Jeder soll nach seiner Fasson selig werden: Fragen und Probleme

Fragen zum Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon am 10.2. 2012

Von Christian Modehn

 „Jeder soll nach seiner Fasson selig werden“ (Friedrich II., genannt der Große)

Diese Maxime Friedrich II. berührt nicht nur das Miteinander unterschiedlicher Menschen unterschiedlicher Religionen und Meinungen, sie ist von daher sehr aktuell. (Sie stellt auch die Frage: Haben wir denn heute überhaupt auch kulturell die Chance, auf je eigene Art auch kulturell „selig“, d.h. zufrieden, zu leben?)

– Welches Bild des Neben/Miteinanders unterschiedlicher Menschen unterschiedlicher Religionen setzt diese Maxime offenbar voraus?

– Wie kann jeder mit dem anderen „selig“ werden, wenn alle ihre (religiöse) Seligkeit auch außerhalb ihrer privaten Sphäre leben? Also etwa ihren „seligen Glauben“ öffentlich ausdrücken ?

– Wie kommt es, dass der religiöse Ausdruck (die Seligkeit) von Minderheiten in weiten Kreisen einer Mehrheit Irritationen erzeugt? – Wie kann der plurale religiöse Ausdruck in Gleichberechtigung erreicht werden? Und zwar universal!

– Gleichberechtigung aller Formen der „Seligkeit“: gilt sie auch für Atheisten?

– Gibt es eine gemeinsame philosophische Basis, eine allgemein humanistische Basis trotz aller kulturellen Differenzen, die VOR allem religiösen Bekenntnis liegt?

– Wie kann diese allgemeine, stets weiter zu entwickelnde philosophische Basis, die wichtiger ist alle Religionen, ausgebaut, verteidigt und international „verbreitet“ werden.

 

 

Jeder soll nach seiner Fasson selig werden. Ein Salonabend

Wir freuen, dass diesmal eine Freund unseres Salons auch ein einleitendes Statement hält mit dem Titel: “Vernunft und Religion aus Sicht eines praktizierenden Muselmanen”. Der Begriff “Muselmane” ist bezogen auf die damalige Sprachwelt.

Poesie und Selbsterkenntnis – Das “Bittgebet”. Ra­dio­sen­dung HR 2

Welttag der Philosophie

18. November, 19 Uhr, ein besonderer Salonabend anläßlich des Welttages der Philosophie. Cafe “Antikflair” in Schöneberg. Thema: “Geben wir der Vernunft noch eine Chance ?”

An diesem Abend wird die Philosophin Prof. Petra von Morstein bei uns sein, das freut uns besonders. Sie wird ein einleitendes Statement halten: “Und wozu Denken in dürftiger Zeit: Wie kann Vernunft in der gegenwärtigen Welt wirksam werden?”.

Wir bitten um Anmeldung: christian.modehn@berlin.de   Diesmal bitten wir um einen Beitrag von 5 Euro.

Eine Liste der Veranstaltungen zum Welttag der Philosophie in Deutschland siehe:

http://www.unesco.de/tag_der_philosophie_2011.html

 

 

 

 

 

Die Rede des Papstes im Bundestag: Benedikt XVI. folgt einem Traditionalisten

Die Rede des Papstes im Bundestag:
Benedikt XVI. lässt sich von einem Traditionalisten inspirieren.

In seiner Rede im Deutschen Bundestag (22.9.2011) bezieht sich Papst Benedikt XVI. dreimal (von insgesamt 5 Literaturhinweisen !) auf das Buch des Rechtshistorikers Wolfgang Waldstein “Ins Herz geschrieben. Das Naturrecht als Fundament einer menschlichen Gesellschaft“, St. Ulrich Verlag, Augsburg 2010. Wir haben im Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon unmittelbar nach der Papstrede am Tag selbst einen kritischen Kommentar publiziert unter dem Thema: „Gegen die Räuberbanden“ sowie gleich danach einen weiteren Hinweis „Papst im Bundestag“. Mit dem Untertitel: „Er beruft sich auf einen Historiker, dessen Bücher auch im Verlag der Piusbrüder verkauft werden“.
Diese beiden Kommentare der
website „religionsphilosophischer-salon. de
haben viel Aufmerksamkeit gefunden, offenbar, weil sie davor warnen, zu schnell die Rede des Papstes unbesehen „toll“ oder gar „orientierend“ zu finden, bloß wegen des Lobes der ökologischen Bewegung und der Grünen. Wir hatten damals schon den Verdacht geäußert, dass allein diese leicht nachvollziehbare Passage der Papstrede hoch gelobt wurde, weil die anderen und weitaus gewichtigeren Passagen zu schwer verständlich seien, „zu philosophisch“, wie es oft in Kommentaren hieß.
Darüber hinaus haben wir in diesen beiden Beiträgen schon gezeigt, in welchen theologischen Kreisen sich der vom Papst mehrfach zitierte Wolfgang Waldstein bewegt, dazu gehören Opus Dei Beziehungen gleichermaßen wie die traditionalistischen Verteidiger der alten lateinischen Messe aus dem 16. Jahrhundert, eine merkwürdige Mischung.
Wer das Buch von Waldstein liest, ist überrascht, dass der Autor in dieser rechtshistorischen Studie ganz offen seine theologischen Interessen und Vorlieben darstellt: Er bezieht sich lobend auf das ultra konservative „Forum deutscher Katholiken“, sozusagen die Gegeninstanz zu den Katholikentagen (S. 71), er findet Unterstützung bei der sehr konservativen Psychologin Christa Meves, (S. 119), weil sie, so wörtlich, gegen die „materialistische Sexualkunde“ kämpft. Er zitiert die sich katholisch nennende sehr konservative Zeitung „Deutsche Tagespost“, selbstverständlich auch den „Osservatore Romano“.
Theologen, die der Meinung Waldsteins nicht entsprechen, nennt er Irrlehrer (S. 27), wie den verdienten deutschen Moraltheologen Prof. Josef Fuchs aus dem Jesuitenorden (S. 27). Wie Waldstein als Rechtshistoriker (!) dazu kommt, Pater Fuchs „Irrlehrer“ zu nennen, bleibt sein Geheimnis, offenbar sind in solchen Äußerungen auch die Motive zu sehen, dass die traditionalistischen Piusbrüder dieses Buch in ihrem Verlagshaus verkaufen. Die Piusbrüder, daran gibt es keinen Zweifel, verkaufen ausschließlich Bücher, die der eigenen Ideologie entsprechen. Es ist also „logisch“, auch gegenüber diesem Begriff hat der Autor (S. 17) seine Bedenken, wenn man Waldsteins Denken traditionalistisch nennt…
Wenn er den modernen Moraltheologen Josef Fuchs zitiert, setzt Waldstein das Wort „leider“ voran, sozusagen als Entschuldigung dafür, dass er einen Bösewicht zu Wort kommen lässt, eine Haltung zeigt sich da, die in einem sich wissenschaftlich nennenden Buch nichts zu suchen hat.
Merkwürdig, wenn nicht skurril, mag es Theologen erscheinen, wenn Waldstein ausdrücklich betont, die Ablehnung von praktizierter Homosexualität durch die Glaubenskongregation sei im Sinne des antiken – römischen Philosophen Cicero geschehen (S. 112). Dabei wird der entscheidende Punkt berührt: Für Waldstein ist das nicht hinterfragbare Non Plus Ultra die römische (=antike, manche sagen: „heidnische“) Rechtsauffassung von der Natur „des“ Menschen. Waldstein versteigt sich zu der Auffassung, „dass es wahr ist, was Cicero über Gott sagt“. Seit wann ist für die Kirche, das Naturrecht verteidigend, Cicero und nicht die Bibel orientierender Maßstab? Jedenfalls ist der vom Papst hochgeschätzte und zitierte Waldstein der Meinung: Nur diese antike römische Auffassung vom Naturrecht hat in der Kirche ihre Gültigkeit. Wer diese Überzeugung Waldsteins kritisiert, folgt bereits einer „totalitären Ideologie“ (S. 112). Waldstein geniert sich nicht, die Verteidiger der Gleichberechtigung homosexuellen Lebens des „Kommunismus“ zu verdächtigen. Diese polemischen Argumente erinnern an Zeiten des „Kalten Krieges“…
Für Waldstein kann es kein geschichtlich sich wandelndes Naturrecht geben, für ihn gibt es nur das fix und fertige, sozusagen versteinerte Naturrecht der Antike. So ist in diesem versteinerten Denken kein Platz für die Möglichkeit, dass Frauen tatsächlich das Recht haben abzutreiben. So kann es für ihn „die“ Ehe auch nur zwischen Mann und Frau geben, weil sie „eine in ihrem Wesen naturrechtlich (!) vorgegebene Verbindung von Mann und Frau ist“. Für Waldstein ist das Naturrecht eine ewige, in den Formulierungen auch unwandelbare „Wirklichkeit“ (S. 7). Immer wieder insistiert er auf dem Naturrecht als einer äußeren, unwandelbaren „Wirklichkeit“, die man sozusagen in der Natur bloß ablesen muss. In diesem abstrakten, antiken Naturrecht sieht Waldstein das, „was allen Menschen wesensgemäß ist“ (S. 13). Von Kulturanthropologie, von Geschichtlichkeit jeder Wahrheit, von Hermeutik usw. hat Waldstein schlicht nichts gehört. Wenn Normen aus der vernünftigen Reflexion aktuell entwickelt werden, dann meint er: „Damit wird stillschweigend vorausgesetzt, dass Normen als solche nicht existieren“ (S. 15), eben weil sie nicht „der (äußeren) Natur abgelesen werden. Das Hauptproblem ist: Waldstein verteidigt die philosophische Unmöglichkeit, aus einem Ist – zustand zu einem Sollen zu kommen, aus einem Tatsachenbefund also zu der ethischen Einsicht: So soll es sein. Dabei übersieht er z.B.: In der Gesellschaft Ciceros gab es de facto Sklaverei: Wer da einfach von diesem „ist“ zum Sollen fortschreitet, kommt schnell zur Verteidigung der Sklaverei als einem Sollen, also als einer ethischen, „guten“ Möglichkeit. Der Papst setzt sich in seiner Rede im Bundestag für den Übergang vom Sein zum Sollen ein, und er folgt dabei einem inzwischen unhaltbaren philosophischen Standpunkt. Dabei ist es die historische Vernunft, die prüft, ob ein Faktum (etwa die überlieferte Ehe von Mann und Frau) tatsächlich die einzige ethische Form des Miteinanders der Menschen ist. Nur wer von der biologischen Differenz von Mann und Frau ausgeht und deswegen zur “natürlichen” und ausschließlichen Verwiesenheit von Mann und Frau gelangt, kann die Ehe von Mann und Frau als einzige Form der Partnerschaft verteidigen. Uns haben Briefe erreicht, die zu recht fragen:Benedikt XVI. selbst schließt sich in seinem Vortrag im Bundestag offenbar in seiner Bevorzugung der Überlegungen Waldsteins selbst in einem geradezu engen Denken ein…
Dass der Papst als Interpret dieses alten römischen Naturrechts à la Cicero auch das Recht hat, in die aktuellen Debatten der Demokratien einzugreifen, steht für Waldstein außer Frage: „Gelegentlich setzt der Papst das Naturrecht mit dem Gesetz Gottes gleich“ (S. 78). Und weiter: „Der Papst ist verpflichtet zu sagen, dass ein Gesetz, das dem Naturrecht widerspricht, kein gültiges Gesetz ist“ (s. 79). Mit anderen Worten: Der Papst kann in Demokratien Katholiken zum Widerstand gegen solche (demokratisch verhandelten) Gesetze auffordern. Davon sprach auch Benedikt in Berlin mit Verweis auf Origenes. Man erinnere sich außerdem: In den USA sollte katholischen Politikern die Kommunion verweigert werden, wenn sie für die Gesetze der Abtreibung stimmen.
Das Buch „Ins Herz geschrieben“ würde keine weiteren Analysen und Debatten verdienen, wenn es nicht Papst Benedikt XVI. so sehr schätzen würde. Warum sonst verweist er von 5 Fußnoten insgesamt gleich dreimal auf das Opus von Herrn Waldstein? Ist die Vermutung so falsch, dass dieses Buch dem Papst gut gefällt? Ist die Vermutung falsch, dass der Papst weiß, dass Herr Waldstein zu den traditionalistischen Katholiken gehört, dass sein Buch bei den Piusbrüdern offenbar gut angesehen ist? Waldstein und Benedikt XVI. kennen sich persönlich gut, das belegen Berichte und Fotos von Treffen und Begegnungen im Vatikan; schon als Chef der Glaubenskongregation kannten die beiden Herren sich recht gut, darauf weist Waldstein hin. Die entscheidende Frage, auch im Blick auf die bevorstehende Versöhnung des Papstes mit den Piusbrüdern ist: Ist das Denken Benedikt XVI. selbst schon traditionalistisch geprägt? Waldstein steht für ein Denken, das ausdrücklich die Autonomie, also die Selbstbestimmung des Menschen, ablehnt. Er steht für eine rigorose Ablehnung der Moderne.
copyright: religionsphilosophischer salon berlin.

 

 

 

 

 

 

 

Papst im Bundestag: Er beruft sich auf einen Historiker, dessen Bücher im Verlag der Piusbrüder verkauft werden

Hielt der Papst eine Rede im Bundestag im Geist der Piusbrüder?
Wir haben schon die Rede des Papstes im Bundestag aktuell analysiert, dazu gibt es einen eigenen Beitrag auf dieser Website. Interessanterweise wurde die Rede, wenn sie vollständig abgedruckt wurde, wie in der FAZ, ohne die Fußnoten dokumentiert. Das ist äußerst bedauerlich, denn Papst Benedikt verweist unter insgesamt 5 Fußnoten gleich 3 mal auf ein Buch des Rechtshistorikers Wolfgang Waldstein, “Ins Herz geschrieben”, das ursprünglich im katholischen St. Ulrich Verlag, Augsburg, erschienen ist. Dort werden katholische Kirchenzeitungen verlegt, etwa auch für das Erzbistum Berlin. Dieses Buch von Waldstein wird aber ohne weiteres auch vom Verlag der traditionalistischen Piusbrüder Deutschlands (Sarto Verlag) vertrieben, dort kann u.a. alle Schriften des Gründers, Marcel Lefèbvre kaufen. Diese Information wurde am 25.9. um 14 Uhr auf der Sarto Website gelesen. Die Piusbrüder vertreiben selbstverständlich nur Bücher, die voll und ganz der eigenen Ideologie entsprechen. Das Buch von Wolfgang Waldstein entspricht offenbar dieser Ideologie. Hat der Papst also im Bundestag zumindest indirekt Positionen der Piusbrüder vertreten, die ja bekanntermaßen keine sehr großen Freunde der westlichen liberalen Demokratie sind? Es ist für den Papst äußerst blamabel, dass sein 3 mal zitierter Gewährsmann Wolfgang Waldstein ein enger Freud aus dem politisch sehr rechtslastigen kreuz.net ist, dort wird er 14 mal positiv erwähnt (gelesen am 25.9. um 14.30 Uhr), kreuz.net so meinen viele Beobachter, gilt als eine der übelsten polemischen Presseorgane. Es ist ein bißchen problematisch, dass der Papst sich in seiner Bundestagsrede auf einen kreuz.net Freund beruft.
copyright: christian modehn.