Ein Hinweis von Christian Modehn
Geschieben am 3.2.2021:
Pater Jean-Pierre Jossua ist am 1. Februar 2021 gestorben, an den Folgen der Corona-Pandemie, er wurde 90 Jahre alt, die Impfung kam wohl zu spät?
Der Dominikaner Theologe Jossua war ein außergewöhnlicher Theologe, darauf habe ich früher schon hingewiesen (siehe unten meinen Beitrag vom 24.9.2020).
Außergewöhnlich, weil er seit ca. 40 Jahren kein Interesse mehr darin sah, über Kircheninterna viel zu reden und zu schreiben. Er hatte erkannt, dass es sehr viel Wichtigeres gibt. Etwas, das nachdenkliche Menschen bewegt, die spirituell interessiert, aber un-kirchlich sind im Sinne von “nicht mehr römisch – katholisch”.
Jossua widmete sich der Literatur, selbstverständlich auch der unkirchlichen, „atheistischen“. Er nannte seine Theologie „théologie littéraire“. Ein großartiger Titel. Allein vier Bände umfasst seine Studie „Für eine religiöse Geschichte der literarischen Erfahrung“, erschienen bei Beauchesne, Paris. Sehr viel mehr Bücher hat Jossua verfasst.
Von Jean-Pierre Jossua wissen in Deutschland vielleicht noch einige, die die progressive katholische theologische Zeitschrift CONCILUM noch kennen, zu deren „Direktoren“ er einst gehörte, als er sich mit den Kircheninterna abgeben musste. Aber auf Deutsch liegt meines Wissens kein größeres Werk von ihm vor, auch die deutschen Dominikaner haben ihn wohl vergessen?
Wie früher schon von mir geschrieben: Jean Pierre Jossua stammte aus einer jüdischen Familie, sein Vater wurde in Auschwitz 1943 von Deutschen ermordet. Er selbst rettete sich nach Argentinien und trat als Konvertit 1953 in den Dominikanerorden in Frankreich ein, der damals für viele kritische Intellektuelle ein spirituelles Obdach bot.
Jossua sah seine Aufgabe darin, das Religiöse, auch das Christliche, ins Gespräch mit der gegenwärtigen Kultur zu bringen, auch und gerade der kirchenfernen, der „laique“ Kultur. Solche gebildeten Theologen mit diesen weiten, vernünftigen Ansätzen und Zielen sind sehr sehr selten geworden. Es herrscht heute bekanntlich und überall zu spüren der kleinkarierte, ungebildete Klerikalismus vor.
Katholische, kritische Intellektuelle gibt es nicht mehr, auch nicht in den Orden. Oder?
Man möchte Jean-Pierre Jossua danken.
Copyright: Christian Modehn, www.religionsphilosophischer-salon.de
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Dieser Hinweis wurde verfasst anlässlich des 90. Geburtstages von Jean-Pierre Jossua am 24. 9. 2020:
Ein französischer Theologe hat sich viele Jahre seines akademischen Lebens und Lehrens mit der Suche nach dem Unendlichen, dem Sinnvollen, dem Göttlichen befasst, aber, eben anders als die vielen anderen, gewöhnlichen, möchte man fast sagen. Jean Pierre Jossua hat das Unendliche, Gott, das Göttliche, in der modernen Literatur gesucht und auf ungeahnte Weise gefunden. Pater Jossua ist Dialogpartner für Dichter und Schriftsteller, er will sie nicht belehren, nicht bekehren, sondern das Gesagte verstehen und mit ihnen das Ungesagte entziffern
Der Dominikaner Pater Jean – Pierre Jossua (Jahrgang 1930) ist also eine Ausnahme-Gestalt, die leider in Deutschland weithin unbekannt ist: Und das gibt zu denken: Wie weit ist Theologie in Frankreich selbst unter deutschen Theologen „entfernt“ uns fremd? Lediglich in der internationalen theologischen Zeitschrift CONCILIUM hat Jean Pierre Jossua einige auf Deutsch erreichbare Aufsätze publizieren können. Die Liste seiner Arbeiten auf Französisch ist lang. Eine ausführliche biographische und theologische Würdigung wäre angebracht und dringend geboten, man fragt sich: Warum machen das eigentlich die Dominikaner in Deutschland nicht?
Jossuas Motto heißt: „Als Theologe die Literatur lesen. Und als Theologe literarisch schreiben…“ Beide Forderungen hat er in seinem umfangreichen Werk erfüllt.
Jean Pierre Jossua wurde am 24.9. 1930 in Paris in einer jüdischen Familie geboren, die ursprünglich aus Saloniki, Griechenland, stammt. Jean Pierre Jossua gelingt unter der Naziherrschaft die Flucht nach Argentinien, sein Vater wird in Auschwitz von Deutschen ermordet.
Nach einem Medizinstudium konvertiert Jean Pierre Jossua zum Katholizismus und tritt 1953 in den Orden der Dominikaner ein, der sich damals in Frankreich vieler theologisch progressiver Mitglieder rühmen konnte (konservativer auch), erwähnt seien nur die progressiven Patres Chenu oder Pater Congar, die beim 2. Vatikanischen Konzil von Bedeutung waren. Sie hatten eine Leidensgeschichte hinter sich, etwa wegen ihres mutigen Eintretens für die Arbeiterpriester, dieses „Experiment“ hat Papst Pius XII. dann verboten. Den üblichen vatikanischen geistigen Terror mussten sie aushalten, mit Schreibverboten etc. Wie und warum haben das Intellektuelle damals nur mit sich geschehen lassen? Vielleicht, weil sie die an katholische Kirche doch noch als eine „göttliche Stuftung“ glaubten?
Pater Jossua hat sich als Theologe UND Kenner der Literatur und Poesie vor allem dem Dialog mit den Schriftstellern und Poeten gewidmet. Sozusagen innerhalb der Theologie eine Art Nischenthema,leider.
Ich konnte 2011 mit Pater Jossua in Paris, im Dominikanerkloster St. Jacques im 13. Arrondissement, ein Interview führen. Das große Kloster und die einstige renommierte theologische Fakultät „Le Saulchoir“ ist heute eine bescheidene theologische Bildungsstätte des Ordens.
Pater Jossua hat auf die enge Verbindung von Poesie und Spiritualität hingewiesen: „Die Poesie ist für unglaublich viele Menschen, und darunter sicher die besten, eine Form spiritueller Bewegung geworden. Poesie könnte für sie sogar die Religion ersetzen, die ihnen sonst wie tot vorkommt. Poesie könnte als ein Weg zu Gott, zum Absoluten, erscheinen. Tatsächlich möchte ich sagen: Die Poesie hat die Funktion des Gebets angenommen. Und das Gebet kann nur gewinnen, wenn es wieder die Form poetischer Qualität entdeckt“.
Schon 1970, beim internationalen Kongress der internationalen Zeitschrift „Concilium“ deutetd Pater Jossua seine besonderen, vom „Üblichen“ abweichenden theologischen Interessen an: „Streng genommen ist die Idee von einem Berufstheologen eine Blasphemie, steckt doch hinter dieser Idee der Gedanke, dass es im Christentum Fachmänner für Gott gibt“ (S. 54)… Am Ende seiner Vortrags in Brüssel zeigte der damals noch junge Theologen Jossua, welche Interessen ihn bewegen: Er sprach hochschätzend von „Charismatikern“ (geisterfüllten Menschen) „der Schwelle“, von Schriftstellern und Philosophen, die von außen das theologische Leben beobachten. Diese nannte Jossua durchaus auch Theologen,, „die“, so wörtlich, „kein kirchlicher Maßstab messen kann. Ich denke an Menschen wie Bergson, Simone Weil und viele andere“. (in: „CONCILIUM. Die Zukunft der Kirche“. S. 59, Benziger und Grünewald Verlag 1970).
Über diese Theologen der Schwelle“ hat Jossua seine „théologie littéraire“ entwickelt und regelmäßig davon über viele Jahre berichtet, abgesehen von zahlreichen eigenen Studien zum Thema. LINK
Von den zahlreichen Studien Jossuas soll hier nur erwähnt werden: „La passion de l infini: Littérature et théologie“. Nouvelles recherches. Paris 2011, Editions du Cerf.
Eines seiner letzten Bücher hat den für Jossua bezeichnenden Titel: „Chercher jusqu à la fin“, „Suchen bis zum Ende“.
Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.