Bischof Jacques Gaillot: Abschied und Trauer

Gedenken auf der Place de la Bastille, in der Kirche St. Médard … und eine Bestattung auf dem Pariser Armenfriedhof!

Von Christian Modehn

Der Abschied von Jacques Gaillot, der von Papst Johannes Paul II. im Jahr 1995 als Bischof von Evreux abgesetzt und „in die Wüste“ geschickt wurde, war für viele Menschen, seine FreundInnen, sehr bewegend. Nie zuvor hatten so ungewöhnlich unterschiedliche Menschen von einem Bischof Abschied genommen.
Am Mittwoch, dem 12. April 2023, ist Jacques Gaillot in einer Pariser Klinik gestorben. Weitere Informationen zu Jacques Gaillot LINK

1. Jacques Gaillot – ein außergewöhnlicher Bischof der Moderne.

Bischof Jacques Gaillot, 2007, © René Peetermans, Wikipedia,
Bischof Jacques Gaillot, 2007, © René Peetermans, Wikipedia,

Die französische Presse hat an die Persönlichkeit dieses einmaligen katholischen Bischofs erinnert. Seine Qualitäten als Reformer der katholischen Kirche wurden dabei erwähnt. In der deutschen offiziellen Kirchen-Presse wurde er vor allem als „Helfer der Ausgeschlossenen“ gewürdigt, das war er sicher auch. Aber er war als Theologe ein mutiger Reformer der Kirche, er praktizierte die von ihm vorgeschlagenen Reformen selbst, wie schon 1988 die Segnung homosexueller Paare oder die Segnung wiederverheiratet Geschiedener oder die gelegentliche Abendmahls-Gemeinschaft mit Lutheranern, sehr früh schon forderte er als Bischof, Frauen zu PriesterInnen zu weihen. Als kein katholischer Bischof mehr mit dem ausgegrenzten Theologen und Psychotherapeuten Eugen Drewermann sprechen wollte, stellte sich Bischof gern dem Dialog mit ihm. Dass Gaillot ein ungewöhnliches Charisma hatte, auch der Präsenz im Fernsehen, ist wohl bekannt. Auf dieser website (LINK) wurde immer wieder auf die theologischen Reformen Gaillots hingewiesen. Über sein Engagement informiert bis heute die website www.partenia.org, LINK , die von Katharina Haller inspiriert und gestaltet wurde.

2.  Gedenken an der Place de la Bastille!

Gedenkfaier für Bischof Jacques Gaillot am 15. April 2023, Place de la Bastille, © Fred Accrorsi
Gedenkfeier für Bischof Jacques Gaillot am 15. April 2023, Place de la Bastille, Paris. © Fred Accrorsi

Die erste öffentliche Trauerfeier fand in Paris statt. Am Samstagnachmittag, dem 15. April 2023, fand eine Gedenkfeier und „Demonstration“ statt, sehr bewusst auf der Place de la Bastille, jenem berühmten Ort, an dem die Französische Revolution ihren „offiziellen Anfang“ nahm. Es sind also die Armen und Ausgeschlossenen, die Obdachlosen und Flüchtlinge, die als erste ein öffentliches Gedenken an Jacques Gaillot feiern!
Die Initiative zum „Gaillot-Gedenken“ ging von der französischen sozialen Bewegung „Droits devant“ aus. In ihrer Einladung zur Teilnahme am 15.4.2023 heißt es: „Jacques war für uns seit 30 Jahren die unerschütterliche, zuverlässige Unterstützung im Kampf der Menschen ohne Ausweise (ohne Papiere), der Flüchtlinge, der Wohnungslosen, er war auch der ständige Unterstützer des palästinensischen Volkes, auch unseres Kameraden Georges Ibrahim Abdallah…Ohne Fehl war auch sein Einsatz für die Geltung der Menschenrechte für alle und sein Einsatz gegen Formen des Ausschlusses aus der Gesellschaft…Die Erinnerung an Jacques, an seinen Humanismus, seine Brüderlichkeit, bleibt für immer fest verankert in unseren Herzen“.
Die Bewegung „Droits devant“ wurde von Bischof Gaillot zusammen mit Prof. Albert Jacquard und Prof. Leon Schwartzenberg und dem Autor Jacques Higelin begründet und inspiriert. Sie waren keine Katholiken, eher Skeptiker und Atheisten, aber unter ihnen fühlte sich Bischof Gaillot wohl.

Gedenkfaier für Bischof Jacques Gaillot am 15. April 2023, Place de la Bastille, © Fred Accrorsi
Gedenkfeier für Bischof Jacques Gaillot am 15. April 2023, Place de la Bastille, Paris. © Fred Accrorsi

Die Einladung zur Gedenkfeier an Jacques Gaillot auf der Place de la Bastille endet mit den Worten Senecas: `Leben bedeutet nicht: Warten, dass der Sturm vorüber geht; leben bedeutet vielmehr lernen, im Regen zu tanzen`. So war Jacques und so wird er für uns bleiben.“

2. Der Pariser Erzbischof zelebriert eine Messe
Die offizielle katholische Kirche (also die Bischöfe) hat sich von ihrem eigentlich ungeliebten Bischof Gaillot zunächst mit einer Messe in der Pariser Kirche St. Médard am 19.4. um 14.30 Uhr verabschiedet, der Gottesdienst wurde vom Pariser Erzbischof Laurent Ulrich geleitet. Ein Requiem wurde auch in Gaillots einstiger Kathedrale in Evreux (Normandie) gefeiert, am 21. April, unter Leitung des dortigen Bischofs Christian Nourrichard.

Man beachte: Ein winziger Wandel des Respekts für Bischof Gaillot zeigt sich also in der Teilnahme “offizieller” Bischöfe im Totengedenken. Als Jacques Gaillot von 1995 an in Paris lebte, suchte der arrogante, sehr konservative, sich allmächtig fühlende Kardinal Jean-Marie Lustiger von Paris (Intimus von Papst Johannes Paul II.) keinen Kontakt mit dem Bischof von Partenia, Jacques Gaillot. Sie wohnten nur wenige Straßen entfernt. Bischof Gaillot wurde zudem von der Bischofskonferenz ignoriert, er war ein Ausgeschlossener…Der Prozess der Absetzung als Bischof von Evreux 1995 im Vatikan war schon nach vatikanischen “Rechtsvorstellungen” ein Skandal.

Eine offizielle Rehabilitierung Bischof Gaillots durch den Vatikan, den Papst, die Bischöfe, fand NICHT statt, selbst wenn das manche JournalistInnen immer noch aus Unkenntnis behaupten. Es gab mit Papst Franziskus im Vatikan nur einen freundlichen Austausch mit Bischof Gaillot, mehr nicht!    Aber Jacques Gaillot blieb trotzdem mit der römischen Kirche im allgemeinen verbunden…(Siehe Fußnote 1 unten)

In Paris, St. Médard,  hielt die Predigt nicht der Erzbischof, sondern ein Pater des Klosters, in dem Jacques Gaillot viele Jahre in einem Zimmer lebte, es war Pater Franz Lichté aus dem Orden der „Väter vom heiligen Geist“ („Spiritaner“). Sein Thema war die biblische Erzählung vom „barmherzigen Samariter“. Die katholische Wochenzeitung in Paris „La Vie“ beschreibt die Messe dort als schlichte, einfache, ergreifende, aber durchaus „familiäre“ Feier. Leider war es für die Pariser schwierig, überhaupt von diesem „offiziellen katholischen Abschied“ zu erfahren. LINK.

Am 19. 4. wurde auch in Gaillots Heimatstadt St.Dizier (bei Langres) eine Gedenkmesse gefeiert.

3. Eine letzte Tat der Freiheit: Die anonyme Bestattung Bischof Gaillots
Die Bestattung ist ungewöhnlich und sicher bisher einmalig für einen katholischen Bischof, aber durchaus typisch für die Spiritualität von Jacques Gaillot: Er will auch als Verstorbener frei bleiben, ungewöhnliche, aber eigene Entscheidungen treffen und über seinen toten Körper noch frei verfügen.

Bischof Jacques Gaillot hat verfügt, dass sein toter Körper dem „Institut der Anatomie“ in Paris zur Forschung übergeben werden soll. Das hatte Bischof Gaillot schon in einem Fernsehinterview angekündigt. Die Reste seines Körpers sollen, in Asche verwandelt, anonym auf dem “Friedhof der Armen” in Paris verstreut werden.

4. Hommage à Jacques Gaillot am 4.Juni 2023

Am Sonntag, dem 4. Juni 2023 um 15 Uhr findet auf dem Platz Saint Germain des Prés in Paris (6. Arr.) eine öffentliche Ehrung Jacques Gailotts statt.  Der Titel der Veranstaltung “Eveque militant, Eveque des `Sans`” (Ein militanter Bischof, ein Bischof der Menschen OHNE…Wohnung, Passport, Rechte usw.) Eingeladen dazu haben viele Organisationen, wie die linke katholische Wochenzeitung aus der Résistance “Témoignage Chrétien”, Droits devant, Droit au logement und so weiter…Nach seiner Absetzung als Bischof von Evreux nannte sich Jacques Gaillot sehr treffend “ein Bischof ohne festen Wohnsitz”, sans domicile fixe, “SDF” war und ist die übliche Abkürzung für Obdachlose. Bischof Gaillot fand zunächst Unterkunft in einem besetzten Haus in der Rue du Dragon, ganz in der Nähe von St. Germain des Prés…

Copyright: Christian Modehn Religionsphilosophischer Salon Berlin.

FUSSNOTE 1 zur Frage der offiziellen Rehabilitierung Bischof Gaillots durch den Vatikan, den Papst.

L’évêque contestataire d’Evreux reçu par le pape François 2015.
QUELLRE:
Ouest-France Modifié le 01/09/2015 à 19h48 Publié le 01/09/2015 à 00h00

Zeitung Ouest-France
Jacques Gaillot a été reçu mardi pendant trois quarts d’heure dans une atmosphère détendue par le pape François.

Mgr Gaillot a ainsi pu défendre la cause des divorcés, des homosexuels, mais aussi des immigrés.

L’évêque sanctionné en 1995 par Jean Paul II en raison de ses positions non orthodoxes, a raconté cet entretien, le premier qu’il a eu avec un pape depuis 1995 :

« Ce peuple attend beaucoup de vous »
!!!!!!« Je ne viens rien vous demander, ai-je dit au pape, mais tout un peuple de pauvres est content que vous me receviez, et se sent ainsi reconnu. Je lui ai parlé (…) de malades, des divorcés, des homosexuels. Ce peuple attend beaucoup de vous ».

Mgr Gaillot, 79 ans, en costume noir mais sans croix, a dit avoir été « déstabilisé » par l’accueil informel de François au Vatican : « J’étais dans un parloir de la Maison Sainte-Marthe (où réside le pape) et une porte s’ouvre : c’est le pape qui rentre, simplement. La réunion s’est passée de manière familiale, sans protocole. C’est vraiment un homme libre. À un moment il s’est levé et a dit : vous avez un photographe ? Comme il n’y en avait pas, nous avons pris (une photo) avec un (téléphone) portable ».

Relatant l’humour « sous-jacent » de François, Mgr Gaillot a raconté : « le pape m’a dit avec un sourire : je m’adresse à l’évêque de Partenia ».

« Continuez, ce que vous faites est bien »
En effet, le prélat français avait été relevé de ses fonctions à Evreux (centre de la France) et nommé évêque « in partibus » de Partenia en Afrique du Nord, un évêché n’existant plus, une manière de le sanctionner.

Dans le cours de la conversation, Mgr Gaillot lui a raconté comment il avait béni récemment « un couple de divorcés » et comment il lui arrivait « aussi de bénir un couple d’homosexuels ».

« Je suis en civil et je bénis. Ce n’est pas un mariage, c’est une bénédiction. On a le droit de donner la bénédiction de Dieu, on bénit bien des maisons ! Le pape a écouté, il est ouvert à tout cela. À ce moment il a rappelé que bénir, c’est dire du bien de Dieu à des gens », a précisé le prélat français.
Mgr Gaillot a rappelé qu’il était « exclu depuis vingt ans » et lui a fait valoir « que c’est un bon passeport que l’Église m’a donné. Il a ri ».
Alors que l’évêque expliquait qu’il « n’était plus invité par la conférence épiscopale », le pape n’a pas fait de commentaire. Il a simplement dit : « continuez, ce que vous faites (pour les exclus) est bien ».

« Je veux privilégier les petits pays en difficulté »
Cet entretien a eu lieu à la demande du pape François qui avait laissé pendant l’été deux messages sur le répondeur de l’évêque avant de lui écrire pour l’inviter au Vatican.
Mgr Gaillot s’était attiré il y a vingt ans les foudres du Vatican et de l’épiscopat français pour ses prises de position très médiatiques en faveur notamment des homosexuels et de l’ordination d’hommes mariés.
Pour l’entretien Mgr Gaillot était accompagné du curé de la paroisse Saint-Merri dans le quartier du Marais à Paris, Daniel Duigou.
Et le pape s’est félicité que le cardinal-archevêque de Paris, Mgr André Vingt-Trois, ait demandé à cette paroisse de se consacrer aux migrants, qui sont, a-t-il dit, « la chair de l’Église ».
« Quand nous lui avons demandé s’il viendrait en France, il a dit : vous savez, je veux privilégier les petits pays en difficulté, par exemple le Kosovo… », a encore raconté Mgr. Gaillot.
…..
Tageszeitung Le Monde:
 Le pape François reçoit en « frère » Mgr Gaillot
L’évêque français Jacques Gaillot, déchargé de ses fonctions en 1995 en raison de ses positions peu orthodoxes, a été reçu en privé au Vatican.

Par Cécile Chambraud
Publié le 02 septembre 2015 à 18h48, modifié le 02 septembre 2015 à 17h21
Le pape les a rejoints avec vingt-cinq minutes d’avance sur l’horaire prévu. C’est dans la Maison Sainte-Marthe, au Vatican, que François a reçu en privé, mardi 1er septembre, l’évêque français Jacques Gaillot, déchargé en 1995 de ses fonctions dans le diocèse d’Evreux (Eure) en raison de ses positions peu orthodoxes en faveur de l’ordination des hommes mariés, de la reconnaissance des homosexuels et du droit au blasphème, mais aussi contre les essais nucléaires.

L’entretien a eu lieu en français. « Nous sommes frères », a lancé Jorge Mario Bergoglio à l’évêque, qui était accompagné de Daniel Duigou, le curé de l’église Saint-Merry, à Paris. Le pontife argentin a fait mine d’être surpris d’apprendre que cela faisait vingt ans déjà que son interlocuteur épiscopal était officiellement évêque in partibus de Partenia, un diocèse d’Afrique du nord qui depuis des siècles n’a d’existence que de nom. « Cela fait vingt ans que je suis exclu », lui a répondu celui-ci. Peu après avoir été relevé de ses fonctions, en 1995, Mgr Gaillot avait été reçu par Jean Paul II. Dans un communiqué, le pape polonais avait rappelé « fraternellement à Mgr Gaillot qu’un évêque doit être un témoin fidèle de l’Eglise (…) et des orientations pastorales qu’elle donne ». « C’est la première fois que je rencontre un pape plus jeune que moi », a observé drôlement l’évêque de Partenia, âgé de 79 ans.

« On bénit bien des maisons, pourquoi pas des personnes ? »
« Je reste sous le charme de cette rencontre. Il nous a parlé familièrement. Il était à l’écoute. C’est un homme qui ne juge pas, qui n’essaie pas de recadrer », témoigne encore Mgr Gaillot, qui a dit à François qu’il était « un cadeau de Dieu pour le monde ». Il a été beaucoup question du prochain synode des évêques qui, en octobre, à Rome, débattra de sujets concernant la famille.
A Daniel Duigou, le pape a demandé ce qu’il répondait aux divorcés remariés qui souhaitent que l’Eglise trouve une manière de prendre en compte leur nouvelle union. « On les bénit, on les écoute », a répondu le curé parisien. Mgr Gaillot a ajouté qu’il lui arrivait de bénir des couples de même sexe : « On bénit bien des maisons, pourquoi pas des personnes ? ». Le prélat français a insisté sur les attentes de nombreux hommes et de femmes avant ce synode.
Il a aussi été question des migrants, que la paroisse Saint-Merry du père Duigou s’efforce d’accueillir. « Le pape nous a dit : les migrants sont la chair de l’Eglise », rapporte Daniel Duigou. « Il a dit : “Le Christ frappe à la porte de l’Eglise, non pas parce qu’il voudrait y rentrer, mais pour en sortir vers le monde. Il ne faut pas enfermer celui qui nous a libérés », ajoute Mgr Gaillot.
Cécile Chambraud

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