Wir brauchen Gotteslästerung, wir brauchen Religionskritik. Ein Hinweis auf einen Beitrag in PUBLIK FORUM

Wir brauchen Gotteslästerung! Wir brauchen Religionskritik.

»Je suis Charlie« – »Ich bin Charlie«: Überall in Frankreich – und nicht nur dort – ist diese Parole zu lesen. Sie war allgegenwärtig, als sich am 11. Januar in Paris zwei Millionen Menschen zur größten Demonstration in der französischen Geschichte versammelten. Ihr Bekenntnis zur Demokratie, Pressefreiheit und Trauer über die ermordeten Journalisten und Künstler von »Charlie Hebdo« teilt jetzt der Prophet Mohammed auf dem neuen Titelbild der Wochenzeitung. Dort bekennt er selbst: »Je suis Charlie.«

Die Frage muss offen und ohne Vorbehalte diskutiert werden: Ist dieses Titelbild etwa Blasphemie, eine heftige Form der Religionskritik? Ist es nicht heilsam, in den eigenen Überzeugungen auch erschüttert zu werden? Um besser zu verstehen, klarer zu sehen, dass Gott kein Hampelmann ist, den man bei jeder noch so perfiden Aktion an seiner eigenen Seite glaubt? Darum brauchen auch die Frommen Licht und Klarheit, also Vernunft. Sie brauchen auch das heftige Lachen über den eigenen Glauben bzw. Unglauben, sie brauchen also die Gotteslästerung, die Religionskritik, wie die Luft zum Atmen!

Lesen Sie einige Vorschläge von Christian Modehn auf der website der empfehlenswerten Zeitschrift Publik Forum, klicken Sie hier.

Imame Frankreich sollen für das Wohl des Landes beten

Imame Frankreichs sollen jeden Freitag „für das Wohl des Landes“ beten

Gott (Allah) will Frieden für diese Republik

Von Christian Modehn

Es gibt eine bedeutende Vereinigung der Muslime in Frankreich (RMF), mit der etwa 550 Moscheen verbunden sind: Sie ist stärker an marokkanische Traditionen gebunden. Die französische Presse verwendet dafür die Formel „Sensibilité marocaine“.

Die Leiter des RMF fordern heute, am 18.1. 2015, ihre Imame in Frankreich offiziell auf, „bei jedem Freitagsgebet zu bitten, dass Gott Frankreich bewahre und dass unser Land (Frankreich) leben kann und sich gut entwickelt im Frieden, in der Eintracht und der Zufriedenheit“. (paix, concorde, sérénité).

Es gibt in Frankreich (mit einer immer nur geschätzten (!!), also niemals exakten Anzahl von 3, 5 bis 5 Millionen Muslims) mehrere muslimische Organisationen. Etwa eine Organisation mit stärkeren Verbindungen mit Algerien (etwa die „Grande Mosquée de Paris“), oder die UMF, die Marokko nahe steht, die CCMTF, die der Türkei nahe steht und die UOIF, die aus den „Muslimbürdern“ hervorgegangen ist.

Beim „Großen Gebet“, so die Aufforderung an die Imame, soll das Wesen der Botschaft des Korans vorgetragen werden sowie dessen universellen und humanistischen Werte.

Quelle. Verschiedene Tageszeitungen, wie Le Parisien, La Croix usw am 18.1.2015.

Toleranz – die Kunst den anderen zu ertragen. Zu einem Interview mit Rainer Forst. Philosophie Magazin

TOLERANZ erkennen und tolerant leben: Ein Interview mit dem Philosophen Rainer Forst im PHILOSOPHIE MAGAZIN

Die Zeitschrift Philosophie Magazin veröffentlicht in ihrem Heft 2, 2015 (Seite 70-75) ein Interview mit dem Frankfurter Philosophen Rainer Forst (50). Er ist u.a. Leibniz Preisträger; Schüler von Habermas und Rawls und Spezialist für Fragen aus dem Zusammenhang von Philosophie und Politik.

In dem Interview plädiert er für ein differenziertes Verstehen dessen, was man so allgemein schnell und oberflächlich „Toleranz“ nennt. Rainer Forst zeigt, dass Philosophie in aktuellen Debatten eine wichtige Rolle spielen kann, genauer zu unterscheiden, kritischer auf das zu achten, was in der Öffentlichkeit verbreitet wird und schnell als „Wahrheit“ Beachtung findet.

Das Philosophie Magazin Heft 2/2015 ist auch wegen des Interviews mit Rainer Forst, das auch in Schulen und Gruppen diskutiert werden sollte, empfehlenswert.

Einige inspirierende Zitate aus dem Interview mit Rainer Forst, die Fragen stellte Nils Markwardt.

„Toleranz wird oft mit Gleichgültigkeit gleichgesetzt. Das ist jedoch falsch. Wenn ich andere Überzeugungen oder Praktiken „toleriere“, setzt das immer voraus, dass ich an ihnen etwas problematisch finde. Toleranz müssen wir nur dort aufbringen, wo uns etwas stört. Diese Form der Ablehnung ist die erste von drei Komponenten, die für den Begriff wichtig sind. Um andere zu tolerieren, braucht es dann vor allem die zweite Komponente, die Akzeptanz. Man findet Gründe, weshalb das, was einen stört, dennoch toleriert werden sollte. Dabei verschwindet die Ablehnung jedoch nicht. Obwohl man weiterhin bedenklich findet, was die anderen denken oder tun, erkennt man, wieso es richtig wäre, dies zu tolerieren. Die dritte Komponente besteht in der Zurückweisung. Denn die Akzeptanz reicht nur bis zu einem gewissen Punkt, an dem die Grenzen der Toleranz erreicht sind. Hier kommen noch einmal negative Gründe ins Spiel, nur gravierender, da damit das Ende der Toleranz gefordert wird, etwabei Verletzungen der Menschenrechte“.

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„Wir wollen keine toleranten Rassisten, sondern ein Ende des Rassismus. Wir wollen, dass die entsprechenden Leute ihre rassistischen Vorurteile ablegen“.

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„Zu glauben, es könnte irgendwo auf der Welt nicht unmoralisch sein, Menschen ihrer grundlegenden Rechte zu

berauben, ist nicht hinnehmbar“.

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Copyright: Philosophie Magazine.

Die empfehlenswerte Zeitschrift ist an vielen großen Kiosken zu haben.

 

 

 

Kirchenführer in Frankreich und Charlie Hebdo – nach der Demo am 11.1.2015

Reaktionen der Kirchenführer in Frankreich auf den 7.1. 2015… und warum Charlie Hebdo not-wendig bleibt.

Hinweise von Christian Modehn

Die größte Demonstration in Frankreichs Geschichte fand wohl am 11. Januar 2015 in Paris statt: Mehr als eineinhalb Millionen waren auf der Straße, um für die Meinungsfreiheit und letztlich für die Demokratie zu demonstrieren. Vor allem um zu zeigen: Es gibt gemeinsame Grundüberzeugungen unter den politisch so vielfältig orientierten Franzosen. Ein Ereignis! Ein Glück!

Wo war der Erzbischof von Paris, Kardinal André Vingt-Trois, als in „seiner“ Stadt dieses welthistorische Ereignis stattfand? „Heute ist Paris die Hauptstadt der Welt“ war wohl als Einschätzung zutreffend. Der Kardinal zog es hingegen vor, in Rom, im Vatikan, zu weilen.

An der Demonstration in Paris nahmen zwei, Verzeihung, eher nicht so sehr bedeutende katholische Würdenträger teil, also nicht etwa der Chef der Bischofskonferenz, sondern Bischof Stanislas Lalanne von Pontoise sowie Bischof Pascal Delannoy von Saint-Denis.

Es gab vonseiten der katholischen Kirchenführung, soweit bekannt, auch keinen Aufruf an die Gläubigen, an den Demos am 11. 2015 teilzunehmen. Hingegen hat die Protestantische Förderation Frankreichs durch seinen Präsidenten Francois Clavairoly ausdrücklich die Protestanten zur Teilnahme aufgefordert: „La Fédération protestante de France appelle ses membres à participer dimanche 11 janvier aux manifestations d’hommage aux victimes de l’attentat de Charlie Hebdo. En réponse à l’appel du Président de la République, je veux encourager les membres des Eglises, œuvres et mouvements de la FPF à se joindre à la marche républicaine qui aura lieu dimanche 11 janvier à Paris, mais aussi à toutes les initiatives identiques prévues partout en France. L’élan de fraternité qui nous anime et la volonté de réaffirmer de façon solennelle notre attachement aux valeurs qui fondent la République doivent nous mobiliser“. Zusammenfassende Übersetzung: Die Prot. Föderation ruft seine Mitglieder auf, an den Demonstrationen zu Ehren der Opfer des Attentates von Charlie Hebdo teilzunehmen. Ich ermutige die Mitglieder der Kirche … sich dem republikanischen Marsch anzuschließen. Der Elan der Brüderlichkeit sowie der Wille, wieder auf feierliche Art unsere Bindung an die Werte auszudrücken, die die Republik begründen, müssen uns mobilisieren“. Ermunternde Worte, darf man sagen!

Die katholischen Kirchenführer waren da viel zurückhaltender. Zum Beispiel:

In Bordeaux nahm der dortige Erzbischof Kardinal Jean Pierre Picard an der Demo „Je suis Charlie“ teil. Er betonte dann: „Ein Krieg hat sich entwickelt gegen unsere Gesellschaften, die von den Islamisten als dekadent und ungläubig angeklagt werden. Ich muss gestehen, dass die Zeitung Charlie Hebdo mir nicht so gefallen hat. Jean Pierre Ricard sagte: „Je dois avouer que Charlie Hebdo n’était pas ma tasse de thé ! Je trouvais même dans certaines caricatures une vraie violence. Mais, dans notre pays, les choses se règlent devant les tribunaux en cas de litige. Pas en tuant les gens“

„Ich muss gestehen, dass mir Charlie Hebdo nicht gefallen hat. Ich fand selbst in gewissen Karikaturen eine echte Gewalt! Aber in unserem Land regeln sich diese Dinge vor dem gericht im Streitfall. Und nicht, indem man Leute tötet“.

Und dann fuhr der Kardinal von Bordeaux fort: „Wenn man das Religiöse in Frankreich aus dem öffentlichen Raum vertreiben will, dann ist das die beste Art und Weise, weiter den Islamismus zu fördern. Wir haben ein Interesse daran, den spirituellen Traditionen, die reich an Weisheit und Intelligenz sind, ihren Platz in der Gesellschaft zu geben. Dies ist der beste Schutz gegen den Islamismus“.

Es gibt in rechten politischen Kreisen, auch unter führenden FN Leuten diesen Grundton: “Wir bedauern den blutigen Tod der Journalisten und der jüdischen Opfer und der Polizisten. Aber wir halten von Charlie Hebdo eigentlich gar nichts. Natürlich, die Meinungsfreiheit ist schon ganz OK. Aber die Religionskritik des Blattes war doch zu viel… ” Ähnliche Äußerungen von der marokkanischen Staatsführung waren zu hören…Also, mit anderen Worten: Bitte begrenzt doch diese Pressefreiheit, sagen die Rechten und die FN Leute. Die religiösen Gefühle der katholischen Bischöfe treffen sich mit denen bestimmter islamischer Kreise. Es gibt also einen weiteren Aspekt interreligiöser “Ökumene”.

Wenn Kardinal Picard, Bordeaux, sagt, er fände in einigen Karikaturen von Charlie Hebdo „echte Gewalt“, dann darf man das wohl auch so übersetzen: Dann sind die Journalisten von Charlie Hebdo selbst schuld, wenn sie echte Gewalt propagieren und offenbar zuerst (gegenüber den ;ärdern) ausüben… und dann halt durch die Gegengewalt umkommen. Dieser Kleriker hat kein Verständnis dafür, dass Religionskritik, auch heftige, selbst für fromme Menschen eine klärende, kritische Wirkung haben kann.

Wenn heute, eine Woche nach dem Mord an den Charlie Hebdo Journalisten das Blatt diesmal in millionenfacher Auflage in verschiedenen Sprachen erscheint, ist das ein Zeichen, dass alle diese LeserInnen die Religionskritik und bissige Satire bejahen? Vielleicht. Wir werden sehen, wie hoch die Auflage in drei Monaten ist. Islamische Kreise und andere konservative Kreise sind heute (14.1. 2105) empört, dass Charlie Hebdo im “alten kritisch-bissigen” Stil weitermacht. Sie wollten das Blatt einfach ignorieren, heißt es, Gott sei Dank, und wohl nicht erneut die Redakteure attackieren. Diese Kreise nehmen nicht wahr, dass die Themen, die das Blatt zeigt,überspitzt zwar, nach wie vor aktuell sind! Das ist doch das Thema, über das eine breite Auseinandersetzung stattfinden sollte: Die Karikaturen von Charlie Hebdo haben ihre “Ursache” in unserer (nicht nur reliösen) Wirklichkeit! Die Verlogenheit und Scheinheiligkeit vieler religiöser Menschen ist aber eine Tatsache, die der nicht-religiösen Menschen (Atheisten usw.) natürlich auch. Solange diese Situation so ist, ist ein Blatt wie Charlie Hebdo hilfreich und vielleicht not-wendig.

copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

 

 

 

Haiti 5 Jahre nach dem Beben: Das Volk: Betrogen, vergessen, verachtet

Betrogen, vergessen, verachtet

Haitianer – 5 Jahre nach dem Erdbeben

Von Christian Modehn

Europa hat jetzt noch mehr eigene Sorgen. Nach dem Mord an den Redakteuren von „Charlie Hebdo“ sowieso. Deutschland, Europa insgesamt, befasst sich mehr und mehr mit  Weiterlesen ⇘

Bischof Jacques Gaillot: Ein “alter” Freund von Charlie Hebdo

Der katholische Bischof Jacques Gaillot, der vor 20 Jahren vom Vatikan wegen progressiver theologischer und politischer Auffassungen als Bischof von Evreux abgesetzt wurde und seitdem als Titular Bischof von Partenia in Paris lebt, hat sich schon im Jahr 2007 als Freund der Zeitschrift Charlie Hebdo gezeigt. Wichtig seine Aussage im folgenden Beitrag: Man ist in einem Staat, in dem die Menschenrechte gelten, zuerst BÜRGER und erst an zweiter Stelle Anhänger einer bestimmten Religion.

Siehe am Ende dieses Beitrags auch den Hinweis auf die Aktivitäten Jacques Gaillots in den letzten Jahren.

Der Text von Bischof Jacques Gaillot vom März 2007:

——-Auf der Website PARTENIA von Bischof Jacques Gaillot im März 2007 veröffentlicht——-:

Der Vorsteher der Moschee von Paris, der Verband der islamischen Organisationen in Frankreich und die weltweite islamische Liga haben gegen die satirische Wochenzeitschrift «Charlie Hebdo» Klage eingereicht; diese hatte Karikaturen des Propheten Mohammed veröffentlicht.

Hat man das Recht, sich an einer Säule des Islams zu vergreifen, die Religion lächerlich zu machen, sich über humorlose Fundamentalisten lustig zu machen? Kann man alle Religionen kritisieren?

Ich habe mich zum Gerichtsgebäude begeben, weil es mir ein Anliegen ist, für die Meinungsfreiheit einzutreten. Der Andrang ist groß, eine ganze Meute von Medienleuten, auch ausländischen, ist vor Ort. Neben mir steht ein junger Mann, der mir erzählt, er sei per Anhalter aus Südfrankreich angereist, er habe diesen Prozess nicht verpassen wollen.

Ich rede mit Moslems, die hier sind, um die Zeitschrift Charlie Hebdo zu unterstützen: «Wir wollen nicht mit den Fundamentalisten in einen Topf geworfen werden. Wir lehnen den Vergleich mit Extremisten ab. Keine Vermischung. Wir verteidigen die Meinungsfreiheit.» Der Prozess zieht sich über zwei Tage hin, die Diskussion wird leidenschaftlich geführt.

Im Land von Voltaire wird die Freiheit hochgehalten. Wie viele Männer und Frauen haben hier für die Meinungsfreiheit gekämpft!

In einer laizistischen Gesellschaft ist man zuerst Bürger und erst in zweiter Linie Anhänger einer bestimmten Religion. Wenn die satirische Zeitung den Prozess gewinnt, was ich hoffe, wird das eine Neubestätigung der Meinungsfreiheit und der Laizität sein.

Quelle: http://www.partenia.org/deutsch/archives_ger/archives_2007/c_0703ger.htm

Das politische Magazin LE POINT hat eine Liste der Aktivitäten Bischof Gaillots in den letzten Jahre veröffentlicht. Klicken Sie bitte hier.

 

Fromme Sprüche reichen nicht. Wer glaubt, will auch verstehen. Eine Ra­dio­sen­dung

Eine Ra­dio­sen­dung auf NDR Kultur, Reihe: Glaubenssachen, am 11.01.2015 um 8.40 Uhr

Fromme Sprüche reichen nicht. Wer glaubt, will auch verstehen

Von Christian Modehn     Zum TEXT der Sendung: Klicken Sie bitte hier.

Religiöse Menschen lieben die Poesie. Sie äußern ihre Erfahrungen und Ahnungen von der himmlischen Wirklichkeit gern in Gedichten und Liedern. Sie sprechen von Jesus als dem „Lämmlein, das geschlachtet wird“ oder preisen Maria als „die Wunderschön-Prächtige“. Auch die offiziellen Glaubensbekenntnisse enthalten mystische Formeln. So heißt es von Christus, dem ewigen Logos, er sei „gezeugt, aber nicht geschaffen“. Was diese Worte bedeuten, erschließt sich nur, wenn sie in allgemeine Begriffe der Alltagssprache übertragen werden. Nur dann vermag Religion modernen Menschen Orientierung zu bieten. Glauben und Verstehen sind kein Widerspruch.