Wohin führt uns die Stille?
Eine „philosophische Meditation“
Von Christian Modehn
Stille ist eine Wirklichkeit, sie ist räumlich und zeitlich.
Wir erleben Stille immer in einem Raum, einem Umfeld, an einem Ort.
Auch wenn wir die Augen von dem Ort abwenden und schließen, erleben wir einen stillen Raum in uns selbst, wenn wir denn auf unsere eigene Stille selbst achten, diese Stille reflektieren.
Stille erleben heißt still werden. Wir „gehen“ immer in die Stille. Das heißt: In eine stille Zeit eintreten. Diese Zeit kennt keine lineare Zeitstruktur.
Es entsteht reine Gegenwart. Der Bezug zur Vergangenheit schwindet, Zukunft hat keine Relevanz.
Stille ist Gegenwart, Präsenz.
Was ist aber Stille? Keine Rede, kein aktives Tun, keine geräuschvolle Bewegung.
Nur die Natur ist noch vernehmbar oder der ferne Lärm des Geschehens, auf den wir keinen Einfluss haben.
In dieser Welt gibt es keine absolute Stille. Selbst der leere Raum, „abgeschottet“, hat noch den Klang der Stille.
Die Stille ist also für die Lebenden keine „Totenstille“.
Stille entsteht im Zur – Ruhe – Kommen, zu dem einen Entscheidenden kommen: Den eigenen Atem wahrnehmen; ihn hören, vielleicht als das einzige Lebenszeichen in der Stille.
Stille ist Zeit des Atmens.
Also Zeit der „ewigen“ Wiederkehr des Einatmens und Ausatmens.
Dies ist der Vollzug des Lebendigen.
Dies ist kein bewusstloser Vorgang.
Im Vollzug des Atmens ist fraglos Bewusstsein, ist Selbst – Bewusstsein, also Sich Wissen.
„Versinken“ in die Stille mag es geben, aber in der Rückkehr ins selbstbewusste Leben erinnern wir uns dann an das „Versunkensein“, können darüber sprechen. Also ist im Versunkensein in die Stille immer auch Selbst – Bewusstsein, „schlummernd – aktiv“.
Sich der Stille bewusst stellen heißt: Sich der eigenen „Tiefe“ innewerden, die im Lärm des Alltags verdeckt ist.
Die eigene Tiefe wird entdeckt, wenn ich mich als Gesetztsein wahrnehme. Ich bin nicht aus mir.
Ich bin gesetzt.
Was setzt mich?
Das, was mich gesetzt hat, lässt mich atmen; „will“ offenbar, dass ich bewusst lebe.
Das, was mich setzt, ist also „lebenswillig“, stiftet Leben.
Ein dermaßen Leben – Setzendes kann selber nur Lebendiges sein. Will Lebendiges weitergeben.
Dieses mich und andere und die Welt Setzende, Gründende, selbst aber schweigt.
Das Gründende ist selbst Stille und wird nur in der Stille als solches wahr – genommen.
Die Stille ist das „Wesen“ , die „innere Kraft“, des Setzenden.
Im Stillwerden „erreiche“ ich das Setzende.
Stille ist wie die „Sprache“ zwischen dem Setzenden (Gründenden) und mir.
Das Setzende, das Schöpferische, hat mich über die Stille an sich gezogen, sich mir gezeigt, als Nähe.
Ich bin mit dem Schöpferischen verbunden – über die gemeinsame Stille.
Ich habe diese schöpferische Stille in mir als „Tat“ des Schöpferischen.
Die Stille spricht also.
Meine Kraft still zu werden, ist die Kraft des Schöpferischen in mir; es gibt mir seine ureigene Lebendigkeit weiter als Stille in mir, wie es mir auch das Atmen und das Bewusstsein gibt.
Diese innere Stille wird in der bewusst gesuchten Alltagsstille lebendig. Es ist die Existenz- Stille. Sie hat in verschiedenen Lebensphasen ein eigenes Gesicht. Sie ist kulturell vielfältig, kennt nicht nur „einen“ Ausdruck, ist nicht dogmatisch.
Die philosophische Meditation eröffnet also Spiritualität:
Ich komme also aus dem Schöpferisch – Lebendigen, das selbst Stille ist.
Ich gehe im Tod in das Stille.
Ist dann Totenstille als Nichts?
Oder ist es Einkehr in die ewig schöpferische und alles gründende lebendige Stille?
Copyright: Christian Modehn 20.8.2011