Katholizismus in Polen heute: Noch machtvoll. Geistig, spirituell, theologisch aber am Ende…

Ein Hinweis von Christian Modehn

Der Niedergang und das spürbare Ende des Katholizismus, in seiner bisherigen Gestalt, ist natürlich immer wieder auch ein Thema der Religionskritik.

Man kann froh sein, dass es kirchenunabhängige Medien in Deutschland gibt. Die objektiv über die religiösen Zustände in Europa berichten, etwa über Polens katholische Kirche heute. Darum möchte man besten Dank sagen, dass die „Polen Analysen“ des Deutschen Polen Instituts in Darmstadt in der neuesten Ausgabe vom 20. Juni 2019 gleich zwei wichtige Beiträge zum Thema bringen:

Der bekannte Spezialist für den polnischen Katholizismus, Dr. Theo Mechtenberg, Bad Oeynhausen, bietet einen Überblick: „Polens katholische Kirche im Krisenzustand“ ist der Titel seines Beitrags. Er handelt von Jahre langen, bis heute dauernden „Vertuschungen sexueller Vergehen der Priester in Polen“. In ersten vorsichtig-bischöflichen Dokumenten jetzt zum Thema „bleiben die Opfer unerwähnt, kein Täter wird namentlich genannt…“, es herrscht vor die „Verharmlosung und Vertuschung“. Straffällig gewordene Priester wurden immer wieder versetzt in andere Gemeinden. Die Auseinandersetzung haben nicht etwa die mehrheitlich ultra konservativ und oft nationalistisch eingestellten Bischöfe von sich aus gemacht! Sie wollten schließlich den angeblich guten Ruf der Kirche als Schützerin der Nation unbedingt bewahren…. Nein, es waren wieder einmal die Journalisten und Filmemacher, die das nahezu unglaubliche Ausmaß an sexuellem Missbrauch durch Priester freilegten: Durch den Film „Kler“ (Klerus) und vor allem durch die Dokumentation „Sag es nur keinem“ (so die Übersetzung) der Brüder Marek und Tomasz Sekielski!
Besonders aktiv im Missbrauch von Jungen ist etwa der hoch berühmte Pater Eugeniusz Makulski aus dem Marianer – Orden, er hat ein monumentales Denkmal zu Ehren von Papst Johannes Paul II. in Lichén gebaut: Der Pater kniet zu seinen Füßen, die Kirche dort ein Bauwerk der Superlative. Superlativ sind auch die Missbrauchsaktionen des Paters, seine Korruption, seine Liebhaber (in dem Fall sein Privatchauffeur und Gärtner). Nach Ausstrahlung des Films wurde dieses grässliche Denkmal verhüllt. Der polnische Jesuit und Psychotherapeut Jacek Prusak macht sogar den besseren, den radikalen Vorschlag: „Ich würde es ohne Skrupel entfernen“.

Man sieht, die wenigen vernünftigen Theologen in Polen sind höchst erregt und heftigst empört, über den Zustand dieser Kirche, die alle Welt bekanntermaßen immer noch mit ihren Priestern beliefert…
Theo Mechtenberg schreibt: „Man wird sicher Frage stellen müssen, inwieweit die massenhafte Pädophilie von Priestern (in Polen) durch das herrschende kirchliche System bedingt ist“ (S. 5). Was er leider nicht sagt: Wer diese massenhafte Pädophilie der Priester einschränken will, sollte dieses klerikal System selbst abschaffen, weil es krank ist, man sollte also diese Kleruskirche abschaffen, das wagt bis jetzt nur noch niemand zu sagen. Immerhin: “Nach einer jüngsten Untersuchung fordern 54 Prozent des Befragten (Polen) den Rücktritt des gesamten Episkopates“. Das ist doch beträchtlich, ein Schritt in die richtige Richtung. Doch gibt es so viele „korrekte“ Ersatz-Bischöfe überhaupt noch?

Mit besonderem Interesse wird man auch das ausführliche Interview mit dem schon genannten Jesuiten Jacek Prusak, Krakow, lesen. Und kann dabei nur hoffen, dass er nach der Veröffentlichung nicht aus dem Orden rausgeschmissen wurde. Prusak legt genau frei: Die Opfer spielen in der oberflächlichen Form des Umgangs mit sexuellen Verbrechen durch Priester eigentlich keine Rolle. Das Opfer wird nur als Bittsteller vom Klerus angesehen. Das liegt daran, „dass der Klerus kein Vertrauen zu den Laien hat“ (S. 8). Sehr treffend sagt der Jesuit: „Die Kirche sind die Geistlichen und der Rest ist für sie nur eine Zugabe… Der Klerus nützt die Macht aus, auch die Symbolik des geistlichen Standes… Die Leute in Polen denken: Wenn du dem Priester dienst, dienst du Gott“ (S. 9 und 10).
Was in Polen geschieht und eigentlich in allen Ländern jetzt, ist das tatsächliche geistige, spirituelle und theologische Ende dieser so verfassten römischen Kirche. Sie kann zwar mit viel Geld und viel Pomp noch fortbestehen und von naiven, wundersüchtigen Leuten noch unterstützt werden: Aber de facto ist sie in der Einschätzung nachdenklicher Glaubender oder Nichtglaubender am Ende. Eine religionsgeschichtliche Epoche geht zu Ende!
Was kommt danach: Sicher keine Super-große Institution, wie dies die katholische Kirche heute ist. Diese kann bei 1,3 Milliarden Mitgliedern doch kein alter Mann (Papst) mit einigen anderen älteren Männern mehr „leiten“. Dass diese Kirche de facto heute auseinanderbricht, sieht man so unterschiedlichen Glaubensformen und Glaubensinhalten etwa in Zaire oder den USA, in Indien oder Deutschland… Zukunft haben kleine Gemeinschaften, die sich um einen vernünftigen, humanen und humanistischen Glauben bemühen in voller Gleichberechtigung von Frauen und Männern, Heterosexuellen und Homosexuelle… aber das ist ein anderes Thema!

Noch einmal die treffenden Worte Pater Prusaks: „Wir haben es mit der größten Krise in der katholischen Kirche seit der Reformation zu tun, eine Krise, die wir auf eigenen Wunsch geschaffen haben. Es sind doch keine Außerirdischen, die Kinder in der Kirche missbrauchen noch tragen ihnen dies die Feinde der Kirche auf“ (S. 11).
Der Jesuit plädiert mutig, wie er ist, dafür, den seit langem hoch umstrittenen Bischof von Danzig, Erzbischof Leszek Glodz, zum Rücktritt zu drängen und in dieser Rücktrittsforderung durch die Laien „konsequent nicht nachzulassen“. Der Erzbischof ist nebenbei, ein heftiger Unterstützer des antisemitischen katholischen Medien- Imperiums Radio Maryja. Schon Lech Walesa hat sich gegen diesen klerikalen Machthaber gewendet.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin