Es ist ein Kreuz mit dieser bayerischen Regierung

Zum Kreuz – Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes.
Ein Hinweis von Christian Modehn am 20.12.2023

Einen Kommentar des Prof. für Kirchenrecht, Hans Michael Heinig von der UNI Göttingen, lesen Sie bitte am Ende unseres Hinweises!

1.
Nun dürfen also Kreuze, Darstellungen des Leidens und Todes Jesu Christi, in allen offiziellen Staats – Gebäuden des Bayerischen Freistaates hängen.
Diese Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am 19.12. 2023 verkündet. Und die sich christlich nennende Partei CSU sowie die Freien Wähler mit ihrem rechtslastigen Chef Hubert Aiwanger freuen sich: Endlich können sie allen „anderen“ demonstrieren, dass Bayern so richtig eine christliche Demokratie ist.

2.
Das Kreuz als Symbol für die Lebens – und Leidensgeschichte Jesu von Nazareth wird nun zu einer Art Accessoire degradiert, zu einer Zierde in staatlichen Gebäuden. Neben dem Kreuz würden auch gut Gemälde „röhrende Hirsche in den bayerischen Alpen“ passen oder ein Seppelhut oder ein Porträt von FJS…

3.
Der Freistaat Bayern gibt sich „neutral“, sieht in den Kreuzes – Dekorationen in staatlichen Gebäuden natürlich keinerlei religiöse Werbung oder ideologische Wertung.
Man möchte also konsequenterweise wünschen, dass gemäß diesem Gerichtsurteil alsbald auch Symbole des Islam und des Judentums versöhnt nebeneinander die Wände der Staatsgebäude zieren, vielleicht auch einige Götterbilder der Hinduisten, natürlich auch diverse Buddha – Statuen oder Symbole afrikanischer „Natur-Religionen“. Warum nicht auch ein paar Figuren des Candomblé aus Brasilien… Alle diese Religionen sind auch in Bayern vertreten und haben – wie das Kreuz – rechtlich Anspruch auf öffentliche Sichtbarkeit in Gebäuden des Bayerischen Freistaates. Auch dieser Bundesstaat nennt sich ja verfassungsgemäß religiös – neutral. Sollte also gleichberechtigten Raum für alle Symbole aller Religionen bieten und natürlich auch der Gruppen der Atheisten, Skeptiker, Konfessionslosen. Bloß, was haben die für Symbole?

4.
Man möchte fast ein bißchen wünschen, dass alle Besucher bayerischer Staatsgebäude von allen diesen vielen religiösen Symbolen zumindest geistig erschlagen werden, dass sie also aus dem Staunen gar nicht mehr herauskommen, wie viele Religionen denn im heiligen Bayern vertreten sind. Und wie alle diese verschiedenen Religionen hoch geschätzt werden und ihre frommen Anhänger, selbst wenn sie ungeliebte Flüchtlinge und „Ausländer“ aus Afrika, Asien oder Lateinamerika sind. Trotzdem: Welch ein toleranter Staat ist doch dieser CSU-Staat/Aiwanger Staat!

5.
Als ein Problem, manche sagen als eine Unverschämtheit, darf man ein Statement des bayerischen Innenministers Joachim Hermann (CSU) im ZDF „Heute Journal“ am 19.12.2023 bewerten. Darin drückt der Herr Minister seine große Freude und auch die des ganzen Kabinetts aus, dass nun “eine gute Grundlage gegeben ist für die weitere Werte – Orientierung der Politik der bayerischen Staatsregierung“.
Man fragt sich: Welche Werte- Orientierung praktiziert denn eigentlich diese CSU /Aiwanger Regierung? Ist diese Bayerische Regierung also etwa nicht zuallererst und ausschließlich den Werten der Demokratie und der Menschenrechte verpflichtet, sondern den nun einmal begrenzten Werten einer Religion?
Glaubt sie im Ernst, dem Kreuz Jesu von Nazareth und seinem Leben auch nur entfernt verpflichtet zu sein und nicht dem viel geliebten „Gott – Kapitalismus“? Dient diese, dem Kreuz Jesu so gewogene Regierung den Leidenden, den Armen, den Obdachlosen? Sorgt sie für Gerechtigkeit, für bezahlbare Wohnungen für die viel besprochenen Familien, hilft sie umfassend, dass Flüchtlinge schnell integriert werden, kämpft sie gegen Antisemitismus und Rassismus und Homophobie?

6.
Diese ganze Kreuzes – Aktion ist letztlich nur eine Art ideologische Vernebelung, ein Ausdruck für die wiedererwachte „abendländische Gesinnung“. Sie war ja immer schon sehr kämpferisch … gegen alle “Andersdenkenden“, gegen Muslims und auch – Juden! Die Kreuzzüge einst waren nichts als eine lange Gewaltgeschichte…
7.
Die vielen Kreuze nun in Bayerns Amtsgebäuden sind ein Ausdruck für die rechtslastige Wende nicht nur in Bayern, die AFD hätte auch auf diese Idee kommen können.

8.
Die Oberammergauer Schnitzer können sich freuen, sie haben jetzt genug zu tun, wo doch die nächsten Passions – Spiele erst in ein paar Jahren wieder stattfinden. Aber vielleicht sind die Schnitzereien aus Oberammergau letztlich doch zu teuer für alle diese bayerischen Amtsstuben. Und die CSU/Aiwanger Regierung greift auf billige Massenware zurück, am besten in China produziert.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

……

Kommentar: Veröffentlicht in “Dom Radio” am 20.12.2023:

Kirchenrechtler kritisiert Gerichtsurteil zum Kreuz-Erlass

Neutralitätswidriges Erscheinungsbild des Staates

Der Göttinger Kirchenrechtler Hans Michael Heinig hat sich kritisch über das Urteil zum bayerischen Kreuz-Erlass geäußert. Er halte die Entscheidung in der Begründung und im Ergebnis für falsch.

Das Bundesverwaltungsgericht Leipzig entschied am Dienstag, der sogenannte Kreuz-Erlass der bayerischen Landesregierung verletze weder die Weltanschauungsfreiheit noch die staatliche Neutralitätspflicht.

Heinig sagt, die Religionsfreiheit vermittele in Zusammenhang mit dem Verbot religiös-weltanschaulicher Diskriminierung einen Anspruch auf eine neutralitätsgerechte Selbstdarstellung des Staates. Dieser Anspruch werde aber im Falle der bayerischen Behördenkreuze verletzt, weil der Staat sich hier des Zentralsymbols des Christentums bemächtige und es profanisieren wolle. Denn im Erlass sei das Kreuz bloßer Ausdruck der kulturellen Prägekraft des Christentums und werde in den Behörden zur Schau stellt.

Anspruch auf Gleichberechtigung

Heinig betont, entscheidend sei nicht die Intensität der Konfrontation für Besuchende, “sondern das – von einem verständigen Empfängerhorizont aus betrachtet – neutralitätswidrige Erscheinungsbild des Staates”, das eine Religionskultur demonstrativ heraushebe und damit den Anspruch auf gleichberechtigte Achtung aller Bürger verletze. 

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte 2018 den Kreuz-Erlass auf den Weg gebracht. Demnach soll im Eingangsbereich eines jeden Dienstgebäudes als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung des Bundeslandes gut sichtbar ein Kreuz angebracht werden. Dagegen hatte der religionskritische Bund für Geistesfreiheit in München und in Bayern geklagt.

 

 

Das Kreuz in Bayern: Soll Jesus von Nazareth herrschen?

Das Kreuz in bayerischen Amtsstuben

Ein Hinweis von Christian Modehn

Nun also das Kreuz in allen staatlichen Behörden des Freistaates Bayern. Das ist nur die Fortsetzung der Behauptung der CSU Führer: “Der” Islam gehöre nicht zu Deutschland. Und passend nun zum CSU Regieren unter dem Kreuz Christi der Spruch von Söder: Das Kreuz sei auch ein Symbol der abendländischen Kultur. Immer, wenn heute in politischen Kreisen Europas von Abendland die Rede ist, müssen die Leute eigentlich aufschrecken: Abendland ist das mißbrauchte Symbol für die angeblich gute alte christliche Kultur. Dass diese abendländische Kultur antisemitisch war und dass Muslime etwa in Spanien (16. Jahrhundert) nur als Konvertiten ertragen werden konnten, dass das christliche Abendland auch innerchristlich keine Einheit war, denn immer gab es so genannte Ketzer, dann die Reformationen, dann die konfessionellen Religionskriege etc., all das vergessen diese abendländischen Kreuz-Politiker völlig. Und sie vergessen, dass Europa wesentlich vom (antiklerikalen und damit freien) Geist der Aufklärung bestimmt ist. Sind diese Politiker so dumm oder tun sie aus taktischen Gründen bloß so, weil sie um alles in der Welt rechtsextreme Kreise in die eigene Partei eingliedern wollen?

Natürlich wäre es wichtig für die Menschheit, wenn im Zeichen des Kreuzes dieses armen Propheten Jesus von Nazareth Politik gestaltet würde, also Gerechtigkeit für alle, also Bevorzugung der Armen, also Bekehrung der Millionäre und Milliardäre, also Friedenspolitik, also Liebe zur Natur, die es unbedingt zu schätzen gilt usw.: All das sind zentrale Forderungen der Ethik Jesu, man kennt sie vielleicht noch vom Hörensagen, auch die “praktizierenden” katholischen CSU Führer hören ja die Evangelien in der Messe: Aber all das sind für sie bloß fromme Geschichten, die natürlich politisch für sie irrelevant sind. Mit Jesus und seiner Bergpredigt lässt sich nicht im entferntesten Politik machen, behaupten die Realpolitiker, die nur den Kapitalismus als alternativlos verehren und “unser” Wirtschaftswachstum. Vom jesuanischen Geist der Barmherzigkeit in der Politik keine Spur. Entsprechende Äußerungen von Söder sind ja bekannt. Wenn ein solcher Herr ein Kreuz in eine Amtstube hängt, ist das nicht nur ein Witz, sondern, sorry, Blasphemie.

Was soll in Bayerns Behörden das Kreuz? Es ist das Kreuz, dessen sich die Herrschenden immer bedient haben: Kreuzzüge etwa, Kreuzesverwendungen, um den Teufel zu vertreiben, das vorgehaltene Kreuz sollte die Ketzer noch in letzter Minute vor dem Verbrennen zum Eingeständnis der angeblichen Schuld bewegen: Da landet also nicht das Kreuz des Propheten und des durch die Kreuzigung ermordeten Rebellen Jesus von Nazareth in Bayerns Amtsstuben, sondern das Kreuz als abendländisches Herrschaftssymbol.

Da wird das Kreuz missbraucht als Kampfmittel gegen Muslime, Atheisten, Juden. Wie kommen bloß jüdische Leute dazu, ausgerechnet diese Kreuzesinitiative von Söder gut zu finden, wurden denn nicht Juden im Zeichen des Kreuzes verfolgt und im Zeichen des Hakenkreuzes in den KZs verbrannt? Versprechen sich jüdische Vorsteher taktisch bloß Vorteile, wenn sie die Kreuzesinitiative der CSU gut finden, fördern sie auf diese Weise den jüdisch – islamischen Dialog?

Zynisch könnte man sagen: Wenn das Kreuz tatsächlich in den bayerischen Behörden mehr ist als eine Variante des bayerischen Herrgottwinkels (siehe in oberbayerischen Kneipen: Das Kreuz neben dem “hochverehrten” FJS….) dann müßen eigentlich die Bischöfe, ja letztlich der Papst als oberster Deuter des Kreuzes die Politik leiten und bestimmen. Denn die Herren der Kirche und des Kreuzes haben im Mittelalter immer gesagt: Wir Kleriker wissen mehr, was Politik, was Menschlichkeit etc.ist als ihr Fürsten und Könige und Ministerpräsidenten.

Also: Mögen in ökumenischer Vertrautheit die beiden Bischöfe in München die Politik von Herrn Söder mitbestimmen, etwa die Flüchtlingspolitik, die Politik des sozialen Waohnungsbaus in München etc…

Aber dazu wird es nicht kommen: Kardinal Marx von München widerspricht jetzt deutlich Herrn Söder. Der Kardinal sagt treffend: Kein Politiker darf  sich anmaßen, das Kreuz zu deuten und für seine Parteipolitik zu vereinnahmen. Man stelle sich: Das sagt ein Kardinal anno 2018 im angeblich so prächtigen katholischen CSU Staat Bayern….

Solche parteipolitischen Vereinnahmungen des Kreuzes  gab es schon oft, etwa um 1910 in Frankreich: Als Charles Maurras und seine rechtsextreme Action Francaise rechtsextremes Gedankengut in der Kierche verbreiten wollte. Auch Maurras glaubte an den kulturellen Wert, den”abendländischen Wert”, des Kreuzes. Söder und seine Partei befindet sich historisch gesehen in bester sehr rechtslastiger Gesellschaft. Auch Jean Marie Le Pen, Gründer des Front National,  feierte das Kreuz bei seinen Gottesdiensten zu Ehren der Jeanne  d Arc. Man wird prüfen, wie Herr Orban, der CSU Freund, das Kreuz politisch instrumentalisiert.

Man wird also klar sagen: Herr Söder setzt mit seinem abendländischen Kreuzeskult den Beginn eines Kampfes gegen alle, die nicht kreuzfromm im Sinne der CSU sind.

Ist dies der Beginn eines gewissen Kulturkampfes, der nur dazu dient, mit dem mißbrauchten Kreuz alle Fremden und Flüchtlinge, vor allem “die” Muslime, von dem angeblich so prächtigen Abendland fernzuhalten. Das Thema Flüchtlinge in Deutschland wird also mißbraucht für eine scharfe politische Wende nach rechtsaußen. Diese Wende deutet sich auch in der CDU an. Wird die Große Koalition diesen bayerischen Kreuzzug überstehen?

copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin