Von Christian Modehn
ein Radiobeitrag für den WDR.
Moderationshinweis:
Eine „Karnevals – Religion“ ist der Candomblé sicher nicht. Wie jeder anderen Glaubensgemeinschaft geht es auch dieser „Religion der Naturkraft“ um die grundlegenden Fragen von Leben und Tod. Aber Candomblé ist viel zu brasilianisch, als dass er den Karneval in Rio oder Salvador da Bahia einfach ignorieren könnte. Jetzt ist Candomblé auch in Deutschland mit einem Tempel und einer Gemeinde vertreten. Christian Modehn berichtet.
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“Karneval ist Freiheit aus dem Alltag, Spaß, Fröhlichkeit zu haben”
Der Brasilianer Murah Soares ist mit dem Karneval groß geworden. In seiner Heimatstadt Salvador da Bahia hat er sich bei den festlichen Umzügen immer an die Auftritte seiner Freunde vom Candomblé gehalten.
“In Salvador gibt es viele Gruppen, die tanzen auf viele Sachen, die machen Kostüme von Candomblé. Es gibt manche Choreografie, manche Bewegung, an die man sich erinnern kann von Candomblé”.
Schon als Kind hat sich Murah Soares für die Religion seiner Vorfahren interessiert: Afrikanische Sklaven brachten im 17. Jahrhundert Candomblé nach Brasilien, jene Religion, die in den vielfältigen Naturphänomenen verschiedene Gottheiten verehrt. Heute gehören 20 Millionen Brasilianer dieser Religion an, auch so genannte Prominente, wie Gilberto Gil, Brasiliens Kulturminister. Murah Soares ließ sich mehr als 20 Jahre von Priesterinnen und Priestern einweisen, bevor er selbst als Priester des Candomblé ordiniert wurde. In Berlin ist er Leiter einer Gemeinde, zu der Deutsche und Brasilianer gehören:
Nun können die Götter des Candomblé auch in Berlin – Kreuzberg verehrt werden: Die geräumige obere Etage eines ehemaligen Pferdestalls bietet genug Raum für die sakralen Gesänge und die stundenlangen Tänze zu Ehren der Götter, sie werden alten Traditionen folgend, in der afrikanischen Yoruba Sprache geehrt: Einmal pro Woche finden die Riten statt. Anfang Februar wird unter den mehr als 50 Göttern die Herrin des Wassers verehrt:
„Wir machen Ritual für Yemanja, Kraft des Meeres, alles kommt aus dem Wasser. Jeder Gott ist Teil von der Natur. Tanz ist für uns in diesem Zusammenhang eine Art Beten. Und wir versuchen zu zeigen, dass wir diese Energie brauchen und uns zu entschuldigen, wegen des Missbrauchs. Wir versuchen das energetisch genau das Gegenteil zu machen, wieder zu heiligen, zu schützen, zu erhalten”.
Nach stundenlangem rituellen Tanz kann sich die Trance einstellen, ein Geschenk der Götter, das nur die Erfahrenen, die „Eingeweihten“, erleben. Für viele Deutsche Mitglieder ist die Trance noch ein fernes Ziel, sie müssen erst noch lernen, die göttliche Kraft der Natur zu entdecken, betont Corinna Heise:
“Irgendwie steckt in allem Leben drin, nicht nur in den Bäumen, den Pflanzen, auch im Wind, in den Steinen, und im Candomblé lernt man Kontakt damit aufzunehmen und spürt auch genauer, also das gibt Kraft”.
Über allen Naturgöttern thron zwar der „eine“ Gottvater Olorun. Aber die Frommen wenden sich im Alltag doch eher an einen der vielen hilfreichen Naturgötter:
“Es ist schon für mich gerade wichtig am Candomblé, dass es viele Götter gibt, weil das ganze Leben sehr vielfältig ist und die Natur ja auch vielfältig ist. Und jeder Gott eine bestimmte Funktion hat, da kann man sich eigentlich besser vorstellen, wo die Energie herkommt. Also, es gibt viele, viele Energien und auch viele Götter. Und dann kann man eben von dort Kraft nehmen oder von dort Kraft nehmen und nicht nur von einer einzigen Energie, die im Himmel oder nur an einem Ort sitzt. Sondern es ist alles um einen herum, und ist nicht so weit weg, also ganz nah”.
Während der Riten werden den Göttern Gaben gereicht; auf einem Altar – Tisch sind Obst und Gemüse ausgebreitet, als Zeichen der Dankbarkeit, betont der Priester Murah Soares:
Beim Candomblé sagt man, man bekommt nichts, wenn man nichts gibt. In der Natur gibt es nichts umsonst. Da muss man auch was tun für die Natur. Es ist genau dieser Austausch. Und die Opfergabe ist ein Naturaustausc
Der Candomblé lebt von seinem afrikanischen Ursprung her in Verbundenheit mit jahrtausende alten Mythen und Traditionen. Immer mehr Europäer finden es sympathisch, die Götter in der Natur ganz greifbar zu erleben und mit ihnen sogar zu verhandeln, so kann man auf ihre Hilfe zählen. Letztlich wollen die Menschen auch in dieser Religion die Angst vor Sterben und Tod überwinden.
“Eigentlich für Candomlé gilt: Es gibt zwei verschiedene Leben. Ein Leben hier, und das andere Leben woanders. Und dann hier, in dieser Welt, diese Weisheit, das entdeckt man, wie man auf anderen Seite leben soll, dass man die Balance kriegt”.
Auch in der Candomblé – Gemeinde von Berlin wird viel gefeiert: Nach jedem Ritus wird ausgiebig gemeinsam gegessen und getrunken … dann werden Spenden gesammelt für Straßenkinder – Projekte in Brasilien. Und erst danach kann man sich so richtig wieder dem Samba widmen.
Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin