Skepsis als Therapie gegen religiös-politischen Wahn der christlichen Fundamentalisten: Ihr Gott heißt “Pro Life”
Ein Hinweis von Christian Modehn
1.
Die Tatsachen sind bekannt:
Es ist – wieder einmal – eine Niederlage der Vernunft, dass so viele Millionen US- Bürger für Mr. Trump stimmen. Wie schon 2016 haben vor allem viele Millionen (vor allem “weiße”) Evangelikale, Pfingstler, konservative Katholiken auch 2020 Trump gewählt. Die aktuelle Statistik ist wieder eindeutig: Je gläubiger im klassischen, dogmatischen, fundamentalistischen Sinn Christen fühlen, um so eher wählten sie wieder Trump. Dabei ist für sie absoluter Mittelpunkt ihres Glaubens das leidenschaftliche Bekenntnis zu “Pro LIFE”. Um es klar zu sagen: “Pro Life” ist der so gen.”liebe Gott” dieser Fundamentalisten. Deswegen haben einige katholische Bischöfe der USA auch Jo Biden, weil er ein Gegner von Pro Life ist, als” nicht katholisch” bezeichnet. Darum merke für die Zukunft des immer mehr fundamentalistisch werdenden christlichen Glaubens: Es geht den Glaubenden und ihren Führern eigentlich nicht um mehr um Gott, es geht um Pro Life. Aber Pro Life ist nur ein Vorwand für eine insgesamt reaktionäre, frauenfeindliche, homo-feindliche, Armen-feindliche Politik…
2.
DIE AKTUELLE STATISTIK:
62 Prozent der Katholiken wählten Trump
Protestantische Christen und weiße Evangelikale sind US-Präsident Donald Trump bei der Wahl am 3. November offenbar treu geblieben. Laut einer Nachwahlumfrage des Instituts “Edison Research” für die “New York Times”, die “Washington Post” und andere Medienfirmen haben 76 Prozent der weißen Evangelikalen für Trump gestimmt und 23 Prozent für den demokratischen Herausforderer Joe Biden.
Weiße Evangelikale stellten den Angaben zufolge 27 Prozent der Wählerinnen und Wähler. 2016 hatten sich rund 80 Prozent der weißen evangelikalen Wähler für Trump ausgesprochen.
62 Prozent der Katholiken und 68 Prozent der Wähler in der Kategorie “protestantisch, sonstige Christen” wählten laut dem Edison-Institut Trump. Wähler “ohne Religion” entschieden sich danach zu 36 Prozent für Trump und zu 58 Prozent für Biden.
Trump hat der Umfrage zufolge die Mehrheit der weißen Stimmen bekommen (57 Prozent). Schwarze stimmten danach zu 87 Prozent für Biden und Latinos zu 66 Prozent. Wohlhabende stimmten eher für Trump als für Biden, hieß es weiter. Verheiratete Wähler stimmten zu 54 Prozent für Trump und zu 44 Prozent für Biden. (epd/04.11.2020)
3.
Zu den Prinzipien einer Demokratie gehört, dass jeder selbstverständlich frei ist, seinen Kandidaten zu wählen. Bei dieser anerkannten Liberalität muss aber auch die normative Frage gestellt werden: Ist der Kandidat, den man da wählt, in der Lage, moralisch, intellektuell, das höchste Amt zu übernehmen. Im Falle Trumps ist die Antwort eindeutig nein. Spätestens nach 4 Jahren Trump Herrschaft müsste das allen, die nachdenken können und wollen, klar sein.
Entscheidende Kritik an Trump ist tausendmal gesagt worden: Mr. Trump ist ein Lügner, ein Volksverhetzer, ein kranker Egozentriker eigentlich, könnte man sagen, ein mieser Diktator, jedenfalls kein Politiker, der Demokratie und Menschenrechte hochschätzt. Dieser Herr, auch dies wurde tausendmal gesagt, glaubt nur an sich selbst, dass er seine Show noch einmal 4 Jahre spielen kann. Er ist ein Nihilist, auch dies wurde und wird tausendmal kommentiert.
Und nun sage ich aus philosophischer Sicht, analytisch und nicht arrogant, sondern eben als Beschreibung: Die vielen Trump Wähler sind dumm, begrenzt, dass sie diese Person wieder als Präsidenten ihrer so viel gerühmten, aber gar nicht berühmten, also gar nicht allseitig hochgeschätzten Demokratie wünschen. Diese Wähler können einem leidtun. Nichts gelernt, nichts wahrgenommen, nur an den eigenen kleinen Betrieb gedacht, den Mr. Trump eventuell schützt, den eigenen Vorteil, wenn er den Job verspricht in einer Branche (etwa Kohle), die objektiv keine Zukunft mehr haben wird. Trump Wähler, so darf man fragen, sind selbst so ich-fixiert wie ihr Führer. Das heißt ja nicht, dass aufseiten der Demokraten alle Heilige sind. Aber die Bereitschaft, kritisch zu reflektieren, ist bei Demokraten grundsätzlich ausgeprägter als bei evangelikalen Trump Wählern.
4.
Die Trump Wähler folgen alle nur einem Glauben. Sie glauben ihrem Führer Trump, sie glauben, dass er recht hat, Kraft hat, kämpferisch ist, sie glauben, bei ihm förmlich zu Hause zu sein, weil er genauso denkt wie sie selbst, weil er den eigenen „inneren Schweinehund“ so wunderbar artikuliert: Man denke an den rassistischen Bau der Mauer gegenüber Mexiko, an seine Behauptung, Biden sei Sozialist; Anarchie würde mit hm herrschen usw. Diese Leute haben das „Glauben“ zu ihrer geistigen Haupttätigkeit erklärt: Nicht mehr selber denken und prüfen, nicht mehr sich umfassend informieren, sondern den Sprüchen der Trump Medien blind vertrauen. Sie glauben ihrem Führer Trump, sie glauben damit ihren Vorurteilen, sie glauben, ihre Ressentiments seien wahr.
Und ich behaupte: Der Grund für diese totale Glaubensbereitschaft, die sich dann im Wahlverhalten zeigt, ist begründet im exzessiven religiösen fundamentalistischen evangelikalen oder auch katholischen, aber dann reaktionären Kirchen-Glauben.
5.
Meine soziologisch längst bewiesene These ist also: Je gläubiger in dem beschriebenen religiösen Sinne ein Mensch ist, um so größer ist seine Bereitschaft, Mr. Trump zu wählen. Der religiöse Glaube im fundamentalistisch evangelikalen Sinne ist sozusagen die Basis für eine Haltung, die bereit ist, die Demokratie (in den USA) abzuschaffen mit und durch Trump. Mit dem Glauben geht einher die Bevorzugung des Wunders und des Wunderbaren, die Liebe zum Diffusen und Unsichtbaren, die Einwilligung, Autoritäten zu folgen, gehorsam zu sein. Ich finde es bezeichnend, dass der Mittelpunkt dieser genannten evangelikalen Frommen der Kampf gegen die Abtreibung des ungeborenen Lebens ist. Wann ein ungeborenes Leben die Qualität eines Menschen wird in diesen Kreisen nicht gefragt. Differenzierung ist unerwünscht bei ihnen. Das Ungeborene, wie eine Schimäre, schwebt diese pauschale Idee über den „Pro Life“ Leuten. Das Ungeborene ist der Gott dieser Frommen, es ist ihnen dabei völlig egal, wie es bei rigiden Gesetzen dabei den Frauen ergeht. Das Ungeborene, das insofern Unsichtbare, ist das Zentrum, man möchte fast sagen: der Gott. Und genau dies sagt Mr. Trump, er würde dieses alles verteidigen. Er sagt das, weil er die Stimmen dieser religiösen Kreise braucht. „Sollen diese naiven Christen doch glauben, dass Gott die Erde und die Menschen in 6 Tagen erschaffen hat, sollen sie doch gegen die Erkenntnisse der Naturwissenschaften wüten“: Solange sie mich wählen, bin ich ihr Freund, denkt Trump. Das geborene Leben aller menschlich zu hüten, zu pflegen, Mitleid und Barmherzigkeit zu praktizieren, die Armen zu fördern, Gerechtigkeit zu schaffen, wäre des Präsidenten oberste Aufgabe, gerade in Corona-Zeiten. Aber Mr. Trump ist dieses „Zeug“ bekanntermaßen völlig egal. Und das stört diese unreflektiert frommen Glaubenden nicht. Sie glauben dumm und blind ihrem Führer. Wird es einen Ausweg geben? Gibt es eine Therapie, die Skepsis erzeugt und das Fragen wieder fördert? Dies ist alles auch ein Problem der Bildung und vor allem des Abschiedes von diesen fundamentalistischen und evangelikalen Kirchen. Werdet unkirchlich, möchte man als Theologe diesen Leuten zurufen. Nur dann werdet ihr etwas reifer als Menschen. Nennt auch Skepsis eure Konfession!
6.
Man verstehe mich recht: Ich habe gar nichts gegen einen vernünftigen religiösen christlichen Glauben, der z.B. in der Sinnfrage eine absolute Dimension entdeckt oder in der Kunst Chiffren der Transzendenz wahrnimmt; der die Bibel als Zeugnis religiöser Menschen von einst historisch – kritisch liest; der Jesus von Nazareth als wegweisendes Vorbild deutet usw…Der dabei aber in der theologischen Aussage einfach und bescheiden und selbstkritisch bleibt, der auch skeptisch ist gegen alle religiösen und politischen Führer.
7.
Es ist also die verblendete Religion, dieser religiöse Fanatismus, der zum Führerkult ausartet. Und selbst wenn er sich 2020/2021 vom Weiße Haus verabschieden muss, die Frommen werden an ihm hängen, als einem der ihren. Trump II. wird darum immer wieder möglich. Wenn nicht Religionskritik zur Tugend religiöser Menschen erklärt wird.
8.
Mein Vorschlag also. Wenn religiös, dann bitte nur vernünftig-religiös, also nachdenklich, selbstkritisch, gebildet. Und skeptisch.
Wäre in den USA die Skepsis die stärkste Religion, Mr. Trump hätte null Chancen gehabt.
9.
Großzügigkeit und Milde sind gewiss christliche Tugenden. Aber sie stehen stets im Konflikt mit der genauso wichtigen Frage: Ist jeglicher theologische Unsinn (nach heutigem wissenschaftlichen theologischen Verständnis) aus us-funamentalistisch – christlichem Mund akzeptabel und ALS christlich zu tolerieren? Ist theologische (!) Liberalität grenzenlos?
Diese Frage wird angesichts des Wahlverhaltens so vieler fundamentalistischer Christen aus allen Konfessionen ganz dringend. Ich stelle zur Diskussion: Diese fundamentalistischen christlichen Kreise nicht ur in den USA sind für ein modernes Christentum völlig inakzeptabel. Man muss als Christ und Theologe diese fundamentalistischen Kreise kritisieren, vor allem auch, weil sie mit ihrem Glauben das Zusammenleben der Menschen gefährden, weil sie als Trump Wähler blind sind für soziale Gerechtgkeit und den grundlegenden Schutz der Ökologie usw. Trump ist ja bekanntlich aus dem “Pariser Klima-Abkommen” ausgetreten. Es sind also nicht allein explizit theologische Gründe, die zu einer heftigen Ablehnung fundamentalistisch – evangelikaler Kreise verpflichten. Es mag ja einige vernünftige Evangelikale geben. Aber sie sollen alles daran setzen, ihre reaktionären GlaubensgenossInnen zur Vernunft zu bringen. Ja, es geht wirklich um die vorrangige Geltung der selbstkritischen, reflektierenden Vernunft im christlichen Glauben und der Theologie. Aber die Chancen, dass dies gelingt, sind gering: Wer, wie die Evangelikalen, glaubt,liebt die Wunder und die Autoritäten! Und glaubt an den Teufel,der z.B. “Wahlbetrug” macht. Also: Ohne die vorrangige Geltung der kritischen Vernunft,kann es keinen religiösen Glauben geben, der als human gelten will.
PS.: Weitere Untersuchungen zum Wahlverhalten der unterschiedlichen christlichen Konfessionen, siehe etwa: https://nationalpost.com/news/world/who-won-the-christian-vote-in-the-2020-u-s-election-its-complicated
Copyright: Christian Modehn. www.religionsphilosophischer-salon.de