Die Russisch-orthodoxe Kirche mit Patriarch Kyrill I. gehört nicht mehr zur Ökumene

Ein Hinweis von Christian Modehn am 2. März 2022.  Siehe auch den Hinweis vom 26.2.2022. Siehe auch “Homosexualität ist Schuld an der Krise” (Kyrill I.)

Notiert am 5.3.2022:

Entscheidend ist: Putin und der Patriarch Kyrill I. von Moskau (und mit ihm die meisten seiner Bischöfe) sind sich einig in der leidenschaftlichen Verurteilung der so genannten “westlichen Ideen”, also der Philosophie der Aufklärung, der Demokratie, der Menschenrechte. 

Entscheidend ist zweitens: Die Jahrzehnte andauernde Mitgliedschaft der Russisch-orthodoxen Kirche in verschiedenen ökumenischen, also westlichen, d.h. protestantischen und auch katholischen Gremien und Konferenzen (wie dem “Weltrat der Kirchen” in Genf) hat für die Russisch-orthodoxe Kirche keinerlei Erkenntnisgewinn gebracht. Diese Kirche war offenbar nur des schönen Scheins wegen in den ökumenischen Gremien, um international mit Pomp und Weihrauch zu glänzen. Und die westlichen Kirchen fragten nie: Wie haltet ihr Russisch-Orthodoxen es mit den Menschenrechten in eurem Land? Seid Ihr als Kirche bereit, bei eurer Macht, auch politische Opposition zu sein?

Mit anderen Worten: Nicht nur westliche Politiker waren naiv im Umgang mit Putin, westliche Kirchenführer waren (und sind ?) genauso naiv im Umgang mit Kyrill I. und Co.

Es klingt geradezu lächerlich, wenn katholische Theologen, selbst die Päpste der letzten Jahre, sagen: Wir brauchen die (russisch ?) Orthodoxen als “unsere zweite Lunge”, so Papst Johannes Paul II. und ähnlich auch Benedikt XVI.

…………………………..

1.
Die Russisch-orthodoxe Kirche mit ihrem Patriarchen Kyrill I. ist seit Jahrzehnten schon eine Art Putin-Kirche. Auch im Krieg Putins gegen die Ukraine hat die Russisch-orthodoxe Kirche als eine einflußreiche Organisation in Russland (ca. 60 % der Russen gelten als Mitglieder) bisher nur allgemeine Floskeln zum Frieden in der Ukraine geäußert. Einige Popen in Frankrerich denken wohl anders als der Patriarch und die Bischöfe, aber werden sie ernst genommen, werden sie ausgegrenzt und verfolgt? (Siehe unten Anmerkung 1, der Appell einiger russisch-orthodoxer Pfarrer in Frankreich). Am 3.3.2022 hat auch der Ökumenische Rat der Kirchen durch seinen Generalsekretär einen freundlich bittenden Brief an Patriach Kyrill geschickt.

2.
Die Forderung: Eine Kirche, die sich nur in Worten und feierlicher Liturgie auf das Evangelium Jesu Christi bezieht, aber de facto zur nationalistischen Putin-Kirche entartet ist, gehört nicht mehr in repräsentative christliche ökumenische Gremien (in Genf, auf Landesebene in Europa oder in Landeskirchen/Bistümern).

Diese Kirche kämpft – gut dokumentiert – gegen alle Freiheiten der Bürger, der Frauen, der sexuellen Vielfalt, der Künstler. Und sie will sogar „Väterchen“ Stalin in den Rang eines Heiligen erheben. Eine solche Organisation sollte von demokratischen und christlich gesinnten Kirchen nicht mehr zu einer christlichen Ökumene gehören, die noch dem Niveau des Evangeliums und der Menschenrechte verpflichtet sein will.

3.
Die Erkenntnis ist: Die Russisch-orthodoxe Kirche sollte – mindestens bis zu der von Russland ausgesprochenen FRIEDENS-Garantie eines unabhängigen Staates Ukraine durch Putin oder dessen alsbaldigem Nachfolger – aus allen ökumenischen, christlichen Gremien entfernt werden. Diese Strafe wird eine Wirkung haben in der russischen Öffentlichkeit. Und manche werden sich in Russland fragen: Warum ist diese mächtige Kirche eigentlich nicht zur einzig noch möglichen Opposition gegen das Putin Regime geworden?

4.
Ich weiß, Christen schätzen auch heute nicht den Bruch, die Trennung einer Kirche aus der Ökumene…

Aber im aktuellen Beispiel geht es um etwas Anderes, es geht um eine Kirche, die im 20. und 21. Jahrhundert etwas dazugelernt haben könnte und wissen könnte, dass die nationalistische Treue zu einem diktatorischen Regime, das Krieg führt, niemals ein Kennzeichen einer christlichen Kirche sein kann.

Was wäre denn sonst der Sinn der langjährigen Mitgliedschaften der Russisch-orthodoxen Kirche in so vielen prominenten theologischen Begegungen? Gewiss, in der Zeit der Sowjetunion waren die Delegierten, also die Erzbischöfe bzw. Metropoliten  der Russisch-orthodoxen Kirche, eindeutig Vertreter und Gesandte der herrschenden kommunistischen Partei der Sowjetunion, etwa im Genfer Weltrat der Kirchen. Aber nach 1990 hatte doch allem Anschein nach eine bessere Zeit beginnen können, was die theologische Forschung in Russland angeht.

Man fragt sich jetzt, im März 2022: Waren wirklich dieser ganze ökumenische Aufwand, diese ständigen ökumenischen Konsultationen, Konferenzen und so weiter sinnlos und vertane Zeit, was die Entwicklung des theologischen Niveaus der Russiosch-orthodoxen Kirche angeht? Ja, sie waren sinnlos, wenn man sich das Verhalten von Kyrill I. und Co. seit Beginn des 21. Jahrhunderts bis heute anschaut. So viel Wahrhaftoigkeit muss möglich sein.

Auch die westlichen Kirchen waren naiv und blind, was den theologischen Zustand der Russisch-orthodoxen Kirche angeht.

5.
Es kann also nicht sein, dass die Ökumene der christlichen Kirchen eine kriegerisch – nationalistische orthodoxe Kirchenführung unbesehen als Teil der christlichen Welt gelten lässt.

6.
Die zentrale Erkenntnis ist: Es muss ein neues Denken beginnen, was Ökumene der vielen verschiedenen Kirchen eigentlich bedeutet, es muss genau gefragt werden, wer dazu gehört und wer eben nicht. Kriterium der Mitgliedschaft einer Kirche kann nicht einfach nur sein, dass diese sich christlich nennt; Kriterium muss sein, dass die Praxis dieser Kirche auch dem Geist und dem Buchstaben der Menschenrechte entsprechen. Nicht nur der Bezug auf das Neue Testament also ist entscheidend, sondern auch der praktische Respekt der universalen Menschenrechte.

7.
Der Hintergrund: Alle demokratischen Staaten und Gesellschaften bewerten heute den Krieg Putins gegen die Ukraine als eine „Zeitenwende“, als ein Bruch mit bisherigen Üblichkeiten, Mentalitäten und Denkzwängen in den Demokratien.
Eine gewisse Naivität im Umgang mit politischen Gegnern wird von den demokratischen Gesellschaften und Staaten überwunden. Sie wissen jetzt: Aus dem Gegner Putin von einst ist der Feind Putin geworden. Und dieser Feind darf keine Macht mehr behalten.

8.
Diese Erkenntnis bleibt aber genauso gültig: Immer mehr Waffen schaffen allein durch die Tatsache, dass es immer mehr Waffen in den Demokratien gibt, nicht den Frieden.

Es steht fest: Die Vernunft und der Dialog bleiben das allerbeste Mittel, um ein friedliches Zusammenleben in der pluralen Menschheit zu schaffen. Dazu gehört auch die Einschätzung, dass der andere, der Gegner, immer noch Mensch ist, und dazu gehört trotz Anwendung von Waffen die Überzeugung, dass auch der mörderische Feind immer noch hoffentlich etwas Menschliches bewahrt hat. Deswegen wird, nebenbei gesagt in einem Rechtsstaat selbst ein Massen-Mörder nicht hingerichtet, sondern ins Gefängnis gesperrt.

9.
Insofern bleibt auch die Hoffnung, dass die Russisch-orthodoxe Kirche durch den völligen Ausschluss aus allen internationalen und nationalen ökumenischen Gremien doch noch zur Vernunft kommt und zum Evangelium des Friedens zurückfindet. Sollte dies nachweislich in der Praxis der Fall sein, ist diese Kirche auch in ökumenischen Kreisen wieder willkommen.

10.
Sollten die Patriarchen und Bischöfe jetzt sagen: „Lieber orthodoxer Christ Putin, beenden Sie auch als guter Freund unseres Patriarchen Kyrill I. den Krieg gegen unser„Brudervolk“, die Ukrainer und ihres souveränen Staates“, dann würde der Ausschluss dieser Orthodoxen (orthodox heißt rechtgläubig, dieser Titel passt wahrlich nicht zur russischen Kirche) aus der Ökumene zunächst wohl überflüssig. Aber diesen Schritt kann nur eine Kirche wagen, die entschlossen ist, politische Opposition zu werden. Aber dazu fehlt der russischen Orthodoxie die Kraft, der Geist, der Mut. Die Bequemlichkeiten der Staatskirche – seit Bestehen dieser Kirche – sind für den überwiegenden Teil des Klerus – nicht nur in Russland – oberster Wert.

11.
Diese Hinweise und Vorschläge hier sind wahrscheinlich nur illusorisch. Denn die Christen und die Kirchenführer weltweit sind eingeschüchtert und irenisch, d.h. sie wollen den Streit und Trennung um jeden Preis vermeiden. Sie werden es doch ihren „Brüdern“ in der Ökumene nicht antun, auch einmal eine Strafe auszusprechen.

So werden wohl die westlichen Kirchen die einzige gesellschaftliche Gruppe sein und bleiben, die angesichts des Mordens durch Putin keine mutigen Konsequenzen ziehen, Konsequenzen, die wirklich den Titel „Zeitenwende“ verdienen. Von Zeitenwende, von einem Umschwung und Umbruch, reden alle Organisationen in den demokratischen Staaten. Nur die Kirchen verschlafen diese Zeitenwende. Sie sind ja, wie sie so gern sagen, mit der Ewigkeit verbunden. Was ist da schon die jetzige Zeit?

12.
Trotzdem führt der Krieg auch zu tiefen theologischen Entscheidungen: Es kann deutlich werden, welchen Sinn und auch welchen Unsinn die Bitt-Gebete und die Bitt-Gottesdienste um Frieden haben.

Verändert der liebe Gott im Himmel die Weltpolitik, je nachdem wie intensiv da Gebete wird? Was für eine blasphemische Vorstellung! Wem soll Gott denn folgen, etwa den für ihr Land betenden Russen oder den für ihr Land betenden Ukrainern? Hoffentlich entscheidet sich der liebe Gott für die betenden Ukrainer, möchte man als Religionskritiker sagen.

Spaß beiseite: Gebete um Friede können einzig und allein den einzelnen Menschen seelisch etwa stärken, ihn zu Meditation führen, zur Stille, zum Nachdenken, um ihn dann zur politischen Aktion zugunsten der Menschenrechte zu motivieren.

Aber daran zweifelt doch kein vernünftiger Christ: Bloße Gebete um Frieden werden niemals politischen Frieden bewirken. Friedensgottesdienste werden den lieben Gott im Himmel nicht bestimmen oder umstimmen. Friedensgottesdienste wecken die seelische Stärke und den kritischen politischen Geist, mehr nicht. Und sie sind schöne Erfahrungen von Gemeinschaft. Zu diesem kritischen Bewusstsein müssen die Kirchen endlich finden. Auch sie stehen jetzt, 2002, vor einer theologischen „Zeitenwende“.

Anmerkung 1: Der Appell einiger Pfarrer der russisch.orthodoxen Kirche zum Frieden:

APPEL DU CLERGÉ DE L’ÉGLISE ORTHODOXE RUSSE À LA RÉCONCILIATION ET À LA FIN DE LA GUERRE quelle: https://www.egliserusse.eu/blogdiscussion/APPEL-DU-CLERGE-DE-L-EGLISE-ORTHODOXE-RUSSE-A-LA-RECONCILIATION-ET-A-LA-FIN-DE-LA-GUERRE_a6461.html

Nous, prêtres et diacres de l’Église orthodoxe russe, chacun en son nom propre, lançons un appel à tous ceux dont dépend la fin de la guerre fratricide en Ukraine, avec un appel à la réconciliation et à un cessez-le-feu immédiat. Nous adressons ce message après le dimanche du Jugement dernier et dans l’anticipation du Dimanche du pardon.

Le Jugement Dernier attend chacun d’entre nous. Aucune autorité terrestre, aucun médecin, personne ne nous l’évitera. Soucieux du salut de tous ceux qui se considèrent comme un enfant de l’Église orthodoxe russe, nous ne voulons pas qu’il comparaisse à ce Jugement, portant le lourd fardeau des malédictions proférées par les mères ayant perdu leurs enfants.

Nous pleurons l’épreuve à laquelle nos frères et sœurs ont été injustement soumis en Ukraine.

Nous rappelons que la vie de chaque personne est un don inestimable et unique de Dieu, et c’est pourquoi nous souhaitons le retour de tous les soldats – russes et ukrainiens – chez eux et dans leurs familles, sains et saufs.

Nous pensons avec amertume à l’abîme que nos enfants et petits-enfants en Russie et en Ukraine devront surmonter pour recouvrer l’amitié des uns avec les autres, pour se respecter et s’aimer mutuellement.

Nous respectons la liberté de l’homme donnée par Dieu et croyons que le peuple ukrainien devrait faire son choix de manière indépendante et non sous la menace d’une arme, sans pressions de l’Occident ou de l’Orient.

Dans l’anticipation du Dimanche du pardon, nous rappelons que les portes du Paradis sont ouvertes à quiconque, même à une personne qui a péché lourdement, si elle demande pardon à ceux qu’elle a humiliés, insultés, méprisés, ou à ceux qui ont été tués par ses mains ou sur ses ordres. Il n’y a pas d’autre voie que le pardon et la réconciliation mutuelle.

« La voix du sang de ton frère me crie de la terre ; et maintenant sois maudit et chassé de la terre qui a ouvert la bouche pour recevoir de ta main le sang de ton frère», dit Dieu à Caïn, qui était jaloux de son jeune frère. Malheur à toute personne qui se rend compte que ces paroles lui sont adressées personnellement.
Aucun appel non violent à la paix et à la fin de la guerre ne devrait être réprimé de force et considéré comme une violation de la loi, car tel est le commandement divin : « Heureux les artisans de paix. »

Nous appelons toutes les parties en conflit au dialogue, car il n’y a pas d’autre alternative. Seule la capacité d’entendre l’autre peut offrir l’espoir d’une sortie de l’abîme dans lequel nos pays ont été jetés en quelques jours seulement.

Permettez-vous et permettez-nous à tous d’entrer dans le Carême dans un esprit de foi, d’espérance et d’amour.

Arrêtez la guerre!

Prêtre Alexy Antonovsky
Hegumen Nikodim (Balyasnikov)
Prêtre Hildo Bos
Prêtre Vasily Bush
Archiprêtre Stefan Vaneyan
Hiéromoine Jacob (Vorontsov)
Archiprêtre Yevgeny Goryachev (vétéran de la guerre afghane)
Hiéromoine John (Guaita)
Prêtre Alexy Dikarev
Prêtre Alexander Zanemonets
Archiprêtre Vladimir Zelinsky
Prêtre Georgy Ioffe
Archiprêtre Andrei Kordochkin
Prêtre Lazar Lenzi
Archiprêtre Andrei Lorgus
Hegumen Peter (Meshcherinov)
Prêtre Evgeny Moroz
Hiéromoine Dimitry (Pershin)
Prêtre Alexander Piskunov
Archiprêtre Stefan Platt
Archiprêtre Dionysius Pozdnyaev
Archiprêtre Georgy Roy
Hiéromoine Theodorit (Senchukov)
Archiprêtre Dimitri Sobolevsky
Archiprêtre Alexander Shabanov
-Diacre Valerian

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ОБРАЩЕНИЕ СВЯЩЕННОСЛУЖИТЕЛЕЙ РУССКОЙ ПРАВОСЛАВНОЙ ЦЕРКВИ С ПРИЗЫВОМ К ПРИМИРЕНИЮ И ПРЕКРАЩЕНИЮ ВОЙНЫ
Мы, священники и диаконы Русской Православной Церкви, каждый от своего имени, обращаемся ко всем, от кого зависит прекращение братоубийственной войны в Украине, с призывом к примирению и немедленному прекращению огня.
Мы направляем это обращение после воскресенья о Страшном Суде и в преддверии Прощеного воскресенья.
Страшный суд ожидает каждого человека. Никакая земная власть, никакие врачи, никакая охрана не обезопасит от этого суда. Заботясь о спасении каждого человека, считающего себя чадом Русской Православной Церкви, мы не желаем, чтобы он явился на этот суд, неся на себе тяжелый груз материнских проклятий. Мы напоминаем, что Кровь Христова, пролитая Спасителем за жизнь мира, будет принята в таинстве Причащения теми людьми, кто отдает убийственные приказы, не в жизнь, а в муку вечную.
Мы скорбим о том испытании, которому были незаслуженно подвергнуты наши братья и сестры в Украине.
Мы напоминаем о том, что жизнь каждого человека является бесценным и неповторимым даром Божьим, а потому желаем возвращения всех воинов – и российских, и украинских – в свои родные дома и семьи целыми и невредимыми.
Мы с горечью думаем о той пропасти, которую придется преодолевать нашим детям и внукам в России и в Украине, чтобы снова начать дружить друг с другом, уважать и любить друга друга.
Мы уважаем богоданную свободу человека, и считаем, что народ Украины должен делать свой выбор самостоятельно, не под прицелом автоматов, без давления с Запада или Востока.
В ожидании Прощеного воскресенья мы напоминаем о том, что врата райские отверзаются всякому, даже тяжело согрешившему человеку, если он попросит прощения у тех, кого он унизил, оскорбил, презрел, или же у тех, кто был убит его руками или по его приказу. Нет другого пути, кроме прощения и взаимного примирения.
“Голос крови брата твоего вопиет ко Мне от земли; и ныне проклят ты от земли, которая отверзла уста свои принять кровь брата твоего от руки твоей”, сказал Бог Каину, позавидовавшему своему младшему брату. Горе всякому человеку, сознающему, что эти слова обращены к нему лично.
Никакой ненасильственный призыв к миру и прекращению войны не должен насильственно пресекаться и рассматриваться как нарушение закона, ибо такова божественная заповедь: “Блаженны миротворцы”.
Мы призываем все противоборствующие стороны к диалогу, потому что никакой другой альтернативы насилию не существует. Лишь способность услышать другого может дать надежду на выход из бездны, в которую наши страны были брошены лишь за несколько дней.
Дайте себе и всем нам войти в Великий Пост в духе веры, надежды и любви.
Остановите войну.

иерей Алексий Антоновский
игумен Никодим (Балясников)
иерей Хилдо Бос
иерей Василий Буш
протоиерей Стефан Ванеян
иеромонах Иаков (Воронцов)
иерей Александр Востродымов.
священник Дионисий Габбасов
иерей Андрей Герман
протоиерей Евгений Горячев (ветеран Афганской войны)
иеромонах Иоанн (Гуайта)
иерей Алексий Дикарев
иерей Александр Занемонец
протоиерей Владимир Зелинский
протоиерей Петр Иванов
протоиерей Георгий Иоффе
диакон Илия Колин
протоиерей Андрей Кордочкин
иерей Лазарь Ленци
протоиерей Андрей Лоргус
игумен Петр (Мещеринов)
протоиерей Константин Момотов
иерей Евгений Мороз
иеромонах Димитрий (Першин)
иерей Александр Пискунов
протоиерей Стефан Платт
протоиерей Дионисий Поздняев
протоиерей Георгий Рой
священник Николай Савченко
иеромонах Феодорит (Сеньчуков)
протоиерей Иосиф Скиннер
протоиерей Димитрий Соболевский
диакон Пимен Трофимов
протоиерей Александр Шабанов
иеромонах Киприан (Земляков)
иерей Иоанн Леонтьев
протоиерей Виталий Шкарупин
протоиерей Сергий Дмитриев
протоиерей Владимир Королев
протоиерей Сергей Титков
диакон Валериан Дунин-Барковский

Священники и диаконы Русской Православной Церкви, желающие подписаться под письмом, могут написать на адрес russianpriestsforpeace@gmail.com

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

Die christlichen Kirchen können keinen Frieden stiften.

Ein Hinweis von Christian Modehn am 24.2.2022: Putin beginnt seinen Krieg gegen die Ukraine.

Zur nationalistischen Russisch-orthodoxen Kirche von Moskau: https://religionsphilosophischer-salon.de/14618_putins-aggression-und-seine-wichtigste-stuetze-der-patrirach-von-moskau-und-seine-russisch-orthodoxe-kirche_befreiung

Man muss die Frage stellen: Warum haben sich die Kirchen und ihre Theologen so sehr auf den „inneren Frieden“, den Frieden der Seele, fixiert und Jesu Worte als Verheißung eines nicht-weltlichen, also eines nur innerlichen Friedens verstanden: „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht einen Frieden wie die Welt ihn gibt, gebe ich euch“. Dieses Zitat aus seinen „Jesu Abschiedsreden“, stammt aus dem Johannes Evangelium im Neuen Testament, Kap. 14, Vers 27. Die Kirchen haben aber oft nicht gesehen, dass vorher Jesus vom heiligen Geist spricht, „der wird euch lehren“… Vers 26: Aber wenn der heilige Geist auch Geist im Menschen ist, dann ist er doch auch Vernunft, und als Vernunft umfasst er auch politische Gestaltung der Welt als einer friedlichen Welt. Aber die Christen waren letztlich froh, sich nur um den inneren Frieden, den Seelenfrieden, kümmern zu müssen. Das ist bequemer.

Man muss die Frage stellen: Welche praktischen, sichtbaren Erfolge haben denn alle Gebete um Frieden gebracht, zu denen nun wieder von der Kirche aufgerufen wird. Gebet um Frieden mag als Form der psychischen Beruhigung in Krisenzeiten durchaus sinnvoll sein, genauso wie das stille Sitzen in der Meditation. Aber das meinen die Bischöfe und Päpste nicht, wenn sie zum Gebet um Frieden aufrufen: Sie wollen Gott im Himmel höchstpersönlich bewegen, den Frieden zu schaffen, den sie sich, die Menschen, wünschen. Im Augenblick beten wohl die Russen für ihren Frieden für ihr Russland, und die Ukrainer beten um Frieden für ihre Ukraine. Auf welche Nation soll Gott bloß hören? Soll er etwa dem Kriegsherrn Putin seinen Frieden bescheren, seinen Sieg? Oder sollen die Gebetswünsche der Ukraine Erfüllung finden? Man sieht, Beten um Frieden ist widersprüchlich, wenn nicht widersinnig, es sei denn man sagt: Das Gebet um Frieden soll nur die innere Stabilität in Kriegszeiten fördern. Und man will, wenn man schon glaubt, eben auch widersinnig glauben, gegen alle Vernunft sozusagen. Gott sei Dank wollen das nicht alle Menschen!

Man muss die Frage stellen: Glauben die um Frieden Betenden wirklich, dass Gott im Himmel als „Person“ das Bittgebet erhört? Welches Gottesbild steht hinter dem Bittgebet? Wird da Gott wie ein menschlicher machtvoller Kumpel vermenschlicht? Wird es nicht Zeit, sich von dem Bild Gott als Person zu verabschieden oder eher von einem tragenden Sinn-Grund der Existenz und der Welt zu sprechen?

Man muss die Frage stellen: Worin liegt eigentlich der größte Fehler, wenn die Kirchen und die Christen Jahrhunderte lang um Frieden beteten und beten, aber de facto kein Frieden entsteht oder entstanden ist? Im Gegenteil: In allen Jahrhunderten wurde eigentlich permanent Krieg geführt, Sklavenhandel betrieben, ganze Völker wurden „missioniert“ und dabei ausgerottet. Der Antisemitismus wurde wie ein permanenter Vernichtungskrieg gegen die Juden geführt. Wie lächerlich ist die Frage: Soll man für die Überwindung des Antisemitismus beten? Wer Antisemitismus besiegen will, möge bitte nicht beten, er soll bitte schön politisch wirksam handeln und z.B. rechtsradikale Täter tatsächlich verfolgen und bestrafen!

Man muss die Frage stellen: Welchen Sinn haben jetzt Friedensgebete und Friedensgottesdienste „Dona Nobis pacem“ ,zu denen die Kirchen im Krieg Russlands gegen die Ukraine auffordern? Sinnvoll ist nur, das tiefe innere Verbundensein mit den Menschen in dieser Region, ein inneres Mitgefühl mit den Leidenden, Sterbenden zu pflegen, um das eigene Denken zu weiten und das Herz in Verbindung mit diesen Menschen zu bringen. Das könnte in der Gemeinschaft eingeübt werden, wenn man auch Zeugnisse der Leiden, der Ukrainer oder der russischen Mütter hört, die von ihrem im Krieg umgekommenen Sohn erzählen.

Man muss die Frage stellen: Ist nicht die entscheidende Wurzel für alle Kriege die Bindung der Kirchen, aller Kirchen, aller Bischöfe, an ihre jeweilige Nation? Hat der Nationalismus unter den Kirchenführern und Christen nicht immer schon total den Geist vernebelt und den Krieg gefördert? Wurde Nationalismus nicht immer wichtiger als das vernünftige Nachdenken über die Menschheit und die Weltgemeinschaft? Hat der kleingeistige Nationalismus das Eintreten für die eine Menschheit, für die Brüderlichkeit und Geschwisterlichkeit aller, zerstört?

Man muss die Frage stellen: Ist der nationalistische Ungeist, der nachweislich die ideologisch verrannten und von Putin privilegierten Popen und Bischöfe der russisch-orthodoxen Kirche beherrschte und heute beherrscht, eine entscheidende Ursache für die Unterstützung im Krieg Putins gegen das so genannte „Brudervolk“. Wie maßgeblich war der Nationalismus der Bischöfe, als sie als Franzosen oder als Deutsche den 1. Weltkrieg leidenschaftlich unterstützten? Diese Herren waren mit Verlaub gesagt keine Christen, sondern kriegerische Nationalisten.

Man muss auch klar sagen: Ihr Christen, hört auf, in der altbekannten Form um Frieden zu beten. Wenn ihr zusammenkommt, sonntags, zu euren Gottesdiensten, lasst die uralten Riten und Lieder mal beiseite, strengt euren heiligen Geist an und fragt gemeinsam, wie können wir aktiv für den Frieden in der Welt, für den Frieden in Ukraine z.B. eintreten? Wie können wir uns umfassend informieren, um gar nicht mehr auf einen Typen wie Putin reinzufallen? Man muss sich also fragen: Wäre nicht politische Aufklärung eine genauso wichtige Aufgabe für die Kirchen, wenn sie sich dem Frieden widmen will? Dazu gehört die Analyse der eigenen westlichen Aggression, man denke an die Kriege, die die USA ohne Ergebnis führten: Vietnam, Libyen, Afghanistan usw., man denke an die Kriege im „Hinterhof der USA“, wie die US-Politiker sagen, in Lateinamerika…

Man muss sich fragen: Warum sind eigentlich nur einige wenige kleinere Kirchen (Quäker, Mennoniten usw.) explizit als Friedenskirchen tituliert? Warum nennen sich nicht alle großen Konfessionen, Katholiken, Protestanten, Orthodoxe ausdrücklich Friedenskirchen? Das wäre doch im Sinne Jesu Christi, den manche gern als Kirchengründer ansehen. Jesus Christus ist der Prophet und Meister auch des politischen Friedens. Wenn man das anerkennt: Dann wäre ein Christ nicht mehr römisch-katholisch, sondern friedenskirchlich-katholisch; man wäre friedenskirchlich evangelisch und vor allem auch dies: Man wäre friedenskirchlich-orthodox. Welch ein Signal wäre dies für die Welt.

Man muss sich fragen: Werden diese Vorschläge irgendeine Resonanz bei den großen Kirchen und ihren etablierten Theologen haben? Ich denke nein. Und diese bloß ganz allgemein um Frieden betenden Kirchenchristen werden auch dann, wenn die Ukraine in ein paar Monaten russisch ist oder die Mörderbanden in Syrien ihr Regime weiter aufbauen usw. Immer weiter um Frieden beten, singen und flehen: „Verleih uns Frieden gnädiglich“, adressiert an einen personalen Vater im Himmel, der aber doch nicht das Flehen seiner Kinder erhört…
Man wird also als Kirche weitermachen, wie bisher. Man wird ein paar kleine friedenspolitische Clubs in den Kirchen zulassen, wie Pax Christi bei den Katholiken oder Church and Peace bei den Protestanten, man wird weiterhin also beten und alte Lieder singen … und die Welt wird in Kriegen versinken.

Man muss sich fragen: Wann werden sich die Kirchen eingestehen: Eigentlich ist die auch empirisch spürbare Bilanz des Christentums, die Bilanz der Wirkungsgeschichte der Lehre Jesu, weitgehend eine Katastrophe. Oder mindestens ein Misserfolg oder eine Illusion. Und trotzdem werden Theologen naiv weiterhin von Erlösung schwadronieren, etwa zu Weihnachten beim Lied „Stille Nacht, alles schläft, aber auch alle schlafen“…Und das Arbeiten am Friedensreich Gottes, diese zentrale, auch politische Idee Gottes von dieser Welt, wird ebenfalls eingeschlafen sein.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Die notwendige Verweltlichung des Christentums.

Eine aktuelle Erkenntnis des Philosophen G. W. F. Hegel.
Ein Hinweis von Christian Modehn.

Dieser Beitrag zeigt:
Das Christentum nur als spirituelle Religion, unter Führung des Klerus, zu verstehen und zu gestalten, ist für Hegel nur das „halbe Christentum“. Für ihn steht fest: Die zentrale der Idee der universalen christlichen Freiheit (modern: der Menschenrechte) muss sich in Staat und Gesellschaft realisieren, dies ist genauso wichtig wie alles Innerliche, Spirituelle, Kirchliche.
Die drängende Frage ist: Hat das Christentum Frieden und Gerechtigkeit gebracht in seiner 2000 Jahre dauernden Geschichte? Global beantwortet: Eher nicht. Denn das Christentum ist meist eine Ansammlung spiritueller, dogmatischer, moralischer Gemeinden geblieben. Die Idee der universalen Freiheit und Gerechtigkeit hat sich nicht durchgesetzt. Um so dringender, an einen Vorschlag Hegels zu erinnern. Es geht ihm um die notwendigen„Verweltlichung des Christentums“.

Dazu einige Vorbemerkungen:

1. Zunächst eine Erinnerung an die gegenwärtige Krise des Katholizismus in Europa, den USA und Lateinamerika. Die Statistiken der Religionssoziologen sind eindeutig: Der dortige Katholizismus wird alsbald nur noch als ein institutionell bestehendes Gerüst, man könnte sagen, Skelett vorhanden sein, wenn auch finanziell noch sehr gut ausgestattet. Der tausendfache und noch längst nicht umfassend erforschte sexuelle Missbrauch durch Priester, Ordensleute und verantwortliche Laien erdrückt wie eine riesige Lawine das Leben und Überleben dieser Kirche. Auch deswegen steigt die Zahl der „Unkirchlichen“ und „aus der Kirche Ausgetretenen“ kontinuierlich. Diese „ehemaligen“ (?) Katholiken verstehen sich wahrscheinlich nicht immer als Atheisten. Sie wurden vielmehr von der Kirchenleitung aus der Kirche vertrieben. Manche sagen, sie sind religiös heimatlos geworden. Gibt es neue Möglichkeiten eines spirituellen, eines umfassend christlichen Engagements? Hegels Antwort: Es ist die Teilnahme an der „Einfügung“ der Idee universaler Freiheit in die Welt…

2. Zu diesem Niedergang des Katholizismus gehört, dass in einigen Ländern noch so genannte „synodale Wege oder synodale Prozessen“ unternommen wurden, um Reformen in der Lehre und den Kirchengesetzen einzuklagen, im Vatikan, beim Papst natürlich, also oft bei Kleriker-Bürokraten, die sich traditionell gegen Reformvorschläge einer Kirche eines Landes wehren. Dass diese so genannten „Synoden“ (sie beraten nur, dürfen aber nichts entscheiden!) in den letzten Jahren in vielen Ländern, wie Holland, der Schweiz, der Bundesrepublik, also seit 1967, nichts an tiefgreifenden Reformen für die Kirche dieser Länder bewirkt haben, ist eine Tatsache. Insofern sind die heutigen Sitzungen und Debatten in synodalen Prozessen wie damals schon eher eine Art Freizeitbeschäftigung oder auch Beschäftigungstherapie für frustrierte Laien und Priester der Basis. Und Rom freut sich, dass noch Leben da ist…

3. Wie kann in der Situation noch das Wesentliche des Christentums im Rahmen der katholischen Kirche gerettet werden? Mit dieser Frage sind wir genau bei Hegel, dessen gesamte Philosophie vom religionsphilosophischen Thema geprägt ist. Darin stimmen wesentliche Hegel-Forscher überein, wie Michael Theunissen oder Walter Jaeschke. Hegel wollte zu seiner Zeit begrifflich klare Aussagen zu dem Thema machen, weil ein Christentum bloß des Gefühls sich im Protestantismus breit machte und im Katholizismus eine Ende der autoritären Klerus-Herrschaft nicht absehbar war. Hegel zeigt in seinem Werk, dass er als Philosoph das Christentum sehr gut verstanden hatte: Seine Erkenntnisse entwickelt er ausführlich in seinen vier, unterschiedlich akzentuierten Berliner „Vorlesungen über die „Philosophie der Religion“ (1821, wichtig dann: 1824, 1827 und 1831).

4. Zum Wesen des Christentums gehört für Hegel: Gott ist Geist. Und der Mensch ist Teilhaber dieses einen göttlichen Geistes, er bezieht sich auf Gott in einem Verhältnis der Freiheit, d.h. der Mensch ist in der Beziehung zu Gott auch bei sich selbst! Und diese Überwindung des „Fremden“ und Entfremdenden auch Gott gegenüber ist wesentlich Freiheit.
Diese Erkenntnis von der Freiheit ist die Grundlehre des Christentums, sie muss um der Freiheit der Menschen will auch als gesetzlich gefasste Freiheit in Gesellschaft und Staat greifbar werden.

5. Diese Freiheit ist Zentrum der Botschaft Jesu Christi vom Reich Gottes: Und es ist der Philosoph Hegel, der diese zentrale Botschaft der Religion in die Begriffe der Philosophie, also ins Denken, überführt, Hegel sagt „aufhebt“.
Das Reich Gottes wird repräsentiert in der Gestalt Jesu Christi, dessen zentrale Lehre sich in den Begriffen Freiheit, Gerechtigkeit, Sittlichkeit zusammenfassen lässt. Und Hegel zeigt in seinen religionsphilosophischen Vorlesungen: „In der Religion des Christentums an sich ist das (nur) Herz versöhnt“, (S. 330 in den „Vorlesungen über die Philosophie der Religion, Band II, Suhrkamp 1969). Es gibt also, in der Geschichte Jesu Christi sichtbar, bereits eine spirituelle, geistige Versöhnung von Gott und Welt/Mensch, also die spirituelle „Erlösung“. Sie ist „an sich“ schon Gegenwart, sie muss nur noch gestaltet, „hineingebildet werden in die Welt“, wie Hegel sagt.
Diese Erlösung ist dann die Gegenwart des Reiches Gottes in Staat und Gesellschaft, eigentlich haben dafür die Gemeinde, die Kirchen, einzutreten. Aber aufgrund der Begrenztheit ihrer Theologien können Kirchen diese Vermittlung nicht leisten, also die „Hineinbildung“ der Ideen des Reiches Gottes in die Welt. Die Gemeinde/Kirche würde zudem der Versuchung unterliegen, sich gegenüber Staat und Gesellschaft als „Herrscherin“ zu etablieren, wie einst im Mittelalter. Weil die Kirchengemeinde in der Begrenztheit theologischer Begriffe lebt, wird die Philosophie wichtig: Sie kann als Philosophie, die die Wirklichkeit in allgemeine und für alle nachvollziehbare Begriffe fasst, auch diese Lehren vom Reich Gottes der Welt vermitteln. Sie kann in weltlicher Sprache helfen, diese Lehren sozusagen zu säkularisieren und in Gesetze zu überführen.
Anders gesagt: Die politische Wirklichkeit in Staaten und Gesellschaft muss von den sich stets weiter entwickelnden Weisungen der universalen Menschenrechte bestimmt sein, und dabei ist die an keine Konfession gebundene Philosophie behilflich, wenn sie säkular die Lehre der christlichen Freiheit darstellt.

6. Das Reich Gottes muss also aus dem Herzen in die Gesellschaft/den Staat treten und dessen Struktur und Gesetze bestimmen. Die Gemeinde als Ort der Frömmigkeit und der Gottesdienste (Kultus sagt Hegel) bleibt aber bestehen. Die Kirche muss aber anerkennen: Das aktive Gestalten der Freiheit in der Welt in Staat und Gesellschaft, ist genauso wie das Spirituelle der zentraler Auftrag der Kirche. Mit der Verwirklichung der Grundideen des Reiches Gottes als humaner Freiheit, kann man auch von einem Ende der (alten, bloß innerlich-frommen) Religion des Christentums sprechen.
(Siehe auch in Fußnote 1 eine etwas ausführlichere Vertiefung).

7. Hegel kann also von einem Ende der bloß spirituellen christlichen Religion sprechen, weil seine Philosophie in der Lage ist, die wesentlichen Inhalte dieser Religion begrifflich für alle Menschen nachvollziehbar zu bewahren und denken.
Der in der Philosophie bewahrte, „aufgehobene“ Geist des Christentums darf sich für Hegel nicht in der Philosophie „verstecken“. Er muss sich äußern, d.h.für Hegel: Ent-äußern in die Welt. Der Hegel-Spezialist Prof. Walter Jaeschke schreibt in seinem empfehlenswerten „Hegel Handbuch“ (Metzler-Verlag, 2016, S. 436): In Hegels religionsphilosophischen Vorlesungen in Berlin „tritt seit dem zweiten Kolleg der Entwurf einer progressiven Realisierung des geistigen Gehalts der Religion, also seiner Ein-Bildung (d.i. Verwirklichung, CM) in die Weltlichkeit“.
Der geistige „Gehalt“, die „Substanz“ des Christentums, muss in die Wirklichkeit von Staat und Gesellschaft hineingestaltet, Hegel sagt „eingebildet“, werden. Hegels Schüler C.L. Michelet übersetzt diesen Begriff der „Einbildung“ treffend mit „Verweltlichung“, also als Welt – Werdung des Christentums. Und der Hegelianer R.Rothe nennt dann 1837 diese Verweltlichung im Sinne von Welt-Werdung die „Säkularisierung“ des Christentums. „Säkularisierung ist allerdings hier nicht als Entfremdung oder als Entwendung religiöser Substanz gedacht, sondern als ihr Eingehen in die Weltlichkeit und ihr Aufgehen in dieser Weltlichkeit“( Jaeschke, a.a.O, S. 437).

8. Folgt man diesen Erkenntnissen Hegels, dann bleibt für die Kirchen heute auch der wichtigste Auftrag, die Idee der universalen Freiheit und damit die Idee der Menschenrechte in der Welt, der Gesellschaft, dem Staat zu fördern. Das allein ist der zentrale Auftrag der Kirche in der Moderne: Die Menschenrechte in der Welt, in den Gesellschaften, den Staaten, zu pflegen, zu fördern, zum Ausdruck zu bringen. Auf die aktuelle Situation 2022 bezogen: Vielleicht könnten sich in diesem Projekt auch Menschen wiederfinden, die aus der Kirche ausgetreten sind, um sozusagen eine weite säkulare Ökumene zu bilden. Dies ist schon ein Hinweis auf die aktuelle Bedeutung der Erkenntnisse Hegels.

9. Der Impuls, die universale Freiheit, die Geltung der Menschenrechte, in der Welt durchzusetzen, hat leider keinen Vorrang unter den religiösen und kirchlichen Aktivitäten. Die lateinamerikanische Befreiungstheologie hat diesem „Politischwerden“ des Christentums entsprechen wollen, sie wurde aber weitgehend von konservativen Kirchenführern unterdrückt, gerade weil die Befreiungstheologie angeblich nicht dogmatisch korrekt und fromm genug sei…Dabei ist allen kritisch gebildeten Theologen klar: Wer nach dem Kern des Evangeliums fragt, lese in dem Zusammenhang die Bergpredigt Jesu oder seine „Endzeitreden“. Mit anderen Worten: Schon Jesus von Nazareth war ein heftiger Kritiker der Religion, wenn sie nur den Kultus liebt, aber nicht die Humanität an die erste Stelle stellt. Feierliche Gottesdienste, Kultus usw., klerikale Gesetze haben im Sinne Jesu von Nazareth nur Sinn in ihrer Hinordnung auf das auch politisch zu verstehende Reich Gottes.

10. Verweltlichung des Christentums und Bonhoeffer.
In seinen Briefen aus dem Gefängnis Tegel (unter dem Titel „Widerstand und Ergebung“ post mortem veröffentlicht) hat der protestantische Theologe Dietrich Bonhoeffer (geboren am 4.2.1906 in Breslau, als expliziter Feind der Nazis hingerichtet im KZ Flossenbürg am 9.4.1945) einige Einsichten mitgeteilt zur Zukunft des Christentums. Ich sehe darin gewisse Verbindungen zu Hegels Einsicht von der Verweltlichung des Christentums.
Dietrich Bonhoeffer sah schon um 1943 deutlich, wie die alte, vertraute dogmatisch geprägte Gestalt der Kirche in Europa zusammenbricht, verschwindet, weil sie in ihrer Sprache und frommen Praxis die Menschen nicht (mehr) bewegt. Bonhoeffer sprach deswegen davon, ein religionsloses Christentum zu denken und zu entwerfen. Und dieses Projekt berührt die Erkenntnis Hegels zur „Verweltlichung“ bzw. „Säkularisierung“ des Christentums.
Bonhoeffer schreibt: „Unser Verhältnis zu Gott ist kein ,religiöses‘ zu einem denkbar höchsten, mächtigsten, besten Wesen – dies ist keine echte Transzendenz –, sondern unser Verhältnis zu Gott ist ein neues Leben im ,Dasein-für-andere’“ („Widerstand und Ergebung“, DBW8, Gütersloh 1998, 558). „Worauf es im letzten ankommt: Es ist das Beten und TUN DES GERECHTEN“ (WE 157). Noch einmal: „Unser Christsein wird heute nur in zweierlei bestehen: Im Beten und im Tun des Gerechten unter den Menschen“. Bonhoeffer lobt die Weisheit des Alten Testaments „Ist nicht die Gerechtigkeit und das Reich Gottes auf Erden der Mittelpunkt von allem ? (WE 144).
Mit dem „Tun des Gerechten“ ist genau die Forderung Hegels gemeint: Die universale Freiheit und die Menschenrechte in der Welt durchzusetzen. Und was könnte man als Hegelianer unter Beten verstehen? Dieses ist ein Geschehen der inneren geistigen Verbindung mit der Weisheit der Bibel.

11. Franz Rosenzweig und das Ende der Religion.
„Religionsloses Christentum“: Mit dieser These nähert sich Bonhoeffer auch einem Gedanken des jüdischen Philosophen Franz Rosenzweig: „Die Sonderstellung von Judentum und Christentum besteht gerade darin, dass sie, sogar wenn sie Religion geworden sind, in sich selber die Antriebe finden, sich von dieser Religionshaftigkeit zu befreien und (…) wieder in das offene Feld der Wirklichkeit zurückzufinden“ (Rosenzweig: Das neue Denken, Gesammelte Schriften III, Den Haag 1984, 154).

12.
Das Christentum und die Kirchen können in Europa überleben…… wenn sie religionslos werden.
Das ist Hegels Überzeugung: Wenn das Christentum also das klare begriffliche Verstehen (und nicht nur die Liturgien, Gebete etc.) pflegt und Philosophie respektiert, um die gesellschaftliche Freiheits-Praxis zu fördern, hat es noch eine Chance, auch heute inspirierend zu sein. Dann könnten viele Energien frei gesetzt werden, um Krieg und Nationalismus zu überwinden und das Hungersterben von Millionen Mitmenschen weltweit zu beenden…

Fussnote 1:
Hegels Rede vom „Ende der Religion“ ist eingebunden in seine Philosophie. Und diese ist bestimmt von der dialektischen Entwicklung des absoluten Geistes, also dessen, was Hegel der christlichen Tradition folgend, Gott nennt, Und dieser eine Geist (in Gott wie auf eigene Weise in den Menschen) drückt sich in Hegels Philosophie aus: Der absolute Geist wird erkennbar, besser „erkennt sich selbst“ in der Kunst, dann in der Religion und als Höhepunkt am deutlichsten und begrifflich im Denken der Philosophie. Sie ist die „Spitze“ in der Entwicklung des absoluten Geistes. Die Rede vom Ende der Religion ist also darauf bezogen, dass die Religion, sozusagen als noch unreife Stufe des absoluten Geistes, selbst nicht zu den klaren Begriffen findet, die in der Philosophie (Hegels) erreicht werden. Das bedeutet für Hegel aber nicht, dass Kunst und Religion faktisch nicht mehr weiter bestehen. Sie leben weiter, auch im Umgang der Menschen mit den Künsten und Religionen. Aber, und dieses Aber ist entscheidend: Die Religion bzw. das Christentum, also die Kirchen in Europa, sind nicht auf der Höhe der Entwicklung des sich selbst verstehenden absoluten Geistes, wenn sie die kritische Philosophie scheuen oder verachten (wie Muther). Denn Gott wird für Hegel treffend und “adäquat“ nur in der Philosophie, (seiner) Philosophie, begrifflich im Denken erschlossen.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

 

Der Mensch soll sich die Erde untertan machen. Und auch die Kirche soll sich alle Menschen untertan machen.

Biblische Weisungen mit totalen Ansprüchen.
Ein Hinweis von Christian Modehn.

Dieser Beitrag zeigt:
Mit dem göttlichen Auftrag an die Menschen „Macht euch die Erde untertan“ ist eng verbunden der Auftrag Jesu Christi an die (katholische) Kirche „Macht alle Menschen zu meinen Jüngern, also zu Kirchenmitgliedern“. Die Missionsgeschichte und die der Kolonisierung beweist: Auch der Auftrag Jesu wurde als Unterwerfung, als „Untertan-Machung“, verstanden und praktiziert. Und innerhalb der katholischen Kirche gibt es dann noch eine weitere Form der Unterwerfung, die Unterwerfung der menschlichen Natur (Sexualität) des Klerus durch klerikale Gesetze.
Wie stark ist in der biblischen Lehre also eine Geschichte der Unterwerfung, der Erzeugung von Untertanen, angelegt? Und wenn das so ist: Wie sehr macht das herrschende Verständnis der Bibel die Menschen und die Welt krank?

1.
Die Zerstörung von Welt/Natur/Tieren und damit verbunden die seelische und physische Selbst-Zerstörung der Zerstörenden, der Menschen, wird immer mehr Leuten bewusst, und manche leisten dagegen Widerstand, förmlich „in letzter Stunde“.
Um diesen total gewordenen Willen zur Zerstörung von Welt und Menschheit zu verstehen, muss man sich auch auf die seit langem herrschenden und wie selbstverständlich gelebten Mentalitäten beziehen. Das heißt: Ideologie, Glaube, Überzeugungen müssen beachtet werden, um diese Zerstörung zu verstehen.
Trotz der „Säkularisierung des Bewusstseins“ lebt immer noch die prägende, christlich/kirchlich vermittelte Ideologie, die als Zitat Gottes höchstpersönlich bekannt ist mit dem Spruch: „Macht euch die Erde untertan.“ Diese biblische Lehre wirkt de facto selbst dann noch, wenn viele Europäer sich heute von Bindungen ans Christentum befreien.
2.
Die Zerstörung der Natur heute, kaum noch zu reparieren, ist als eine Art totales Geschehen zu verstehen. Dies ist heute tägliche Erfahrung der kritischen Menschen. Diese ökologische Katastrophe muss nicht mehr im Detail beschrieben werden, sie hat viele zerstörerische Aspekte: Luft, Meere, Tiere, Pflanzen, Wälder, Städte, soziale Beziehungen und so weiter, alles soll unter die Herrschaft der alles gebrauchenden und verbrauchenden Menschen gebracht werden. Alles wird zum Untertan des Menschen.
Aber allmählich beginnt diese Überzeugung wirksam zu „bröckeln“. Der „Mensch“ als „Herr der Schöpfung“, der sich alles untertan machen darf mit göttlichem Segen, erscheint trotz aller riesigen technischen „Errungenschaften“ der Naturbeherrschung auch als eine kleine, jämmerliche und unvernünftige Kreatur. Selbst Milliardäre als die Gewinner der totalen Natur- und Technikbeherrschung wissen, sie sind als Menschen begrenzt, endlich, also sterblich. Nebenbei: Vielleicht ist das der letzte Trost der Millionen Hungernden. Sie hätten gern menschlich gelebt, wenn nicht so viele Herren der Welt so besessen und gierig nur zu eigenem Profit auf die Welt zugegriffen hätten.
3.
Das ist eine zentrale Frage: Sind es „die“ Menschen, wie der Bibelspruch suggeriert, die sich als Herrscher über die Natur etabliert haben? ODER sind es die Herren in Ökonomie, also bestimmte Privilegierte, die überall Profit machen und alles beherrschen und alles sich (!) untertan machen. Diese Herren brauchen dabei Massen-Menschen, die z.B. das globale Projekt der Naturvernichtung unterstützten, weil sie, die „kleinen Leute“, von der totalen Naturzerstörung irgendwie doch noch finanziell profitieren. Ohne diese „Klassenanalyse“ kann also eine Debatte über die Auswirkungen des göttlichen Befehls an die Menschen „Macht euch die Erde untertan“ (AT, Buch Genesis, 1,28) gar nicht geführt werden.

Bibelwissenschaftler versuchen heute in ihren Interpretationen dieses Textes das “Untertan-Machen” durch den Menschen abzumildern. Sie wollen uns beinahe plausibel machen,  als empfehle der liebe Gott den Menschen schon den Tierschutz und die ökologische Lebensform. Siehe dazu unten den ausführlichen Hinweis, Fußnote 1.
Die herrschende Mentalität ist also vor allem die Mentalität der Herrschenden, die allen anderen – auch durch die Medien – vermittelt, besser: „aufgedrückt“ wird.
4.
Die allgemeine Mentalität bestimmt über die christlich – jüdischen Bereiche hinaus Menschen weltweit: Menschen sahen und sehen ihr Lebensziel darin, sich die Erde untertan zu machen! Es geht um Untertanen und Herren! Diese Ideologie hat sich seit der frühen Neuzeit in Europa durchgesetzt.
Die Natur wurde als „das für den Menschen andere und Fremde und weniger Wertvolle“ wahrgenommen. Die Natur wurde zur Welt der „Objekte“. Zu diesen Objekten zählte man seit der frühen Neuzeit explizit auch die Tiere. In dem Zusammenhang wäre über Descartes ausführlicher zu sprechen: Er betont: Das Denken des Menschen steht der Welt der „Ausdehnungen“, also der Natur gegenüber, die Natur wird zu einem „Mechanischen“ degradiert. Tiere deutete Descartes als „seelenlose Maschinen“ , „Automaten“, dies schrieb er in seinem Brief an den Marquis von Newcastle vom 23.11.1646.
Immanuel Kant hat dann später in seiner „Metaphysik der Sitten“ die Tierquälerei verurteilt, aber nicht so sehr um der Tiere willen (die sind vernunftlos), sondern weil der Mensch sich selbst dabei seelisch schadet, weil er „verroht“. Tierschutz und Naturschutz werden also, wie schon seit dem Mittelalter „anthropozentrisch“ verstanden, immer steht der Mensch (als Herr) im Mittelpunkt.

Und der Mensch sieht nicht: Wenn er die Natur zu dem “Fremden”, “Anderen” erklärt, dass er dann als Mensch seine menschlichen Kategorien des Denkens diesem Anderen, Fremden, aufdrückt, um über das Andere, Fremde umgehen zu können, um über es zu verfügen. Und die Natur gehorcht ja auch dem Zugriff des Menschen, indem sie sich bearbeiten und verändern lässt. Der Mensch will letztlich in dieser Herrschafts – Beziehung zur Welt, als seiner Welt, mit sich allein sein.

Und der Mensch kann in dieser Haltung der totalen Menschen – Herrschaft nicht mehr die Natur, die Tiere, vor allem: die anderen, befremdlich erscheinenden Menschen als solche respektieren und sein und leben lassen. Alles wird also unter die letztlich tötende Verfügung des Menschen gestellt: Er kann dann die gute und wahre Stimme der “anderen” nicht mehr hören. Eine Form von Taubheit und Blindheit ist die Konsequenz dieses herrschenden monologischen Verhältnisses des herrschenden Menschen zum anderen, Fremden, auch zur Natur, zu den Tieren.

„Naturschutz“ wurde als Begriff für eine von Menschen bedrohte Natur erst 1888 von dem Komponisten Ernst Rudorff (1840-1916) geprägt, als ein normativer Begriff, der den Zustand (die Lebendigkeit) der Natur bewerten sollte. Auch von den Leistungen Albert Schweitzers wäre hier zu sprechen, von seiner Erkenntnis: „Alles, was lebt, ist wie eine große Familie“ und der „Mitgeschöpflichkeit“ als Verbindung aller Lebewesen inklusive des Menschen.
Aber diese Erkenntnisse blieben marginal, sie konnten den Willen zur totalen Herrschaft über die Natur weder im Staats-Sozialismus noch im Kapitalismus/Neoliberalismus bremsen.

Ein aktuelles Beispiel (Februar 2022): Der neue Film von Andrea Arnold mit dem Titel “Cow”: Die Protagonistin in diesem Film ist die Kuh “Luma”, ihr Leben als Leiden wird eindringlich und empatisch vorgestellt. Schon kurz nach der Geburt ihres Kalbes wird das junge Tier der Mutter entrissen. Das Tier erlebt das Drama der Trennung, dem kann sich der Zuschauer nicht entziehen. “Luma” ist nur ein Objekt in der kapitalistischen Milch – und Fleischproduktion, eine Maschine, die den menschlich vorgebenen Effizienz – Normen entsprechen muss. Dass man dem Tier einen Namen gibt, dient wahrscheinlich der höheren “Effizienz”, diese wird bei freundlicher Namensgebung wohl erwartet. “Ist alles aus dem Körper der Kuh für die Menschen herausgeholt, findet ihre Existenz ein frühes Ende”, schreibt Esther Buss in einer Rezension des “Tagesspiegel” (9.2.2022, S. 20).
5.
Diese Mentalität hat in der Metapher ihr sozusagen „göttliches Zentrum“: „Der Mensch soll und darf sich alles untertan machen“. Es muss noch einmal an das viel zitierte Wort „Gottes” bei der Erschaffung der Menschen erinnert werden, mitgeteilt gleich in den ersten Zeilen der Bibel, im Buch Genesis, 1.Kap. Vers 28 ff. Gott befiehlt: „Seid fruchtbar und vermehret euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch, und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen.” Dass dieser göttliche Spruch auch die ungehemmte Vermehrung der Menschen erlaubte, ist klar. Unkontrollierte Vermehrung der Menschheit und Herrschaft über die ganze Natur sind nur zwei Seiten desselben Phänomens. Dieser Text wurde ca. 600 v.Chr. geschrieben, also in einer Welt, in der sich die Menschen von wilder Natur und wilden Tieren bedroht sahen, dies nur als historische Einordnung. Das Schlimme ist, dass dieser Spruch, geschrieben vor ca. 2.600 Jahren sich offenbar bruchlos in den Köpfen festgesetzt hat bis heute: Mit der Zuspitzung: Die Herrschenden sollen herrschen. Und die Herrschenden sind die Weißen. Sie haben Untertanen nicht nur in den Tieren, sondern in den für minderwertig bewerteten „anderen“ Menschen, etwa den Schwarzen, den „Einheimischen“ Amerikas und Asiens usw.
Es führt also eine direkte Linie von dem göttlichen Auftrag zur Naturbeherrschung zur Herrschaft einiger Herrenmenschen über andere Menschen, die nicht mehr als vollständige, gleichberechtigte Menschen, sondern als Sklaven betrachtet und behandelt wurden und werden. Die mediale Aufregung über drei verunglückte Skifahrer in Europa ist größer als das Hungersterben von vielen tausend „Schwarzen“ in Afrika. Rassismus ist eine Konsequenz von „Macht euch die Erde untertan.“
6.
Für die christlichen Kirchen kommt zu diesem universalen, praktisch-technischen Herrschaftsauftrag durch Gott noch ein weiterer Befehl im Neuen Testament hinzu! Und dieser Befehl ist der die Kirche betreffende Auftrag, alle Menschen zu Mitgliedern der vom Klerus bestimmten Kirche zu „machen“. Die vielen „Laien“ macht sich der Klerus zu Untertanen der einen großen Kirche. Denn nur der Klerus tauft, nur der Klerus lehrt, nur der Klerus darf der Eucharistie vorstehen, die Sakramente spenden etc. Pluralität vieler unterschiedlicher Religionen soll es nicht geben, sondern Ziel ist die Einheit der Menschheit in EINER Kirche. Der immer noch bestehende Anspruch der römischen Kirche, „allein seligmachend“ zu sein, hat darin seine Wurzeln.
Wie kam es zu dieser totalitär erscheinenden Auffassung: Die Christen und ihre Kirchenführer werden, so erzählt der Mythos, von dem auferstandenen Jesus Christus persönlich aufgefordert, zu allen Völkern zu gehen: „Und macht alle Menschen zu meinen Jüngern…und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe”, so heißt es am Schluss des Matthäus-Evangeliums Kap. 28, Vers 19.
Jesus von Nazareth wird also in diesem Text aus den Jahren zwischen 75-90 bereits als Kirchengründer gedeutet mit einem universalen Anspruch. Dass Jesus von Nazareth, am Kreuz elend gestorben im Jahr 30, diese Worte, von einem Autor Matthäus geschrieben, überhaupt nicht gesagt haben kann, schon gar nicht als ein der menschlichen Sprache nicht mehr mächtiger Auferstandener, ist historisch-kritisch erwiesen.
Der universale Missionsbefehl Jesu ist also eine theologische Erfindung der ersten Gemeinde, die sich als universale „Heilsgemeinschaft“ (Kirche) trotz (oder gerade wegen) ihrer damals zahlenmäßigen (UN)Bedeutung positionieren musste. Tatsache ist, dass Jesus von Nazareth so sehr von einem Ende der Zeiten und dem Beginn des Reiches Gottes „alsbald“ überzeugt war, dass er an eine lange Zeit bestehende kirchliche Organisation gar nicht denken konnte. Der aus der katholischen Kirche exkommunizierte französische Theologe Alfred Loisy (1857-1940) sagte treffend: „Jesus verkündete das Reich Gottes. Und gekommen ist die Kirche“.
Worauf diese universale Missionstätigkeit auch gesellschaftlich-politisch hinausläuft, ist für die Kirche selbst nicht deutlich oder wird heute eher verschwiegen: Was soll denn werden, wenn alle Menschen (!) katholisch sind? Sollen also alle dem Papst gehorchen? Und ein katholisches Welt-Regime errichten?
7.
Die erste Kirchengemeinde fühlte sich aber so stark, einen totalen Anspruch formulieren zu müssen: ALLE Menschen sollen „Jünger Jesu“ werden. Einen Jünger Jesu könnte man sich grundsätzlich auch außerhalb einer Kirchen-Organisation vorstellen: Jünger Jesu waren (und sind) auch (und vor allem!) alle Friedfertigen, Gerechten, Solidarischen usw., siehe die Bergpredigt Jesu! Das Jüngersein sprengt also alle kirchlichen Eingrenzungen.
Aber daran denkt der Autor Matthäus nicht: Er betont: Wer Jünger Jesu sein will, muss sich taufen lassen und dabei ein Bekenntnis ablegen zum trinitarischen Gott. Dass diese Formel des trinitarischen Gottes schon in der Frühzeit der Kirchen höchst umstritten war und als offizielles Bekenntnis eher vom Kaiser den Christen aufgezwungen wurde, kann hier nur nebenbei erwähnt werden. Bedeutende Theologen, wie Sozzini und seine Kirche im 16. Jahrhundert, haben ein Christentum zeigen wollen und gelebt, das ohne diese klassische trinitarische Formel auskommt. Aber Sozzini und die Seinen haben sich in den großen, sich selbst unbescheiden rechtgläubig nennenden großen Kirchen nicht durchgesetzt: Ob Inder oder Chinesen, Indigenas am Amazonas oder Philosophen und Naturwissenschaftler in Europa usw., sie alle müssen, wollen sie denn Jünger Jesu sein IN der Kirchen-Organisation, das trinitarische Bekenntnis sprechen (ob sie es verstehen, ist eine andere, aber entscheidende Frage).
Die Kirche will heute spirituell, vor allem, im Mittelalter auch sehr „weltlich“-politisch, herrschen über die Menschheit. Sie hat dabei diese Herrschaft immer als Dienst, als Hilfe zum guten Leben etc. darstellen wollen. Aber mit sanftmütigen Worten wurde grausam missioniert, man denke an die Kreuzzüge im Mittelalter, vor allem an die Kreuzzüge ins „Heilige Land“ zur Vertreibung der Muslime von den „heiligen Stätten“ UND zur Stärkung der eigenen Wirtschaft. Die Kreuzzüge sind also eine Art Bündelung von „Machst euch die Erde untertan“ UND „Macht alle Völker zu Kirchenmitgliedern“. Dafür gibt es viele weitere Beispiele. Man denke an die Verbindung von Mission und Kolonisierung in Amerika seit 1492.
Ich zitiere nur kurz einen kirchenoffiziellen Text aus den missionarischen Jahren der „Entdeckung“ Amerikas (siehe dazu den Historiker Wolfgang Reinhard, Die Unterwerfung der Welt, C.H.Beck Verlag München, 2016, S. 311): Die spanischen Missionare in (Latein)Amerika forderten die Indigenas auf, sich dem katholischen Glauben anzuschließen. Dann sei alles soweit geregelt, sagten die Spanier. Aber wer sich NICHT taufen ließ? Da heißt es in dem Dokument u.a. (zit bei W. Reinhard): „Wenn Ihr („die Indios“) aber nicht die Kirche als Herrin anerkennt, so tue ich euch kund, dass ich mit der Hilfe Gottes euch bekriegen und euch unterwerfen werde unter das Joch und den Gehorsam der Kirche und ihrer Hoheiten. Und eure Personen und eure Frauen und Kinder werde ich gefangen nehmen und zu Sklaven machen und als solche verkaufen… Und ich erkläre, dass die Tötungen und Schäden, die sich daraus ergeben werden, von euch selbst verschuldet sind“.
Die offizielle Proklamation, Requerimiento genannt, wurde seit 1513 „freundlicherweise“ von der Kirche den Einheimischen zur Kenntnis gebracht.
8.
Menschliche Herrschaft und ineins damit kirchliche Herrschaft über die „anderen“ haben ihre Wurzeln in der Bibel, vorausgesetzt, dass man die entsprechenden Befehle Gottes (im AT) und Jesu Christi (im NT) in der üblichen, durchaus bis heute populär verbreiteten Bibellektüre und Interpretation versteht. Dass es Minderheiten innerhalb der Kirche gab, die den Missionsbefehl eher als „Aufforderung zum Dialog“ verstanden, wie Franziskus von Assisi, muss erwähnt werden. Aber Franziskus von Assisi hat sich auch in dieser Hinsicht in seiner Kirche NICHT durchgesetzt.
9.
Der Herrschaftsanspruch der Kirche ist immer der Herrschaftsanspruch des Klerus, der sich selbst als die einzig authentische Elite zur Interpretation biblischer Texte und zur Formulierung von Dogmen ermächtigt hat – bis heute ist diese totale Herrschaft eine Realität, „Synodale Vorgänge“ („Synoden“) in einzelnen „Landeskirchen“ sind dann nur Beschäftigungstherapien für oft mutlose Laien… Für die Spitze der katholischen Kirche, die sich, so wörtlich, als göttliche (!) Stiftung versteht, gibt es aber noch spezielle Anweisungen zur Herrschaft: Die Priester werden per Kirchengebot zum Zölibat verpflichtet: Nur als Ehelose können die Kleriker treue Untertanen von Papst und Bischöfen sein!
Das hat eine leidvolle Konsequenz, sie betrifft eine besondere Unterdrückung der Natur, nämlich der menschlichen, leiblichen, sexuellen Natur des Klerus. Es geht um das Verbot, der eigenen menschlichen Natur zu folgen, und der Klerus soll auf Sexualität „freiwillig“ verzichten, auf körperlicher Vertrautheit und Vereinigung mit anderen Menschen. Auch die menschliche Natur aller Priester soll wegen einer Entscheidung des hohen Klerus im Mittelalter geknechtet und stillgelegt werden.
10.
Auf ein weithin unbekanntes Detail muss hingewiesen werden: Der führende Klerus, selbst „zölibatär“, fordert die jungen Priesteramtskandidaten (also oft schon im Alter von 19/20 Jahren) zu einer problematischen, wenn nicht krank, neurotisch machenden Askese auf. Im Dekret über die Priesterausbildung des 2. Vatikanischen Konzils (1962-65), im § 10 ,heißt es: „Auf die Gefahren, die ihrer Keuschheit besonders in der gegenwärtigen Gesellschaft drohen, sollen die Priesterkandidaten hingewiesen werden. Sie müssen lernen…eine vollkommene Herrschaft über Leib und Seele und eine höhere menschliche Reife zu gewinnen und die Seligkeit des Evangeliums tiefer zu erfahren.” Das wagen die greisen Konzilsväter den jungen Männern zuzumuten, diese Herren-Bischöfe, Exzellenzen, Hochwürden etc. genannt, wissen, dass sie damit die jungen Männer seelisch und dann auch körperlich krank machen. Und dann schwafeln diese Herren noch von der bei so viel Leiden und „Opferbringen“(!) Erfahrenen, wörtlich, der „Seligkeit des Evangeliums“.
Man kann hier nur von einer verordneten Vergewaltigung („Untertan – Machung“) von Seele und Leib sprechen. Und jetzt wissen so viele: Der dekadente, wegen sexuellen Missbrauchs verbrecherische Teil des Klerus ist sozusagen der leibhaftige Ausdruck dieser Herrschaft über die eigene Natur und die eigene Sexualität.
Schon im § 9 des genannten offiziellen Konzils-Dokumentes wird empfohlen: Die jungen Priesterkandidaten sollten „im Geist der Selbstverleugnung erzogen werden, so werden sie dem gekreuzigten Christus ähnlich”. Da wird also die Unterdrückung von Sexualität mit dem Kreuz Jesu von Nazareth verbunden: Jesus ist ja nicht wegen unterdrückter Sexualität hingerichtet worden, sondern wegen seiner umfassend lebensbejahenden und erotisch gefärbten Haltung, auch zu den Frauen, einen „Lieblingsjünger“, Johannes mit Namen, hatte Jesus ja bekanntlich auch, er ruhte an der Brust des „Herren“. Nebenbei: Über die Erotik Jesu von Nazareth ist viel zu wenig geforscht worden. Aber dafür muss man sich mehr für den Juden Jesus von Nazareth interessieren als für den vergöttlichen, leibfreien „Christus“ – also auch den trinitarischen himmlischen „Logos.“
Der genannte Konzilstext erklärt, warum diese ganze Prozedur der Unterdrückung der menschlichen Natur durch die Priester geschehen soll: Im § 9 heißt es weiter: „Dann werden die Priester dem Stellvertreter Christi, also dem Papst, in demütiger und kindlicher Liebe ergeben sein, und sie werden später als Priester dem Bischof als ergebene Mitarbeiter anhangen…” In Liebe ergeben: Wer als Priester dies war, der wurde auch als wegen pädosexueller Verbrechen durch die Liebe des Bischofs vor den Gerichten bewahrt…Aber auch dies: In Liebe ergeben darf man bitte nicht wörtlich nehmen, im Sinne von homosexueller Liebe, das würde offiziell pervers genannt, aber de facto praktiziert. Siehe das Buch von Frédéric Martel, Sodom. LINK.
11.
Dieser kurze Hinweis beschreibt nur ein ausbaufähiges Projekt, das schon mehrfach von verschiedener, auch nicht-theologischer Seite aufgegriffen wurde.
Uns liegt nur daran, an die fatalen Folgen bestimmter biblischer Texte zu erinnern, weil sie – wie so viele andere biblische Sprüche – aus Gründen der Herrschaft wörtlich verstanden werden. Diese Sprüche haben sich wegen einer gewissen „griffigen Formulierung“ als herrschende Mentalität durchsetzen können. Es wäre für aufgeklärte Christen besser und heilsamer, diese uralten Texte aus einer fernen, vor-modernen Welt nur noch als historisch interessante Mythen zu lesen. Unmittelbar praktisch „umsetzbar“ sind sie nicht und sollten sie um der Welt und der Menschen NICHT sein.
Kritisches Verstehen der Bibel vermag vielleicht schlimmste Missverständnisse, selbst wenn sie sich „eingeprägt“ haben, zu verhindern. Die Bibel ist eben nicht total „Gottes Wort“.
Die Bibel kann für eine kritische Theologie nur ein Buch sein, das literarisch unterschiedliche religiöse Überzeugungen versammelt, von Menschen aus den Jahren 1000 vor Christus bis ca. 120 nach Christus. Und diese religiösen Überzeugungen und Erzählungen früherer Menschen sind nicht automatisch „göttlich“.

12.

Es kommt also darauf, die genannten Weisungen Gottes zur “Untertan – Machung” beiseite zu legen und neue Weisungen zu formulieren, die den Menschen aus der totalen Rolle des Alleinherrschers über die Natur und die “anderen” befreien. Der Philosoph Hans Jonas hat da schon großartige Vorschläge gemacht.

FUßNOTE 1: Die Bibelwissenschaftler Prof.Karl Löning und Prof. Erich Zenger befassen sich in ihrem Buch „Als Anfang schuf Gott“ (Düsseldorf 1997) auch mit dem Auftrag Gottes an die Menschen „zur Gestaltung der Welt“, wie beide Wissenschaftler dann sehr moderat die von Gott empfohlene und befohlene „Herrschaft des Menschen über die Natur“ nennen. Die Exegeten wehren sich explizit gegen die Luther-Übersetzung „Macht die Erde euch untertan“, und sie wehren sich auch gegen die katholische Einheitsübersetzung „Unterwerft die Erde euch und herrschet“ (S. 149).

Aber diese Kritik an den Übersetzungen schränken die beiden Professoren dann sofort wieder ein: “Beide Übersetzungen sind nicht voll falsch, aber sie sind in zweifacher Hinsicht problematisch“ (S. 149). Was soll schon „voll falsch“ bedeuten?

Es ist also für die Bibelwissenschaftler eine Art „Grauzone“, im einzelnen betonen sie:
Gemeint sei in der Bibel nicht, der Mensch solle wie ein kriegerischer Feldherr gegen die Erde kämpfen!
Falsch übersetzt sei sogar, wenn in beiden genannten Übersetzungen von EUCH (bezogen auf die Menschen) die Rede ist. „Das Dativ `euch` steht nicht im hebräischen Text“. (ebd.)

Dabei muss aber die Frage gestellt werden: An wen wendet sich dann aber Gott? Irgendeinem Wesen muss der tätige Umgang mit der Welt und den Tieren ja gelten! Also dann doch den Menschen, selbst „wenn das Dativ im hebräischen Text fehlt“.

Beide Autoren verweisen dann noch auf den Grundgedanken des Schöpfungsberichtes: Und dieser sei die „Gottebenbildlichkeit des Menschen“ (S. 153), mit diesem Verweis meinen sie, die „Härte“ des Auftrages Gottes „zur Gestaltung der Welt“ abzumildern.

Dennoch müssen die Exegeten zugeben: „Eine gewalttätige und nur dem Menschen dienliche Herrschaft über die Welt, Tiere usw. Ist – bei Berücksichtigung der Gottebenbildlichkeit des Menschen – WENIG WAHRSCHEINLICH“ (153). Diese gewalttätige Herrschaft des Menschen ist also dann doch auch denkbar und wahrscheinlich. Man hat bei diesem Hin und Her der Argumente den Eindruck, die beiden Exegeten betreiben eine Art apologetische Bibeldeutung, nach dem Motto: In der Bibel darf es nur richtige und gute Empfehlungen „Gottes“ geben. Noah und seine Arche, die auch Tiere rettete, werden dann noch als Beleg gedeutet förmlich für den Tierschutz, den schon Noah leistete.

 

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Wer aus der katholischen Kirche austritt… Achtung, der wird nicht gerettet!

Ein Hinweis von Christian Modehn am 30.1.2022.

1.

Sehr viele tausend Katholiken treten seit Jahren und jetzt, 2021/2022, immer mehr, aus der katholischen Kirche aus. Die Zahlen sind bekannt, nur 2 Beispiele: Im Jahr 2020 sind 221.390  Katholiken in Deutschland aus der katholischen Kirche ausgetreten; 2019 waren es 272.770.

Unser Thema ließe sich natürlich auch auf evangelische und orthodoxe Kirchen beziehen, hier aber bleiben wir bei der Focussierung auf die römisch-katholische Kirche.

2.

Der „Religionsphilosophische Salon Berlin“ erinnert daran, dass in der offiziellen Lehre des 2. Vatikanischen Reformkonzils (1962-1965), man beachte: REFORM-Konzil, diese Sätze zu lesen sind: „Diese pilgernde Kirche (also die jetzige römisch-katholische Kirche) ist zum Heile notwendig…Darum können jene Menschen nicht gerettet werden, die um die katholische Kirche und ihre von Gott durch Christus gestiftete Heilsnotwendigkeit wissen, in die sie aber nicht eintreten ODER IN IHR NICHT AUSHARREN WOLLEN“. Lassen wir den zuerst genannten Aspekt beiseite, dass es offenbar Menschen gibt, die die Heilsnotwendigkeit dieser Kirche zwar kennen, aber aus bösem Willen (?) nicht Kirchenmitglied werden wollen. Hier geht es um Aktuelleres:

3.

Denn wer in der katholischen Kirche nicht AUSHARRT, „kann nicht gerettet werden“. Das steht in dem zentralen Konzilsdokument „Dogmatische Konstitution über die Kirche“, am 21.11. 1964 feierlich im Vatikan verkündet. Diese dogmatische Konstitution hat den Titel „Lumen Gentium“, „Licht der Völker“, gemeint ist Christus als das Licht der Völker. Die Kirche aber behauptet dann in den folgenden Sätzen stolz, dass „Christi Herrlichkeit auf dem Antlitz der Kirche widerscheint“ (so gleich am Anfang dieser dogmatischen Konstitution, im §1). Diesen “Widerschein” der Herrlichkeit Christi” in der Kirche kann jeder überprüfen angesichts des sexuellen Missbrauchs durch Kleriker und des Umgangs der Kleriker mit den Opfern heute. Aber das ist ein anderes Thema. Hier geht es um die Tatsache, dass Katholiken, die aus der Kirche austreten, NICHT GERETTET werden. Klassisch formuliert: Nicht in den Himmel kommen.

4.

Das muss man erst mal realisieren: Diese also von der Herrlichkeit Christi umstrahlte Kirche lässt es sich nicht nehmen, noch im Jahr 1965 hoch offiziell zu lehren, dass bestimmte Menschen nicht gerettet werden: Nämlich die Menschen, die diese Kirche verlassen, in der Konzilssprache: „nicht ausharren“. Das steht im § 14! Das Wort „ausharren“ ist vom Konzil treffend gewählt: Ausharren ist eine Haltung eher Leidender, Unterdrückter, Unzufriedener, die alle Zähne zusammenbeißen und „ausharren“. Sollen das die Kirchenmitglieder sein? Wahrscheinlich, es geht bei den verbliebenen Mitgliedern nur noch ums Ausharren…Und Warten auf bessere Zeiten, bessere Kirchen.

Und um diese unfreundliche Theologie des 20. Jahrhunderts noch einmal zu unterstreichen, heißt es ein paar Zeilen weiter im Konzilstext: „Nicht gerettet wird aber, wer, obwohl der Kirche eingegliedert, in der Liebe nicht verharrt und im Schoße der Kirche zwar dem Leibe nach, aber nicht dem Herzen nach verbleibt.“  Plötzlich wird die Mitgliedschaft in der römischen Kirche als Beziehung der Liebe beschrieben. Für uns wichtig: Nun sind also auch noch jene vom ewigen Heil ausgeschlossen, die zwar noch Kirchensteuern zahlen (etwa in Deutschland), also dem „Leibe nach“ katholisch sind, ohne aber vollumfänglich, also „dem Herzen nach“, der Kirche anzugehören, jedenfalls in der Sicht des Klerus. Die voller Liebe dem Papst und den Bischöfen gehorsam liebend, dem Herzen nach,  verbunden sind, nur die werden gerettet. Man möxchte sagen: Wer als Kirchensteuerzahler nur Heiligabend die Messe besucht, gehört nur dem “Leibe nach” der Kirche, hat also wenig Chancen auf ewige Rettung.

Und man ist erstaunt, dass diese Zurückweisung von Erlösung und “Rettung”  in einem anderen, zentralen Text des 2. Vatikanischen Konzils noch einmal wiederholt wird: Naheliegend in dem “Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche”, am 7. Dez 1965 im Petersdom  feierlich verkündet. Dort ist in §7 nicht nur von der “Notwendigkeit der Kirche” die Rede, sondern abermals von denen, die aus der Kirche austreten, die Konzils”väter”, mehr als 2000 Bischöfe sprechen nicht austreten, sondern von “nicht ausharren”. Wer nicht ausharrt, wird also “nicht gerettet”.

5.

Extra ecclesiam nulla salus“, also „Außerhalb der (katholischen) Kirche kein Heil, keine Erlösung“: Dieser bekannte Spruch des Kirchenvaters Cyprian von Karthago (200-258) wird 1965 von allen Konzils“vätern“, also den Bischöfen und dem Papst, erneut gelehrt. Dieser Spruch wurde schon vom Konzil von Florenz (1438-1445) als Dogma gelehrt…Dieses Dogma wurde also von den mehr als 2000 versammelten Bischöfen des 2. Vatikanischen Konzils einmal mehr „aufgewärmt“…Denn dies ist der bekannte Wahn der römischen Kirche: Was irgendwann einmal, in Vorzeiten, unter bestimmten kulturellen Bedingungen,  als Dogma formuliert wurde, ist auf ewig Dogma. Wandel, Veränderung, Lebendigkeit sind nicht Sache dieser Kirche. Das Ganze ist etwas Totes, siehe Erich Fromms Analysen.

6.

Es ist schon merkwürdig, dass in allen Debatten über Kirchenaustritte von bischöflicher Seite heute diese Lehre des Konzils verschwiegen wird. Die Bischöfe schämen sich hoffentlich ein bißchen, solches noch 1965 hoch offiziell gesagt und verbindlich gelehrt zu haben. Oder aber die Bischöfe wissen: Wenn wir an diese dogmatische Lehre des Konzils heute erinnern und sie auch lehren, dann treten noch mehr KatholikInnen aus der Kirche aus. Was ja durchaus wahrscheinlich wäre. So wird also von den Bischöfen um des Erhaltes des großen Geldes aus Kirchensteuern willen die reine „Wahrheit“ des Konzils diplomatisch-ökonomisch verschwiegen. Geld ist eben auch für Bischöfe dann doch wichtiger als das alte Dogma.

7.

Würde es die vielen tausend „Ausgetretenen“  stören, wenn sie nach offizieller Kirchenlehre also „nicht gerettet“, d.h.himmlisch, göttlich,  verdammt sind? Ich vermute, der Gedanke daran würde die „Ausgetretenen“ nicht stören, weil sie über die Kleingeisterei der Kirchenführung und des Konzils längst erhaben sind.

8.

Vielleicht sind die „Ausgetretenen“ sogar die besseren TheologInnen, weil sie wissen: Gott, wenn er sich dafür überhaupt interessiert,  ist unendlich größer als diese Kirchen-Organisation des Klerus, der mit seinen anmaßenden Verureteilungen nur seine Allmacht erhalten will. Aber diese Allmacht geht zu Ende.

9.

Diese Herren haben sich in ihrem Dogmen-Wahn über Gott gestellt. Sie haben vorgegeben, genauso viel wie Gott zu wissen, was die ewige Rettung und Verdammnis der Menschen angeht. Was für eine Schande diese Anmaßung. Klassisch – theologisch formuliert: Was für eine Irrlehre.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

 

 

 

 

Homosexuelle Päpste und homosexuelle katholische Bischöfe – eine erste unvollständige Übersicht.

Ein Hinweis von Christian Modehn am 24.1.2022

Das Motto: Die römisch-katholische Kirche ist eine weltweite Organisation, die gelebte Sexualität und Liebe, Partnerschaft und Ehe, bestimmten Menschen, den Homosexuellen nämlich, verbietet.

Diese Menschen, Mitchristen, “Mitbrüder” und “Mitschwestern” sollen als einzelne “keusch”, also a-sexuell, also ohne erotische/sexuelle Liebe zu anderen Menschen, sich durchs Leben quälen. Seelisch krankgemacht und  neurotisch, sollen sie sich von einer rigiden inhumanen Moral des Klerus bestimmen lassen. Es ist der die Bibel und alle Dogmen exklusiv deutende Klerus, der sein eigenes Alleinsein (“Zölibat), anderen Menschen, Homosexuellen, aufdrängt.

Das Wort Gottes, im Mythos des Schöpfungsberichtes ganz vorn in der Bibel (Genesis, 1,18), heißt: “Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei”. Dieses “Wort Gottes” gilt in der offiziellen Lehre der römischen Kirchen NICHT für alle. Diese Kirche betreibt also eine “Auswahl”, eine “Haeresis” (altgriechisch). Diese Kirche lehrt offiziell Häresie, indem sie das Wort Gottes “Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei”, nicht für alle gelten lässt. Das ist die zentrale dogmatische Lehre, an der die klerikalen Bürokraten im Vatikan und anderswo nach wie vor festhalten.

Die Prognose, die sich aufdrängt, wenn man den ARD Film “Wie Gott uns schuf” (24.1.2022) gesehen hat: Wird sich die römisch-katholische Kirche noch zum vollständigen Respekt für queere Menschen offiziell bekehren? Meine Antwort ist NEIN… Sehen Sie selbst den Film und fragen sich, wie viel hoffnungslose Unmenschlichkeit noch offizielle Kirchenlehre und Kirchenpraxis ist. Diese Kirche zerstörte und zerstört Leben. Das ist eine Einsicht des Films.

Wer diese Hinweise nicht glauben will, lese in der Katholischen Zeitung “Tagespost” (20. Januar 2022, Seite 6) den Beitrag über Joe Biden. Darin zeigt der Autor Maxmilian Lutz Verständnis für rechte und rechtsextreme Christen, auch Katholiken, die aus Glaubensgründen LGBT Personen diskriminieren und deswegen gegen Bidens “Equality Act” agieren. Denn wenn diese gesetzliche Gleichbehandlung von Lesben und Schwulen Realität würde, dann, so wörtlich, “würden gläubige Menschen diskriminiert werden (! sic), die sich nicht mehr auf die Glaubens-und Gewissensfreiheit berufen könnten, wenn sie LGBT -Personen bestimmte Dienste wegen ihres Glaubens verweigern”.  Wie “nett”, aus religiösen Gründen die Menschenrechte den LGBT Menschen verweigern, Realität ist (nicht nur) in den USA: Verweigerung von Mietsverträgen an LGBT – Menschen, Diskriminierung am Arbeitsplatz, in den Familien etc.

Dieser Beitrag in der Katholischen “Tagespost” (Würzburg), viel gelesen in Gemeinden und Klöstern, ist eine Schande für den (deutschen) Katholizismus, eine Schande, dass solche Sätze ohne Kommentar publiziert werden. Aber die “Tagespost” ist ein Kampfblatt der (katholischen) Reaktionären, die man bitte nicht als Minderheit einschätzen möge. Man forsche bitte, wie viel Geld etwa aus dem sehr katholischen “Regensburg” zur “Tagespost” fließt…

Wer noch die Kraft hat, suche das Weite…d.h. die Freiheit. Gott oder der Sinn meines/unseres Lebens ist doch auch außerhalb dieser Kirche zu erfahren…Es gibt auch einige wenige “freisinnige christliche Kirchen”.

Selbst wenn die katholischen Bischöfe in Deutschland jetzt Segnungen (!) homosexueller Partnerschaften zulassen, ist diese Entscheidung schon veraltet: Es geht jetzt um Ehe-Schließung, also Sakrament, für homosexuelle Paare, nicht um Segnung. Gesegnet werden auch Autos und Tiere und Handys in der katholischen Kirche.

1.

Am 24.1. 2022 sendet die ARD, 1. Programm, um 20.30 Uhr eine Dokumentation “Wie Gott uns schuf”, darin outen sich 125 katholische Priester und festangestellte MitarbeiterInnen in katholischen Gemeinden Deutschlands. LINK. Ein wichtiger Schritt, um den in der römischen Kirche immer noch vorhandenen § 175 endlich abzuschaffen, LINK !, und homosexuelle Menschen, auch homosexuelle, queere Priester, Nonnen, Pastoralreferenten als elbstverständlich normale Mitglieder der Kirche zu betrachten und zu respektieren. Homosexualität, Queersein etc., ist etwas Normales, das bei niemandem Angst erzeugen darf, das keine Verfolgung duldet, kein Verstecken der eigenen Identität erfordert usw.

Das Beispiel dieses Films in Deutschland wird in anderen Ländern sicher alsbald Nachfolge finden, etwa in Polen, Spanien, Frankreich, Itakiebm Brasilien, Indien usw. usw.

Schade nur, dass sich bisher so wenige Ordensleute, Frauen wie Männer, dem Outen angeschlossen haben. Da müsste es allein in Deutschland viele hundert Bekenntnisse (Outing) geben, bei den Orden von A bis Z schön alphabetisch sortiert, also etwa von den Augustinern über die Benediktiner und Dominikaner und Jesuiten und Kapuziner zu den Salesianern und Steyler Missionaren und Zisterziensern usw. Um nur einige Männerorden zu nennen. Warum schweigen die schwulen Ordensleute? Wer will der erste sein, der sich outet, das ist dich wohl nicht die Frage.

In den Niederlanden gibt es einen allseits bekannten, also öffentlichen Kreis, eine Art Arbeitskreis, mit eigenen Studientagen, die “Homopastores”: “Werkverband vam katholieke Homopastores”, WKHP. Dieser Arbeitkreis hat sich von allen permanenten Drohungen des katholischen Episkopates in Holland nicht beirren lassen. Diese Homopastoren haben die Freiheit gelebt, den Widerstand geleistet. Viele Jahre war der Dominikanerpater Theo Koster (jetzt Rotterdam) einer der Verantwortlichen der niederländischen katholischen Homopastores: LINK

Vielleicht finden sich einmal in Deutschland Dominikaner, die den Kreis “schwuler Priester” leiten? Ein Vorbild, Pater Theo Koster, haben sie ja… Tatsache ist: Solche Kreise gibt es in Deutschland auch, aber die Herren in Deutschland bleiben unter sich, sind öffentlich nicht sichtbar. Diese Kirche macht ihnen unsäglich Angst! Wie lange wird das so bleiben … nach diesem Film?

Die Initiative, deren Mitglieder sich in dem ARD Film äußern: #OutInChurch – für eine Kirche ohne Angst

Mich erstaunt als Berliner, dass sich in der ARD Sendung keine Priester aus dem Erzbistum Berlin outen. Kommt vielleicht noch, als umfangreiche Sondersendung … oder sind die alle zu ängstlich und eingeschüchtert?

2.

Bei so vielen, die sich schon heute,24.1.2022, als homosexuelle, queere Pfarrer und Kirchenmitarbeiter outen, wird es den oft selbst schwulen Herren der Kirche schwerfallen, diese alle zu bestrafen. In dem Falle könnten ja auch mal einige Herren der Kirche geoutet werden. Anders gibt es wohl keine globale Reformation in der römischen Kirche.

Die Herren der römischen Kirche und alle anderen werden sich daran erbauen, dass Historiker längst eine Liste schwuler Päpste zusammengestellt haben. Eine Liste homosexueller Bischöfe ist natürlich viel umfangreicher, da kann man zunächst nur jene Bischöfe nennen, die wegen ihrer offenkundigen Homosexualität aus ihren Ämtern entfernt wurden…

3.

Homosexuelle Päpste: Ein Hinweis aus „Schwulengeschichte.ch”, publiziert April 2007.

Es waren sechs Päpste, die Jürg Amstein mit ihrem ho­mo­se­xu­el­len Ver­hal­ten sorg­fäl­tig re­cher­chiert und belegt vor­stell­te:  Quelle: https://schwulengeschichte.ch/epochen/6-aufbruch/soh/19751976/hey-1976-paepste/

Diese Liste ist selbstverständlich unvollständig.

Johannes XXII. (um 1245-1334)

Leo X (1475-1521)

Sixtus IV (1414-1484)

Julius II (1443-1513)

Paul II (1418-1471) 

Klemens VII (1478-1534)

Sie sind hier in der Rei­hen­fol­ge ihres Er­schei­nens im hey auf­ge­führt, die nicht mit der his­to­ri­schen Abfolge über­ein­stimm­te. Einzelne Por­traits waren auf zwei Hefte verteilt. Die ganze Serie endete mit der Sommer-Dop­pel­num­mer von 1977.

Im Mai wurde zudem ein bissiger Kom­men­tar der deut­schen Bild-Zeitung nach­ge­druckt:4 Roger Pey­re­fit­te, be­kann­ter Fran­zö­si­scher Schrift­stel­ler, hatte Paul VI selber als Ho­mo­se­xu­el­len geoutet und die un­ge­schick­te öf­fent­li­che Reaktion des be­lei­dig­ten Papstes bot na­tür­lich bestes Futter für ein Blatt wie die Bild-Zeitung.

Im Juni meldete sich die hey-Re­dak­ti­on:5

“Die Serie ‘ho­mo­se­xu­el­le Päpste’ ist eine Antwort auf die jüngste Kon­gre­ga­ti­ons-Er­klä­rung aus Rom […]. Diese Pu­bli­ka­tio­nen dienen einzig dem Zweck, auf­zu­zei­gen, dass auch die ‘Hei­li­gen’ nicht immer so sind. Wir erachten es […] als er­freu­lich, dass gleich­ge­schlecht­li­che Nei­gun­gen in jedem Winkel der Welt und auf allen Etagen zum Spielen kommen […].”

In der sicheren Annahme und Hoffnung, die römische Er­klä­rung sei ein vor­über­ge­hen­der Rückfall – was auch die Ansicht schwuler Ka­tho­li­ken und zweier meiner Pries­ter­freun­de war – erklärte ich (Ernst Ostertag) im Okotber als “Marco” und Re­dak­ti­ons­mit­glied:6

“Wir sind der Meinung, dass eine solche Pu­bli­ka­ti­on nützlich sei im kir­chen­in­ter­nen Ringen um eine weitere Öffnung und ein Zu­rück­däm­men gewisser kon­ser­va­tiv-ad­mi­nis­tra­ti­ver Kräfte. Denn sie schafft ori­en­tier­te Menschen, die […] den nötigen Druck auch von aussen heilsam ausüben und ver­stär­ken werden.”

Seine Serie schloss Jürg Amstein:7

“Mit Klemens VII endet die Zeit der spät­mit­tel­al­ter­li­chen und der Re­nais­sance-Päpste. Ihre grossen Aus­schwei­fun­gen waren trotz allem mensch­lich-na­tür­lich, sie schämten sich nicht, sich öf­fent­lich mit ihren Lieb­lin­gen zu zeigen: nichts war ver­drängt. Nun beginnt das Ver­tu­schen dessen, was sie ‘fleisch­li­che Sünde’ nennen. Die moderne Zeit bricht an und […] die Nach­fol­ger Klemens VII über­tün­chen die ‘fri­vo­len’ Gemälde im Bad (bis heute) und ver­ste­cken gar vieles in Hin­ter­ge­mä­cher, wo His­to­ri­ker kaum mehr Be­weis­ba­res finden.”

4. Homosexuelle Bischöfe:

Roman Catholic Church.  Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/Gay_bishops

Further information: Homosexuality and Roman Catholic priests

Bishop Thomas Gumbleton, a retired Catholic bishop in the Diocese of Detroit, has consistently been a supporter of New Ways Ministry and has also called for homosexual priests and bishops to “come out” and be truthful to themselves and others.[citation needed] Gumbleton has acted as a keynote speaker at Call to Action conferences. In 1995 he wore a mitre at a church service on which were symbols of the cross, a rainbow and a pink triangle in solidarity with the gay community.[39] Later, he came into the public eye before the Vatican’s Instruction with regard to the ordination of homosexual men was released, arguing against Andrew R. Baker’s article on the issue in America.[40]

Francis Spellman, Cardinal Archbishop of New York, was long rumored to have been gay, according to a book by John Cooney, who said that many whom he interviewed took his homosexuality for granted.[41] In addition, a book published in 1998 claims that during the Second World War, Spellman was carrying on a relationship with a chorus boy in the Broadway revue One Touch of Venus.[42] Spellman defended Senator Joseph McCarthy‘s 1953 investigations of subversives and homosexuals in the federal government.[citation needed]

Archbishop Rembert Weakland of Milwaukee, Wisconsin, retired on 24 May 2002 following the revelation that he had used $450,000 in archdiocesan funds to settle a lawsuit accusing him of sexual harassment. In a statement one week later, he admitted the falsity of his previous assertion that income he had earned outside of his priestly occupation (and turned over to the Church) exceeded the $450,000.[43] In 2009 he confirmed that he was gay, but did not reveal any details of his relationships.[43][44][45][46]

The auxiliary Roman Catholic Bishop of Cape Town, South Africa, Reginald Cawcutt, resigned in July 2002 following allegations that he outed himself as gay on a sometimes-sexually charged website set up for gay priests. Bishop Reginald Cawcutt blamed the scandal on the conservative US organization Roman Catholic Faithful which infiltrated the now closed website, called St. Sebastian’s Angels, and traced posting addresses.[47]

In 2003, Cardinal Hans Hermann Groër was removed from office by Pope John Paul II for alleged sexual misconduct with younger men who were students in his care. Officially, the Pope accepted the resignation letter which Groër had written on the occasion of his 75th birthday. This made Groër, who had adamantly refused to ever comment in public on the allegations, one of the highest-ranking Catholic clerics to become caught up in the sexual abuse scandals.[48]

In 2005, Juan Carlos Maccarone, the Bishop of Santiago del Estero in Argentina was forced to resign after images were released of him engaged in sexual activity with another man. Suggestion was made that the former state governor Carlos Juarez had been involved in the release after criticism of the governor’s human rights record.[49]

Francisco Domingo Barbosa Da Silveira, the Bishop of Minas in Uruguay, was forced to resign in July 2009, following a gay sex scandal in which he had faced extortion.[50][51]

In February 2013, Cardinal Keith O’Brien, leader of the Catholic Church in Scotland, was forced to resign as archbishop three months ahead of planned retirement because of allegations of inappropriate acts with four priests during the 1980s, but also more recently. O’Brien had been a vocal critic of the UK Government’s plans to introduce same-sex marriage.[52]

In October 2016, a group in favour of same-sex marriage in Mexico called the Pride National Front (FON) alleged that a number of Catholic leaders were homosexual. The list included Hipólito Reyes Larios, Archbishop of Xalapa in Veracruz.[53]

Es fehlt in der Liste der Erzbischof von Posznan, Polen, Julius Paetz (dort Erzbischof von 1996-2002), CM.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Die zerstörte KIndheit: Farhad Alsilo berichtet von der Verfolgung durch den “IS”, von Flucht, Zuflucht und neuem Leben.

Ein junger Jeside aus Nord-Irak erzählt seine Geschichte.

Ein Hinweis von Christian Modehn

1. Ein Buch des Grauens und… ein Buch der Zuversicht. Eine reale Geschichte, in der ein junger Mann von der mörderischen Gewalt gegen sein Volk berichtet, die Jesiden im Norden des Irak. Die Mörderbanden nennen sich „Islamischer Staat“. Sie haben mindestens 5000 Mitglieder seines Volkes getötet, auch seinen Vater und nahe männliche Verwandte. Im Kampf mit dem “IS” wird ein Jesside verletzt: “Als seine Waffe leer war, griffen ihn zwei der IS-Kämpfer, schnitten seinen Kopf ab und legten ihn auf seinen Bauch, und das alles geschah unmittelbar vor meinen Augen als Kind von elf Jahren“ (S. 35). Bis heute werden noch etwa 2000 jesidische Mädchen und Frauen vermisst seit den Vernichtungsaktionen des IS im Jahr 2014.

2. Farhad Asilo, 19 Jahre alt, hat ein Zeugnis seines jugendlichen Lebens geschrieben. Ein Zeugnis des Leidens, der Ängste, der Flucht, durch die glühend heiße Wüste sowie durch das unwegsamste Sindschar-Gebirge bis nach Kurdistan, immer am Rande der Verzweiflung, des Verdurstens, des Hungers. „Durchs Sindschar-Gebirge: Das Schlimmste war die Kälte. Es war so kalt, dass wir kaum reden konnten und unsere Augen tränten. Ohne Decken und Kissen waren wir schutzlos ausgeliefert, und keiner konnte uns helfen. Da kam meine Heldin, meine kreative und liebe Mama, auf die Idee, ihr weit geschnittenes Kleid, wie fast jede jesidische Frau eines trägt, über uns drei Kinder zu ziehen, damit es uns ein wenig vor der Kälte schützt…Für Mutter hieß das wieder einmal wachbleiben, so wie alle anderen Nächte zuvor…“ (S. 49).

3. Der junge Autor Farhad Alsilo hat ein „bewegendes“ Buch geschrieben. Es führt auch zu der Frage: Warum hat die Bundesrepublik Deutschland noch immer nicht den Völkermord an den Jesiden offiziell als Völkermord anerkannt, wie dies etwa Belgien, die Niederlande und das EU-Parlament längst getan haben. Abgesehen von dieser Irritation: Erfreulich bleibt, dass das Bundesland Baden-Württemberg im Rahmen eines „Sonderkontigents für verfolgte Jesiden“ auch Farhad Alsilo, seiner Mutter und seinen Geschwistern Asyl geboten hat. In dem Buch erzählt der junge Autor auch von den Schwierigkeiten beim Neubeginn in Deutschland im Jahr 2015. Farhad Alsilo, der deutschen Sprache als Elfjähriger  überhaupt nicht mächtig, ist mit aller Energie zu einem auf Deutsch schreibenden Autor geworden, der auch von den Chancen erzählt, in Deutschland die eigene intellektuelle Begabung frei entwickeln zu können; in den Schulen immer mit den besten Noten erfolgreich. Ein jesidisch – deutscher Autor kann sich hier frei zu Wort melden, was für eine Chance zugunsten eines kulturellen Austausches, einer Erweiterung der Perspektive, über alle Traditionen und Religionen hinaus.

4. Der Religionswissenschaftler Dr. Michael Blume, der 2015 die Leitung des „Sonderkontingents Baden-Württemberg für besonders schutzbedürftige Frauen und Kinder aus dem Nordirak“ übernahm, hat ein Vorwort zu dem Buch geschrieben: „Die Leser werden in dem Buch von Farhad Alsilo vieles, aber keinen Hass finden. Farhad liebt die Menschen trotz allem sehr. Aber sogar über den Vernichtungswillen der IS-Terroristen und den bitteren Rassismus mancher Deutscher ist er hinausgewachsen… Farhad ist ein Gewinn für unser Land, für unsere gemeinsame Zukunft. Weil er aufklärt und mitnimmt, in diesem Buch und auch auf YouTube…“ (S. 12)

5. Das Buch bietet zudem einige wichtige Hinweise zur hierzulande eher noch unbekannten Kultur, Religion und Spiritualität der Jesiden. „Sie gehören zur Volksgruppe der Kurden, sie sind jedoch keine Muslime, sondern bilden eine eigene historische gewachsene Religionsgemeinschaft mit multiethnischen Anhängern“ (S: 119).  Weltweit gibt es schätzungsweise mehr als eine Million Jesiden… die größte Diaspora ist heute in Deutschland“ (S. 36). Die spirituelle Lehre der Jesiden wird man mit Erstaunen studieren, etwa: „Am Anfang (der Welt) war nichts. Dann schuf Gott eine Perle“….“Danach schuf Gott die Seele und die Musik. Nach jesidicher Schöpfungsmythologie war am Anfang des menschlichen Lebens: MUSIK“ (S. 122). Zur religiösen Praxis:“ Beten ist keine Pflicht. Jedem Gläubigen ist aber freigestellt, wie oft und wo er betet. …Wer beten möchte, wendet sich zur Sonne, er stellt sich vor die Sonne und erzählt ihr das, was in diesem Augenblick aus seinem Herzen spricht. Vielleicht sind dies die schönsten Gebete, die die Menschheit je hervorgebracht hat“, so wird der kurdische Schriftsteller Yasar Kemal (1923-2015) zitiert, S. 133.

6. Dringende Aufgaben für demokratische Staaten bleiben: „Auch im Sindschar-Gebirge harren noch immer Tausende Jesiden in schwer zugänglichen provisorischen Lagern aus…(S.36). Von den gewaltsamen Attacken, Bombenangriffen, des Nato-Mitgliedes TÜRKEI auf Zufluchtsgebiete der Jesiden in Nord-Irak im Dezember 2021 ist in dem Buch keine Rede, da lag das Buch schon gedruckt vor. Um so dringender: Die Aggressionen der Türkei gegen die Jesiden sollten verurteilt werden, forderte die jesidische Organisation „Nadias-Initiative“, gegründet von der jesidischen Nobelpreisträgerin (im Jahr 2018) Nadia Murad.

Farhad Alsilo, Der Tag, an dem meine Kindheit endete. Mit einem Vorwort von Düzen Tekkal. Trabanten Verlag, Berlin, 2021, 150 Seiten, 14 Euro.

 Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.