Katholische Bischöfe der USA gegen Präsident Joe Biden
Ein Hinweis von Christian Modehn
1.
„Gott sieht alles“: Kaum zu glauben, dass ein katholischer Erzbischof so viel theologische Naivität noch im Januar 2021 öffentlich bekennt: Diesen moralischen Spruch, mit erhobenem Zeigefinger gesprochen bei „Standpauken“ in vergangenen Jahrhunderten, erlaubt sich jetzt Erzbischof José Gomez von Los Angeles, USA: „Wir befinden uns alle unter dem wachsamen-strengen Blick Gottes“. Und diese Mahnung bezieht er auf den wenn nicht verhassten, so doch von ihm verachteten katholischen Präsidenten Joe Biden „Gott wird dich, den praktizierenden Katholiken Jo Biden, im Endgericht bestrafen“. Dies ist der Klartext des erzbischöflichen Urteils. Denn Biden begeht die in katholischer Sicht übelste aller nur üblen Sünden: Er verteidigt die gesetzlich geregelte Abtreibung! Erzbischof Gomez ist empört: Die politische Haltung Bidens „fördere die schlechte Moral, sie könnten das Leben und die menschliche Würde bedrohen“. Dies gelte „besonders schwerwiegend in Fragen der Abtreibung, der irrtümlichen Bewertung der Ehe (gemeint ist die sogenannte Homoehe, C.M.) und der Ordnung der Geschlechter“. Wer es immer noch nicht weiß, dem schlägt Erzbischof Gomez noch einmal die oberste katholische Glaubenslehre um die Ohren: „Die Frage der Abtreibung ist für die Bischöfe die erste aller Prioritäten“. (La Croix, 21.1.2021). Wie schön war es doch für diese Herren unter Präsident Trump, der immer wieder sagte: Ich verteidige immer Pro Life!
2.
Erzbischof Gomez, zugleich der Vorsitzende der Bischofskonferenz der USA, befeuert mit seinen Sprüchen nur die Abwehr von Präsident Biden durch konservativ – reaktionäre und, wie wir spätestens seit dem 6.1.2021 wissen, auch rechtsextreme US-Bürger. Sie sind alles andere als eine Minderheit. Die Waffen liegen ja bekanntlich in jedem „guten“ US-Haushalt bereit…
Man möchte vielleicht noch schmunzeln über das Aufwärmen dieses alten infantilen Gottesbildes, wenn die politische Lage nicht ernst wäre: Denn der politische Kampf der katholischen Hierarchen und ihrer Getreuen in den USA geht unter Präsident Biden weiter. Und er bündelt sich in einem einzigen permanent verwendeten Kampfbegriff und der heißt seit Jahrzehnten schon „Pro Life“. Diese beiden Worte sind nur ein Symbol für die kämpferische Ablehnung der umfassenden Selbstbestimmung der Frauen, für den Hass auf die umfassende Gleichberechtigung der Homosexuellen, für die Zurückweisung jeglicher Form der aktiven Sterbehilfe.
3.
„Pro Life“ ist Ersatz für einen spirituellen Gottesbezug, „Pro Life“ wird zum Kampfbegriff für das totale Verbot von Abtreibung, heute üblich im Katholischen Polen und in vielen so genannten katholischen Staaten Lateinamerikas. Diese Leute wehren Flüchtlinge ab, verhindern eine soziale Gesetzgebung, vernachlässigen die Armen, unterdrücken die sinnvolle Geburtenkontrolle, verstärken den Macho-Wahn, d.h. sie sind alles andere als „pro life“ eingestellt
4.
Ich habe auf dieser Website mehrfach darauf hingewiesen, dass Pro Life eine fixe Idee konservativer Katholiken weltweit ist.
Und dass sich hinter dieser fixen Idee der letzte Versuch des Klerus zeigt, noch einmal die Gesetze der Staaten, selbst der Demokratien, zu bestimmen. Der zölibatäre Klerus fordert die Verteidigung des ungeborenen Lebens immer noch so unverschämt, möchte man sagen, angesichts der tausendfachen Verbrechen an Kindern durch Priester, angesichts der üblen, verbrecherischen Behandlung von Kindern in kirchlichen Heimen in Irland und anderswo. Das geborene Leben haben Kleriker oft genug zerstört.
5.
All das ist tausendmal gesagt worden. Warum nun erneut darauf hinweisen? Weil es eine Tatsache ist, dass 2020 ca. 55 Prozent der Katholiken für Trump gestimmt haben, dass die fundamentalistisch – evangelikale Mentalität unter Katholiken sich immer mehr durchsetzt. Dass unter denen, die das Kapitol am 6.1.2021 besetzten, viele Katholiken waren. Sie werden sich durch die Worte von Erzbischof Gomez, dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz der USA, bestätigt und ermuntert fühlen. In der Beilage zur Wochenzeitung „Die Zeit“ mit dem Titel „Christ und Welt“ vom 21. 1. 2021, Seite 5 berichtet der prominente us-amerikanische Jesuit James Martin: „Während des US-Wahlkampfes haben katholische Würdenträger Joe Biden dämonisiert. Sie sind mitschuldig am Sturm auf das Kapitol.“ Pater James Martin erinnert weiter an ein Statement von Erzbischof Carlo Maria Vigano, er lebt als EX-Nuntius des Papstes in den USA: „Mr. Biden ist eine von der Elite manipulierte Marionette in den Händen von Leuten, die nach Macht dürsten…Die Wahl von Biden werde ein fast satanisches Zeitalter einleiten, das durch Ökumene, Umweltschutz, Pansexualismus und Immigrationismus (sic!) gekennzeichnet sei“. Pater James Martin nennt die Konsequenzen dieses Wahns, vertreten durch höchste Kleriker: „Wenn diese Partei des Todes, (also die Demokraten, C.M.), an die Macht kommt, dann muss man Widerstand leisten, mit allen Mitteln“.
6.
Die USA sind gespalten, und sie bleiben gespalten und die Menschen hassen einander, weil so viele prominente Kleriker viel Unsinn verbreiten. Wir sind gespannt, wie lange der kritische Pater James Martin noch so offen schreiben darf. Der Katholizismus erlebt aller Orten einen Rechtsrutsch, einen Schub ins Irrationale, in eine Glaubenshaltung, die sich von vernünftigen Begründungen verabschiedet. Und manch ein Christ, der noch auf ein vernünftiges Christentum hofft, denkt sehr oft: „O Gott, gebe es doch bloß weniger „Religion“, weniger spinöse Theologie und viel weniger absurde „fundamentalistische Frömmigkeit“.
7.
Wer sich für weitere Details interessiert sollte den Beitrag in der objektiven Zeitschrift „National Catholic Reporter“ lesen vom 21.1.2021 lesen: https://www.ncronline.org/news/politics/dueling-statements-us-bishops-pope-inauguration-day
8.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat geurteilt: Die Nichtgewährung einer realen Möglichkeit auf Schwangerschaftsunterbrechung im Falle eine Bedrohung der Gesundheit der Schwangeren oder einer ernsten Schädigung der „Leibesfrucht“ ist eine Missachtung des persönlichen und familiären Lebens.
PS.:
Es ist gewiss unnötig zu betonen, dass Kritiker der Pro-Life-Ideologie selbstverständlich das menschliche Leben lieben, das Leben in Gerechtigkeit und Würde für alle Geborenen. Kritiker der Pro-Life-Ideologie lieben auch das Leben der ungeborenen Menschen. Sie bestehen nur darauf, dass dieser Lebensschutz des Ungeborenen auch zeitlich genau bestimmt werden muss und in einem Gleichgewicht stehen muss mit der unterschiedlichen Situation der Frauen und deren Selbstbestimmung.
Copyright: Christian Modehn, www.religionsphilosophischer-salon.de