Der Beitrag des Papstes zum Fall der „Brandmauer“ gegen Rechtsextreme?
Ein Hinweis von Christian Modehn am 11.12.2025
1.
Papst Leo hat am 10. Dezember 2025 PolitikerInnen in seinem Apostolischen Palast im Vatikan getroffen und mit einer freundlichen, leicht mahnenden Rede unterhalten. Die Papst – begeisterten PolitikerInnen sind Mitglieder der Fraktion ECR („European Conservatives and Reformists“.) Dazu gehören (Stand Dez. 2025) 79 Abgeordnete aus 18 Ländern. Die Fraktion nennt sich selbst „konservativ und demokratisch.“ Und diese eher normal und seriös wirkende Selbstbezeichnung glauben auch einige Leute, selbst im Vatikan, ganz offensichtlich selbst der Papst. Mit einem umfassenden kritischen politischen Wissen über diese Leute hätte der Papst – bei seiner kostbaren Zeit – den Empfang im wunderschönen „Salle Clementine“ ablehnen können … und statt dessen die sehr vielen frustrierten katholischen Frauen ins Gespräch eingeladen, Frauen, denen der Papst stur und steif immer noch den Zugang zum Diakonat verweigert, entgegen aller (!) theologischen Vernunft. So empfängt Papst Leo nun entgegen aller politischen Vernunft diese rechtsextremen Politikerinnen, die sich diplomatisch üblich-normal, aber verlogen „europäische Konservative und Reformer“ nennen.
2.
Die meisten dieser ECR Parteien sind in ihrer politischen Praxis und Theorie explizit z.B. gegen liberale, also humane und vernünftige Abtreibungsgesetze, sie verteidigen natürlich die hetero – normative Ehe, sie wehren sich gegen die umfassende Gleichberechtigung von queers, sie sind gegen die grüne Umweltpolitik und vor allem: Sie wollen mit aller Bravour ihre Länder von Flüchtlingen und Fremden, vor allem aus dem muslimischen Raum, absolut freihalten … mit ihrer restriktiven „Rückführungspolitik“. Aber, und das ist wichtig, diese PolitikerInnen geben sich als sehr christlich. Sie plustern sich auf als Verteidiger ihres christlichen Europa, ihres „Abendlandes“, dessen Werte sehen sie ausschließlich vom Christentum bestimmt. Neuerdings sind viele dieser sehr rechten, rechtsextremen Politikerinnen ganz offensiv plötzlich judenfreundlich geworden und nennen ihr kulturelles Ideal „jüdisch-christlich“, aber das behaupten sie nur, um ihre Ablehnung auf den Islam zu kaschieren. Eine verlogene Juden-Freundlichkeit wird benutzt gegen die Islamophobie!
3.
Die Begegnung des Papstes mit diesen Leuten fand am 10.Dez. 2025 statt, weil Giorgia Meloni, die Ministerpräsidentin Italiens, ihre FreundInnen vom ECR zu einer Konferenz nach Rom eingeladen hatte. Um sich die Gunst der vielen sehr konservativen, z.T. rechtsextremen Wähler zu erhalten, ist ein Besuch der Parlamentarier beim Papst immer hilfreich. Man bedenke, dass die polnische, sich sehr katholisch gebende PIS-Partei zum Club der ECR gehört, auch französische Politiker dieser Fraktion, wie Madame Maréchal, sind tief verwurzelt im katholischen Milieu. Zur rechtsextremen französischen Partei Reconquete und ihres Führers Eric Zemmour: LINK.
Die katholische Ministerpräsidentin Italiens Giorgia Meloni gehört zur Partei „fratelli d Italia“, auch die Partei ist Mitglied im Club der ECR. Madame Meloni war bekanntermaßen einst Mitglied der neofaschistischen Jugendorganisation der neofaschistischen Partei MSI; auch die Partei Fratelli d Italia gilt unter objektiven Politologen als „post-faschistisch“ und „rechtsextrem.“ Auch die „Schwedendemokraten“ gehören zur ECR Fraktion, auch sie gelten als rechtsextrem. Dasselbe gilt für die Partei „Wahre Finnen“, um nur einige weitere rechtsradikale Parteien im ECR zu nennen.
4.
Dies sind also die Gäste im Hause des Papstes. Er wird sich herausreden, dass er als Papst doch mit allen Menschen reden muss. Soll er doch bitte tun und etwa mit den total frustrierten katholischen Frauen lange ausführlich sprechen und sie endlich gleichberechtigt behandeln oder mit den vielen Priestern, die Frauen lieben und den Zölibat – Gott sei dank – nicht „halten können“ oder mit den sehr sehr vielen schwulen Priestern, die gern mit Ihrem Partner offen in den Gemeinden leben möchten. Aber nein, dieser Papst empfängt Rechtsextreme. Er verpasst seine Aufgaben, das kann nur jemand schreiben, der als katholischer Theologe Gott sei Dank vor 15 Jahren aus dieser Kirche ausgetreten ist… Die anderen tun doch nicht den Mund auf….
5.
Diese sehr rechtslastigen alles andere als Menschenrechts-freundlichen politischen Herrschaften also hat Papst Leo zu sich in den Apostolischen Palast geladen. Allein seine Bereitschaft, diese Leute ernst zu nehmen und mit einem Empfang beim Papst zu beehren, ist sicher hoch problematisch. Denn solch ein „Empfang beim Papst” wertet diese Parteien auf. Aber wenn der Papst schon die Chance hat, sozusagen dem sehr rechtslastigen Flügel Europas zu begegnen, dann nur unter der Bedingung: Diesen Leuten nicht nur behutsam und verständnisvoll ins Gewissen zu reden, sondern sie an die absolute Gültigkeit der Menschenrechte zu erinnern, also aller Welt deutlich freizulegen, dass diese Parteien und Politiker eine Ethik vertreten, die mit den zentralen Aussagen des Evangeliums und vor allem der Menschenrechte nicht zu vereinbaren ist.
6.
Aber nein, Papst Leo hat freundliche Worte gefunden, sogar den politischen Einsatz dieser Leute gelobt und vorsichtig Kritik geübt. Dabei ließ er keinen Zweifel, dass er mit diesen Rechtsextremen hinsichtlich der Abtreibungsgesetze und der Familien- Politik übereinstimmt! Der Papst stimmte auch mit diesen Leuten überein, als er – wie sie – die Wurzeln Europas ausschließlich im Christentum sah. Kein Wort also von den viel wichtigeren „Wurzeln“ Europas in der Philosophie der Aufklärung (Kant!) Und der absolut für alle geltenden Menschenrechte. Aber nichts davon sagte der Papst diesen sehr rechten und rechtsextremen Herrschaften. Und vor allem: Sind denn nicht die christlichen Wurzeln Europas vergiftet, durch Ketzerverfolgung, Judenverfolgung, Muslimverfolgung, Hexenverbrennung, Kolonialismus, Mord und Totschlag der christlichen Kolonialherren an indigenen Völkern, der Massenmord an den Juden durch die Christen und so weiter…Weiß dieser Papst überhaupt, was er da schwadroniert, wenn er mit den Rechtsradikalen von christlichen Wurzeln Europas phantasiert?
7.
Der vatikanische Pressedienst berichtet nur mit einigen Zitaten von der Ansprache des Papstes an die Rechtslastigen, Rechtsextremen: LINK
Wir zitieren aus dem Bericht: „Namentlich erinnerte Leo XIV. an den Schutz des Lebens „von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod“ wie auch in der Mitte des Lebens. Hier verwies der Papst auf arme und ausgegrenzte Menschen und auch auf jene, die von „der anhaltenden Klimakrise, Gewalt und Krieg“ betroffen sind; das Wort Immigration vermied er.“ Soweit das Zitat. Angesichts dieser oft rechtsextremen Politiker, der Feinde einer humanen Flüchtlings- und Einwanderungspolitik, spricht der Papst selbst das Wort „Immigration“ nicht aus. Das kann man wohl nur Feigheit nennen oder soll das etwa als kluge Diplomatie des Staatschefs (des Papstes!) des Staates Vatikanstadt gelten ?
Wir zitieren weiter aus dem Vatikanischen Pressedienst: „Sicherzustellen, dass die Stimme der Kirche, nicht zuletzt durch ihre Soziallehre, weiterhin Gehör findet, bedeutet nicht, eine vergangene Epoche wiederherzustellen, sondern zu gewährleisten, dass wichtige Ressourcen für die zukünftige Zusammenarbeit und Integration nicht verloren gehen“, erklärte der Papst allgemein und verschwommen. Darüber hinaus rief Leo XIV. die „rechtskonservativen” Europa-Abgeordneten zu respektvoll geführten politischen Debatten auf.“ Wie nett und wie freundlich! Bitte, bitte, Rechtsradikale sollen doch respektvoll sein…
8.
Immer wieder also diese netten, harmlosen Worte aus päpstlichen Munde. Der Papst hat offenbar seine Rolle entdeckt als hilfloser und wirkungsloser Mahner, als freundlicher „Aufrufer“, als Verkünder abstrakter Weisheiten, als permanent irgendwelche Bittgebete Sprechender bei allen möglichen kleinen und großen schlimmen Ereignissen. Und er weiß offenbar nicht, dass er vor sehr rechtslastigen, de facto dem Evangelium und den Menschenrechten abgeneigten PolitikerInnen klare, harte Position eines Demokraten hätte zeigen müsste. Aber Moment mal: Der Papst und seine Kirche verstehen sich ja in ihrer Gesetzgebung explizit als nicht – demokratisch. Und die Erklärung der Menschenrechte hat der Vatikan nicht unterschrieben: Fühlen sich Päpste und hohe Kleriker im Milieu von demokratieskeptischen, also rechtslastigen Politikern besonders wohl? Historisch stimmt das: Mit Mussolini hat sich Pius XI. recht gut verstanden und Pius XII. war letztlich doch sehr zurückhaltend in seiner öffentlichen Kritik am Nazi-Regime. Er hielt den Kommunismus für gefährlicher …oder war das nur seine päpstliche Ausrede?…
9.
Wenn man den Empfang des Papstes für die Politikerinnen rechtslastiger und rechtsextremer Parteien für einen Augenblick nach Deutschland überträgt: Der Papst hat am 10.Dez. 2025 die berühmte „Brandmauer“ ein bißchen zerstört, die Brandmauer, die zurecht in Deutschland von demokratischen PolitikerInnen gegenüber der weithin rechtsextremen Partei AFD „gebaut“ wurde. Ich glaube, Papst Leo hat mit dem offiziellen Empfang dieser Politiker in seinem Palast die rechtsextreme Bewegung leider aufgewertet. Das sollte jeder Demokrat eigentlich eine Schande nennen. Und Katholiken, die kritisch denken, ebenso.
10.
Es ist bezeichnend, dass die Ansprache des Papstes vor diesen sehr rechtslastigen Politikern aus ganz Europa im sonst sehr umfassend dokumentierenden vatikanischen Pressearchiv bis jetzt nicht zu finden ist. War das Treffen dann doch dem Papst peinlich? Hoffentlich! Gesteht ein Papst Fehler ein? Hoffentlich, aber äußerst unwahrscheinlich. Lediglich die katholische Tageszeitung „La Croix“, Paris, hat über dieses Treffen am 10.12.2025 ein bißchen kritisch berichtet. LINK
Siehe auch unseren Hinweis: Papst Leo XIV.- Entscheidungen eines Allein-Entscheiders LINK
Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin
