Was glauben Atheisten? Über die „Frömmigkeit“ der Gottlosen

Von Christian Modehn

1. SPR.: Berichterstatter
2. SPR.: Übersetzer

16 25“ O TÖNE (incl. der musikal. Einblendungen)
12 Min Text.

1.SPR.:
Zum „Chinesischen Garten“ in Berlin – Marzahn gehören Pavillons und Teiche, Konfuzius-Statuen … und ein „klassisches Teehaus“ mit einem geräumigen Salon. Dort  haben zwanzig Menschen Platz genommen: Aus feinem Porzellan trinken sie behutsam ihren Tee.
Einige Teilnehmer haben Fotos ihrer „lieben Verstorbenen“ auf dem Tisch ausgebreitet. An das „Leben im ganzen“ wollen diese Menschen denken, an die Endlichkeit, den Tod. Üppige Blumengestecke verbergen fast das Licht der Kerzen…

3. O TON, Cello, insges. 0 28“;  0 06“ freistehend. (Musik evtl. doppeln)

……Musik : Leise im Hintergrund weiter…

1. SPR.:
Die Feierstunde im Teehaus ist ungewöhnlich. Sie ist kein Gottesdienst, sondern –sozusagen – ein „Menschendienst“, eine Feier des Lebens, zu der sich Atheisten und Skeptiker, Konfessionslose und Agnostiker versammeln. Gerda K. findet hier den Mut, „ganz privat“ von ihrem verstorbenen Mann zu sprechen.

4. O TON, 0 14“
Ich schreibe ihm alles auf, was ich erlebe, und das ist für mich die Verbindung zu ihm. Und das hilft mir eigentlich. Ihm kann ich alles sagen. Und er ist bei mir eben im Herzen.

3. O TON, Musik, noch mal 0 04“

1.SPR.:
Die meditative Feier wird von Gita Neumann geleitet, sie arbeitet als Psychologin im „Humanistischen Verband Deutschland“:

1.  O TON , 0 26“
Aufgeklärte weltliche Humanistinnen und Humanisten glauben nicht an einen Gott, an ein Auferstehen nach dem Tod und erst nicht an ein Weiterleben in der Hölle oder im Paradies. Doch sind wir getragen von der Zuversicht, dass ein humanistisches Lebens- und Gemeinschaftsgefühl uns davor bewahren kann, in bodenlose Sinnlosigkeit und Einsamkeit zu versinken.

1. SPR:.:
Ihren Freunden macht Gita Neumann Mut, die eigene atheistische Weltanschauung nicht bloß in negativer Abgrenzung, als Zurückweisung Gottes oder als Ablehnung von Transzendenz zu verstehen. Atheismus sei vielmehr eine positive Lebenseinstellung!

2. O TON, 0 39 “
Dabei glauben wir, im Wortsinne von: auf etwas vertrauen, dass wir als Menschen die individuelle Fähigkeit und die soziale Verantwortung haben, unserem Leben selbst Sinn und Wert zu geben. In der Regel werden wir uns dabei in ein größeres Ganzes einzufügen haben oder auch aufgehoben uns fühlen wollen. Wir werden uns einem Interesse verschreiben für eine bestimmte Sache, für andere Menschen. Es geht dabei um Ziele und Ideale, die über unseren eigenen Egozentrismus und über unser bloßes Überlebensinteresse hinausreichen.

1. SPR.:;
Solche Feierstunden gab es vor 10 Jahren noch nicht. Atheisten oder „weltliche Humanisten“ haben bisher in ihren üblichen Vereinssitzungen diskutiert und gestritten, über Politik oder Fragen der Religionskritik. Jetzt deutet sich eine spirituelle Wende in atheistischen Kreisen an. Es sind Philosophen, die sich zu Wortführern einer atheistischen Spiritualität machen: Zum Beispiel der Pariser Philosoph und Autor André Comte – Sponville:

8. O TON, 0 39“
2. SPR.:
Die Atheisten haben nicht weniger ésprit, nicht weniger Geist, als die anderen. Das spirituelle Leben ist eine konstitutive Dimension der menschlichen Existenz. Atheisten oder Gläubige haben den Geist, das ist eine Fähigkeit unseres Gehirns, die Fähigkeit zu denken, kontemplativ zu leben. Die Spiritualität und die philosophische Lehre der Metaphysik haben dasselbe Thema. Aber der Spiritualität geht es darum, die Wirklichkeit nicht mit Worten, sondern im Schweigen zu erreichen. Nicht mit Begriffen und Überlegungen, sondern mit Erfahrungen und Empfindungen. Nicht im Denken, sondern kontemplativ.

1.SPR.:
André Comte – Sponville plädiert für einen ganzheitlichen, nicht bloß kopflastigen Atheismus. Seine Buch „L ésprit de l athéisme“, „Geist des Atheismus“, erscheint dieser Tage auch auf Deutsch. In Frankreich hat es den Untertitel: „Einführung in eine Spiritualität ohne Gott“. Und die ist wird im Alltag gelebt: Gita Neumann entdeckt ihre persönliche Lebenskunst in  der Auseinandersetzung mit Kunst und Musik…oder bei meditativen Spaziergängen in der Natur:

5. O TON, 0 26“
Das innere Zur – Ruhe – Kommen ist ganz wichtig. Ablenkung von dieser schrecklichen Hektik und diesen vielen Einflüssen, denen wir ausgesetzt sind. Wir sind Teil der Natur, aber es gibt eben auch Dimensionen, die uns darüber hinaus tragen. Da muss man sich das Staunen bewahren, dass es weder wünschenswert noch möglich ist, nur mit rationalen Kategorien an das Welterleben heranzutreten.

1. SPR.:
Wer sich als Atheist zum Staunen und Verwundern hinreißen lässt, will sich nicht in einen Götterhimmel führen lassen. Er bleibt der „Erde treu“ und sucht die Fülle des Lebens hier. Und er will die ganze Tiefe der sichtbaren Dinge auskosten, bekennt Frank Spade:

9. O TON. 0 37“.
Ich war über das Wochenende in der Nähe von Zittau und habe da die Chance gehabt, wirklich einen sternenklaren Himmel zu sehen. Und da wurde mir wieder diese Mächtigkeit bewusst und auch die Kleinheit, die wir sind. Und dieses Wunder, dass es uns gibt. Das sind Milliarden von Galaxien und Sternen in einer Galaxie, und in dieser einen Galaxie, wo wir jetzt sind,  gibt es diesen einen Stern, der gerade so diese Möglichkeiten geschaffen hat, dass sich Leben entwickeln kann. Was für ein Wunder, was für ein Zufall. Dann kommt eine Demut auf und ein anderes Verhältnis zum Sein.

1.SPR.:
Demut und Bescheidenheit sind wichtige Tugenden eines spirituellen Atheisten. Frank Spade hat als junger Mensch kirchlich geheiratet und gelegentlich christliche Gemeinden besucht. Aber die religiösen Lehren erschienen ihm „zu weit weg“ , zu „abgehoben“ vom eigenen Erleben zu sein. Frank Spade lebt jetzt, wie er sagt, „ohne Illusionen“. Das heißt: Er nimmt die eigene Endlichkeit an:

10. O TON,  0 30“.
Aber so ist das Leben nun mal, und ich muss einfach akzeptieren, dass es so ist. Das kann mich morgen treffen, und dann ist es so. Wenn es so etwas geben sollte wie Geist, dann stelle ich mir das vor wie einen Tropfen, der ins Meer fällt. Dann bin ich nicht mehr der Tropfen, dann bin ich Teil des Meeres, dann ist es gut so. Und das, was ich in diesem Leben gelernt und geleistet habe, das geht in das Meer des Lebens an sich, und das lebt fort, aber da bin ich nicht mehr drin, und das reicht mir.

1. SPR.:
Frank Spade, Kommunikationswissenschafter und Mitarbeiter im Humanistischen Verband Deutschlands, hat seine eigene Form gefunden, eine sehr „irdische Mystik“ im Alltag zu pflegen; zu Hause hat er eine Meditationsbank stets griffbereit:

6. O TON, 0 32“
Ich kann mich hinsetzen und die Augen zumachen, auch die Augen offenlassen, die Methoden sind auch völlig unwichtig. Ich benutze Meditation als einen psychohygienischen Reinigungsprozess, dass mein Geist andere Verknüpfungen eingehen kann. Und das verstehe ich als Kreativität, und da kommen für mich neue Ideen. Ich möchte eine Praxis für mich entwickeln, die positiv ist, die nachhaltig ist, die dafür sorgt, dass ich wenig Schaden anrichte in meinem Leben.

1.    SPR.:
Eine Lebensmaxime, die praktische Konsequenzen hat: Frank Spade hat sich entschlossen, auf seine Weise der stummen Kreatur, den Tieren, das Leiden der Massentierhaltung zu ersparen: Er ist konsequenter Veganer, also radikaler Vegetarier. Darin sieht er auch seine persönliche Antwort auf das Wunder der Schöpfung:

7. O TON,  0 49“.
Für mich ist Spiritualität Beziehung zur Geschichte des Universums. Also für mich fängt das wirklich das vor 14  Milliarden Jahren an. Und da eine Achtung zu entwickeln, eine Dankbarkeit für das, was vor einem her gegangen ist, was alles geschehen ist. Und welche Zufälle und Entwicklungen durchgehen mussten und wie viele Leiden vor mir gewesen ist, damit ich jetzt diese Gunst habe, leben zu können, diese Freude haben kann. Im Grunde unverdient. Das ist ein Geschenk. Natürlich. Wenn man fragt, wer ist der Schenker? In meiner Sicht sind die Schenker die Sterne und die Steine und die Pflanzen, die den Sauerstoff erzeugt haben und alles, was dieser Entwicklungsgeschichte vorhergegangen ist.

1. SPR.:
Weitausgreifende Spekulationen über den göttlichen Schöpfer im Jenseits lehnen spirituelle Atheisten natürlich ab: Denn wie könnte denn ein guter Schöpfer – Gott als allmächtiges Wesen so viel Leiden auf dieser Welt zulassen? Solche Fragen sind für Frank Spade eher Ausdruck eines naiven, noch kindlich geprägten Bewusstseins:

11. O TON, 0 38“.
Dieser Schöpfergedanke ist eine Projektion. Wir haben es natürlich als Menschen schwer, uns etwas vorzustellen, was unsere Vorstellungen überschreitet. Ich kann mir z. B. nicht vorstellen, einen Raum, der keine Grenzen hat, der aus Nichts angefangen ist. Und da fragt man sich natürlich aus der geistigen Beschränktheit heraus, die man hat, oder der Gewohnheit des Denkens, die man hat: Na ja, wenn das so angefangen ist, dann muss was davor gewesen sein. Aber diese Frage, die kann man nicht beantworten und sich da irgendwo einen blinden Uhrmacher vorzustellen, der das ganze gebastelt hat, ist ein bisschen platt.

1.SPR.:
Der polemische Unterton darf nicht fehlen: Das Bild vom „blinden Uhrmacher“ erinnert an die Religionskritiker Friedrich Nietzsche und Sigmund Freud. Sie gelten unter Gottlosen als die Meisterdenker. Einige Atheisten gehen heute noch weiter: Im Sinne des Evolutionsforschers Charles Darwin deuten sie Religionen als gefährliche Nebenprodukte der Menschheitsentwicklung. Nicht nur veraltet und unvernünftig seien das Christentum und der Islam, sie lehren vor allem Hass und Aggressionen. Der Biologe Richard Dawkins verbreitet lautstark diese Botschaft in seinem Buch „Gotteswahn“ .Wie ein Missionar verteidigt er seinen radikalen Atheismus gegenüber Einwänden seiner Leser sogar noch im  Internet:

12. O TON, 0 41“
2.SPR.:
Sie greifen immer das Schlimmste der Religion an, sagen einige Leser, ich würde das Beste der Religion ignorieren, wie zum Beispiel die Theologie von Tillich oder Bonhoeffer. Ich kann dazu nur sagen: Wenn diese sanfte Religion der Theologen vorherrschen würde, dann wäre die Welt sicher ein angenehmer Platz. Die traurige Wahrheit aber ist: Diese Art zurückhaltender und modernisierter Religion ist zahlenmäßig bedeutungslos. Für die allermeisten Glaubenden weltweit ähnelt doch Religion ganz deutlich dem,  was die fundamentalistischen Prediger Robertson, Falwell oder Haggard sagen sowie Osama bin Laden oder der Ayatollah Khomeini. Sie sind alle viel zu einflussreich und jedermann in der modernen Welt muss sich mit ihnen beschäftigen.

1.SPR.:
Dem Kampf gegen „die“ Religionen haben sich prominente Mitstreiter angeschlossen, wie die Bestseller Autoren Sam Harris oder Christopher Hitchens. Der sanften Form einer atheistischen Spiritualität steht also immer noch heftige Polemik gegenüber. Atheismus ist heute ein buntes, vielfältiges Phänomen. Zur Garde der polemischen Kirchenfeinde gehört der Franzose Michel Onfray, ein freischaffender Philosoph. Kürzlich hielt er auf der Internationalen Buchmesse in Göteborg, Schweden, einen Vortrag:

13. O TON, 0 33“:
2. SPR.:
Ich danke Ihnen, dass ich bei Ihnen sein kann. Denn ich reise wie der Apostel Paulus durch Europa. Aber ich arbeite an der Bekehrung der Völker zum Atheismus. Ich beziehe mich in meinem Vortrag wieder auf mein Buch „Abhandlung zur A-Theologie“, aber auch auf die 30 anderen Bücher, die ich schon veröffentlicht habe. Ich habe ja über Methodologie, Erkenntnistheorie genauso gearbeitet wie über Ethik und Politik, Ideologiekritik, aber auch über Erotik.

1. SPR.:
Michel Onfray liebt es, sich von seiner „höheren Warte“  aus sehr unbescheiden zu präsentieren. Er gehört zu jenen Atheisten, die auf  Hasstiraden fundamentalistischer Prediger und Imame nun ihrerseits mit heftigster Polemik reagieren. So aber wird das geistige Klima erhitzt, die Polarisierungen nehmen nur zu. Der Philosoph Peter Sloderdijk will für Abhilfe sorgen:

15. O TON, 0 37“
Die eigentliche Arbeit der Philosophie in diesen verwickelten Debatten besteht eigentlich in einer Art Dienstleistung, die der des Roten Kreuzes vergleichbar ist. So wie auf den Schlachtfeldern von Solferino Henri Dunant zwischen den Verwundeten beider Lager hin und her geeilt ist, um zu retten, was zu retten ist. So muss, heute glaube ich, heute die Philosophie auf diesen neuen Schlachtfeldern einen Rettungsdienst anbieten, um diejenigen, die noch zur Vernunft zu bringen sind, die Schwerverletzten der Glaubenskämpfe aus dem Gefecht herauszuholen und sie unter dem Zeltdach eines vernünftigen Lazaretts zu therapieren.

1. SPR.:
Philosophie als Therapie, als „Weg der Mitte“, des Dialogs. Nur mit Hilfe einer allseitig kritischen Vernunft kann atheistische Spiritualität gefördert werden.  Denn die Vernunft fragt und sucht und forscht und kommt niemals zu endgültigen Ergebnissen: „Transzendenz“ stellt sich dabei ein, so nennt Peter Sloterdijk den Schlüsselbegriff der neuen humanistisch – atheistischen Spiritualität:

14. O TON,  0 46“.
Gott füllt nicht alles aus, was wir mit Transzendenz beschreiben. Das Feld der Transzendenz ist das Feld dessen, was für uns Geheimnis bleibt, was wir nicht ganz durchdringen, was wir noch nicht sind. Transzendenz ist ja auch eine Metapher für das, was wir noch werden können. Das Feld der Transzendenz umfasst die Poesie, es umfasst die Kunst, es umfasst die Summe dessen, was die Wissenschaften noch nicht wissen, und worauf sie sich mit immer kunstvolleren Formen des Vermutens beziehen. Das heißt, unser Sinn für Transzendenz bleibt nicht unbeschäftigt, auch in Zeitläufen, in denen das religiöse Fieber wieder sinken sollte, was sehr zu hoffen ist. Denn aus diesen Überhitzungen des religiösen Bedürfnisses erwächst nach allen historischen Erfahrungen nichts Gutes.

1.SPR.:
Atheistische Spiritualität duldet keine Überlegenheitsgefühle, weder der Glaubenden noch der Nichtglaubenden. An dem Thema arbeitet André Comte – Sponville:

16. O TON,  0 33“.
2. SPR.:
Ganz klar: Mein Atheismus ist kein Wissen. Ich weiß doch nicht, dass Gott nicht existiert. Meine Position ist auch eine Glaubenshaltung. Ich glaube nur, dass Gott nicht existiert! Dann nenne ich meinen Atheismus auch „treu“. Das Wort soll bedeuten: Ich bleibe verbunden mit einer gewissen Anzahl von Werten aus der Moral, der Kultur, der Spiritualität, die auch in den großen Religionen entstanden sind, vor allem, im Bereich unserer Kultur, in den drei monotheistischen Religionen.

1.SPR.:
André Comte – Sponville ermuntert die vielen tausend konfessionslosen Menschen, ein eigenes spirituelles Profil zu entwickeln. Jeder dritte Franzose nennt sich heute „Atheist“. Aber nach dem Abschied vom religiösen Glauben gilt es, eine neue Innerlichkeit zu pflegen , Antworten auf die Frage nach dem Sinn des Lebens zu suchen. In Deutschland ist die Situation nicht anderes: Auch jeder Dritte nennt sich konfessionslos, viele von ihnen sind Atheisten. Aber ein tragendes Lebensfundament werden diese Menschen nicht in einer „natur-wissenschaftlichen Weltanschauung“ finden, betont der Vorsitzender des Humanistischen Verbandes Deutschlands, Horst Groschopp:

17. O TON, 0 36“.
Für mich ist Humanismus eine Kulturanschauung wie das Christentum oder der Buddhismus. Und da mag allerlei Wissenschaftliches drin sein, etwa was die Entstehung der Welt oder so betrifft. Aber insgesamt denke ich, Kultur ist nicht wissenschaftlich belegbar, ich kann nicht wissenschaftlich beweisen, was gut und was böse ist. Ich kann eine Plausibilität nachweisen, und kann sagen, dieses Verhalten ist plausibler als jenes. Aber ich bin nicht der Auffassung, dass es so etwas gibt wie eine wissenschaftliche Weltanschauung. Davon haben wir uns verabschieden müssen. Denn wenn Wissenschaft uns leitet, das ist ja was ganz Seltsames.

18.  O TON, Musik, (1 17“ insges). bleibt ca. 0 07“ freistehen, dann etwas herunterziehen:

1.SPR.:
Atheistische Spiritualität hat längst auch musikalischen Ausdruck gefunden, etwa in der Komposition „Liturgie für einen toten Gott“ des Franzosen Charles Ravier. …..

18. O TON, Musik, noch mal 0 05“ freilassen, dann langsam herunterziehen:

1.SPR.:
Spirituell interessierte Atheisten wollen eigene Feiern gestalten. Sie brauchen Riten, nicht nur anlässlich der „weltlichen Bestattungen“, sondern auch bei den Höhepunkten des Lebens. Aber da gibt es noch keine wegweisenden Modelle. Die jetzt noch üblichen Jugendweihen, vor allem im Osten Deutschlands, haben weder eine philosophische noch eine spirituelle Botschaft. Immerhin bieten atheistische Humanisten in Belgien jetzt eigene Riten zur Trauung an, betont einer der Mitarbeiter, der Philosoph Marc Campine:

19. O TON 0 58“. (evtl, den Schluß nicht mehr freistehend)
2. SPR.:
Im Rahmen der Humanistischen Vereine Flanderns kann man diese Zeremonie gemeinsam mit unseren Ratgebern entwickeln. Tatsächlich werden diese Zeremonien gleichermaßen heterosexuellen wie homosexuellen Paaren angeboten. Wir machen bei den Paaren keine Unterschiede. In Belgien haben wir als Humanisten für diese Feiern etliche Räume, wo man diese Feiern gestalten kann.
Bei diesen Feiern kann man klassische oder moderne Musik spielen, je nach dem Wunsch der Paare. Natürlich können auch Gedichte vorgetragen werden, unsere Ratgeber stehen als Berater zur Verfügung. Wir sind in der Gestaltung der Riten ziemlich frei, verglichen mit den Religionen.

1.SPR.:
Auch eigene Feiern zur Geburt haben Humanisten in Belgien entwickelt; unter Hollands Atheisten gibt es inzwischen eigene Berater für Fragen des Ritus.
Aber die Humanisten wollen nichts übertreiben: Neben der rituellen Praxis ist die soziale Praxis, die Hilfsbereitschaft, mindestens genauso wichig. Humanistische Frömmigkeit hat darum ein ganz eigenes Profil, betont der religionskritische, skeptische Philosoph Gonsalv Mainberger:

20. O TON, 0 41“
Ein echt frommer Mensch, ist für mich jener Mensch, an dem es nichts zu kritisieren gibt. Der macht alles, was er macht, so wie er es aus seinem Gewissen heraus das erarbeiten muss. Fromm in diesem säkularen Sinne, hat zum Ziel, das Leben selbst auf ein mögliches Gelingen hin einzurichten und auch im Zusammenhang mit denjenigen, mit denen man lebt, also die Sorge um das Selbst als auch die ganz physische, leibliche Wahrnehmung der Gegenwart des anderen.

1.SPR.:
Die Hilfsangebote des Humanistischen Verbandes Deutschland sind beträchtlich: Es gibt Wohngemeinschaften für Demenz – Kranke und Begleitung von Sterbenden, Unterstützung von Arbeitslosen und Ausländern. Um behinderte und alte Menschen kümmert sich Andrea Käthner in Berlin:

21. O TON, 0 44“.
Wir haben einen Schiebe- und Begleitdienst. Das heißt, wir betreuen Menschen, die nicht in der Lage sind, allein ihre Wohnung zu verlassen, Behörden und Arzt aufzusuchen, Freizeitunternehmungen zu organisieren. Wir beraten hinsichtlich ihrer Rechte. Und in der Regel werden alle mindestens einmal in der Woche von uns betreut. Und ich glaube, dass es uns das relativ oft gelungen ist, Menschen in depressiven Lebensphasen wieder ein Lächeln abzuringen und Freude so am Alltäglichen zu finden. Wenn z.B. jemand sieben, acht Jahre nicht auf der Straße war, endlich überhaupt mal an irgendeiner Veranstaltung teilnehmen kann, dann sind das so die kleinen Freuden, die das Leben leichter und schöner machen können.

1.SPR.:
Allerdings gehören religiös gefärbte Begriffe wie  „Sich-auf -Opfern für andere“  oder „die eigenen Interessen hintanstellen“ nicht zu einer humanistisch – atheistischen Spiritualität: Darin ist die Ethik der Atheisten wieder sehr irdisch, sehr weltlich: Ein völliges Vergessen der eigener Bedürfnisse könnte selbst der hilfsbreiteste Mensch nicht leisten, immer erwarte auch der Helfende etwas „Positives“ von seinen Einsatz, betont der Philosoph Michael Schmidt – Salomon.

22. O TON, 0 47“.
Es geht ja letztlich um Transzendenz, d.h. Überschreiten der Ichfixierung, das ist eigentlich das, was Transzendenz ausmacht. Man kann diese Ichfixierung überwinden, indem wir anderen helfen. Ich  sehe in altruistischen Handlungen keine Überwindung des Eigennutzes, es ist eine Überwindung des Egoismus meinetwegen, aber es ist keine Überwindung des Eigennutzes, denn es nutzt mir, anderen zu helfen. Ich freue mich an ihrer Freude mit, und ich leide an ihrem Leid mit.  Alle unseren ethischen Konzepte müssen ja irgendwo her kommen sind nicht vom Himmel gefallen, sondern das ist evolutionär entstanden. Deswegen ist es mir sehr wichtig, der Eigennutz ist die Grundlage jeglicher altruistischer Handlung. Wir machen nur das, was für uns sinnvoll ist und wobei wir uns gut fühlen.

(falls Zeit vorhanden: 18., Musikal. Zusp. noch einmal 0 05“ einblenden)

1. SPR.:
Haben die Kirchen Interesse an Gesprächen mit Vertretern atheistischer Spiritualität? Der Dialog mit Vertretern des Buddhismus oder Islam ist längst eine Selbstverständlichkeit. Immerhin, in Frankreich gibt es spirituelle Diskussionen zwischen Christen und Atheisten, berichtet André Comte – Sponville :

23. O TON, 0 37“
2. SPR.:
Es handelte sich um eine öffentliche Diskussion in der Kathedrale von Rouen, zusammen mit Pater Philippe Chapelle, ein katholischer Priester und Dekan der Philosophischen Fakultät der Katholischen Universität von Paris in der Rue d Assas. Wir sprachen über die Existenz Gottes. In Rouen hat eine Gruppe von Christen dazu eingeladen. Auch in Toulouse habe ich auch am Theologischen Institut diskutiert, da ging es auch um die Gottesfrage. Im ganzen kann man sagen, dass dieses Buch in christlichen Kreisen sehr positiv aufgenommen wurde.

1.SPR.:
In Deutschland haben offizielle Gespräche zwischen  Vertretern atheistischer Organisationen und Repräsentanten der Kirche noch nicht stattgefunden. Es fällt offenbar Bischöfen und  Synoden schwer, anzuerkennen, dass der Atheismus in seinen vielfältigen Ausprägungen definitiv zu unserer Kultur gehört, vor allem zum Lebensgefühl jungen Menschen.
Nur in einigen Klöstern sind Atheisten als Gesprächspartner ausdrücklich willkommen, etwa bei den Karmelitinnen in Berlin-Charlottenburg. Schwester Maria Theresia konnte kürzlich Gita Neumann vom Humanistischen Verband in ihrem Konvent begrüßen, sie stellte sich den Fragen der Atheistin:

24. OTON 0 53“.
Betet man irgendwie zu Gott, zu Jesus, zu einer übergeordneten Instanz? Sind Sie der Meinung, dass da auch Wünsche da irgendwo ankommen?
Ich muss gestehen, ich teile diese Frage vollständig auch.
Für mich ist dieses Beten in eine gewisse Leere hinein wie ein Gottesbeweis. Weil ich mir sage, eine fassbare Antwort: Das ist nicht mein Gott. Es muss immer etwas bleiben, was geheimnisvoll ist. Ich möchte jedenfalls darauf hin leben, dass ich Gott größer sein lasse  als meine Gebete.

1. SPR.:
Schwester Maria Theresia ist durch die Mystiker des 16. Jahrhunderts, Theresa von Avila und Johannes vom Kreuz, mit dem „dunklen, dem unfassbaren Gott“ vertraut. Sie kann sich gut in die Mentalität der Menschen hineinversetzen, die mit der Vielfalt und Widersprüchlichkeit so unterschiedlicher  Gottesbilder nicht zu recht kommen: Wenn z.B. Gott der Richter ist, wie kann er dann auch barmherzig und gut sein? Schwester Maria Theresia hat diese Fragen immer wieder mit Atheisten erörtert und dabei selbst zu mehr Klarheit gefunden:

25.  O TON, 0 47“.
Wenn wir sagen: Wir erfahren Gott, ist das Wort eigentlich zu groß. Weil wir denken bei Erfahrung immer etwas  Handgreifliches, sehr Klares, sehr Fassbares. Und diese Art Erfahrung ist natürlich in Bezug auf Gott gar nicht gegeben. Immer entzieht er sich. Und dieser Weg zu Gott ist immer weniger ein Weg einer erfüllten Erfahrung, sondern vielleicht einer Sehnsucht, die aber so ist, dass sie einen trägt, dass man doch immer einen Schritt geht. Ich habe das mal gehört mit diesem schwindenden Horizont, man geht auf den Horizont zu und er entzieht sich permanent.

1. SPR.:
Der Dialog mit den Atheisten sollte vor allem in den theologischen Fakultäten stattfinden. Aber auch da bewegt sich wenig. Immerhin, einige Professoren, wie der katholische Theologe Magnus Striet aus Freiburg im Breisgau, nehmen die Fragen der Gottlosen ernst. Sie wissen, dass  z.B. die weit verbreitete katholische Volksfrömmigkeit mit ihrem naiven Wunderglauben ganz und gar nicht dem Anspruch des Glaubens gerecht wird.

26. O TON, 0 39“.
Die Theologie wird bestimmte Positionen überdenken müssen und insofern ist dieser neue Atheismus ein Segen für die Theologie, weil man das eigene Denken daran schärfen, profilieren kann.
Bestimmte Dinge müssen zwar nicht beiseite geschoben werden, aber aufgeklärt werden. D.h. auch bestimmte Formen der Volksfrömmigkeit werden vermutlich intellektuellen Standards nicht genügen. D.h. wir müssen uns viel entschiedener auf die autonomen Prinzipien einlassen und das heißt eben, wir müssen uns von Gruppen distanzieren, die diese fundamentalistische Position beziehen. Das Christentum wollte die Synthese von Glaube und Vernunft und sie ist bedroht.

1.SPR.:
Den Glauben mit der Vernunft versöhnen: Die wichtigste Aufgabe für Christen in den nächsten Jahren. Sie werden dann immer häufiger spirituell interessierten Atheisten begegnen, die das Geheimnis des Lebens verehren und das Wunder der Welt, und sonst nichts! Aber über die weltanschaulichen Unterschiede hinaus sollten Christen und Atheisten im Alltag zueinander finden, sie sollten praktische Probleme gemeinsam anpacken, etwa im Bereich der sozialen Hilfe, fordert der Atheist André Comte– Sponville:

27. O TON. 0 43“.
2. SPR.:
Für mich geht die Grenze nicht zwischen den Glaubenden und den Nichtglaubenden. Sie verläuft vielmehr zwischen den freien, offenen, toleranten Geistern auf der einen Seite, ob man nun an Gott glaubt oder nicht. Und auf der anderen Seite sind die dogmatischen, die fanatischen Geister, auch da gibt es Glaubende und Nichtglaubende. Wir kämpfen gegen die Fanatiker, andererseits auch gegen die Nihilisten. Das sind die Leute, die an nichts glauben, die nichts respektieren, die keine Werte, keine Regeln haben, keine Prinzipien, keine Ideale. Darum will ich allen anderen eine Art Bündnis vorschlagen, das die gemeinsamen Werte verteidigt, die gemeinsamen Werte der Menschheit.

Evtl. 18. O TON, Musik noch mal einblenden.

STOP.