Kant lehrt uns das Hoffen zu bewahren: Im Einsatz für den Frieden!
Ein Hinweis von Christian Modehn am Ende der Kant – Jahres 2024 … in der Hoffnung, dass Kant weiter intensiv diskutiert wird.
1.
„Die Hoffnung stirbt zuletzt.“ Wie ein Slogan hat sich dieser Satz in unseren dunklen Zeiten verbreitet und durchgesetzt.
Die Frage ist: Was ist eigentlich zuvor schon alles gestorben, an Weisheiten, Einsichten, Überzeugungen, wenn man einen solchen Satz sagt? In der christlichen Tradition spricht der Apostel Paulus von „den menschlich entscheidenden Dreien“, also von „Glaube, Hoffnung und Liebe.“ Um bei unserem Thema zu bleiben: Dann sind offenbar Glaube und Liebe schon gestorben. Dann bleibt nur noch die Hoffnung als das Letzte vor einem definitiv gedachten Ende, dem Nichts … oder dem Himmel?
2.
Immanuel Kant kann bei dem Thema weiterhelfen: Hoffnung und aktives Hoffen ist ein zentrales Thema seiner Philosophie. Auch Hoffen und Hoffnung führt ihn selbstverständlich über den Bereich des wissenschaftlich exakt Erkennbaren hinaus. Und so wird auch hier sichtbar: Kant hat zwar als Anhänger des Physikers Newton seine Karriere begonnen, aber er musste als Philosoph über die Physik hinaus denken … in eine vernünftig begründete Metaphysik: Kant als den „Zermalmer der Metaphysik“ zu bezeichnen, ist also falsch. Kant war ein Metaphysiker und Religionsphilosoph (und Kirchenkritiker LINK)
Nur als ein Metaphysiker konnte er auch die heute so dringende Frage beantworten: „Was darf ich hoffen?“ Sie steht im Zusammenhang mit der Frage Kants: „Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Und: Was darf ich hoffen?“
3.
Für Kant kann es Hoffnung nur geben, weil wir Menschen hoffen DÜRFEN, wie er ausdrücklich sagt. Das Hoffen – „Dürfen“ ist eine Art rechtlich begründeter Erlaubnis zu hoffen. Ich habe also also aufgrund meine Menschsein die Berechtigung zu hoffen. „Also hoffen wir doch“, möchte man etwas aufdringlich fordern. Oder:„Habe den Mut, deine in dir vielleicht noch versteckte Hoffnung zu leben“…
4.
Hoffen zu dürfen ergibt sich für Kant in der Auseinandersetzung mit der Frage nach dem SINN meines und der anderen Menschen Leben. Dieser alles gründende Sinn des Lebens eröffnet sich, zeigt sich, für den einzelnen inmitten des Tuns des Gerechten: Im Eintreten für Gerechtigkeit und gerechte Gesetze darf der Mensch das alles Entscheidende hoffen: dass sich die vorhandene Welt mit ihren Staaten langsam aber sicher der Utopie des Reiches Gottes annähert. Und zum Reich Gottes gehört für Kant auch der Frieden in der ganzen Welt. Seine bis heute vielbeachtete Schrift „Zum ewigen Frieden“ konnte Kant 1795 veröffentlichen.
5.
Dass Welt – Frieden nur in „republikanischen Staaten“ möglich wird, ist eine der wichtigen Voraussetzungen Kants. Es sind die freien Staatsbürger, die entscheiden, ob ein Krieg sein soll oder nicht. Es liegt also in der Entscheidung der Menschen, dass sie die Hoffnung auf einen Weltfrieden aktiv politisch fordern und gestalten! Kant betont, dass nur moralisch gesinnte Politiker dieses große Hoffnungsprojekt realisieren können, nicht etwa solche, die sich ihre Moral unabhängig vom Kategorischen Imperativ egoistisch erfinden.
6.
Eine menschliche Organisation, die uns lehren kann, Hoffnung haben zu dürfen und praktisch Hoffnung zu gestalten, ist für Kant grundsätzlich die (protestantische) Kirche. Wenn Kant in dem Zusammenhang von Kirche spricht, meint er damit die Vereinigung aller rechtschaffenden Menschen, die den Frieden auf dieser Welt schrittweise befördern. Politisches Handeln ist in der Kirche notwendig, sofern es dem Weltfrieden dient.
7.
Der dogmatische Glauben der Kirche wird bei Kant also aufgehoben zugunsten einer Gemeinschaft derer, die den Frieden der Welt als Ausdruck ihres Glaubens an das Reich Gottes verstehen. Und dieses Handeln ist nur möglich in der Kraft der Hoffnung. Die Theologen sollen also den Glaubenden sagen: „Ihr habt alle Berechtigung zu hoffen“. Und diese Hoffnung dürfen sich die Menschen (in der Kirche) nicht zerstören lassen, durch zynische Einwände, etwa: „dass doch alles nichts nützt“ usw. „Diesem Zynismus dürfen wir niemals erliegen“, betont Kant. Zynismus kann tödlich sein. „Es ist für Kant ein Gebot der moralischen Selbstachtung, an den politischen Zielen von Rechtsstaat, liberaler Demokratie, Gerechtigkeit, internationaler Kooperation und globalem Frieden festzuhalten. Denn ohne Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Frieden ist ein menschenwürdiges Leben nicht möglich. Wir können (und dürfen CM) diesen Anspruch nicht aufgeben, sonst geben wir unsere Menschlichkeit auf“ (Marcus Willaschek, „Kant“, München, 2024, S 42f.).
8.
Dieser politische Aspekt der Hoffnung im Denken Kants ist oft eher übersehen worden. Viele LeserInnen konzentrierten sich auf Kants eher individualistische Überzeugung: Dass der rechtschaffene Mensch in dieser Welt mit so vielen Übeltätern zwar scheitert und darüber zu verzweifeln droht. Aber, so meint Kant, aufgrund der von ihm als Postulat konzipierten Unsterblichkeit der Seele, habe der gescheiterte, aber rechtschaffene Mensch die begründete Hoffnung: einen Zustand des (göttlichen) „Höchsten Gutes“ zu erleben. Den „der gegenwärtige Zustand der Welt, in dem viele Menschen unverschuldet leiden, ist nach Kant eine moralische Zumutung“ , also etwas zu Überwindendes. (Marcus Willaschek, Kant, a.a.o. S.138).
9.
Nebenbei:
Über die Bedeutung des in der Hoffnung erschlossenen höchsten Gutes wird diskutiert: Die einen Kant – Kenner betonen: Im Sinne Kants werde dann Gott im „Jenseits“ die moralische Qualität eines jeden Menschen prüfen und die Bösen bestrafen und die Guten belohnen. Im Laufe der Zeit, betont der Kant – Forscher Marcus Willaschek, habe sich „Kants Verständnis des höchsten Gutes immer weiter von einer `religiösen` zu einer `säkularen` Konzeption verschoben“ (S. 142). Gott werde nicht mehr als himmlischer Richter gesehen, sondern als ein Schöpfer, „der die Natur so geschaffen hat, dass wir Menschen in ihr das höchste Gut aus eigener Kraft realisieren können“ (ebd.).
10.
Wer das neueste Buch des Historikers und Autors Rutger Bregman (Niederlande) liest mit dem Titel „Moralische Ambition“, Rowohlt – Verlag, 2024, hat den Eindruck: Da werden Kants Erkenntnisse aktualisiert, da wird das Hoffen DÜRFEN als Erlaubnis und Aufforderung zu hoffen und politisch tätig zu werden, für heute kreativ aufgegriffen und weiter geführt.
Wer wird leben im Gedächtnis der Menschen? Ein zentraler Satz Rutger Bregmans: „Nicht die reichsten, sondern die hilfreichsten Menschen werden von der Geschichte erinnert“.
Copyright: Christian Modehn, www.religionsphilsophoischer-salon.de