“Gefährlich und menschenverachtend“
Zu einem neuen Buch von Alan Posener über das politische Denken Benedikt XVI. .
Von Christian Modehn
Benedikt XVI. wird als „Mozart der Theologie“ hoch geschätzt und sogar als „Geistesriese“ in philosophischen Fragen gerühmt: Könnte man solche Lobeshymnen auch anstimmen, wenn man die politischen Auffassungen des deutschen Papstes näher kennt? Was hält er von Demokratie und Menschenrechten? Der Berliner Publizist Alan Posener hat diese Fragen untersucht. Sein Buch ist vor wenigen Tagen erschienen, es trägt den Titel: „Benedikts Kreuzzug“. Christian Modehn hat es gelesen.
Alan Posener hat als freier Schriftsteller und Publizist auch für Zeitungen aus dem Springer Verlag gearbeitet. Sie haben bekanntermaßen nicht gerade den Ruf, eine Art Forum von Papstkritikern zu sein. Es waren persönliche Neugier und wissenschaftliches Interesse, die den Autor zum Studium der politischen Äußerungen des früheren Kardinals Joseph Ratzinger und heutigen Papstes Benedikt führten. Das Ergebnis seiner Recherchen fasst Alan Posener im Untertitel seines Buches zusammen, „Der Angriff des Vatikans auf die moderne Gesellschaft“. Im Vorwort wird der Autor noch deutlicher: „Ich klage Benedikt an. Ich halte sein politisches Denken für irregeleitet, gefährlich und in letzter Instanz für menschenverachtend“. Alan Posener liebt die Zuspitzung, auch die Polemik, und so ist seine reich dokumentierte Studie zugleich eine Aufforderung, über die politischen Auffassungen des Papstes zu debattieren und zu streiten. Denn die Sache ist schwerwiegend: Wenn das geistliche Oberhaupt von 1,3 Millionen Katholiken ein gebrochenes Verhältnis zur Demokratie hat, hat das letztlich weltweit Auswirkungen, zumindest bei Gläubigen, die sich als gehorsame und papsttreue Schäfchen sehen.
Wie sein Vorgänger hält auch der deutsche Papst, so wörtlich, die demokratische Gesellschaft und die demokratische Staatsordnung bloß für „ein geringeres Übel gegenüber der Diktatur des Kommunismus“. Auch nach dem Zusammenbruch dieses totalitären Regimes bleibt die westliche Demokratie für den Papst trotzdem „ein Übel“. Denn in der Herrschaft des Volkes haben unterschiedliche Auffassungen und Meinungen gleiche Rechte. Jede Position ist in der Demokratie nun einmal relativ, keine Überzeugung darf sich als einzige und unumstößliche Wahrheit präsentieren. Benedikt XVI. lehnt diese demokratische Kultur ab, er nennt sie „die Diktatur des Relativismus“. Sie fördere in ihrer angeblichen Beliebigkeit nur den Missbrauch der Freiheit und damit die Lust am Bösen. Dem hält Alan Posener entgegen: Wollen wir denn anstelle der angeblichen Diktatur der demokratischen Vielfalt etwa eine Diktatur der absoluten Wahrheit des Papstes? In seinem Buch führt Posener den Nachweis, wie Benedikt XVI. und seine Curie (sein Hofstaat) daran arbeiten, die moderne Welt unter die geistliche, moralische Herrschaft der Kirche zu stellen.
Der Autor hat auch die katholischen Quellentexte studiert, etwa den Katechismus, an dem Joseph Ratzinger als Kardinal mitwirkte, darin wird Demokratie gar nicht erwähnt.
Für viele Leser wird es überraschend sein zu erfahren, wie sich der Vatikan mit reaktionären islamischen Staaten verbündet, um eigene Positionen durchzusetzen, etwa in der Abwehr von Frauenrechten oder im Kampf gegen die Gleichstellung homosexueller Lebensgemeinschaften. Interessant sind die Hinweise über die Kontakte zwischen dem Vatikan und dem Iran. Ausdrücklich lobt ein führender Jesuit aus Rom diesen fundamentalistischen, antisemitischen Staat, weil dort, so wörtlich, eben auch eine Hierarchie herrsche… Der Vatikan ist sich mit fundamentalistischen islamischen Staaten immer einig, wenn sie sich gemeinsam gegen kritische, angeblich blasphemische Karikaturen wehren. In diesen Fällen treten sie gemeinsam für die Einschränkung der freien Meinungsäußerung ein.
Alan Posener zeigt, wie Benedikt XVI. alles tut, um die moderne Vernunft zu diffamieren, jene Vernunft, die sich in der philosophischen Aufklärung des 18. Jahrhunderts zu Wort meldete und letztlich zur Formulierung der Charta der Menschenrechte führte. Im Vatikan Staat hat z.B. die Gewaltenteilung keine Bedeutung.
Das neue Buch von Alan Posner wird, so ist zu hoffen, gründliche Diskussionen anstoßen, etwa über die Frage: Wie heilig ist denn der „Heilige Vater“ angesichts der hier vorgelegten Hinweise zu seinem vordemokratischen, wenn nicht antidemokratischen Denken. Leider hat der Autor nicht die Frage beantwortet, warum denn der Vatikan seit etlichen Jahren zum Beispiel die Rechte der Armen in Afrika oder der Flüchtlinge und Arbeitslosen verteidigt. Zeigt sich darin nur die Caritas, die christliche Nächstenliebe, oder ist auch dieses Engagement nur eine Art Feigenblatt, um machtpolitische Interessen zu verbergen? Bei einer 2. Auflage dieses wichtigen Buches hätte man gern darauf eine Antwort.
Alan Posener, Benedikts Kreuzzug. Der Angriff des Vatikans auf die moderne Gesellschaft. Ullstein Verlag Berlin, 272 Seiten, 18 Euro.
Dieser Beitrag wurde auch im NDR gesendet.