Reformation neu denken, über Luther hinaus für eine neue Reformation

Reformation neu denken, über Luther hinaus für eine neue Reformation

Ein Hinweis auf drei Beiträge, die gerade im Umfeld des Reformationstages von Interesse sein könnten.

-Prof. Wilhelm Gräb in einem Interview über Reformation und die Flüchtlinge heute: Klicken Sie hier.

-Über einen Reformator, der wieder in Vergessenheit gerät, Thomas Müntzer, klicken Sie hier. Ein Beitrag von Christian Modehn.

-Über die Aktualität und Gegenwart des Ablasses, klicken Sie hier. Ein Beitrag von Christian Modehn

 

 

Zur Vernunft kommen. Unterwegs zu umfassender Menschlichkeit. Eine Ra­dio­sen­dung auf NDR Kultur

Zur Vernunft kommen. Unterwegs zu umfassender Menschlichkeit. Eine Ra­dio­sen­dung auf NDR Kultur von Christian Modehn

Am Sonntag, den 8. November 2015 um 8.40 Uhr auf NDR KULTUR

Wir sind nie vernünftig. Wir werden es, aber wir müssen uns zur Vernunft aufmachen, ihr entgegenstreben, dabei Kritik, vor allem Selbstkritik, wie einen Kompass gebrauchen. Dann werden Vernunft und Freiheit für alle als Einheit erkannt. Unterwegs treffen wir Irregeleitete, die glauben, die Vernunft gepachtet zu haben. Andere geben Willkür und Egoismus als Leitprinzipien aus. Woher kommt die Energie, sich trotz Elend und Not an der Vernunft zu orientieren? Sie ist für Philosophen auch mit “Licht” identisch; einem Licht, das unzerstörbar ist, solange der Geist lebendig bleibt.

Reden von Gott und von dir selbst: Über Theologie und Autobiographie

Der Religionsphilosophische Salon und das Forum der Remonstranten Berlin am 27. November 2015 um 19 Uhr in der Galerie Fantom, Hektorstr. 9 in Wilmersdorf:

Reden von Gott und von dir selbst: Über Theologie und Autobiographie

Ein Abend mit dem Theologen und Kulturwissenschaftler Prof. Johan Goud aus Den Haag

Leider ist der Religionsphilosophische Salon am 27.11. 2015 AUSGEBUCHT. Alle bisherigen Anmeldungen (bis zum 24.11.) werden selbstverständlich berücksichtigt. Bitte um Verständnis, aber 1. sind die Raum – und Sitzzplatzkapazitäten begrenzt. Und 2. soll im Salon die Gesprächsmöglichkeit unbedingt – bei kleinerer Anzahl der TeilnehmerInnen – erhalten bleiben.

Gott und die Seele möchte ich kennen lernen, sonst nichts’, so Augustin (356-430), der vielleicht grösste Denker in der Geschichte des Christentums – er schrieb seine Confessiones in denen er diese beiden Themen mit einander verbunden hat. In diesem Vortrag geht es um die Verbindung von Autobiographie und Theologie unter heutigen Bedingungen. Der Vortragende ist Theologe der protestantischen Kirche der Remonstraten in Holland mit großem Interesse an Literatur und Kunst, in denen das Autobiographische fast immer mitspielt.

Der Vortrag ist in deutscher Sprache.

Der remonstrantische Theologe Johan Goud ist Autor des Buches „Onbevangen. De wijsheid van de liefde“, „Unbefangen. Die Weisheit der Liebe“. Erschienen 2015 bei Meinema, Holland.

In einem Beitrag in der Zeitschrift ADREM (Mai 2015) erläutert Peter Korver das Buch: „Einerseits wird darin die solide theologische Kenntnis deutlich, andererseits wird nach einer Verbindung mit der modernen Kultur gesucht, besonders in der Kunst und der Literatur. Johan Goud beschreibt sich als jemand, der sein Leben lang versucht hat, tief das Wort Gott zu verstehen. Er sagt selbst: “Ich bin ziemlich sicher, dass das Rätselwort Gott von einer Wirklichkeit beantwortet wird, einer Wirklichkeit, die in letzter Hinsicht unbegreiflich ist, die aber in den Menschen wohnt und die es anstellt, dass die Menschen tun, was sie tun, zum Schlimmen, aber auch zum Guten. Das Wort Gott selbst brauchen Menschen dabei nicht einmal auszusprechen“.

Peter Korver fährt fort: Dabei ist der Titel des Buches „Unbefangen“ wichtig: Es geht um eine unbefangene Weise des theologischen Denkens, weg von Dogmen und Konventionen, das ist keine einfache Sache. In der Kunst, der Literatur und der Mystik gibt es Raum für diese Unbefangenheit. Gott ereignet sich in Gedichten oder in der Musik, aber auch zuweilen unerwartet in Reflexionen. Was wird dabei entdeckt? Das Überraschende und Ergreifende ist, dass nicht du am Suchen und am Finden von Antworten bist. Es ist eher umgekehrt. Du entdeckst, dass du gefunden wirst durch das, was du suchst und findest. Dieser Wechsel (Umschlag) ist wesentlich, er wird von Goud Liebe genannt.

Diese Denkhaltung ist etwas anderes, als wenn in Untersuchungen Gott als ein etwas objektiviert wird und beurteilt wird.

Der Untertitel des Buches verweist auf den Philosophen Emmanuel Lévinas, mit dessen Denken sich Goud schon sehr früh befasst hat.

Johan Goud, Jahrgang 1950, geboren in Dordrecht, NL, studierte Theologie und Philosophie in Amsterdam und Tübingen, Promotion in Leiden (NL) über den jüdischen Philosophen Immanuel Lévinas. Goud ist Pfarrer in verschiedenen Gemeinden der liberal-theologischen, „freisinnigen“ Remonstranten Kirche, zuletzt in Den Haag, dort auch Initiator einer religionsphilosophischen Akademie. Die Remonstranten sind ja bekanntermaßen die einzige christliche, protestantische Kirche, (Mitglied im „Weltrat der Kirchen“ in Genf), die ihre Mitglieder nicht zu einem festen überlieferten Glaubensbekenntnis auffordert. Jeder Remonstrant ist eingeladen, sein eigenes, individuelles Glaubensbekenntnis zu sprechen und mit anderen darüber ins Gespräch zu kommen. Die Remonstranten haben als erste christliche Kirche schon 1987 homosexuellen Paaren – gleich welcher religiöser Herkunft – in ihren Kirchen die Segnung der Partnerschaft, der Ehe angeboten, bis heute ist dies eine Selbstverständlichkeit. Sie sind die einzige Kirche, die auch Mitglieder anderer Kirchen und Religionsgemeinschaften als Freunde willkommen heißt mit dem gleichen „Status“ wie die Mitglieder.

Johan Goud war bis vor kurzem Prof. in Utrecht (NL) für Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie und Theologische Ästhetik, speziell Religion und Sinnerfahrung in Literatur und Kunst. Seit einigen Monaten ist Prof. Goud emeritiert. Er ist Autor zahlreicher Bücher und Zeitschriftenbeiträge zu dem Thema.

Prof. Johan Goud in einem Interview mit der großen niederländischen Tageszeitung NRC Handelsblad, 16.5. 2015:

Einige wichtige Zitate in einer Übersetzung von Christian Modehn.

„Es handelt sich in der Rede von Gott um eine Wirklichkeit, die unbegreiflich ist, aber die doch IN den Menschen wohnt, die sie antreibt, zu tun, was Menschen tun, zum Bösen, aber auch zum Guten. Genau wegen dieser Doppelung, die sich in dem Wort Gott verbirgt, Gutes und Leiden, Liebe und Hass, haben religiöse Traditionen auch Theologie nötig, das heißt, ein kritisches Nachdenken über Gott.

Frage: Die christliche Tradition zerfällt langsam in Europa, was verschwindet da?

Antwort: Ich frage mich, ob Menschen, die diese Themen (etwa die Frage nach Gott) für sich ausschließen und unsinnig finden, sich nicht doch von einem Teil unserer Wirklichkeit abschließen. … Damit könnte auch die Erinnerung an eine „Seele in uns“ verschwinden. Damit meine ich: Dass da mehr ist als das, was wir mit unserem Selbstbewusstsein wahrnehmen und denken. Dadurch haben wir Teil an etwas, das größer ist als unser Leben. Vielleicht verschwindet mit dem Gedanken an Gott auch die Erinnerung an die Liebe, die eine Wirklichkeit (wirksam) ist…Den grundlegenden Zusammenhang finde ich in Kunst und Literatur, bisweilen auch im Nachdenken und Meditieren. Gott ist in hohem Maße sozusagen „jemand“, der auf eine literarische Weise gelesen werden will..

Frage: Warum spricht die literarische Form Sie so sehr an, um dem Glauben eine Form zu geben?

Antwort: Dichter wie Rutger Kopland und Willem Jan Otten versuchen ein semantisches Äquivalent zu finden für die Glaubenssprache. Um diese Suchbewegung, darum geht es mir. Gott hat ständig neue Beschreibungen nötig. Bisweilen stößt man dann bei der Suche auf etwas. Dieses Gefühl: Jetzt treffe ich das Gesuchte, – „das ist es!“ – dauert vielleicht nur solange, wie ein Gedicht dauert. Diese Erfahrung kann durch Gedichte entstehen, aber auch in der Musik und auch unerwartet im Nachdenken.

Übersetzung: Christian Modehn.

 

Religionsphilosophischer Salon am 30. Oktober 2015

Am Freitag, den 30. Oktober 2015, findet wieder ein Religionsphilosophischer Salon statt. Angesichts der Diskussionen über Flüchtlinge in Europa (Deutschland) wollen wir uns mit dem grundlegenden ethischen und damit philosophischen Thema der ANERKENNUNG des anderen/der anderen (auch Plural), des Fremden usw.  auseinandersetzen. Grundlage dafür ist ein fundamentaler Text von Hegel (“Herr und Knecht”, aus der “Phänomenologie des Geistes”), dieser Text wird vorgestellt und auf seine Aktualität hin befragt und diskutiert. Es werden auch engagierte Menschen aus dem Umfeld der persönlichen Flüchtlings-Hilfe hoffentlich dabei sein. Zugesagt hat Dr. Dorothee Haßkamp, Berlin, Mitarbeiterin im weltweiten Flüchtlingsdienst der Jesuiten. Für weitere Infos klicken Sie bitte hier.

Ort: Kunstgalerie Fantom, Hektorstr. 9, Wilmersdorf. Beitrag für die Miete: 5 Euro. StudentInnen haben freien Eintritt.

Anmeldung bitte an: christian.modehn@berlin.de. Wer damit seine Teilnahme signalisiert, erhält einen Hinweis zu Hegels “Herr und Knecht” Ausführungen und weitere Infos.

 

Mondrian Ausstellung in Berlin

Am Montag, den 26. Oktober 2015, besuchen wir um 16 Uhr mit einer kleinen Gruppe aus unserem Freundeskreis des Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salons die MONDRIAN Ausstellung im Martin Gropius Bau. Details, Zeiten, Gruppenpreise, Vorbereitung etc. werden mitgeteilt bei einer tatsächlichen Anmeldung, bitte diese als email senden an: christian.modehn@berlin.de

50. Todestag von Albert Schweitzer: Philosoph, liberaler Theologe, Menschenfreud

Man wird es uns nicht übel nehmen, wenn wir an den großen Albert Schweitzer auch noch einen Tag nach seinem 50. Todestag, also heute am 5.9. 2015, erinnern.

Es ist immer wieder “erhebend”, wenn man so sagen darf, sich mit der Person Albert Schweitzers zu befassen, mit seiner vielseitigen Begabung, seinem Eintreten damals für eine kritische, moderne, liberale Theologie… und sein Weg nach Lambarene (selbst wenn über die Projekte dort in Gabun Kritik geäußert wird). Das Wichtige bleibt: Albert Schweitzer, der wegen seiner liberal-theologischen Haltung nicht viel kirchliches Ansehen genießen konnte, wurde ein Menschenfreund, im umfassenden Sinne. Er ist ein Vorbild, wenn man diesen eher zwiespältigen Begriff hier einmal verwenden darf.

Albert Schweitzer setzte sich als protestantischer Theologe unermüdlich für die Erkenntnis des „einen Notwendigen“ und des wirklich Wichtigen  im Christentum ein. Er wusste, dass das Christentum nur Zukunft hat, wenn es sich auf einige wenige Grundsätze selbst begrenzt und den “Berg” der kaum noch nach vollziehbaren, existentiell meist nicht relevanten Dogmen auf sich beruhen lässt, d.h. beseite setzt. Davon wollte die sich orthodox gebenden Christentenheit weithin nichts wissen;  davon wollen die allermeisten großen Kirchen bis heite nichts wissen. Glauben heißt für sie befremdliche Dogmen “pauken” und weniger auf die ureigene, innere Stimme zu hören…Deswegen werden Ketzer immer noch ausfindig gemacht weil sie sich weigern, die alten Dogmen so wie sind nachzusprechen. Man lese in dem Zusammenhang die neuesten Auslassungen von Kardinal Müller, Chef der Glaubenskongregation in Rom.  Welche Wohltat, welche Befreiung, da einem freien Geist, eben Albert Schweitzer zu begegnen!

Im Jahr 1922 hielt er in England einen Vortrag, der sich vor allem an Pfarrer und Missionare richtete; er sagte Worte, die heute noch für die Verteidiger der Dogmen und Moral eine Provokation sind: “Wenn Sie das Evangelium verkündigen, hüten Sie sich, es als die Religion zu predigen, die auf alles eine Antwort hat. Wenn Sie predigen, dann führen Sie die Menschen zu dem Einen, was not tut, nämlich, dass wir uns mit Gott verbunden fühlen. Dadurch leben wir dann auch anders in der Welt, nämlich als Liebende. Das ethische Leben in diesem Sinne ist die höchste und lebendige Geistigkeit des Christen. Das Christentum ist diese ethisch geprägte Mystik”.

In einem Brief von 1962 sagt Albert Schweitzer Worte, die an heutige Aussagen des Dalai Lama (Ethik ist wichtiger als Religion) erinnern. “Da wage ich zu sagen, dass die ethische Religion der Liebe bestehen kann ohne den Glauben an ein ihr entsprechende, die Welt leitende Gottespersönlichkeit”.

Auf das Tun des Guten kommt es an, nicht so sehr auf das Bekennen frommer (dogmatischer) Sprüche. Albert Schweitzer sagte schon 1919: “Alles, was du tun kannst, wird in Anschauung dessen, was getan werden sollte, immer nur ein Tropfen statt eines Stromes sein. Aber es gibt deinem Leben den einzigen Sinn, den es haben haben kann, und machts es wertvoll” .

Vor seiner Abreise nach Lambarene sagte Schweitzer in einer Predigt im März 1913: Je mehr ich Jesus zu verstehen glaubte, desto stärker empfand ich es, wie in ihm der Glaube und einfaches, natürliches Denken sich durchdrangen. Je mehr ich in die Geschichte des Christentums eindrang, desto mehr wurde mir klar, wie viele Irrungen und Kämpfe darauf zurückgehen, dass man von den ersten Generationen an bis auf den heutigen Tag immer und immer wieder den Glauben und die Frömmigkeit gegen die Vernunft ausspielte und einen Zwiespalt in den Menschen hineintrug, wo Gott die Harmonie gesetzt hat”.

Das religionsphilosophische bzw. neue liberal-theologische Projekt des “Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon Berlin” sieht in diesen Äußerungen Albert Schweiters wesentliche Inspirationen und Anregungen, auf dem Weg weiterzudenken.

Drei weitere Zitate von Albert Schweitzer, entnommen meinen Ra­dio­sen­dungen für den Hessischen Rundfunk 1999:

„Die unmittelbare Tatsache im Bewusstsein des Menschen lautet: Ich bin Leben, das leben will, inmitten vom Leben, das leben will. Diese allgemeine Bejahung des Lebens ist eine geistige Tat, in der der Mensch aufhört dahinzuleben. In der er vielmehr anfängt, sich seinem Leben mit Ehrfurcht hinzugeben und ihm seinen wahren Wert zu geben“.

„Die Ehrfurcht vor dem Leben gebietet uns, den hilfsbedürftigen Völkern in aller Welt Hilfe zu bringen; den Kampf gegen die Krankheiten, von denen diese Völker bedrängt sind, hat man fast überall zu spät begonnen. Letzten Endes ist alles, was wir diesen Völker erweisen, nicht Wohltat, sondern es ist unsere Sühne für das Leid, das unsere Völker von dem Tage über sie gebracht haben, als unsere Schiffe den Weg zu ihren Gestaden fanden. Es muss dahin kommen, dass Weiße und Schwarze sich in ethischem Geist begegnen. Dann erst wird eine echte Verständigung möglich sein. An der Schaffung dieses Geistes zu arbeiten heißt zukunftsreiche Politik treiben“.

Die Erkenntnis, die uns heute Not tut, ist die: Dass wir miteinander der Unmenschlichkeit schuldig sind. Dieses furchtbare gemeinsame Erlebnis muss uns dazu aufrütteln, alles zu wollen und zu erhoffen, was eine Zeit heraufführen kann, in der Kriege nicht mehr sein werden. Dieses Wollen und Hoffen kann nur darauf gehen, dass wir durch einen neuen Geist die höhere Vernünftigkeit erreichen, die uns von dem unseligen Gebrauch der uns zu Gebote stehenden Macht abhält. Nur in dem Maße, als durch den Geist eine Gesinnung des Friedens unter den Völker aufkommt, können die für die Erhaltung des Friedens geschaffenen Institutionen leisten, was von ihnen verlangt und erhofft wird“.

 

 

 

 

 

 

Menschlichkeit zuerst. Der katholische Bischof Jacques Gaillot wird 80. Wird er rehabilitiert?

Aktualisierung am 1.9.2015 um 23.00: Bischof Gaillot trifft am 1.9. 2015 Papst Franziskus. Offenbar hat dieser erkannt, dass die päpstliche Haltung in einigen Fragen der Praxis und Lehre von Jacques Gaillot doch etwas nahe kommt, was sichtbar wird an dem gemeinsamen Slogan “Eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts”.  Klicken Sie hier.

“Le Figaro”, nicht gerade eine Tageszeitung, die in Fragen Gaillots objektiv berichtete, erwähnt in dem kurzen Beitrag vom 2.9.2015: Das Gespräch Papst-Gaillot (unter Anwesenheit eines Freundes Gaillots, des Priesters und Journalisten (!) Daniel Duigou), habe im Haus St. Martha, der Wohnung des Papstes, stattgefunden;  es habe eine dreiviertel Stunde gedauert, es sei geprägt gewesen von dem Ausspruch des Papstes “Wir sind Brüder”. Erstaunlich ist, dass Papst Franziskus Gaillot fragte: “Sie sind Bischof von Partenia?” Entweder wusste der Papst nicht richtig Bescheid, oder er suchte eine Floskel, um auf Französisch etwas zu sagen. Bemerkenswert ist aber, wenn Le Figaro – offenbar den Äußerungen des Journalisten und Gaillot-Begleiters folgend  – schreibt: “La conversation, qui n’a pas abordé les querelles passées de «l’affaire Gaillot»”: “Im Gespräch wurden die vergangenen Streitpunkte der “Affäre” Gaillot (von 1982 bis 1995)  nicht angesprochen”. Da fragt sich der Beobachter nur: Was sollte das Ganze, es war offenbar sehr privat; denn, so wird in allen französischen Medien berichtet, ein Fotograph, geschweige denn ein professioneller Fotoapparat, der das Treffen hätte dokumentieren können, stand nicht zu Verfügung! So hat also der Journalist Duigou schnell mit seinem Handy ein Foto geschossen. Bemerkenswert: Jacques Gaillot zeigt sich beim Papst in der üblichen klerikalen Kleidung, mit “Collar”, (manche sprechen von Kalkleiste), wie man sagt. Weiß der Himmel, wer ihm diese Kleidung geliehen hat…Interesant ist, dass Bischof Gaillot nicht darauf verzichtet beim Papst zu berichten, dass er als Bischof selbstverständlich wiederverheiratet Geschiedene “traut” (kirchenamtlich mit ihnen das Sakrament der Ehe feiert) und eben selbstverständlich – wie schon seit langer Zeit – auch homosexuelle Paare segnet, da schreibt die katholische Tageszeitung La Croix (Paris), in diesen Fragen sicher zuverlässig: “À aucun moment, Mgr Gaillot ne s’est senti « jugé ou bloqué ». L’évêque français a évoqué qu’il lui arrivait de bénir des couples de divorcés et parfois homosexuels. « La bénédiction, c’est Dieu qui est bon pour tout le monde », lui a répondu le pape. Zur Segnung dieser Paare habe also der Papst zu Bischof Gaillot gesagt:” Die Segnung, das ist Gott, der für jedermann gut ist”… Ist das ein liberaler Ausrutscher des Papstes, eine Art Versprecher? Oder wird diese Haltung sich in der römsichen Synode im Herbst 2015 durchsetzen? Wir hören aber schon die Antwort der Konservativen: “Der Papst kann nicht so gut Französisch, er meinte es nicht so, wie es da steht. Gott kann doch unmöglich gut sein zu Wiederverheiratet Geschiedenen und homosexuell liebenden Menschen/Paaren, homosexuellen Eheleuten”…Diese Kreise sollten ehrlich sagen: Unser katholischer Gott ist grausam. Ein Menschenfeind.

Vielleicht handelt es sich bei der Begegnung mit Gaillot aber auch “nur” um eine großzügige päpstliche Geste der “Versöhnung mit allen”, hübsch diplomatisch arrangiert?

Es ist bezeichnend, dass gleichzeitig zum Treffen Papst Franziskus/Gaillot von päpstlicher Seite auch wieder Schritte der Versöhnung mit den reaktionären Pius-Brüdern unternommen werden: Der Papst erlaubt nämlich, dass die Beichte eines “normalen” Katholiken bei einem dieser Pius/Lefèbvre-Brüder/Priester nicht nur gültig, sondern gar erlaubt ist. Diese Sorgen also hat man im Vatikan…Immerhin: Die reaktionären Piusbrüder jubeln vor Dankbarkeit. Sie erfreuen sich wieder ihres Papstes, eben des Papstes Franziskus…

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Am 11. September 2015 wird Bischof Jacques Gaillot 80 Jahre alt, der, unserer und vieler anderer Meinung nach, einzige wahrlich moderne katholische Bischof in Europa. Es lohnt sich auch für philosophisch Interessierte, das Denken und das politische Engagement Gaillots näher zu kennen zu lernen, zumindest um einmal mehr wahrzunehmen, wie die römische Kirche mit sogen. Abweichlern umgeht. Dabei “weicht” Jacques Gaillot überhaupt nicht “ab”, er meint nur, die so einfachen und so radikalen Weisungen des Jesus von Nazareth seien aktuell. Insofern ist Bischof Gaillot auch ein Beispiel für interne Religionskritik…Lesen Sie den längeren Beitrag und klicken Sie hier.

Die katholische Tageszeitung La Croix berichtet am 2.9.2015 ausführlich über die Begegnung Jacques Gaillots mit dem Papst: http://www.la-croix.com/Religion/Actualite/Le-pape-Francois-et-Mgr-Jacques-Gaillot-une-rencontre-entre-freres-2015-09-02-1351374

Die Tageszeitung Le Monde schreibt am 2.9.2015: http://www.lemonde.fr/religions/article/2015/09/02/le-pape-francois-recoit-en-frere-mgr-gaillot_4743700_1653130.html

 

Beiden Berichten ist nicht zu entnehmen, dass Bischof Gaillot rehabilitiert wurde oder ob es sich eben nur um ein nettes, “brüderliches” Gespräch handelte. CM