Welche Spiritualität braucht Berlin?
Das Gespräch über „Spiritualität in Berlin“ im Radialsystem, AGORA, am Mittwoch, den 14. September 2011, war sehr gut besucht: Mehr 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren dabei. Wir werden auf diese Veranstaltung noch ausführlicher zurückkommen und ankündigen, in welcher Form dieser offene Austausch von Menschen unterschiedlicher Spiritualität und von verschiedenen „spirituellen Basisinitiativen“ fortgesetzt wird.
Ursula Richard, Autorin des Buches „Stille in der Stadt“, und eine Initiatorin des Treffens, plädierte dafür, dass wir in Berlin mehr Orte der Stille brauchen. Ohne Stille kann es keine innere Sammlung und damit keine spirituelle Entwicklung geben. In der gemeinsam erlebten Stille können sich unterschiedliche Menschen näher kommen. Auf das neue Buch der Verlegerin Ursula Richard haben wir auf dieser website schon empfehlend hingewiesen.
In- Sun Kim, Leiterin des interrreligiösen Hospizes Berlin, betonte: Mitgefühl ist die Basis für eine allen Menschen zugewandte Spiritualität. Dieses Mitgefühl kann eingeübt, gelernt, gepflegt werden. Ohne Mitgefühl kann es keine Kultur in der Stadt geben. Frau Kim Sie forderte erneut, dass die vielen Menschen aus asiatischen Kulturen ein eigenes großes „Haus des Abschieds“ brauchen. Die Trauerriten der meisten Asiaten verlangen nach längeren Totenwachen, nach großen Räumen, in denen sich Freunde und Angehörige der Verstorbenen treffen können. Sponsoren für ein „interreligiöses Abschiedshaus“ werden dringend gesucht. Wer sich dafür einsetzt, fördert ein Modell – Projekt! Frau Kim erinnerte daran, dass die etwa 100 ehrenamtlichen Mitarbeiter des Hospizes selbst viel über Leben und Sterben und Tod gelernt haben. “Hospizausbildung” kann eine Schule des Abschieds sein…
Dr. Wilfried Reuter vom Lotus Vihara Zentrum in Berlin-Mitte (Neue Blumenstr. 5) zeigte, dass von der Basis aus in Privatinitiative ein wichtiges und wegweisendes Meditationszentrum aufgebaut werden konnte, ein Haus, das vielen Menschen auch Lebensorientierung in Krisenzeiten bietet. Dr. Reuter, Frauenarzt in Kreuzberg, forderte die Gründung eines Krankenhaus in buddhistischem Geist.
Christian Modehn vom Religionsphilosophischen Salon meinte, dass eigentlich jeder Mensch als „Wesen der Vernunft, also des Geistes“, bereits seine eigene, ganz persönliche Spiritualität immer schon lebt und praktiziert; oft hat der einzelne darüber noch kein deutliches Wissen. Diese immer schn gelebte eigene Spiritualität kritisch zu befragen, ist die entscheidende Aufgabe. Aber es gibt auch eine Form der Ermunterung zur eigenen Spiritualität, die das Leben begleitet und orientiert. Denn jeder hat seinen oft noch ungewussten Mittelpunkt im Leben, dem alles Interesse gilt, alle „Opfer“ gebracht werden, wenn etwa in der Kultur, Film Musik, Kunst, „Unbedingtes“ erlebt wird. Christian Modehn wies darauf hin, dass Spiritualität heute ein „Marktbegriff“ geworden ist, damit wird – oft von selbst ernannten Meistern – viel Geld verdient. Nicht überall, wo Spiritualität drauf steht, ist auch wirklich Geistvolles, kritisch Inspirierendes und Belebendes, also wirkliche Spirituaität, drin.
Viele Teilnehmer wünschten, dass diese offenen Debatten ohne konfessionelle Bindung und ohne dogmatische Voraussetzungen weitergeführt werden soll.
Berlin ist eine spirituelle Stadt (nicht mehr eine kirchenfromme und in dem Sinne auch keine religiöse Stadt), aber der Geist, spiritus auf Lateinisch, ist da, er belebt die Vernunft und …. auch das Herz.