„Skandal der Skandale“: Ergänzungen zu einem Skandalbuch von Dr. med. Manfred Lütz

Ein Sachbuch, als Bestseller?

Ein Hinweis von Christian am 28.9.2018

1.Ob das Buch „Der Skandal der Skandale“ von Manfred Lütz tatsächlich ein Bestseller mit hohen Auflagen ist, kann ich nicht belegen. Meine entsprechenden Fragen an den HERDER Verlag wurden nicht beantwortet, ebenso wurde meine Frage nicht beantwortet, ob das Buch auch in anderen Sprachen erscheinen wird.

Warum muss man noch einmal über den „Skandal der Skandale“ sprechen, erschienen Ende Februar 2018? Man tut dies eher ungern, weil jede Kritik im letzten doch vielleicht noch der „Werbung“ für ein bestimmtes Opus dient. Trotzdem: Je länger man forscht, um so mehr wird deutlich, und das ist wichtig zu zeigen, wie heute ein Sachbuch entsteht, das zudem von Anfang an als Bestseller beworben wurde Das Lütz Buch ist dafür ein klassisches Beispiel.

Die ersten Kritiken zu dem Buch „Skandal der Skandale“ wurden geschrieben: Von dem Theologen und Journalisten Christian Modehn am 6.3. 2018, danach von Prof. Herbert Schnädelbach und dem Historiker Dr. Josef Breinbauer.

Schon zur Präsentation des Buches in Berlin am 28.2.2018 hatte ich den teilnehmenden Politiker Dr. Gregor Gysi befragt, warum denn von seiner Seite aus kein kritischer kommentar zum Buch vorkam: Gregor Gysi schreibt mir am 13.3. 2018: „Sehr geehrter Herr Modehn, herzlichen Dank für Ihre Nachricht vom 6. März. Leider kam ich nicht dazu, Lütz für die Art und Weise der Schilderung der Gewalt durch das Christentum zu kritisieren. Er bagatellisiert es und versucht es regelmäßig irgendwie zu rechtfertigen. Aber während der Podiumsdiskussion wurde darauf nicht eingegangen. Ich hatte eine Rede vorbereitet, in der ich dazu Stellung genommen hätte.   Mit freundlichen Grüßen Gregor Gysi“

2.Die Buchkritik des ev. Theologieprofessors Friedrich Wilhelm Graf in der FAZ vom 23.3. 2018, Seite 14, wurden aus der website der FAZ wieder entfernt. Geblieben ist eine Zusammenfassung von „Perlentaucher“: Darin heißt es: „Friedrich Wilhelm Graf ist bloß froh, dass das intellektuelle Niveau, das Manfred Lütz in seiner Affirmationsgeschichte des Christentums an den Tag legt, nicht repräsentativ ist im deutschsprachigen Bildungskatholizismus. Peinlich findet er, wie der Autor die Kirche vom Blut der Kreuzzüge und der Gewalt gegen die Juden reinzuwaschen versucht. Schuld war immer der Pöbel und habgierige weltliche Herrscher, lernt Graf. Dass der Autor die Verwicklungen katholischer Priester in Missbrauchsskandale kritisiert, findet Graf da schon fast erstaunlich. Im Ganzen eine dürftige Apologetik, meint er, die sich auf einen naiven Wissenschaftsglauben stützt“. Quelle: https://www.perlentaucher.de/buch/manfred-luetz/der-skandal-der-skandale.html

3.Seitdem werde ich immer wieder gefragt, wie denn dieses Skandalbuch von Manfred Lütz, Dr. med. und Dipl. Theol. sowie Arzt an den Katholischen Alexianer-Kliniken in Köln, zustande gekommen ist. Lütz ist zudem eng eingebunden in das konservative katholische Netz in Köln und Aachen, etwa durch den MM Verlag. Dort gemeinsame Publikation mit Kardinal Brandmüller, einem der ärgsten Gegner von Papst Franziskus.

Lütz hat die große Studie von Prof. Angenendt „Toleranz und Gewalt“ stark bearbeitet und gekürzt hat und dann seinen Text ohne jeden Quellenhinweis publiziert hat. Bisher hat sich Prof. Angenendt nicht öffentlich zu dem Lütz Opus geäußert.

Am wichtigsten ist wohl: Lütz nennt mehrere Theologieprofessoren und Historiker im Buch selbst (S. 15): Sie hätten sein Buch vor Veröffentlichung als Fachleute gelesen.

4.Einer von ihnen ist der bekannte Historiker Prof. em. Heinz Schilling, Berlin. Er antwortete auf meine Frage, ob er denn, wie Lütz behauptet, den Buch – Text gelesen habe, am 21.9. 2018:

„Kurz, da im Ausland auf Exkursionen: Nein, ich hab den Text NICHT gelesen, nur kleine Auszüge vor dem Druck gesehen. Als ich das Buch und insbesondere die völlig unangemessene Präsentation durch Dr. MED. Lütz sah, war ich entsetzt und habe beim Verkauf unter Protest mein „BLURB, also mein Statement auf dem Klappentext des Buches, zurückgezogen. 

Freundlich grüßend Heinz Schilling“ (siehe weiter unten: In einem Leserbrief behauptet Lütz nach wie vor: Vier protestantische und katholische Historiker haben den Text des Buches korrekturgelesen…)

Das „BLURB“ ist immer noch auf der Rückseite des Buches präsent.

Es haben auch etliche katholische Theologieprofessoren – angeblich -das Werk von Lütz vor der Drucklegung gelesen. Z.B. Prof. Bertram Stubenrauch, Uni München. Er schrieb mir zu meiner Frage, freundlich, aber eher ängstlich und etwas kryptisch: „Ich bitte im Verständnis, dass ich mich hinter dem Rücken von Herrn Lütz weder zu seiner noch zu meiner Arbeitsweise bezüglich des Buches äußere. Aber darf ich eine Bitte anschließen? Wie bei jedem Buch steht das Mittel akademischer Kritik jederzeit offen und ist ja erwünscht. Wenn Sie dazu beitragen, dass dies in aller Deutlichkeit und Fairness geschieht, wird man dem Buch sicher am Besten gerecht“.

Ich interpretiere diese Zeilen so: Entweder sind Stubenrauch und Lütz irgendwie befreundet. Oder Prof. Stubenrauch ist nicht sehr motiviert einzugestehen, dass er den Text von Lütz gar nicht oder kaum gelesen hat. So ist es nun mal mit dem Verständnis kryptischer, aber freundlichen Antworten.

5.Immerhin hat der katholische Politologe und einstige ZK Chef der deutschen Katholiken, Prof. em. Hans Maier kritische Töne zu dem Buch von Lütz in „Christ in der Gegenwart“ veröffentlicht. Nur ein Satz aus der Rezension vom 8.4.2018: „Auffällig sind zeitliche und sachliche Lücken“

Manfred Lütz hat selbst leidenschaftlich für sein Opus geworben. Auf meine knappe Kritik in PUBLIK Forum reagierte er doppelt: Durch häufiges dringendes Anrufen in der Redaktion, doch eine Gegendarstellung schreiben zu dürfen. Nach Ablehnung durch die Redakion veröffentlichte er einen Leserbrief (in Heft 7/2018, Seite 64) und entdeckte in meinem Text „böswillige Absicht“. In diesem Leserbrief schreibt Lütz ausdrücklich: „Vier protestantische und katholische Historiker haben es korrekturgelesen“, Was ja nicht ganz stimmt, siehe die Stellungnahme des Historikers Prof. Schilling Nr. 4 in diesem Text. Mit anderen Worten: Darf man sagen: Lütz lügt ?

6. Offenbar hat Lütz auch in der Wochenzeitung DIE ZEIT auf einer Rezension “bestanden”, die dann ein fast ein halbes Jahr (!) nach Erscheinen des Buches am 6. September unter dem Namen Jens Jessen veröffentlicht wurde, diese Rezension ist eine Lobeshymne, die offenbar und vermutlich Lütz selbst weitgehend verfasst hat.

7.Dokumentiert werden muss noch die Tatsache, dass es durch seine engen Kontakte zur offiziellen katholischen Kirchenführung in Köln gelungen ist, aus seinem Buch „Skandal der Skandale“ sogar im Rahmen der kirchlichen Verkündigungssendungen vorzulesen.

Dazu hat mir eine Hörerin dieser Sendungen auf WDR 2 und WDR 4 geschrieben. Nur ein Auszug aus den mails von Monika Nitsch vom 20.9. 2018 an mich: „Der WDR 2 und 4 hatte vierzehntägig freitags über sechs Wochen (Juli/August 2018)  Morgenandachten von und mit Herrn Lütz (Sprecher) zu den Themen seines Skandal-Buches. Dabei bezog er sich expressis verbis auf sein Buch und zu den jeweiligen Andachten war sein Buch im Internet auf der WDR-Seite (Kirche Im WDR) groß abgebildet. Mein Protest nach der ersten Sendung bei dem Rundfunkbeauftragten blieb ohne Resonanz, so dass ich nach der zweiten Andacht mich schriftlich wieder an den Rundfunkbeauftragten und den WDR-Rundfunkrat wandte. Eins meiner Argumente war, dass es nicht sein könne, eine Buchwerbung in einer Sendung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu machen.

Von meiner inhaltlichen Kritik an Lütz’ Buch wollte man nichts wissen (“Sind Sie Historikerin?”).  Die Morgenandachtsreihe wurde nicht aus dem Programm genommen, jedoch nannte Lütz sein Buch nicht mehr in seinen Sendungen und der WDR bildete das Buch nicht mehr an den Andachtshinweisen ab. Wie kann es angehen, dass Medien so unverhohlen Werbung für diesen Skandal machen?

Dann ergänzte Monika Nitsch später Ihre Mail, sie verwies auf Ihre (portestierende) Korrespondenz mit dem WDR Rundfunkrat… Und fährt dann fort:

„Auf die Beiträge von Lütz habe ich so direkt (und persönlich betroffen) reagiert, weil wir in unserer Arbeitsgemeinschaft der Solidarischen Kirche im Rheinland über das “Skandal”-Buch gesprochen hatten. Unser Mitglied, das darüber referiert hat, war von Günter Wallraff gebeten worden, eine Rezension zu diesem Machwerk zu schreiben. Unser Historiker und Theologe hat sich dermaßen über die Verfälschungen aufgeregt, dass er ernsthaft erkrankt ist!

Lütz’ Morgenandachten und der darin verkündete Wahrheitsanspruche sind eine bewusste Irreführung der Öffentlichkeit, offensichtlich mit dem Segen verantwortlicher Stellen in der katholischen Kirche und im WDR.

Dieser Infiltration der veröffentlichen Meinung muss entschieden entgegen getreten werden. Monika Nitsch“.

8.Das Buch „Skandal der Skandale“ verdient doch noch journalistisch – kritische Aufmerksamkeit: Weil im Rahmen einer Recherche sichtbar wird, wie heute ein Sachbuch entstehen kann. Und wie durch allerhand z.T falsche Behauptungen („Korrekturlesen durch Historiker“) der Eindruck der Seriosität geweckt wird. Und wie ein konservativer gut etabliert – katholischer Autor sich in der tiefsten Krise des Katholizismus heute förmlich getrieben fühlt, mit aller Bravour eine Apologie des Katholizismus zu schreiben …und dieses Opus von vornherein als Bestseller darzustellen. Als wäre die Kategorie „Bestseller“ von vornherein ein Zeichen für gute Qualität.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin