Pilger glauben ja auch an den Gnadenort des heiligen Josefs zu Cotignac in der Provence, im Bistum Fréjus – Toulon. In Cotignac ist nämlich am 7. Juni 1660 Josef persönlich „erschienen“, die einzige Josefs-Erscheinung neben zahllosen Marien-Erscheinungen, wie in Fatima, Lourdes etc…In Cotignac hat der heilige Bautischler aber auf einen Stein (!) verwiesen und sagte dem durstigen Hirten Gaspard Richard: „Ich bin Joseph, (mit ph geschrieben), hebe diesen großen Stein dort in dieser Gegend ohne Wasser und du wirst trinken“. Und siehe da: Es floss Wasser aus einer Quelle. „Schöpft mit Freuden aus den Quellen des Erlösers“ ist noch heute an der Stelle zu lesen, wo die Quelle „entsprang“. Während der Französischen Revolution und danach wurde diese wunderbare Josephserscheinung vergessen, der Wunderglaube wurde erst 1975 wieder belebt und als „Erscheinung“ offiziell von der Kirche anerkannt.

In dieses provenzalische Dörfchen schieben also die Josefs-Gläubigen von Paris aus die Josefs-Statue (auf einem einrädrigem Rollstuhl, einer „Joelette“, quer durchs Land. Auf Josefs Schultern sitzt segnend das Jesuskind, so dass man eher an eine Christophorus-Statue erinnert wird. Der Pilgermarsch wird mehrere Wochen dauern, die Veranstalter hoffen, viele gute Gespräche auch mit „Nicht-Glaubenden“ unterwegs.

Wie gesagt: Jeder kann glauben was er will, solange er damit nicht das friedliche Zusammenlebt stört. Das ist bei den Josefs-Pilgern wohl nicht der Fall.

2.

Aber es könnte doch ein Bischof mal auf den Gedanken kommen: Welche Form von Glauben demonstrieren wir Katholiken eigentlich öffentlich mit solchen Wallfahrten, mit solch einem Glauben, dass der asexuelle Vater Jesu im Himmel Fürsprache bei Gott hält? Was soll das? Ist im Himmel auch Jahrmarkt? Verdummt man die wenigen verbliebenen Gläubigen mit solchem Wahn und raubt ihnen die Zeit mit solchem Engagement? Kann sich der Katholizismus nicht auch populär UND vernünftig – modern zeigen? So aber wird bei den vielen kritischen Menschen heute das Wissen bestätigt, dass der katholische Glaube doch auf weite Strecken ein päpstlich zugelassener und geförderter Aber-Glaube ist.
P.S.: Über die inzwischen weltweit bekannten reaktionär-katholischen Zustände im Bistum Fréjus-Toulon, wo sich das Josefs-Heiligtum befindet, habe ich schon einige Hinweise verfasst. Auch zum dortigen extrem – reaktionären Bischof Dominique Rey, er ist ein „Versteher“ der rechtsradikalen Partei Front National; Rey gehört der charismatischen Gemeinschaft EMMANUEL an.

WARUM ist diese Frage wichtig? Weil sie zeigt, in welchem geistigen Zustand etliche Kirchenführer und Familien und besonders die Väter sich befinden und eine Phantom-Gestalt verehren, einen Vater, der kein leibiicher Vater ist, eine heilige Familie, die eigentlich deswegen keine Familie ist; zudem werden die im Neuen Testament genannten Geschwister Jesu von der Kirche ignoriert bzw. als Cousins etc. umtituliert.

Vor allem aber: Da wird eine männliche Phantomgestalt, der keusche alte Joseph, als heiliges Vorbild auch heutiger Gestaltung von (männlicher) Sexualität und Erotik propagiert. Was für ein Wahn!

Abgesehen davon, wie befremdlich es ist: Eine Kitschfigur im Sommer durch die Straßen von ganz Frankreich zu schleppen und zu ziehen: Auf welchem Niveau ist der Katholizismus eigentlich allmählich gelandet?

Es gibt für die heutige Menschheit sehr viel dringendere Themen als dieses Josephs-Spektakel und andere Marien-Spektakel….als diesen Aberglauben, der sich katholisch nennt.

Das sind die Themen, neben den berechtigten „Missbrauchs-Themen“, an denen sich der Katholizismus abarbeiten sollte, falls er für moderne Menschen noch relevant sein sollte und wollte.

Hinweise zum unerhörten Thema “Voltaire gegen den Aberglauben” LINK

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Die 2. unerhörte Fragen: Warum fördert der Katholizismus die Korruption in Lateinamerika?

Die 2. Frage unserer Reihe “Unerhörte Fragen”
Warum fördert der Katholizismus die Korruption in Lateinamerika?
Von Christian Modehn am 9.6.2021.

Was bedeutet „unerhört“?
„Unerhört“ werden außerordentliche Themen genannt.
Als „unerhört“ gilt, wenn ein wahres Wort, ein vernünftiger Vorschlag, von anderen nicht gehört und nicht wahr-genommen wird, also un-erhört bleibt. Unerhörte Fragen müssen entfaltet , beschrieben werden, um ihre provokative Kraft zu bezeugen.

Die 2. unerhörte Frage also:
Warum gibt es keine soziologischen und religionswissenschaftlichen Studien, die das Begründungsverhältnis von katholischer Kirche und Korruption, besonders krass im „katholischen Lateinamerika“, freilegen?

Fast alle lateinamerikanischen Staaten sind bekanntlich von Korruption seit Jahrhunderten zerrüttet, mit den Konsequenzen von permanenter Gewalt und zunehmendem Elend der Massen. Diese Korruption als „Verdorbenheit“ bzw. als Fehlen des Respekts für die für die Menschenrechte hat vielfache Ursachen. Eine entscheidende Ursache ist die Religion, im Falle Lateinamerikas der Katholizismus. Über den Zusammenhang schweigen sich die Katholiken, Theologen und ihre Bischöfe aus, kein Bischof sagt: „Unsere eigene Religion in ihrer Form wie in ihrem Inhalt ist mit-schuldig an der permanenten Korruption“. Nur ein Beispiel: Eine Kirche, die die Frauen von allen führenden Kirchen-Ämtern ausschließt und den Marien-Kult (den Kult der reinen Jungfrau) extrem auch als Wunderglauben fördert, kann niemals ernsthaft als Verteidigung der Frauenrechte und Frauenwürde in Lateinamerika ernstgenommen werden. Diese Kirche fördert den Machismos, den gewalttätigen (Hetero-) Männer-Wahn
Sehr früh hat auf diesen Zusammenhang schon der Philosoph Machiavelli hingewiesen, in seinen „Discorsi“ (1513 – 1519) schreibt er: „Durch das böse Beispiel des päpstlichen Hofes sind in Italien alle Gottesfurcht und Religion verloren gegangen, dies ist die Ursache für zahllose Übelstände und endlose Unordnung“ (zit. in: Herfried Münkler und Grit Straßenberger „Politische Theorie und Ideengechichte“ , München 2016, S. 408.)
Natürlich gilt diese Erkenntnis, auch wenn man selbstverständlich nicht alle sonstigen politischen Erkenntnisse Machiavellis heute treffend findet. Und auch dieses noch: Natürlich gibt es auch in anderen christlichen Kirchen, wie den Evangelikalen in den USA oder im Islam die religiöse Korruption usw.
Hier wurde nur auf die weltweite Religion des Katholizismus speziell in Lateinamerika hingewiesen. Dort gehört Korruption traditionell zur immer weiter gegebenen Un-Kultur. Korruption in Lateinamerika wird nur eingeschränkt werden, wenn die Kirchenlehre reformiert wird und die Verelendung der Massen ein Ende hat.

Über Korruption und Katholizismus siehe auch LINK

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin