Das absolut geltende Beichtgeheimnis wird „ein bisschen“ gebrochen
Die Neuerscheinung „Je vous pardonne tous vos péchés“ von Vincent Mongaillard
Ein Hinweis von Christian Modehn am 13.3.2021. Am Ende dieses Beitrages siehe auch eine von vielen Stellungnahmen in Frankreich.
1.
Ein Skandal: 40 katholische Priester in Frankreich berichten jetzt vom Inhalt der Beichten, die sie von Frommen und weniger Frommen „gehört“ haben. Und diese Plaudereien sind so umfassend, dass sich daraus ein Buch von 480 Seiten machen ließ, das sehr preiswert für 14,90 € im Verlag „Edition de l Opportun“ (Paris) am 12.März 2021 veröffentlicht wurde, also im „Verlag des Günstigen“, der seinen interessanten Untertitel auf der Website mitteilt: „Découvrir, rire et surprendre“, also “Entdecken, Lachen, Überraschen bzw. Überrumpeln“. Ein Verlag, der durchaus seriös ist, auch wenn er in der intellektuellen Szene nicht so bekannt ist; zum Verlag gehört auch der auf Studenten spezialisierte Verlag „L Etudiant éditions“.
2.
Zum Lachen (rire) ist das Buch für die Katholiken und ihre Bischöfe und Theologen ganz und gar nicht. Denn es ist das Dokument eines ungeheuerlichen Tabubruches: Erst im Juli 2019 hatte Papst Franziskus eindringlichst gelehrt: „Das Beichtgeheimnis betrifft das Wesen der Kirche und des Christentums. Das Beichtgeheimnis muss durch den Priester absolut bewahrt werden“. Auch der offizielle Katechismus von 1993 betont im § 1467, „dass jeder Priester unter strengsten Strafen verpflichtet ist, über die Sünden, die seine Pönitenten ihm gebeichtet haben, Stillschweigen zu wahren…Dieses Beichtgeheimnis lässt keine Ausnahmen zu…“
3.
40 Priester haben sich jetzt diese Ausnahme erlaubt: Sie sprechen von den Sünden ihrer Pönitenten (Beichtenden), aber sie nennen keine Namen, die Priester wie die Beichtenden bleiben im Nebel des Anonymen. So entsteht trotzdem ein soziologisch interessantes Bild: Welche Sünden heute und in den letzten Jahren im Beichtstuhl einem Priester anvertraut wurden.
4.
Aber so 100 prozentig anonym sind dann doch die Berichte der Priester nicht: Die katholische Tageszeitung La Croix weist etwa darauf hin, dass auch Namen von Städten genannt werden, auch die Namen von weiteren Orten, „so dass gewisse Leute sich wiedererkennen oder erkannt werden“. Einer der plaudernden Priester berichtet etwa von Beichten, die er „gehört“ hat, bei großen Pfadfindertreffen im Wallfahrtsort Paray-le-Monial. Die Pfadfinder werden wohl in Zukunft nicht mehr so begeistert ihre Pfade zu einem Beichtstuhl finden…
5.
Das Buch von Vincent Mongaillard ist systematisch gegliedert, je nach der „Natur“, d.h. der Schwere und Bedeutung der Sünde. Der Autor ist als Journalist auf religiöse Themen spezialisiert in der eher populären Tageszeitung „Le Parisien“ (Auflage 2020 ca. 180.000 Exemplare) seit mehr als 20 Jahren tätig. Er betont in seinem Vorwort, die Bekenntnisse der Beichtenden seien präzise wiedergegeben. „Wir haben darauf geachtet, dass kein Sünden – Bekenntnis das hochheilige Geheimnis der Beichte verrät. Denn wir wollen nicht, dass wir, die „Wohltäter der Information“, nun förmlich entblößt dastehen aufgrund unseres profanen Werkes (Buches).“
6.
In jedem Fall ist das Vertrauen der Katholiken erschüttert, sie werden kaum noch den Drang verspüren, überhaupt noch zur Beichte gehen. Tatsächlich hat die Praxis des „Bußsakramentes“ in den Beichtstühlen seit Jahren rapide abgenommen. Während sich noch vor 50 Jahren lange Schlangen vor den Beichtstühlen bildeten, zumal vor Ostern, sind die Beichtzeiten in den Kirchen heute auf ein halbes Stündchen pro Woche geschrumpft.
7.
Insofern fördert dieses Buch den weiteren Niedergang der Beichte. War dies vielleicht auch die Absicht der 40 Priester, die da den Tabubruch begehen? Weil sie wissen, wie wenig seelische Hilfe tatsächlich eine Beichte im Beichtstuhl bieten kann, die meistens nicht länger als 3 Minuten dauert. Vielleicht sehen die anonym bleibenden Priester auch das Defizit der Beichte: Denn die Priester können dem Sünder nur empfehlen, die Schuld, die er gegenüber anderen Menschen auf sich geladen hat, zu korrigieren. Über die Motive der Priester, an dem Buch mitzuarbeiten, wird man noch weiter forschen, falls die Priester überhaupt noch einmal etwas sagen.
8.
Papst und Bischöfe werden die 40 Priester nicht zwingen können,ihre Identität preiszugeben. Die kirchlichen Autoritäten stehen also sehr hilflos da. Strafe ist aufgrund der Anonymität unmöglich. Und auch der Staat wird nicht eingreifen können, er lässt die Kirche doch ohnehin nach eigenen Gesetzen im Staat gewähren. Und dass sich ein Beichtender so präzise wiedererkennt, ist unwahrscheinlich.
9.
Warum also dieses Buch? Weil das Thema förmlich in der „Luft liegt“ bei all den nicht enden wollenden Affären zum sexuellen Missbrauch durch Priester. Im Tagesspiegel vom 13.3.2021, Seite 3, wird berichtet, dass ein Beichtvater einer jungen Frau die Abtreibung empfohlen hat, der Vater war ein anderer Priester. Im Beichtstuhl “brennt” es, wenn ein Priester dort das schlimmste aller Übel in der Sicht katholischer Moral empfiehlt: die Abreibung, eine Empfehlung, die übrigens schon der Priester – Vater der jungen schwangeren Frau gegeben hatte. Wieder einmal: Der gute Ruf des Klerus ist sogar wichtiger als der viel beschworene Lebensschutz. Wahrscheinlich geht de Beichtvater nach dieser Beicht – Empfehlung zu einer “Pro – Life – Demo….”
10.
Das Buch „Ich vergebe euch alle eure Sünden“ wird die letzten Phasen der Debatte über die Beichte erneut noch einmal beleben, das Buch wird zu der Frage führen: Wie kommt der Klerus eigentlich dazu, als Mittler zwischen dem einzelnen und Gott, zwischen dem Sünder und Gott, aufzutreten und bindend und lösend zu agieren? Zumal der Verdacht des sexuellen Missbrauchs jegliches Ansehen des Priesters verdorben hat. Und nun auch die 40 französischen Priester, die etwas aus dem Beichtstuhl plaudern…Das ist sozusagen ein weiterer „Gau“ im Katholizismus.
Die Debatte wird also noch mal über die anmaßenden Rechte des Klerus gehen, ein Thema, das seit der Reformation virulent ist. In ihrer wissenschaftlichen Studie. „Pratiques de la Confession“ (Praxis der Beichte), Edition du Cerf, Paris, 1983, weisen die Autoren darauf hin, dass über die Beichte bis dahin wenig studiert und publiziert wurde. Das Detailwissen ist im allgemeinen gering. Erst im 7. Jahrhundert wurde in Irland die individuelle Beichte eingeführt (S.17). Die Studie weist auch auf die klerikale Macht hin, denn bis ins 19.Jahrhundert war der Beichtvater meist der Gemeindepfarrer. Er kannte also viele seelischen Aspekte seiner Mitbewohner, hatte ein geheimes Herrschaftswissen. Er kannte die Familien, wusste, welche Kinder aus welchen „guten“ Familien vielleicht mit einem kirchlichen Stipendium zu fördern seien und welche nicht. Zu Ostern mussten ohnehin alle Angehörigen einer Pfarrei zur Beichte gehen, sie erhielten nach der Beichte ein Zettelchen oder ein Heiligenbild, das die erfolgte Beichte dokumenterte. Nur wer dieses Dokument vorweisen konnte, durfte an der Osterkommunion teilnehmen.
11.
Einem Bekannten kommt diese Buchpublikation etwas mysteriös vor. Ich will gern den – wahrscheinlich doch wohl unbegründeten – Verdacht eines auch mal anonym bleibenden Bekannten weitergeben: Nichts ist leichter für einen Autor, der etwas Aufsehen erregen und Geld verdienen will, als ein Buch zu schreiben, in dem anonym Priester von der Beichte plaudern und von den Süden der Beichtenden erzählen. Niemals wird bewiesen werden können, ob die Stories authentisch sind oder der Phantasie eines Kenners entsprungen sind.
Wie gesagt: Die Kirchenführung hat kein Mittel, die 40 Priester, falls es sie gibt, zum Sprechen zu bringen. Und der Staat auch nicht. Und auch den Autor kann wohl kein Staat zwingen, Namen zu nennen. Die Kirche kann höchstens die Zeitungsredaktion so lange bearbeiten, bis der Journalist seinen Job verliert…
Aus diesem Stoff ließe sich gut ein „Tatort“ oder ein ähnliches Krimi-Stück realisieren. Die Geschichte: Erst wenn der erste plaudernde Priester identifiziert ist und stirbt und dann auch der Journalist angeschossen wird, kommt die Sache „ins Rollen“. Diese Idee hat Christian Modehn am 13.3.2021 formuliert.
12.
„Ins Rollen“ ist die Beichte in jedem Fall gekommen, sie wird wohl “fortrollen”. Die Beichte wird als flüsterndes Gespräch bzw. Getuschel in eher unbequemen, manchmal etwas muffigen Beichtstühlen mindestens in Europa verschwinden.Weil auch das Bewusstsein schwindet, ob der Mensch nun Sünden begangen oder schwere Fehler gemacht hat. Der Gott mit dem drohenden Zeigefinger ist verschwunden.
Leider sind die besseren Seelsorger, also die Psychotherapeuten, absolut ausgebucht.
13.
In einigen Staaten wird darüber debattiert, ob das Beichtgeheimnis der Priester bei „schweren Verbrechen“ gelten kann, so in Australien (Vicoria) oder im Bundesstaat Louisiana, USA.
Nach kirchlichem Recht hat der „Beichtvater“, wenn ihm ein schweres Verbrechen gebeichtet wird, nur die Pflicht, den Übeltäter aufzufordern (!), sich den staatlichen Justiz – Behörden zu stellen. Eine sehr vornehme Art der Kirche, mit beichtenden Schwerverbrechern umzugehen. Dies gilt besonders auch fürs süditalienische Mafia-Milieu, die Maffia Bosse haben ja bekanntlich ihre eigenen Wallfahrtsorte und damit Orte des Beichtens, wie etwa die Kirche Notre Dame de Polsi in Calabrien. “Le Monde” berichtete darüber am 12.2.2021, Seite 19.
Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.
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Ein Beitrag des Radio – Senders Europe1 am 11.3.2021:
Dans “Je vous pardonne tous vos péchés”, Vincent Mongaillard a recueilli les confidences de 40 prêtres qui, tout en préservant l’anonymat des fidèles, ont accepté de lever le voile sur ce qu’ils entendent en confession. Si certains aveux prêtent à sourire, d’autres relèvent du Code pénal.
C’est une règle d’or depuis des siècles : face aux fidèles venus faire pénitence de leurs péchés, les prêtres sont tenus au secret. Les paroles chuchotées dans la petite alcôve d’un confessionnal sont protégées par le silence du clerc, quelle que soit la gravité du crime avoué. Dans Je vous pardonne tous vos péchés, publié ce jeudi par Vincent Mongaillard aux Éditions de l’Opportun, 40 prêtres dévoilent ce qu’ils ont pu entendre en confession au fil des années, tout en préservant l’anonymat de leurs ouailles.
Un travail de longue haleine pour le journaliste du Parisien, à qui il a fallu trois ans pour arriver à bout de ce livre.”On a établi un rapport de confiance avec ces prêtres et on a gardé que le prénom. Qu’ils se rassurent, ils ne seront pas excommuniés puisqu’ils ne brisent pas le secret de la confession. On ne peut pas identifier les pénitents”, assure-t-il au micro d’Europe 1. Mais comme il l’écrit, certains secrets sont plus lourds à porter que d’autres.
Un crime confessé devant le prêtre
Il y a en effet les petits péchés, comme ce chauffeur de taxi qui confesse prendre des chemins plus longs pour faire payer plus cher ses clients, ou encore ce septuagénaire qui raconte, 60 ans plus tard, avoir bu du vin de messe lorsqu’il était enfant. Il y a également ce jeune scout qui a tué une fourmi. Mais le livre évoque aussi des secrets très lourds. Ainsi, cet homme en détention provisoire qui a confessé son crime à un prêtre. Quelques mois plus tard, il plaide non coupable devant la justice des hommes et se voit acquitté. De quoi placer un énorme poids sur les épaules du prêtre, mais qui assume, comme tous les autres, le secret absolu de la confession.
Les prêtres encaissent en confession beaucoup de souffrance et doivent parfois improviser des solutions pour empêcher le pire. Vincent Montgaillard raconte comment l’un d’eux décide de récupérer l’arme d’un jeune homme de 20 ans qui vit en roulotte avec sa mère… dont il veut se débarrasser. Le prêtre finira par déposer le revolver au commissariat sans donner l’identité de son propriétaire.
”
C’est très dur pour eux parce qu’ils portent sur leurs épaules tous les vices, toute la misère de notre société. Certains vont vous dire que c’est le Seigneur qui fait le travail mais après une journée de confessions, ils sont épuisés. C’est extrêmement éreintant”, reconnaît l’auteur.
Des confessions plus cocasses
“Certains prêtres m’ont confessé que deux tiers des pêchés étaient liés au-dessous de la ceinture, à des histoires d’adultère, d’addiction”, a encore expliqué Vincent Montgaillard. Comme cette confession cocasse d’un couple : la femme raconte tromper son mari avec un ami du couple, mais juste après, le mari confesse lui aussi tromper sa femme avec un ami. Le prêtre comprend vite qu’il s’agit de la même personne. Mais l’avantage, c’est que tout, devant Dieu, est pardonnable.