Ein kalkulierter Verfassungsbruch in Deutschland. Zu den geplanten Kürzungen im „Asylbewerberleistungsgesetz“.

Der Religionsphilosophische Salon hält aus vernünftiger Einsicht die Menschenrechte (als sich stetig weiter entwickelnde Rechte) für den Kernbestand humanen Zusammenlebens. Auch wenn selbst demokratische Staaten diese Menschenrechte allzu oft mißachten gilt diese Einsicht. Darum dokumentieren wir gern einen aktuellen Beitrag des weltweit anerkannten Jesuiten-Flüchtlingsdienstes. Bitte beachten Sie nebenbei, dass schon allein der Name “Asylbewerberleistungsgesetz” nicht nur ein furchtbares Wortungetüm ist, sondern vor allem Ausdruck ist für das total bürokratische Denken in den demokratischen Behörden. CM.

Ein Gastbeitrag des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes Berlin  Berlin, den 28. November 2016. – Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst JRS (Jesuit Refugee Service) hat in seiner schriftlichen Stellungnahme die geplanten Kürzungen beim Asylbewerberleistungsgesetz kritisiert. Heute appelliert er vor dem Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales an die Abgeordneten, den Gesetzesentwurf abzulehnen. Der Entwurf ignoriert unmissverständliche Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, bricht Völker- und Europarecht. Statt auf sinnlose Schikanen zu setzen, sollte das Asylbewerberleistungsgesetz abgeschafft und durch Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch ersetzt werden. Der Flüchtlingsdienst begrüßt ausdrücklich, dass ein Freibetrag für Aufwandsentschädigungen aus ehrenamtlicher Arbeit vorgesehen ist und regt an, diese Regelung auf den Bundesfreiwilligendienst auszudehnen.   Der Entwurf sieht drastische Kürzungen an Leistungen vor, die bereits als Existenzminimum definiert worden sind. Die größtenteils intransparente Berechnung trifft unter anderem Asylsuchende in Gemeinschaftsunterkünften. Geht es nach dem Entwurf, würden allein stehende Erwachsene dort künftig nur noch 299 Euro erhalten (statt bisher 351 Euro nach dem Asylbewerberleistungsgesetz; das Sozialgesetzbuch sieht einen Regelbedarf von 404 Euro vor). Das spricht der Lebenssituation der meisten Betroffenen Hohn: Auch wenn sie gezwungenermaßen ihr Schlafzimmer miteinander teilen, bilden sie keine eheähnliche Lebensgemeinschaft, die davon geprägt ist, füreinander einzustehen. „Die faktische ‚Zwangsverpartnerung‘, die der Gesetzentwurf diesen Menschen zumuten will, hat mit einer realistischen Bedarfsermittlung nichts zu tun“, so Stefan Keßler, JRS-Referent für Politik und Recht.„Das ist weder mit verfassungsrechtlichen noch mit völkerrechtlichen Vorgaben des UN-Sozialpakts vereinbar.“   Bereiche, in denen Asylsuchende oft einen Mehrbedarf haben – wie höhere Aufwendungen für Kommunikation, um Kontakte in die Heimat zu halten und neue hier aufzubauen – werden nicht berücksichtigt. Auch die EU-Aufnahmerichtlinie wird weiterhin ignoriert: Die spezifischen Bedürfnisse von besonders schutzbedürftigen Personen – wie sie zum Beispiel Opfer von Folter und Gewalt hinsichtlich medizinischer und therapeutischer Versorgung haben – werden wieder übergangen. „Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass die Menschenwürde migrationspolitisch nicht relativiert werden darf, aber genau das wird hier versucht“, betont Pater Frido Pflüger SJ, Direktor des JRS Deutschland. „Dieser kalkulierte Verfassungsbruch ist eines Rechtsstaats unwürdig und als Abschreckungsversuch sinnlos: Kein Mensch flieht wegen ein paar Euro mehr oder weniger, schon gar nicht auf lebensgefährlichen Wegen. Statt diejenigen, die zu uns flüchten, zu entmündigen und zu schikanieren, sollten wir sie menschenwürdig und respektvoll aufnehmen, damit die Wunden der Flucht heilen können und sie sich ein eigenständiges Leben aufbauen können.“ Die Stellungnahme des JRS finden Sie auf unserer Homepage. Sie ist, zusammen mit den Stellungnahmen anderer Verbände, auch beim Bundestag als PDF verlinkt (externer Link): http://tinyurl.com/h5wh59z

…………. Ein Kommentar vom Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon: “Der kalkulierte Verfassungsbruch steht im Dienst der Regierung CDU und SPD, um sich den Ideologien der AFD anzupassen und diesen “Herrschaften” zu gefallen. Die Debatte, was denn überhaupt noch so ein bißchen christlich ist an den C-Parteien, sollte noch einmal eröffnet werden, gerade im Jahr des Reformationsgedenkens 2017. Unser Vorschlag: Die C Parteien sollten um der Wahrheit willen auf das C von selbst verzichten. Sie sind es nicht mehr. …………………….

Der Jesuit Refugee Service (Jesuiten-Flüchtlingsdienst, JRS) wurde 1980 angesichts der Not vietnamesischer Boat People gegründet und ist heute als internationale Hilfsorganisation in mehr als 50 Ländern aktiv. In Deutschland ist der Jesuiten-Flüchtlingsdienst unter anderem für Asylsuchende, Abschiebungsgefangene und Flüchtlinge im Kirchenasyl tätig und setzt sich für sog. „Geduldete“ und Menschen ohne Aufenthaltsstatus („Papierlose“) ein. Schwerpunkte seiner Tätigkeit sind Seelsorge, Rechtshilfe und politische Fürsprache.   Dr. Dorothee Haßkamp Öffentlichkeitsarbeit Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland Jesuit Refugee Service (JRS) Witzlebenstr. 30a D-14057 Berlin Tel.: +49-30-32 60 25 90 Fax: +49-30-32 60 25 92 Spendenkonto: IBAN DE05370601936000401020 BIC: GENO DED1 PAX   dorothee.hasskamp@jesuiten-fluechtlingsdienst.de   www.jesuiten-fluechtlingsdienst.de www.facebook.com/fluechtlinge

 

Wenig Licht – viel Schatten Ein Kommentar des Jesuiten Flüchtlingsdienstes Berlin vom 7. September 2015

Wenig Licht – viel Schatten. Ein Kommentar des Jesuiten Flüchtlingsdienstes Berlin vom 7. September 2015

Ein Hinweis des Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon Berlin vorweg:

Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst ist einer der international hoch angesehenen, bewährten und umfassend helfenden Institutionen für Flüchtlinge. Und eine Stimme der Flüchtlinge, die sich an Menschen wendet, die in privilegierten Verhältnissen leben, z. B. in Deutschland.  Der Jesuiten Flüchtlingsdienst hat auch in Berlin eine Filiale, das sollten Berliner immer mehr zur Kenntnis nehmen…Wie schon öfter, geben wir gern eine Pressemitteilung weiter, zur Diskussion … und zur Förderung kritischen Nachdenkens. Denn kritisches Nachdenken einüben: Das ist ein Ziel des Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon. Für den sich die religiöse Frage natürlich nicht nur dort „abspielt“, wo Religion/Konfession/Kirche draufsteht. Meistens ist „das Religiöse“ und auch das Christliche ganz woanders lebendig, man muss es nur suchen…

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Nach der wegweisenden Entscheidung vom Wochenende, Flüchtlingen aus Ungarn die Weiterreise nach Deutschland zu gestatten, sind die jüngsten Beschlüsse der Regierungskoalition enttäuschend: Sie bleiben die Antwort auf viele drängende Fragen vor Ort schuldig. Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst begrüßt, dass mehr Geld für die Unterbringung Asylsuchender bewilligt wurde und sie früher Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten.

Scharf verurteilt er die Rückkehr zum Sachleistungsprinzip und die Erweiterung der sicheren Herkunftsländer. „Vielen konkreten Herausforderungen laufen die Entscheidungen zuwider: Wir brauchen mehr Unterstützung für Ehrenamtliche, die die Arbeit vor Ort leisten, und nicht mehr Bürokratie im Verfahren“, kommentiert Pater Frido Pflüger SJ, Direktor des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes, in Berlin. Grundsätzlich begrüßt er, dass Länder und Kommunen mehr Hilfe vom Bund für die Unterbringung und Versorgung von Asylsuchenden bekommen sollen, auch wenn noch nicht fest steht, wofür genau das Geld verwendet werden soll.

Positiv ist auch, dass der Bund die Länder und Kommunen beim Aufbau von etwa 150.000 winterfesten Plätzen in menschenwürdigen Erstaufnahmeeinrichtungen unterstützen und das Arbeitsverbot für Asylsuchende und Menschen mit Duldung auf drei Monate reduzieren will. „Man fragt sich aber, warum die Menschen nicht sofort arbeiten dürfen“, meint Pflüger. Scharf verurteilt er die Ausweitung der Liste „sicherer“ Herkunftsländer.

Selbst nach offiziellen Statistiken ist die Zahl der Asylsuchenden aus Albanien, Kosovo und anderen Westbalkan-Staaten in den letzten Monaten bereits stark gesunken. Viele Gründe für die Flucht dieser Menschen, etwa drohende Blutrache, werden von den deutschen Behörden und Gerichten nicht ernst genommen – anders als etwa in Frankreich oder der Schweiz. „Die drei Staaten als ‚sicher‘ zu erklären, ist eine reine Symbolpolitik zu Lasten der betroffenen Menschen“, kritisiert Pflüger. Das Geld für 3.000 zusätzliche Stellen bei der Bundespolizei wäre anderswo besser angelegt: Die vielen Hilfsorganisationen und Ehrenamtlichen, die die Arbeit für und mit den Flüchtlingen leisten, hätten damit gefördert werden sollen. „Das hätte ein wichtiger Beitrag des Bundes für die Willkommenskultur vor Ort sein können“, merkt Pflüger an.

Dass Asylsuchende in den Erstaufnahmeeinrichtungen nur Sachleistungen statt Bargeld bekommen sollen, hält der Jesuiten-Flüchtlingsdienst für sinnlos und verfassungswidrig. „Mit der Wiedereinführung von Sachleistungen geht die Koalition genau den falschen Weg – auf der Grundlage der absurden und lebensfernen Annahme, irgendwer würde seine Heimat wegen eines Taschengelds verlassen“, so Pflüger. Das Bundesverfassungsgericht hat 2012 klargestellt: Zur Menschenwürde gehört auch der Kontakt mit der umgebenden Gesellschaft. „Das geht nicht, wenn man nur Essenspakete und ein Bett bekommt“, meint Stefan Keßler, Politik- und Rechtsreferent beim Jesuiten-Flüchtlingsdienst. Auch sind Sachleistungen wesentlich teurer als Bargeldzahlung.

Die Höchstdauer einer Duldung von sechs auf drei Monate zu reduzieren, hält Keßler für Unsinn: „Die Menschen werden noch häufiger zur Ausländerbehörde gehen müssen, um ihre Duldung zu verlängern. Das vergrößert ihre Belastung, aber auch den Verwaltungsaufwand.“

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Der “Jesuit Refugee Service” (Jesuiten-Flüchtlingsdienst, JRS) wurde 1980

angesichts der Not vietnamesischer Boat People gegründet und ist heute als

internationale Hilfsorganisation in mehr als 50 Ländern tätig. In

Deutschland setzt sich der Jesuiten-Flüchtlingsdienst für

Abschiebungsgefangene ein, für geduldete Flüchtlinge und für Menschen ohne

Aufenthaltsstatus („Papierlose“). Schwerpunkte seiner Tätigkeit sind

Seelsorge, Rechtshilfe und politische Fürsprache.

 

Wer sich helfend, informierend mit dem Flüchtlingsdienst der Jesuiten beschäftigen will:

Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland, Jesuit Refugee Service (JRS)

Dr. Dorothee Haßkamp, Öffentlichkeitsarbeit

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