Der Krieg der Bauern im Allgäu – gegen die „Herren Äbte“ in den Klöstern!

Ein Hinweis von Christian Modehn am 22.5.2025.

Dieser kurze Hinweis ist eine Ergänzung und Verteigung zu unserem Beitrag über den Reformator Thomas Müntzer. LINK

1.
Auch die Bauern im Allgäu konnten ihre Lebensbedingungen, also Ausbeutung und Leibeigenschaft, zu Beginn des 16. Jahrhunderts nicht länger ertragen: Sie wagten den Aufstand gegen ihre Herren: Diese Herren waren vor allem die sich christlich nennenden Äbte der Klöster, „geistliche Herrschaften“. Die Benediktiner-Klöster in Augsburg, Ottobeuren und Irsee etwa verfügten über sehr viel mehr Territorien als die weltlichen Reichsstädte Memmingen, Kaufbeuren und Kempten. Die Äbte forderten exzessiv Abgaben von den Bauern.
Als sie den Aufstand wagten, „standen die Bauern mit dem Rücken zur Wand, um ihre Freiheit, gesellschaftliche Anerkennung und politische Teilhabe zu erkämpfen. Hinzu kam ihre Sehnsucht nach einer christlichen Seelsorge, die diesen Namen auch verdient hätte,“ schreibt der Historiker Stefan Fischer in seiner „Kleinen Geschichte des Bauernkriegs 1525“ mit dem Titel „Aufruhr im Allgäu“ (S. 140). Auch wenn die Bauern der Übermacht der Herren unterlegen waren: Sie hatten immerhin im März 1525 die grundlegenden „Zwölf Artikel“ in Memmingen formuliert: Dies sind die ersten Forderungen, Menschenrechte und Freiheitsrechte auch für Bauern, „den gemeinen Mann“, durchzusetzen. Interessant ist, dass das „Gottes Recht“, also das Wort Gottes (Weisungen der Bibel), herrschen sollte und nicht das willkürliche, menschliche „Rechtswesen“, das zugunsten der Herren von den Herren formuliert wurde. „Das „göttliche Recht“ forderte in letzter Konsequenz eine neue Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft. Das „göttliche Recht“ der Bibel hatte also, wörtlich genommen und ohne den klerikalen Filter gelesen, eine revolutionäre Bedeutung. In dem Zusammenhang von „religiösem Fundamentalismus“ zu sprechen, ist schwierig, weil es von der Vernunft her formulierte Menschen Rechte noch nicht gab. Und der Humanismus, etwa eines Erasmus, fand keine weite Anerkennung, durch Martin Luther, den Feind der Philosophie, auch nicht.
Zu den „Zwölf Artikeln”: Siehe Fußnote 1.
Bemerkenswert ist: Diese Zwölf Artikel wurden als Druckschrift mit sehr hoher Auflage verbreitet. Dieser Text hatte eine weite Wirkung bis in die USA und nach Frankreich.

2.
Das Buch von Stefan Fischer macht einmal mehr klar: Der Bauernkrieg war keineswegs nur ein auf Mitteldeutschland begrenztes Ereignis und keineswegs nur ein Kampf unter der Inspiration des Reformators Thomas Müntzer. Das Buch bietet nicht nur eine anschauliche, differenziert argumentierende Beschreibung der Ereignisse im Krieg der Bauern gegen ihre Herren, es werden auch entscheidende Stichworte zum Hintergrund ausführlich erläutert, wie „Die Leibeigenschaft“, „Der Bundschuh“, „Der schwäbische Bund“ oder ausführliche Informationen auch zu wichtigen Protagonisten in diesen Auseinandersetzungen wie „Sebastian Lotzer“ oder „Gordian Seuter“.
Die geistlichen Herren in den Klöstern, wie im Stift Kempten, hielten nach der Niederlage der Bauern 1525 an der Leibeigenschaft, wenn auch “gemäßigt“ (S. 132) fest. Nach dem Krieg wurde eine die politische Mitwirkung der Bauern in ihrer Heimat sehr begrenzt gewährt. Die Leibeigenschaft wurde erst 1803 gesetzlich abgeschafft.

3.
Das Benediktinerkloster Ottobeuren hat kürzlich (2023) ein neues durchaus prächtig zu nennendes „Klostermuseum“ eröffnet: Tatsächlich: „Eines der modernsten Museen im Allgäu, hier werden Wissen und Informationen spannend, interaktiv, multimeldial vermittelt“, wie es im offiziellen Werbe- Flyer heißt (https://www.vereinigung-ottobeuren.de/klostermuseum/).
Nebenbei: Es ist eher wahrscheinlich, dass das ganze Kloster bald zum Museum wird; zur Zeit leben in dem riesigen Klostergebäude noch 15 Mönche eher reiferen Alters (https://www.abtei-ottobeuren.de/content/konvent/konvent/).
Leider nur bis zum 1.6.2025 ist eine Sonderausstellung „Spuren des Bauernkrieges“ im Theatersaal des Klostermuseums Ottobeuren zu sehen; danach, ab 1. Oktober 2025 für knapp drei Monate noch einmal im Stadtmuseum Memmingen. Dabei gehört doch das Thema „Bauernkrieg und das Kloster Ottobeuren“ wirklich auf Dauer in die zentrale „moderne“ Ausstellungswelt des Klostermuseums. Aber es ist für Klöster immer noch unangenehm , wenn sie im Blick auf die eigene Geschichte zugeben und dokumentieren müssen: Auch wir katholischen Mönche hatten leibeigene Bauern, die sich im Geist des Evangeliums gegen uns, den Klerus, im Krieg erhoben… Gewiss: Die Bauern haben 1525 das reiche Kloster Ottobeuren geplündert. Aber es zeigt die begrenzte Sichtweise: Nur dieses Ereignis der Plünderung wird in der offiziellen Kloster „Zeittafel“ erwähnt. (https://abtei-ottobeuren.de/content/klosteranlage/historisches/). So wird der kritische Blick der Besucher des prächtigen modernen Klostermuseums nicht übermäßig geschärft. Und der tatsächliche (dokumentierte) Glanz wissenschaftlicher Leistungen einiger Mönche dieses Klosters bleibt in der Erinnerung. Die barocke Klosterwelt muss ad aeternum nichts als schön sein.
Zur barocken Basilika des Klosters: prachtvoll, himmlisch und außerirdisch:https://abtei-ottobeuren.de/content/klosteranlage/die-basilika/

Fußnote 1:
Flugschrift der Zwölf Artikel von 1525
Eine der Originalurkunden der Zwölf Artikel wird im Stadtarchiv Memmingen verwahrt. Nachfolgend eine grobe Übertragung des Texts der Zwölf Artikel in heutiges Deutsch:
– Jede Gemeinde soll das Recht haben, ihren Pfarrer zu wählen und ihn zu entsetzen (abzusetzen), wenn er sich ungebührlich verhält. Der Pfarrer soll das Evangelium lauter und klar ohne allen menschlichen Zusatz predigen, da in der Schrift steht, dass wir allein durch den wahren Glauben zu Gott kommen können.
– Von dem großen Zehnten sollen die Pfarrer besoldet werden. Ein etwaiger Überschuss soll für die Dorfarmut und die Entrichtung der Kriegssteuer verwandt werden. Der kleine Zehnt soll abgetan (aufgegeben) werden, da er von Menschen erdacht (und nicht biblisch begründet) ist, denn Gott der Herr hat das Vieh dem Menschen frei erschaffen.[7]
-Ist der Brauch bisher gewesen, dass man uns für Eigenleute (Leibeigene) gehalten hat, welches zu erbarmen ist, angesehen, dass uns Christus alle mit seinen kostbarlichen Blutvergießen erlöst und erkauft hat, den Hirten gleich wie den Höchsten, keinen ausgenommen. Darum ergibt sich aus der Schrift, dass wir frei sind und sein wollen.
– Ist es unbrüderlich und dem Wort Gottes nicht gemäß, dass der arme Mann nicht Gewalt hat, Wildbret, Geflügel und Fische zu fangen. Denn als Gott der Herr den Menschen erschuf, hat er ihm Gewalt über alle Tiere, den Vogel in der Luft und den Fisch im Wasser gegeben.
– Haben sich die Herrschaften die Hölzer (Wälder) alleine angeeignet. Wenn der arme Mann etwas bedarf, muss er es für das doppelte Geld kaufen. Es sollen daher alle Hölzer, die nicht erkauft sind (gemeint sind ehemalige Gemeindewälder, die sich viele Herrscher angeeignet hatten), der Gemeinde wieder heimfallen (zurückgegeben werden), damit jeder seinen Bedarf an Bau- und Brennholz daraus decken kann.
– Soll man der Dienste (Frondienste) wegen, welche von Tag zu Tag vermehrt werden und täglich zunehmen, ein Einsehen haben und uns nicht so sehr belasten, so, wie unsere Eltern gedient haben, allein nach Laut des Wortes Gottes.
– Soll die Herrschaft den Bauern die Dienste nicht über das bei der Verleihung festgesetzte Maß hinaus erhöhen. (Eine Anhebung der Fron ohne Vereinbarung war durchaus üblich.)
– Können viele Güter die Pachtabgabe nicht ertragen. Ehrbare Leute sollen diese Güter besichtigen und die Gült nach Billigkeit neu festsetzen, damit der Bauer seine Arbeit nicht umsonst tue, denn ein jeglicher Tagwerker ist seines Lohnes würdig.
– Werden der großen Frevel (Gerichtsbußen) wegen stets neue Satzungen gemacht. Man straft nicht nach Gestalt der Sache, sondern nach Belieben (Erhöhungen von Strafen und Willkür bei der Verurteilung waren üblich). Ist unsere Meinung, uns bei alter geschriebener Strafe zu strafen, wonach die Sache gehandelt ist, und nicht nach Gunst.
– Haben etliche Wiesen und Äcker, die einer Gemeinde zugehören (Gemeindeland, das ursprünglich allen Mitgliedern zur Verfügung stand), angeeignet. Die wollen wir wieder zu unseren gemeinen Händen nehmen.
– Soll der Todfall (eine Art Erbschaftssteuer) ganz und gar abgeschafft werden, und nimmermehr sollen Witwen und Waisen so schändlich wider Gott und Ehre beraubt werden.
– Ist unser Beschluss und endliche Meinung, wenn einer oder mehr der hier gestellten Artikel dem Worte Gottes nicht gemäß wären …, von denen wollen wir abstehen, wenn man es uns auf Grund der Schrift erklärt. Wenn man uns schon etliche Artikel jetzt zuließe und es befände sich hernach, dass sie Unrecht wären, so sollen sie von Stund an tot und ab sein. Desgleichen wollen wir uns aber auch vorbehalten haben, wenn man in der Schrift noch mehr Artikel fände, die wider Gott und eine Beschwernis des Nächsten wären.
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Zw%C3%B6lf_Artikel

Stefan Fischer, „Aufruhr im Allgäu. Kleine Geschichte des Bauernkriegs 1525.“ Verlag Friedrich Pustet2024, 144 Seiten, 16.95€.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.