Ein Wort zuvor: Weil wir so viel Interesse und Zustimmung fanden (“die einzigen ausführlichen Informationen zu diesem Thema in deutscher Sprache”) zu unseren bisherigen Beiträgen über die Legionäre Christi, setzen wir noch einmal die aktuellen Hinweise fort. Wir verstehen diese Beiträge als ein Stück kritischer Information und vor allem als ein Stück aktueller religionskritischer Analyse, deswegen gehören sie auch in einen “religionsphilosohischen Salon”. Und sie gehören in eine aufgeklärte, demokratische Kultur.
Für unseren Religionsphilosophischen Salon spielt sich Religions – bzw. Kirchenkritik nicht im luftleeren Raum ab. Immer wieder werden wir nach neuen Entwicklungen im umstrittenen Orden der Legionäre Christi gefragt. Wir sehen in der Weitergabe dieser Informationen einen kleinen Beitrag im Rahmen einer zeitgemäßen „Philosophie der Aufklärung“. Verfasst am 8.1. 2011
Ende Dezember 2010 hat der päpstliche Delegat (also neben der alten Ordensleitung in gewisser Weise der neue „Chef“) des Ordens der Legionäre Christi, Kardinal Velasio de Paolis, verfügt: In den Häusern des Ordens dürfen keine Bilder und Fotos des Ordensgründers Marcial Maciel mehr sichtbar sein. Sein Geburtstag oder der Tag seiner Priesterweihe darf nicht mehr gefeiert werden, der bisher übliche Titel „Padre, Père, Vater“ muss unterbleiben. Vor allem müssen die Fotos entfernt werden, die den korrupten Ordensgründer Maciel zusammen mit seinem Freund und Gönner Johannes Paul II. zusammen zeigen. Und davon gibt es viele. Darauf hat auch die spanische Tageszeitung El Pais am 24. 12. 2010 hingewiesen. Offenbar wird die Seligsprechung des polnischen Papstes nur gestört, wenn Johannes Paul II. in „schlechter Gesellschaft“ zu sehen ist. Auch dürfen die Bücher Maciels in den Häusern des Ordens nicht mehr verkauft werden, lediglich zur privaten Lektüre können sich die Legionäre Christi dieser Texte ihres „Vaters“ bedienen. Was sie darin immer noch Erbauliches und Wertvolles finden, wird allerdings nicht gesagt. Im Mittelalter sprach man in diesem Zusammenhang von einer „damnatio memoriae“, von einer Auslöschung der Erinnerung, modern könnte man auch von einer kirrchlichen Form von Entstalinisierung sprechen. Diese ist allerdings im Fall der Legionäre nur halbherzig: denn der Orden wird nicht aufgelöst, das wäre wohl für den Vatikan zu blamabel und käme der Anerkennung einer Schuld gleich, schließlich waren seit 1955 die äußerst „merkwürdigen“ Neigungen (wie die Drogensucht) Maciels bekannt, 1997 kam es zu den ersten öffentlichen Anklagen der Opfer der pädophilen Verbrechen; diese Anklagen wurden bekanntermaßen im Vatikan ignoriert.
„El Pais“ schreibt: „Papst Ratzinger will den Schmutz der Legionäre beseitigen, ohne dabei die ökonomische Macht des Ordens, die von Maciel ererbt wurde, anzurühren“. Mit einem Milliarden-Unternehmen, und das ist der Orden, muss sich auch der Vatikan gut verstehen. Schließlich liefert er bisher auch viele junge, sehr fromme und sehr gehorsame Priester, die dem Papst ergeben sind. Da muss, um im Bild zu bleiben, die Entstalinisierung moderat geschehen.
Noch eine weitere Nachricht dürfte im Umfeld religionskritischer Forschungen „konkret“ von Interesse sein: David Berger schreibt in seinem Buch „Der heilige Schein“ (Berlin 2010) auf S 138, dass Marcial Maciel zusammen mit dem damaligen Bischof Kurt Krenn (St. Pölten) (er ist Freund Joseph Ratzingers und ein extrem konservativer Theologe) die Eröffnungsmesse der konservativen katholischen Gustav – Siewerth Akademie im Jahr 1990 gefeiert hat. Dieses Ereignis wird auch von der G. Siewerth Akademie bestätigt. Sie wurde und wird von Joseph Ratzinger unterstützt, weil sie eine Art Sammelbecken konservativer Theologen ist. Was hatte Marcial Maciel dort zu suchen, ein Mann, dem theologische Kompetenz eher abgesprochen wurde? Darf man einmal raten, fragen Beobachter in Rom: Er war dabei, weil er etwas von seinem vielen Geld spendiert hatte für diese hübsche Akademie… Aber das ist Spekulation. (siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Gustav-Siewerth-Akademie, gelesen am 8.1.2010: „Die Eröffnungsmesse las 1990 der österreichische Bischof Kurt Krenn zusammen mit dem Ordensgründer Marcial Maciel“.)
Weitere Neuigkeiten zu den Legionären. Verfasst am 23. 11. 2010
Neue Aussagen Benedikt XVI. zum Fall Marcial Maciel.
Der nach wie vor umstrittene katholische Orden der „Legionäre Christi“ und die mit ihm eng verbundene Laiengemeinschaft „Regnum Christi“ (zusammen ca. 70.000 Mitglieder weltweit) haben seit Juli 2010 einen päpstlichen Delegaten, den italienischen Kardinal Velasio de Paolis, 75 Jahre alt. Er gilt als „strenger Jurist“ und „Finanzfachmann“. Beides Eigenschaften, die sehr wichtig sind bei dem mit Pädophilie belasteten Orden, der zudem weltweit über einen Immobilienbesitz von etwa 25 Milliarden Euro verfügt (diese international weit verbreitete Information wird erneut von der mexikanische Tageszeitung La Prensa vom 12. 11. 2010 genannt). Eine Tatsache, die bei der „Begleitung“ des Ordens durch päpstliche Gesandte ein Hauptgesichtspunkt ist? Die Mitglieder auch dieses Ordens haben, nebenbei gesagt, das übliche Armutsgelübde „abgelegt“.
De Paolis jedenfalls hat in dieser Funktion, als „Beaufsichtiger“ dieser Gemeinschaften, am 19. Oktober 2010 einen Brief geschrieben, sozusagen ein erstes grundlegendes Dokument der Orientierung, nachdem er mit zahlreichen Legionären Christi gesprochen hatte. Dieses Dokument ist in der üblichen vatikanischen Diplomatensprache verfasst, d.h. Fakten sind bestenfalls in Andeutungen wahrzunehmen. De Paolis sagt zwar, dass sich viele Dinge „ändern“ müssen in den beiden besagten Gruppen; dass eine „Rekonstruktion“ nötig sei und eine Erneuerung. Er schreibt, dass die heutige Ordensleitung in Rom, die übrigens viele Jahre aufs engste mit dem verbrecherischen Ordensgründer Marcial Maciel unter einem Dach lebte, dass also diese jetzige Ordensleitung „nicht von den Fehlern Maciels nichts gewusst haben könnte“. Aber im Augenblick denkt der päpstliche Delegat nicht daran, die Ordensführung abzusetzen. Diese Forderung wurde von zahlreichen Ex Legionären vor allem aus den USA und Mexiko vorgetragen. Jedenfalls jetzt können die Legionäre zufrieden jubeln und ausdrücklich dankbar sein für die so wohlwollend diplomatische Hilfe von päpstlicher Seite. Nun haben sich aber dieser Tage gerade in Mexiko Opfer der pädophilen Verbrechen Maciels wieder gemeldet; sie waren selbst Mitglieder des Ordens der Legionäre Christi, sie protestieren gegen die allzu sanfte und diplomatisch- wohlwollende Sprache de Paolis. „Wenn de Paolis davon spricht, =mit Liebe diesen Fall= zu bearbeiten, dann heißt das: Dass man nicht viel machen und ändern will“, so in La Jornada am 12. November. Dies schreibt einer der besten Kenner dieses Ordens, der ehemalige Legionär Christi, José Barba. Er hatte mit den anderen Spezialisten, Alberto Athie und Fernando Gonzalez (Autor des Buches „El Padre Marcial Maciel y los Legionarios de Cristo“) eine Pressekonferenz veranstaltet aus Anlass des Schreibens de Paolis. Erneut betonte José Barba: „Papst Benedikt XVI. hat gelogen, denn er wie sein Vorgänger Johannes Paul II., hatten vollständige Kenntnis der Situation Maciels und des Ordens Legionäre Christi“. Bekanntlich wurden spätestens 1997 in zahlreichen Briefen an den Vatikan die Verbrechen Maciels von den Opfern ausführlich dargelegt.
Auf einen weiteren Aspekt machen die mexikanischen “Legionärs – Spezialisten” aufmerksam: Wenn Kardinal de Paolis sagt, das Übel sei einzig Maciel, „ist das eine Lüge. Maciel befand sich 64 Jahre an der Spitze seines Ordens, da kann man nicht glauben, dass sein Handeln keine Auswirkungen auf die Legion insgesamt hatte. Man kann nicht trennen: das was Maciel tat, von dem, was die Legion ist. Man kann nicht akzeptieren, dass es keine geteilte Verantwortung im Orden gibt“. Ein anderer mexikanischer Autor, Bernardo Barranco, gibt am 27. Oktober 2010 ebenfalls in La Jornada, zu bedenken: „Es bleibt der Eindruck, und er ist in jeder Hinsicht absurd, dass Maciel sozusagen einen perversen Geist hatte, der die Strukturen der Legionäre Christi NICHT vergiftet haben soll. Man will uns glauben machen, Maciel sei ein einzelgängerischer Psychopath gewesen. Das ist absurd. Alle Hinweise deuten darauf, dass hinter der Pathologie Maciels es die Pathologien der eigenen Struktur der Legionäre gab…Die gegenwärtige Leitung des Ordens war nicht allein, sie konnte auf die Unterstützung der Lieblinge Wojtylas rechnen, auf die der Kardinäle Sodanao, Batista Re und St. Dziwisz, damals Privatsekretär Johannes Paul II.“.
Diese Tatsachen werden von einigen Vertretern der Hierarchie übersehen: Zum Beispiel:
Am 26. Oktober 2010 besuchte Kardinal Joachim Meisner, Köln, die „Apostolische Schule“, das Haus der Legionäre Christi in Bad Münstereifel. Dort werden Knaben im Alter ab 12 Jahren (!) auf den Priester – bzw. Legionärs – Beruf vorbereitet. Die Liebe der Legionäre zu „Knabenseminaren“ (jetzt etwas diskreter “Apostolische Schulen” genannt) ist also seit ihrem Gründer Maciel – weltweit – übrigens ungebrochen…Zum Abschied sagte Kardinal Meisner, so berichten die Legionäre selbst nicht ohne Stolz: „Nach dem Eintrag ins Gästebuch des Hauses verabschiedete sich Seine Eminenz (Kardinal Meisner) bei allen Schülern, der Hausleitung und den anwesenden Ordensleuten und Priestern der Legionäre Christi mit den Worten: „Ich sage nicht ‚Werdet gut‘, sondern ‚Bleibt gut!‘“ Der Orden ist also, so wie er ist, “gut”.
Die Reinwaschung der Legion auf noch höherer Ebene hat längst begonnen. Sie betreibt Benedikt XVI. in seinem neuen Interviewbuch „ Licht der Welt“. Er sagt auf Seite 56 f.: “Leider sind wir nur sehr langsam und verspätet an diese Dinge (gemeint ist der Lebenswandel Pater Maciels, des engsten Freundes Johannes Paul II,, CM.) herangekommen. Sie waren irgendwie verdeckt, und erst seit etwa dem Jahr 2000 haben wir konkrete Anhaltspunkte gewonnen. Schließlich brauchte es eindeutige Zeugnisse, um wirklich Gewissheit zu haben, dass die Vorwürfe (d.h. pädophiler Verbrechen, Sex mit reichen Damen, Erbschleichereien usw. ergänzt von CM) zu treffen“. Ob das wohl der Wahrheit entspricht? Sicher nicht. Denn Tatsache ist: Die ersten Beschwerden gegenüber pädophilen Verbrechen Pater Maciels ereichten den Vatikan schon im Jahr 1956, (so erneut La Jornada vom 12. 11. 2010), das war zu einem Zeitpunkt, als der Ordensgründer Maciel bereits wegen Drogenabhängigkeit für etliche Monate von Papst Pius XII. seines Amtes entbunden wurde, dann aber wieder dorthin zurückkehrte, weil er schon damals „amigos“ unter den Kardinälen hatte; all das ist lang und breit beschrieben worden. Dann kamen 1997 (und nicht erst etwa im Jahr 2000) die ersten Beschwerden von Opfern aus Mexiko. Kardinal Ratzinger musste als Chef der Glaubensbehörde solche gravierenden Vorgänge gewusst haben. Und nun? Der Vatikan als Ort der Ahnungslosen… In jedem Fall distanziert sich Benedikt XVI. von Maciel erneut, aber er findet in dem Zusammenhang kein Wort der Entschuldigung der vielen Opfer, der missbrauchten Kinder des sexuell so vielseitigen Paters und Vaters Maciels. Ist es eine Ignoranz, wie Bendikt XVI. an dieser Stelle des Buches über die Verbrechen des Freundes Johannes Paul II. hinweg geht? Der Papst lobt hingegen die Energie des Täters, des Verbrechers Maciel, auf Seite 57 im genannten Buch “Licht der Welt“: „Andererseits sehen wir die Dynamik und die Kraft, mit der er die Gemeinschaft der Legionäre aufgebaut hat“. Das heißt: Die römische Kirche will auf diesen Orden unter keinen Umständen verzichten, er hat Geld … gute Knabenseminare und viele papsttreue Kleriker, diese braucht die Kleruskirche so dringend.
PS: Ich wurde mehrfach gefragt, warum denn die anderen Orden der Katholischen Kirche, etwa die Jesuiten, die Franziskaner, die Dominikaner usw. in keiner Weise zum Fall der Legionäre Christi und zum Verbrechen Maciels Stellung nehmen. Handelt es sich um das diplomatische „Sich Nicht einmischen in fremde Angelegenheiten“? Ist man mutlos geworden? Hat man Angst? Vor wem? Vor dem lieben Gott? Vor den Legionären?