„Homoehe“ ist für Remonstranten selbstverständlich
Ein Hinweis zur aktuellen Diskussion, oder: Von der “Gnade der theologischen Neuinterpretation”
Von Christian Modehn
Eine aktuelle Meldung zuerst: Innerhalb der vielfältigen “Gay Pride 2013” Veranstaltungen in Amsterdam findet am Freitag, den 2. August 2013, um 19 Uhr auf dem Rembrandtsplein ein Konzert statt, “Strijders vorr liefde” ist der Titel. Bei diesem “event” stehen zwei Menschen im Mittelpunkt, die es gewagt haben, sich offen zu ihrer Homosexualität zu bekennen: Sam Opia, auch Leticia genannt, ist eine der ersten Personen im afrikanischen Uganda, die sich als “transgender Frau” bekennt, in dem christlich geprägten Uganda bedeutet diese “Untat”: lebenlänglich ins Gefängnis! Auch Robbie Rogers wird in Amsterdam dabei sein, der erfolgreiche Fußballer hat sich in einem noch immer homophoben Milieu (auch der Fans!) geoutet. Bei der Amsterdamer Gaypride 2013 wird an die Verletzung von Menschenrechten nachdrücklich erinnert; die Remonstranten – Kirche unterstützt dieses Projekt auch finanziell. (verfasst am 18.7.2013).
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Welche Position hat die protestantische Kirche der Remonstranten zur sogen. „Homoehe“ ? Diese Frage wurde uns in den vergangenen Tagen häufig gestellt; offenbar hat die neueste „Orientierungshilfe“ des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland“ (EKD) breite Irritationen verursacht: Der Rat der EKD hat im Juni 2013 unter dem Titel “Zwischen Autonomie und Angewiesenheit. Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken“ Vorschläge unterbreitet, die Ehe neu zu verstehen, ohne dabei die umfassende und gerechte Gleichberechtigung homosexueller Menschen zu vernachlässigen. Diese Schrift hat nicht nur unter konservativen Kreisen innerhalb der EKD Widerspruch gefunden, vor allem in der römisch katholischen Kirche wird aufs heftigste gegen diese Orientierungshilfe polemisiert; es wird von bischöflicher Seite aus mit dem Abbruch der angeblich guten ökumenischen Beziehungen zwischen Protestanten und Katholiken gedroht. Auf diese Weise will man die freie theologische Debatte offenbar machtvoll unterbinden und den römischen Kurs für alle christlichen Kirchen durchsetzen. Interessante Perspektiven jedenfalls zum bevorstehenden Luther – Jubiläum… Selbst die sonst eher noch vernünftig erscheinende Wochenzeitschrift „Christ in der Gegenwart“ aus dem katholischen Herder Verlag redet jetzt, in der Ausgabe vom 7. Juli 2013, in wilder und unvernünftiger Wut, möchte man sagen. Das Blatt unterstellt der EKD, blind „Zeittrends“ hinterherzulaufen. Ein paar Zeilen vor dieser Anklage wurde den um volle Gleichberechtigung der Homosexuellen bemühten Organisationen gar „subtile, kollektive Gehirnwäsche“ unterstellt. Uns scheint, wieder einmal in religionskritischem Zusammenhang unseres Religionsphilosophischen Salons: Diejenigen, die sich auf „das“ biblische Eheverständnis berufen, haben kein Verständnis für eine kritische –historische Lektüre der Bibel; sie klammern sich an die wenigen biblischen Verse in AT und NT, die sich mit der Verbindung von Mann und Frau befassen. Aus dem -sehr offen formulierenden – biblischen Spruch “Gott schuf die Menschen als Mann und Frau” leiten sie gar die Ausschließlichkeit der heterosexuellen Ehe ab. Diese Texte sind bekanntlich nicht nur vor mindestens 2000 Jahren geschrieben, in einer Welt, die noch keine Sexualwissenschaft und Psychologie usw. kannte. Darüber sind in diesen Erzählungen frommer Menschen vor 2000 Jahren und früher vor allem jedoch mit götttlicher Vollmacht ausgestattete Plädoyers enthalten, die Liebe als das Höchste hochzuschätzen…Die Bibel ist also kein Ehekompendium für heterosexuelle Eheleute, sondern eine Aufforderung zu Liebe und Gerechtigkeit. Das vergessen alle, die heute die Hetero Ehe für das höchste Gut halten.
Wir wollen uns auf diese Polemik konservativer und ach so biblischer Kreise nicht weiter einlassen, diese Polemik wirkt sehr parteiisch, wird wohl auch mit parteipolitischen Optionen etwa für die CDU (Wahl im September 2013!) gefüttert.
Die protestantische und freisinnige Kirche der Remonstranten hat im Jahr 1986 ihre Kirchenordnung nach einer etwa zehnjährigen Diskussion verändert, um dem gewandelten Verständnis von Homosexualität endlich auch theologisch – kirchlich Rechnung zutragen und um Gerechtigkeit für Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierung zu realisieren: Seit 1986 also ist es für die Remonstranten selbstverständlich, dass homosexuelle Paare den kirchlichen Segen in den Remonstranten Kirchen erhalten können, auch in einem Sonntagsgottesdienst, ganz offiziell als normale Feier.Homopaare können also ihre „Ehe“ kirchlich feiern. Noch einmal: Diese kirchliche Feier ist selbstverständlich und wird als solche nicht in Frage gestellt. Die Homosexualität ist für Remonstranten normal, wie es auch Sexualwissenschaftler und Psychologen betonen, Homosexualität ist nur eine seltener vorkommende Form von Sexualität.
Die Remonstranten waren 1986 also die erste Kirche weltweit, die sich für diese offizielle Segnung entschieden hatte, sie bietet diese kirchliche Feier auch homosexuellen Paaren an, die nicht der Remonstranten Kirche angehören.
Entscheidend ist, dass die neue Kirchenordnung der Remonstranten jetzt alle Beziehungen zwischen Menschen, ob nun hetero – oder homosexuell, einfach nur „Levensverbintenis“ nennt, also, wörtlich übersetzt:„Lebenskontrakt“ bzw. „Lebensvertrag“ nennt. Auf den Begriff „Ehe“ wird verzichtet, weil er zu exklusiv noch an die Verbindung zwischen Heterosexuellen erinnert. „Der Grundgedanke dabei war, dass alle Theologie eben auch von der Gnade der Neuinterpretation (etwa der Bibel) lebt“, so in dem empfehlenswerten Buch „Coming Out Churches“, Meinema Verlag, 2011, Seite 68). “Gnade der Neuinterpretation” dieses Wort mögen sich etwa die Gegner der EKD Studie einmal “auf dem Mund zergehen lassen”.
Dieser Schritt der Remonstranten, homosexuelle Menschen als absolut gleichwertig in jeder Hinsicht zu sehen, wurde damals – wie nicht anders zu erwarten bei Christen, die Bibelsprüche immer dann wörtlich nehmen, wenn es ihnen ideologisch passt – heftig kritisiert. Aber es gab auch vereinzelte katholische Stimmen, die der Veränderung der Kirchenordnung der Remonstranten zustimmten, wie etwa vonseiten des damaligen Studentenpfarrers in Amsterdam, des Jesuiten Pater Jan van Kilsdonk. Er bezeichnete die Homosexualität ausdrücklich als „eine Erfindung des Schöpfers“,
Der niederländische Gesetzgeber hat dann im Jahr 2001 als erstes Land der Welt überhaupt die bürgerliche Ehe auch für homosexuelle Menschen geöffnet, das war 15 Jahre nach dem Beschluss der Remonstranten. Nebenbei: Die Remonstranten gehören selbstverständlich zum “Ökumenischen Rat der Kirchen in Holland”, sie sind Mitglied im “Weltrat der Kirchen in Genf”…
Inzwischen hat der Allgemeine Sekretär der Remonstranten, der Theologe Tom Mikkers, zusammen mit dem Reformierten Pastor Wiellie Elhorst, ein Buch publiziert, das einen landesweiten Überblick bietet zur Möglichkeit der Segnung von Lesben und Schwulen: „Coming out churches“ ist der Titel, (siehe oben). Denn inzwischen sind neben den Remonstranten auch etliche Gemeinden der offiziellen Protestantischen Kirche der Niederlande (PKN) „zum Segen bereit“, sowie grundsätzlich die Kirche der Mennoniten (Doopgezinde in NL), die „Apostolisch Genootschap“ und die „Vrijzinnige Geloofsgemeenscap NPB“. Hinzukommen auch die „Basisgemeiden“ wie „Dominikus“ , „de Duif“ oder die „Studentenecclesia“ (gegründet von Huub Oosterhuis) in Amsterdam.
Die Remonstranten haben sich jedenfalls gefreut, als sie im Jahr 2010 von dem landesweit hochgeschätzten (und gar nicht immer kirchlch gesinnten) Verein zur homosexuellen Emanzipation (COC) einen Preis der Anerkennung erhielten. Aber die Remonstranten wissen auch, dass sich die Verfolgung und Unterdrückung von Homosexuellen, etwa in christlich geprägten Staaten Afrikas, wie Uganda, Nigeria oder Simbabwe, auf offizielle Texte der Kirchen in Europa berufen kann. Denn in diesen Texten wird noch immer – direkt oder indirekt – ein minderer Status, eine größere Wertlosigkeit, homosexuellen Lebens hoch tönend fortgeschrieben. Diese verheerende, weil oft genug – indirekt -tödliche Wirkung angeblich so frommer und bibeltreuer Texte aus europäischen Kirchen, vor allem aus Rom, sollte man nicht vergessen.
In Holland waren es die Eltern homosexueller Kinder, die endlich kirchlichen Respekt für ihre Töchter und Söhne forderten. Bei den Remonstranten haben sie offene Ohren gefunden, eine Kirche, die zu tiefgreifenden Reformen in der Lage ist. Schließlich geht es ausschließlich darum, die Liebe zwischen zwei Menschen allseitig zu fördern und zu unterstützen.
Die Hetero (Ehe) Paare verlieren gar nichts, schon gar nicht werden sie diskriminiert oder gar verfolgt und ins Elend getrieben, wenn es auch Homo (Ehe) Paare gleichberechtigt gibt und diese heiraten und Kinder adoptieren und erziehen.
Copyright: Christian Modehn, religionsphilosophischer salon berlin.