Neues über die “Legionäre Christi”: Die Pathologien eines Ordensgründers und eines Ordens

Ein Wort zuvor: Weil wir so viel Interesse und Zustimmung fanden (“die einzigen ausführlichen Informationen zu diesem Thema in deutscher Sprache”) zu unseren bisherigen Beiträgen über die Legionäre Christi, setzen wir noch einmal die aktuellen Hinweise fort. Wir verstehen diese Beiträge als ein Stück kritischer Information und vor allem als ein Stück aktueller religionskritischer Analyse, deswegen gehören sie auch in einen “religionsphilosohischen Salon”. Und sie gehören in eine aufgeklärte, demokratische Kultur.

Für unseren Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon spielt sich Religions – bzw. Kirchenkritik nicht im luftleeren Raum ab. Immer wieder werden wir nach neuen Entwicklungen im umstrittenen Orden der Legionäre Christi gefragt. Wir sehen in der Weitergabe dieser Informationen einen kleinen Beitrag im Rahmen einer zeitgemäßen „Philosophie der Aufklärung“. Verfasst am 8.1. 2011 Weiterlesen ⇘

Die Rede Benedikt XVI. in Berlin im September 2011

Die Rede Benedikt XVI. im September 2011 in Berlin

Durch eine Indiskretion in Rom ist die Rede in die Öffentlichkeit gekommen, die Papst Benedikt XVI. in einigen Monaten, im September 2011, in Berlin halten wird. Bekanntlich werden ja die Reden der ewigen Wahrheiten rechtzeitig vorbereitet, darum liegt die Rede schon jetzt fertig auf dem Schreibtisch des Papstes. Im Rahmen unseres philosophischen Salons konnten wir eigentlich mit dieser Rede nicht viel anfangen. Wir haben sie aber in unsere Rubrik „philosophische Satire“ aufgenommen. Vielleicht gibt diese Rede doch dem einen oder anderen Leser zu denken….

Die Rede Benedikt XVI. in Berlin im September 2011

Sehr geehrter Herr Bundespräsident, sehr geehrte Frau Kanzlerin, hoch verehrte Kardinäle, Bischöfe, Priester, Ordensleute, liebe katholische Laien, liebe Mitglieder der christlichen Gemeinschaften, die sich evangelisch nennen, liebe Berliner und Besucher hier im Olympiastadion, an diesem vortrefflichen Platz, auf dem schon mein Vorgänger Johannes Paul II. gesprochen hat…

In diesem Stadion liegt es nahe, dass wir uns an daran erinnern, dass schon der Apostel Paulus das christliche Leben als einen Wettlauf beschrieben hat. Aber, dieser Wettlauf ist heute und er war es immer schon eine rein geistige Angelegenheit, ein Kampf, das Böse seelisch zu besiegen und das Gute zu tun. Wie sagte der hoch verehrte Kirchenvater Hieronymus: Laufet, ihr Christen, laufet, um die böse Welt zu besiegen. Und der Kirchenvater Didymus sagte: Ohne den täglichen inneren Wettlauf kein Sieg über die Verführungen des Leibes. Mein großes Vorbild, der heilige Benedikt, sagte im 5. Jahrhunderte: ora et labora, bete und arbeite. Lasst uns also inständig beten und gottergeben arbeiten. Mögen die Arbeitslosen doch endlich Arbeit finden, darum beten wir, damit der Leitspruch einer meiner Enzyklika „Deus Caritas est“ auch für sie gilt. Beten wir auch für die Hartz IV Empfänger.
Eins will ich allen hier einschärfen: Unsere ewigen Wahrheiten, in Rom seit Jahrhunderten repetiert, gelten immer, nichts wandelt sich grundlegend in der Kirche. Wir als Päpste und Bischöfe sind die Hüter der unveränderlichen Wahrheit. Und dazu gehört, liebe Politiker, dass sie erkennen: Was menschlich, natürlich und human ist, das bestimmen wir, die Hüter der Wahrheit. Der Herr hat uns die Schlüssel der Wahrheit hinterlassen, da gibt es keine Diskussionen. Selbst wenn Vertreter der evangelischen Gemeinschaften, Kirchen sind sie ja bekanntlich nicht, das Gegenteil sagen: der Herr hat seine (!) also die katholische Kirche, auf einen Felsen gegründet und dieser Felsen sind wir. Deswegen wiederholen wir auch hier im Olympiastadion: Es kann nur intakte Familien geben, wenn eine weibliche Mutter und ein männlicher Vater die Keimzelle der Familie sind, alles andere ist Sünde. Wenn jetzt ich jetzt kraft meines Amtes nach jahrzehntelanger Überlegung, einer Zeit, in der schon Millionen von AIDS aufgrund des Mangels an Kondomen, leider leider gestorben sind, wenn ich also jetzt in den aller größten Ausnahmefällen doch Kondome gestatte, dann ist klar: Was die allergrößten Notfälle sind, das bestimmen wir! Wo kommt die katholische Moral denn hin, wenn wild zusammenlebende Paare selbständig über den Gebrauch von Kondomen entscheiden?
Ich wende mich an die Menschen, die sich ungläubig nennen, vielleicht Humanisten sind: Mögen sie erkennen, dass der wahre Humanismus die Bindung an die absolute Wahrheit ist, die wir als Kirche ewig lehren. Diese Worte habe ich schon in Spanien kürzlich gesagt, auch in den USA, auch in Frankreich Afrika und Brasilien. Ja so ist es: Überall sage ich das selbe, selbstverständlich auch im Vatikan, weil der Herr es so will, dass immer und überall in denselben Worten die selbe ewige und eine Wahrheit gesagt wird von der Cathedra Petri. Auch darüber darf es keine Diskussion geben, die Theologie dient uns, dem Lehramt, nicht etwa einer freien Forschung. Dies führt nur zu tödlichem Relativismus. Das wahre Aktuelle ist das Ewig Gleiche, sagte doch unser hoch verehrter Lehrer der griechische Philosoph Platon. Jetzt verstehen Sie vielleicht, warum ich die Pius Brüder wieder in diese eine und ewige und selbe Kirche zurückführen möchte…Es ist der Geist des Unwandelbaren und Erstarrten, der uns vereint. Liebe Berliner Katholiken, sie werden sich daran gewöhnen müssen, dass bald in euren Pfarreien nur Neokatechumenale Priester wirken, nur Legionäre Christi und charismatische Priester, das Opus Dei wird ihnen kontrollierend auf geheimen Wegen zur Seite stehen. Diese Kreise sind mit dem Felsen Petri bedingungslos verbunden, eine Chance für das freie Berlin. Sie haben viel Geld und wiederholen wie ich die ewige Wahrheit, sie werden die vielen aus der Kirche Ausgetretenen wieder zur Mutter Kirche zurückholen… Zum Schluss danke ich der Bundesregierung für die Millionen Zuschüsse zu meiner Reise, ich danke der Stadt Berlin, die zwar pleite ist und noch 10 Prozent Katholiken zählt, dass sie ebenfalls eine Millionen zahlt für meine Reise hier nach Berlin. Es ist der Augenblick der Präsenz der ewigen Wahrheit, die ja so unbezahlbar ist… So erteile ich allen meinen apostolischen Segen.

Unsere Gewährsleute im Vatikan sind allerdings etwas erstaunt, weil sie neben dieser Rede Benedikts eine andere Ansprache fanden, sehr viel kürzer, es handelt sich um ein Zitat des Jesuitenpaters Alfred Delp, der 1945 als Widerstandskämpfer von den Nazis hingerichtet wurde. Er schrieb am Ende seines Lebens als Theologe und Jesuit:
„Die Kirche steht durch die Art ihrer historisch gewordenen Daseinsweise sich selbst im Wege. Ich glaube, über all da, wo wir uns nicht freiwillig um des Lebens willen von dieser Daseinsweise trennen, wird die geschehende Geschichte uns als richtender und zerstörender Blitz treffen“.
Unsere Gewährsleute in Rom wissen allerdings nicht, ob Benedikt XVI. in Berlin eventuell nicht ohne tiefe Erschütterung nur diese wenigen Worte Pater Delps vorträgt …und danach schweigend die Gläubigen segnet….
COPYRIGHT: www.religionsphilosophischer-salon.de

Wird die Kirche zum Grab Gottes?

Das “philosophische Wort zur Woche” bezieht sich aus aktuellem Anlaß (Papstreise nach Deutschland, Ratzingers Anspruch, erneut dokumentiert in seinem Interviewbuch, als Papst die Wahrheit zu besitzen usw. usw.) auf einen Impuls Friedrich Nietzsches.

Wird die Kirchen zum Grab Gottes?
Der Hinweis bezieht sich auf die Erkenntnis Friedrich Nietzsches, in seinem Buch: Die fröhliche Wissenschaft, 1887, III. Buch, Nr 125.

Der tolle Mensch fragt:
„Wohin ist Gott? rief er, ich will es euch sagen! Wir haben ihn getötet, – ihr und ich! Wir alle sind seine Mörder! Aber wie haben wir dies gemacht? Wie vermochten wir das Meer auszutrinken? Wer gab uns den Schwamm, um den ganzen Horizont wegzuwischen? […] Gott ist tot! Gott bleibt tot! Und wir haben ihn getötet! Wie trösten wir uns, die Mörder aller Mörder?“[1
Das Entscheidende ist:
Am Ende dieses Kapitels schreibt Nietzsche die berühmten Worte von den Kirchen als den Grabmälern Gottes:
„Man erzählt noch, dass der tolle Mensch des selbigen Tages in verschiedene Kirchen eingedrungen sei und darin sein Requiem aeternam deo angestimmt habe. Hinausgeführt und zur Rede gesetzt, habe er immer nur dies entgegnet: “Was sind denn diese Kirchen noch, wenn sie nicht die Grüfte und Grabmäler Gottes sind?”

Kirche als Grab Gottes – dieser Erkenntnis Nietzsches hat sich bislang fast kein Theologe gestellt, geschweige denn ein Bischof oder gar ein Papst.

Der niederländische Augustiner und Theologe Robert Adolfs hat allerdings 1966 ein Buch verfasst, das den Titel trägt: „Wird die Kirche zum Grab Gottes?“, auf Deutsch erschien es 1967 im Styria Verlag.

Darin sah Pater Adolfs sehr deutlich, dass die Kirchenreformen des unmittelbar beendeten 2. Vatikanischen Konzils viel zu kurz greifen und viel zu oberflächlich sind. Robert Adolfs plädierte darum als wahre Lebensrettung der Kirche für eine „kenotische“ Kirche, also für eine Kirche, die den Abstieg von allen Machtgelüsten, auch theologischer Art, aufgegeben hat. „Das ärgste Hindernis des Dialogs mit den anderen christlichen Kirchen war die kirchliche (katholische) Machtgestalt. … Die kenotische Kirche erhebt ja keinen Exklusivanspruch auf Offenbarung und Gnade“ (S. 191)

Es ist interessant zu sehen, dass dieser Begriff der „Kenotischen Kirche“ heute im Mittelpunkt des Denkens des berühmten italienischen Philosophen Gianni Vattimo steht, vor allem in seinem Buch „Glauben – Philosophieren“, Reclam Verlag, 1997. Vattimo schreibt dort auf Seite 64: „Was ich wiederentdecke ist eine Lehre, die ihren Grundpfeiler in der Kenosis Gottes hat, und damit im Heil, das als Auflösung des natürlich gewaltsamen Sakralen verstanden wird.“.
Noch wichtiger ist:
Pater Adolfs hat seinem Buch „Wird die Kirche zum Grab Gottes?“ ein Zitat des Jesuiten Alfred Delp vorangestellt, der als Widerstandskämpfer gegen die Nazis am 2. 2. 1945 in Plötzensee hingerichtet wurde.
A

lfred Delp schrieb kurz vor seiner Hinrichtung durch die Nazis „Die Kirche steht durch die Art ihrer historisch gewordenen Daseinsweise sich selbst im Wege. Ich glaube, über all da, wo wir uns nicht freiwillig um des Lebens willen von dieser Daseinsweise trennen, wird die geschehende Geschichte uns als richtender und zerstörender Blitz treffen“.

Copyright: Christian Modehn, religionsphilosophischer Salon Berlin

Jeder Mensch lebt seine eigene Philosophie

Philosophieren ist eine kritische Lebensform

Statement am Welttag der Philosophie im AFRIKA HAUS Berlin.

Wir, d.h. mein Freund Hartmut Wiebus und ich, haben vor etwa 4 Jahren in Schöneberg einen Salon gegründet, einen Gesprächs – Kreis. der sich Religionsphilosophischer Salon nennt. Und wir haben seit der Zeit etwa 25 Gesprächsrunden gehabt. Zu diesem vielleicht etwas merkwürdig klingenden Titel Religionsphilosophischer Salon werde ich gleich noch ein Wort sagen.

Vorweg aber ein Wort zu der philosophischen Perspektive, die uns leitet, und die ist nicht „unsere“ im engeren Sinne, sondern sie verdankt sich einer breiten philosophischen Tradition. Und die lässt sich auf den Punkt bringen: Jeder Mensch als ein Wesen, das Geist hat, Verstand und Vernunft, denkt immer schon im Alltag. Jeder Mensch entscheidet sich immer schon im Alltag, entwickelt in dieser Dialektik von Freiheit und Abhängigkeit, etwa schon durch die Herkunft bedingt, sein eigenes Leben, seine Individualität, die man als gesammelte und über die Jahre geformte unausdrücklich und indirekte leibhaftige Philosophie nennen könnte. Da gilt dann bei einem das Naturerlebnis als höchster Wert, bei dem anderen die Solidarität, bei einem die ständige Gesprächsbereitschaft, bei anderen die Lust, andere Länder kennen zu lernen usw. Überall da lebt bereits unausdrücklich Philosophie, man muss sie im Gespräch nur ausdrücklich machen. Da kann dann der einzelne sich viel besser in seinem Lebensentwurf erkennen und dadurch besser leben, wenn er auch die Grenzen seines Lebensentwurfes z.B. erkennt. Das alles klingt sehr gundsätzlich, wir haben diese Fragen diskutiert etwa im Zusammenhang von Achtsamkeit, Glückserfahrungen, Respekt vor den anderen usw.

Was hat das nun alles mit religionsphilosophischen Fragen zu tun? Wir gehen von einer zweiten Vermutung aus, dass jeder Mensch in diesem beschriebenen alltagspraktischen Leben bestimmte oberste oder höchste Prioritäten setzt: Etwa die Selbstbehauptung um jeden Preis oder die Verehrung des (Neo) Kapitalismus als der höchsten und schönsten Wirtschaftsform. Oder die Fürsorge für die eigene Familie, oder die Fürsorge für die Fremden, oder das Geld oder den Sex oder die Kunst usw…In diesen oft unbewusst vorgenommenen Absolutsetzungen lebt unserer Meinung nach, das was man Religion nennt: die oft stillschweigende Absolutsetzung. Kann man darin etwas „Göttliches“ erkennen?

Ich will mich kurz zu einem uns alle sicher auch viele TeilnehmerInnen persönlich bewegenden Thema äußern:

Warum Spiritualität kritisches Denken braucht.

Es ist ja philosophisch heute eine beinahe allgemeine Überzeugung, dass die Säkularisierung der Moderne nicht zu einem Verschwinden des Religiösen, der Religionen und Konfessionen und Spiritualitäten geführt hat. Das war ja eine starke Vermutung in den neunzehnhundert siebziger und achtziger Jahren, dass die immer deutlichere Weltlichkeit der Welt zum definitiven Tod Gottes führt. Die Welt ist Gott sei Dank weltlich geblieben, in einigen europäischen Ländern legt man immer richtigerweise noch wert auf die Autonomie der Welt und damit auf die Trennung des Religiösen vom Weltlichen, aber Gott und die Götter haben sich zurückgemeldet. Je weltlicher die Welt desto stärker der Boom der Spiritualitäten. Im „entchristlichten“ Paris gibt es bereits mehr Wahrsager und Handleser als katholische Priester. Das ist eine Feststellung, keine Bewertung.

Philosophen müssen fragen: Welche Götter sind es, die da ein Come back erleben? Natürlich bleiben die klassischen Götter der christlichen Konfessionen, natürlich muss die Rede sein von Allah im vielfachen Sinne, von der Sufi Mystik bis zu den Fundamentalisten; oder auch von dem letzten Nichts der Buddhisten bis zu absoluten und beinahe heiligen Werten der Humanisten und bis hin zu den Esoterikern, die man vor kurzem noch New Age nannte.

Was hat damit Philosophie zu tun?

Ich gehe davon aus, dass Philosophie in guter aufklärerischer Tradition Glaubenslehren und religiöse oder esoterische Überzeugungen konfrontiert mit den Grundsätzen der allen gemeinsamen, deswegen sagen wir ja, all – gemeinen Vernunft, so wie wir sie in der europäischen Tradition ausgebildet haben. Also Menschenrechte werden mit den praktischen Auswirkungen religiöser Dogmen im Individuum, in der Gesellschaft und im Staat konfrontiert. Jeder kann in seinem stillen Kämmerlein glauben, was er will, etwa im Himmel sei Jahrmarkt, philosophisch interessant wird der private Glaube dann, wenn jemand diesen himmlischen Jahrmarkt hier in unseren Gesellschaften aufziehen will.
Da gibt es genug zu tun, den neuen Göttern auf die Spur zu kommen, die können sich ja auch in den begriffen Geld, Wirtschaftswachstum oder auch Erfolg und Arbeit verstecken. Deswegen nennen wir unseren philosophischen Salon in Schöneberg religionsphilosophisch, weil wir auch diesen versteckten Göttern verstehend, d.h. nicht: akzeptierend, auf die Spur kommen wollen.

Noch kurz eine 2. Überzeugung: Für mich ist Philosophie kein neutrales Handwerkszeug des Denkens, so, als wäre Philosophie eine gute Schere, die vernünftige von unvernünftigen Stoffen trennt. Philosophie ist kein neutrales Instrument, sie ist eine ganzheitliche Lebenshaltung, das sagen die alten, die griechischen Philosophen deutlich, das hat kant gelebt, das hat Heidegger gesagt. Darum gibt es eine Frömmigkeit des Denkens, eine Art philosophischen Innewerdens des Göttlichen im Geist. Dieser philosophische Glaube wie Karl Jaspers sagte, kann durchaus auf klassische und dogmatische Religionen verzichten. Philosophie schenkt Freiheit, wenn sie in Freiheit vollzogen wird. Dieser „philosophische Glaube“ lebt von der sich stets weiter entwickelnden Vernunft. Seine Kennzeichen sind: Empathie, Liebe, Respekt. Dass es da und dort, etwa in Holland, kleine christliche Kirchen gibt, die die lebendige, sich entwickelnde Vernunft und den lebendigen, sich entwickelnden und niemals statischen Glauben verbinden (wie die Remonstranten), soll hier nur erwähnt werden.

Erwachen zum Alltag

Erwachen zum Alltag
Ein philosophisches “Wort zur Woche” anlässlich des Welttages der Philosophie am 18.11. 2010

In diesem Jahr hat die UNESCO ein Motto zum Welttag der Philosophie vorgeschlagen, das deutlich den interkulturellen Dialog fördert. Es geht um die Anerkennung des anderen, die Anerkennung der „anderen“ Kulturen. Dies bedeutet auch: Respekt für außer -europäische Philosophien. Wir weisen gern auf das Buch des Philosophen Byung – Chul Han „Philosophie des Zen- Buddhismus“ (Reclam) hin, da wird unseres Erachtens deutlich die Differenz zwischen europäischem und zen buddhistisch geprägten Philosophieren herausgearbeitet. Dies Differenz wahrzunehmen und anzuerkennen, ist ein entscheidender Schritt interkulturellen Philosophierens. Dadurch wird Philosophieren „relativiert“.

Byung – Chul Han scheibt:
„Die Erleuchtung (Satori) bezeichnet keine Entrückung, keinen ungewöhnlichen ekstatischen Zustand, in dem man doch „sich“ (selbst) gefiele. Sie ist vielmehr das Erwachen zum Gewöhnlichen. Man erwacht nicht in ein extraordinäres Dort, sondern in uraltes Hier, in eine tiefe Immanenz. Der Raum, den der alltägliche Geist bewohnt, ist auch keine göttliche Wüste Meister Eckarts, keine Transzendenz, sondern eine vielfältige Welt. Der Zen- Buddhismus ist beseelt von einem Urvertrauen ins Hier, von einem ursprünglichen Weltvertrauen…Das Zen Wort „Nichts Heiliges“ verneint jeden extraordinären, extraterrestrischen Ort. Es formuliert einen Rückschwung ins alltägliche Hier“. (s. 32 f.)

„Die Gottesvorstellung, die Meister Eckarts Mystik zugrunde liegt, ist dem Zen – Buddhismus, dieser Religion der Immanenz, grundsätzlich fremd“. (S. 26).

Tiere segnen und Autos, aber nicht alle Menschen, jetzt aber auch Handys

Fragmente zum katholischen Segnungs-Wahn.

Von Christian Modehn.

Dieser Beitrag ist im Laufe der Zeit “gewachsen”, der Autor verspürte aber keine Energie, die vielen Informationen zum katholischen Segnungs-Wahn noch zu sortieren, die Lektüre könnte trotzdem lohnend sein und etwas Spaß machen… und Freude am Katholizismus bereiten.

Man bedenke: Die Sucht der katholischen Kirche, also des Klerus, alles nur Mögliche zu segnen, ist Ausdruck ihres spirituellen und materiellen Machtdenkens: Diese Kirche will mit diesen albernen Segnungen von Tieren, Handys, Autos usw. zeigen: Ein bißchen Macht haben wir Kleriker noch. Nur: Diese letztlich minderwertigen Homosexuellen die segnen wir doch nie und nimmer. Denn dann müssten wir so viele betroffene Kleriker und Bischöfe  ja auch segnen… Das wäre doch sehr blamabel…

1.

TIERE SEGNEN, AUTOS SEGNEN, PFERDE SEGNEN, WAFFEN SEGNEN  usw… Eine unendliche Geschichte….
Philosophische, aber leicht satirische Randbemerkungen…In der Philosophie der sehr lebendigen Aufklärung (im 18. Jahrhundert und später) wurde immer wieder auf gesellschaftliche, ökonomische, kulturelle und kirchliche Merkwürdigkeiten hingewiesen. Wir folgen gern dieser Tradition und veröffentlichen gelegentlich kleine „Fragezeichen“, d.h. kleine philosophisch gemeinte Satiren.

2.

Der folgende Text ist insofern keine Satire, kein Bericht aus surrealen Welten, sondern real, vielleicht realsatirisch…Die Segnung von Autos durch den katholischen Klerus nimmt kein Ende: Nun hat auch noch Papst Franziskus Anfang April 2018 einen Elektro-Rennwagen gesegnet, vor der “Formel E” am 14. 4. 2018. Darüber berichtete mit Foto die offizielle Papst Zeitung “Osservatore Romano”, deutsche Ausgabe, am 20.4.2018 auf Seite 2! Wie man als Papst allen Ernestes Autos für diese verrückten und dekadenten Auto-Rennen segnen kann, bleibt ein päpstliches Geheimnis, und es bleibt ein Skandal. Denn dies ist die Einbeziehung der verrücktesten und überflüssigsten Produkte in den göttlichen Raum,  das ist ja eine Segnung, nach katholischem Verständnis. Segnungen von homosexuellen Eheleuten, falls sie dies von dieser Kirche überhaupt noch wünschen, bleiben ausgeschlossen! Hätte doch bloß ein Papst mal die VW Werke in Wolfsburg gesegnet, möchte man denken…

3.

Zur Segnung eines Walrosses durch den Hamburger Erzbischof: LINK:

4.

Am 18.1.2012 erweitern wir die Informationen. Denn nun finden auch im unmittelbaren Umfeld des Vatikans derartig intensive Tiersegnungen statt, dass der Gestank sicher alle Gemächer der Hochwürden erreicht hat… Wir bleiben stilistisch bei der philosophischen Satire. Wir haben gar nichts prinizipiell gegen Tiersegnungen, sollen doch alle Geschöpfe irgendwie am katholischen Segen teilhaben, wenn die Tierfreunde dies wünschen. Tiere sind ja in unmenschlichen Zeiten bekanntermaßen die besten Freunde vieler Menschen…Aber davon abgesehen. Wir wollen nur weiter dokumentieren, dass Tiere den katholischen Segen erhalten, hingegen nicht alle Katholiken, die um den Segen bitten..
Unsere auf den ersten Blick absonderliche Dokumentation wirft einen Blick auf die Verfassung katholischer offizieller Theologie. kath.net dokumentierte, wir zitieren nur kurz:
17. Januar 2012,
Vatikan: Hohe Tiere zu Besuch
Mehrere Dutzend Pferde, Rinder, Hühner und andere Haustiere haben am Dienstag in Rom vor der Kulisse von Berninis Kolonnaden vom italienischen Kardinal Angelo Comastri einen Segen erhalten. Anlass für die Zeremonie unmittelbar vor den Vatikangrenzen war der Gedenktag des heiligen Mönchsvaters Antonius, des Patrons der Haustiere und Tierzüchter.
Der italienische Tierzüchterverband Aia hatte die Tiere aus der Umgebung von Rom in überdachten Pferchen untergebracht. Die Bandbreite reichte von einem weißen Tolfa-Bullen bis hin zu schwarz-weiß gestreiften Hühnern der aus England stammenden Rasse «Plymouth Rock». Tierärzte boten kostenlose Untersuchungen für Katzen und Hunde an.
Antonius wurde er zum Patron der Haustiere und Tierzüchter. Antonius gilt zudem als einer der Gründerväter des Mönchtums.

5.

Auch die Segnungen von Gegenständen durch die katholische Kirche erfreuen sich kreativer Beliebtheit: Jetzt wurden (am Wochenende 2. Oktober 2011) in Nizza von Pater Gil Florini in einem Gottesdienst in der Kirche St. Pierre d Arène bei 400 Teilnehmern ausgerechnet auch noch Handys gesegnet. “Mögen diese Handys Freude bereiten und den Frieden stärken”, sagte der Priester. Offenbar weiß der geistliche Herr nicht, was er sagt: In einer TV Dokumentation des WDR wurde z.B. gezeigt, wie Kinder unter sklaverei-ähnlichen Bedingungen in der Demokratischen Republik Kongo die Rohstoffe für Handys suchen und “erarbeiten: Coltan und Kassiterit. Der Bürgerkrieg in dem Land, in dem Mord und Totschlag an der Tagesordnung sind, führt zu diesen unerträglichen Arbeitsbedingungen … zugunsten der Handys…. “Mögen sie den Frieden stärken”… Unklar ist, wie viel Weihwasser die frommen Handy Fans ihren nun gesegneten, also Gott wohlgefälligen Geräten, zumuteten…….Dies ist eine aktuelle Meldung, die am 3. 10. 2011 noch eingefügt wurde…

6. Der Haupttext:

Manche gläubige Menschen wollen gesegnet werden. Katholisch gesegnet werden, so richtig mit Choralgesang, Orgel und Weihrauch. Die Existenz als solche reicht diesen Menschen nicht, vielleicht bereitet sie zu viel Angst und Schrecken. Da reicht es dem Frommen auch nicht zu glauben, dass er ja eigentlich getauft ist und eigentlich durch den Heiligen Geist mit dem Unendlichen verbunden ist. Nein, er braucht den Segen, er will mit Weihwasser besprengt werden, eine eigene, leibliche Zuwendung durch Handauflegung spüren. Zusätzlich, in besonderen Lebenssituationen.
In der katholischen Kirche hat sich das Segnen von Gegenständen traditionellerweise über die Jahrhunderte gehalten. Da werden Häuser und Wohnungen gesegnet, sogar Flugzeuge, ICEs und Autos werden unter den Schutz Gottes gestellt oder zumindest der Hilfsbereitschaft des Patrons Christophorus anheim gestellt. Auto Segnungen gibt es ja seit Jahren in vielen Städten; damit wurde wohl gleichzeitig das Auto und damit der Autoverkehr heilig gesprochen, in die himmlische Sphäre gezogen. Autofahren ist gottgewollt, immer mehr Autobahnen dann auch? Der „Heiligste“ aller „heiligen“ Gebrauchsgegenstände wurde sozusagen sakralisiert.

Auch Tiere werden seit Jahrhunderten gesegnet, es wird etwa das Sankt Rita Öl verkauft, es soll auch bei schweren Geburten (etwa bei Kühen, Pferden) hilfreich sein, man muss nur an der richtigen Stelle das Öl auftragen. Es werden sogar Tier – Segnungs – Gottesdienste veranstaltet, meist im Umfeld des Sankt Franziskus Tages. Eine nette Idee, die sprachlose Schöpfung in den Raum der segnenden Kirche einzubeziehen. Aber was ist, wenn bestimmte Menschen um den Segen Gottes bitten, den ihrer Meinung nach ja besonders feierlich die Katholische Kirche austeilen darf? Was ist also, wenn Menschen nach der Scheidung ihre zweite oder dritte Ehe gesegnet haben wollen? Oder wenn homosexuelle Menschen um den Segen für ihre Partnerschaft bzw. ihre Ehe bitten. Es soll ja noch einige wenige Homosexuelle geben, die auf solche Segnungen durch die katholische Kirche wert legen. Diese armen Teufel wie auch die wiederverheiratet Geschiedenen aber werden von der Amtskirche zurückgewiesen. „Wir segnen nur Autos und Eigentumswohnungen, wir segnen nur Flugzeuge und Tiere, etwa Kühe“, heißt es dann lapidar aus Rom und allen Bistümern weltweit, und die Kleriker fahren fort: „Denn wir segnen doch keine Sünder“, so heißt es im offiziellen Katechismus der römischen Kirche von Homosexuellen. Und Geschiedene sollten doch bitte schön Buße tun…Also konzentriert sich die segnende Kirche weiterhin lieber auf Tiere und Gebrauchsgegenstände.

Einige ganz clvere, unbedingt auf Segen erpichte katholische Homosexuelle im Fürstentum Liechtenstein haben eine Art Notlösung gefunden: Sie haben sich als schwules Paar in ein zu segnendes Auto gesetzt, in dem festen Glauben, dadurch sozusagen “mit – gesegnet” zu werden. Im Vatikan ist allerdings umstritten, ob solche “Mitsegnungen” den eigentlichen Wert von Segnung haben. Man darf gespannt auf das Urteil warten..

Kürzlich fand wieder eine Tiersegnung statt, diesmal wurden in der Steiermark wieder einmal Pferde gesegnet. Da setzte sich ein segnender Pfarrer auf das Tier und wurde nach kurzem Ritt heruntergeworfen. „Wehren sich jetzt die Tiere gegen Segnungen, wollen sie etwa auf diejenigen Menschen verweisen, denen eine gar nicht so gnädige Kirche den Segen verweigert?“ Wir wollen diese Frage, die uns aus Österreich erreicht, gern weitergeben. Die Österreicher schreiben: “Wir wünschen dem reitenden und segnenden Tier-Pfarrer natürlich gute Genesung… und viel Segen“.

PS.:Manche Segnungen hat die Kirche inzwischen wohl stark eingeschränkt: Die Segnung von Waffen, wie noch bis ins 19. Jahrhundert üblich, ist jetzt etwas tabu geworden. Wie sollte sich der liebe Gott denn auch entscheiden, wenn die Franzosen ihre Waffen gegen die Deutschen richteten und um Sieg der Franzosen beteten … und die Deutschen Selbiges auch taten, bloß gegen die Franzosen… Oder gab es damals National – Götter, die parteilich waren? Sind die unterlegenen, aber in den USA gesegneten Waffen (Kardinal Spellman, New York, war ein ganz großer Segner) im Vietnam Krieg, letztlich ein Hinweis auf die größere Stärke möglicherweise des dortigen buddhistischen Glaubens? Verloren haben die Menschen in allen Kriegen immer alles, auch mit dem Segen einer Herrschaftskirche…

Das Thema der Segnung von Objekten und der Zurückweisung von Segnungen für bestimmte Menschen nimmt kein Ende: Gerade berichtet der SPIEGEL in seiner Ausgabe vom 15.11.2010 (S. 62), wie der Bischof Limburg, Tebartz -Van Elst, an einer Segnung von Óldtimern teilgenommen hat. Spitzfindige Theologen werfen in dem Zusammenhang die Frage auf, was denn passiert, wenn diese Oldtimer vielleicht vor 50 Jahren schon einmal gesegnet wurden. Sind Doppel – Segnungen von Autos zulässig? Erhöhen sie den Grad der Segnung? Und aus Rom erreicht uns die Meldung, dass künftig auch die sündhaft teuren roten Prada Schuhe von Benedikt XVI. gesegnet werden sollen. Das wäre wohl der beste Segen für Prada…

7.

PS.:Ursprünglich glaubten wir Mitglieder im Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon, man könne die Vorliebe der römischen Kirche für die allumfassende Segnung von Autos, Tieren, Waffen usw. und die Ablehnung der Segnung von ALLEN Menschen nur satirisch – realistisch fassen. Dem ist leider nicht so! Die Wirklichkeit ist stärker als die Satire: Benedikt XVI. hat in seinem so genannten Interview Buch “Licht der Welt” jetzt im November 2010 wieder erneut seine, so berichten unsere römischen Korrespondenten, Haltung bestätigt: Segnungen homosexueller Paare /falls denn überhaupt noch ein solches Paar um römischen Segen bittet/ sind absolut ausgeschlossen. “Homosexualität …bleibt etwas, das gegen das Wesen dessen steht, was Gott ursprünglich gewollt hat”, so Ratzinger in dem genannten Buch. Woher weiß Joseph Ratzinger, was “Gott ursprünglich gewollt hat”, war er persönlich bei der Schöpfung dieser Welt und ihrer Menschen dabei? Welche politischen und sozialen Konsequenzen ergeben sich aus solchen Worten?

Fördern Ratzingers irren Worte das interreligiöse Eingeständnis, dass im muslimischen Iran Homosexuelle als göttlich nicht gewollt hingerichtet werden? Weiß dieser alte Herr in Rom, Ratzinger, was er für Unsinn daher schwadroniert. Unsere Vermutung: Leider weiss er es.

Nebenbei: Je schwulenfeindlicher ein Priester, um so mehr ist er selbst schwul, Klemmschwestern nennt man solche Leute… Die Religionskritik kann nicht müde werden, abwegige und inhumane Überzeugungen zu kritisieren. Kritik ist das, was uns angesichts gegebener Herrschaftsformen (hoffentlich) bleibt.

8.

Am 17.1.2011 berichtet KNA, “Tiersegen am Vatikan

“Mit einer Tiersegnung am Petersplatz und einem Gottesdienst in der Basilika ist am Montag in Rom das Fest des heiligen Mönchsvaters Antonius begangen worden. Kardinal Angelo Comastri feierte im Petersdom…” Wer unbedingt will, kann bei KNA weiterlesen. Also: Tiersegnungen sind für den Papst wichtiger als Menschensegnungen.

Aber kann man, darf man,  die gesegneten Tiere dann eigentlich noch essen, fragen mich katholische Gourmets aus Paris. Oder werden homosexuelle Paare, die gesegnetes Tierfleisch zu sich nehmen, vielleicht indirekt dann doch irgendwie noch gesegnet, sozusagen durch Vermittlung gesegneter Tiere? Oder wird damit ein päpstlicher Vegetarismus (“gesegnete Tiere isst man nicht”) als ethische Pflicht der Glaubenden, der frommen Tierfreunde, eingeläutet? “Schön wär es”, sagen meine vegatarischen Freunde…

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophicher Salon Berlin

 

Barcelona – Dialog der Religionen

Dialog der Religion in Barcelona

In Katalonien sorgt die Regierung dafür, dass sich alle Religionen frei entfalten können – wenn sie die Staatsgewalt anerkennen
Von Christian Modehn

– angesichts des Besuches des Papstes in Barcelona am 8. 11.2010 dürfte dieser Beitrag von Interesse sein-
Katalonien mit der Hauptstadt Barcelona ist eine besonders ehrgeizige Region in Spanien: Ökonomisch in guter Verfassung, fördert die Landesregierung nicht nur kulturelle Innovationen im Bereich von Literatur und Theater. Sie will auch die Religionen fördern und dafür sorgen, dass sich alle Konfessionen frei und gleichberechtigt entfalten können. Aus diesem Grund hat die sozialistische Regierung vor acht Jahren – einmalig in Europa – das staatliche Büro für religiöse Angelegenheiten geschaffen. Es wird von der Philosophin Montserrat Coll geleitet, die der linken Partei ERC nahesteht. Die ERC setzt sich für einen eigenständigen katalonischen Staat ein.

In Katalonien sind 13 verschiedene Religionen vertreten, darunter Buddhisten und Hindus, Juden und Sikhs, Baha’i und Taoisten sowie einige evangelische und orthodoxe Kirchen. Der Anteil der einst dominierenden Katholiken nimmt kontinuierlich ab. Jeder zehnte Einwohner Barcelonas nennt sich »Atheist«. Bei den lateinamerikanischen Immigranten werden die evangelischen, zum Teil pfingstlerischen Freikirchen immer beliebter.

Alle diese Gemeinschaften will das Amt für religiöse Angelegenheiten beraten und unterstützen, etwa wenn sie Bauland für ihre Kirchen und Tempel benötigen oder Hilfe bei sozialen Projekten erforderlich ist. Doch diese Unterstützung erfolgt nur unter klaren Bedingungen: »In Katalonien haben alle Religionen die Trennung von Politik und Glaube anzuerkennen. Religiöse Vorschriften dürfen niemals staatliches Gesetz werden«, sagt Montserrat Coll.

Diese Forderung ist vor allem auf die muslimischen Gemeinden gemünzt: Die Scharia darf keine Gültigkeit haben. »Allerdings kann sich jeder und jede so kleiden, wie es der eigenen religiösen Tradition entspricht, unter der Bedingung, dass dabei nicht die Freiheit anderer beeinträchtigt wird.« Radikale Tendenzen sollen dadurch unterlaufen werden, dass der Staat sich um die Ausbildung Katalanisch sprechender Imame kümmert. »Die Religionen sollen ihre eigenen Werte einbringen, sie müssen aber das bürgerliche Zusammenleben respektieren und für die Integration ihrer Gläubigen in unserem Land sorgen. Das bedeutet für uns Laizität des Staates«, sagt die 56-jährige Politikerin, die sich selbst als progressive Katholikin bezeichnet.

Erst kürzlich organisierte das Amt für religiöse Angelegenheiten »Tage der offenen Tür« in etwa 100 muslimischen Gebetshäusern. Im Mai 2005 wurde das Katolanische Parlament der Religionen einberufen: 800 Vertreter aller Konfessionen kamen zusammen. Einmal mehr musste die katalonische Öffentlichkeit zur Kenntnis nehmen, dass oft noch verfeindete Religionen durchaus auch partnerschaftlich miteinander umgehen können. Ohne staatlichen Einsatz wäre das nicht möglich gewesen. »Die Tatsache, dass es dieses staatliche Amt für Religionsfragen gibt, ist ein klares Zeichen dafür, dass die sozialistische katalonische Regierung die Notwendigkeit und Bedeutung von Religion in der sogenannten postsäkularen Gesellschaft anerkennt«, meint der deutsch-katalonische Philosoph Alexander Fidora aus Barcelona. »Ich sehe darin eine Chance: Es wird Druck auf die religiösen Gemeinschaften ausgeübt, im politischen Diskurs die eigenen Positionen und religiösen Überzeugungen für alle verständlich darzustellen.«

Da die meisten Religionen ökonomisch und personell zu schwach sind, um auf breiter Ebene den interreligiösen Dialog organisieren zu können, müssen auch konfessionell neutrale Gruppen aktiv werden: So bemüht sich zum Beispiel Unesco CAT (CAT steht für Katalonien) seit 1999 um eine Überwindung des Konfessionalismus und Fundamentalismus an der Basis. »Unsere Vereinigung will durch den interreligiösen Dialog für den sozialen Frieden sorgen. Dabei werden wir von der Landesregierung finanziell unterstützt. Unsere Mitglieder gehören verschiedenen Religionen an«, berichtet der Geschäftsführer des Vereins, der Religionswissenschaftler Francesc Torradeflot. »Evangelische Pfarrer sind dabei und Rabbiner, katholische Priester und Laien sowie buddhistische Mönche. Selbst die Muslime machen mit. Und auch Organisationen der Atheisten nehmen am Dialog teil, es haben sich schon Freundschaften zwischen Atheisten und Christen in unserem Verein gebildet.«

Über diese Erfahrungen wird in der Zeitschrift Dialogal berichtet. Sie wird von Unesco CAT herausgegeben und vom Amt für religiöse Angelegenheit finanziert. Dialogal vertieft aus religionswissenschaftlicher Perspektive die Kenntnisse über die Weltreligionen, berichtet über religiös bedingte Konflikte weltweit, aber auch über interreligiöse Gesprächskreise in den Haftanstalten Kataloniens oder über wissenschaftliche Diskussionen im Kloster Montserrat bei Barcelona.

Am wichtigsten ist die Vereinsarbeit in den Neubauvierteln am Rande der großen Städte. Dort kümmern sich Teams von Pädagogen, Religionswissenschaftlern und Psychologen um den sozialen Frieden. Sie schalten sich ein, wenn es Konflikte gibt, wenn sich arabisch geprägte Jugendliche mit Spaniern prügeln. »Unsere Mediatoren gehen in die sogenannten schwierigen Wohnviertel und besuchen alle religiösen Gruppen des Stadtteils«, berichtet Francesc Torradeflot. Sie arbeiten mit der Stadtverwaltung und den verschiedenen religiösen Gemeinden zusammen.

Inzwischen gibt es ein weltweites Netzwerk »religionswissenschaftlicher Mediatoren in Krisengebieten«. Die Teams der Friedensstifter in Barcelona plädieren dafür, in allen Schulen den Religionskunde-Unterricht einzuführen, der über alle Religionen objektiv informiert. Wer nur den konfessionellen Unterricht erlebe, sei dem religiösen Pluralismus nicht gewachsen, heißt es. Die katalonische Regierung steht dem Projekt sehr positiv gegenüber. Doch die katholischen Bischöfe sind strikt dagegen. Sie berufen sich auf das Konkordat mit dem Vatikan, in dem der konfessionelle Religionsunterricht in Verantwortung der Kirche festgeschrieben ist.

Doch der interreligiöse Dialog kommt auch in der katholischen Kirche voran: Der Kardinal von Barcelona, Luis Martinez Sistach, empfing kürzlich eine Gruppe von Muslimen. Wenige Tage später nahm er sich Zeit, mit dem Dalai Lama zu sprechen. Beide betonten: »Der Dialog kann den Geist eines jeden Gesprächspartners reinigen sowie zum Mitleid mit den Ausgegrenzten führen.«