Hüllenlos heilig. Jesus ist nackt. Eine Ra­dio­sen­dung am 2. Weihnachtsfeiertag

Hüllenlos heilig
Jesus ist nackt
Von Christian Modehn

Eine Ra­dio­sen­dung des Hessischen Rundfunks, 2. Progr., 26. 12. 2013, um 11.30 Uhr

Wer schamhaft leben will, zeigt sich höchst ungern nackt, schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Diese Lehre hat die „klassische“ Moral des Christentums Jahrhunderte lang verbreitet, Prüderie wurde zur Tugend.
Heute entdecken Christen und mit ihnen Theologen, was sie eigentlich ständig sahen, aber nicht wirklich wahr – nehmen wollten: Nackt liegt Jesus, „das göttliche Kind“, in der Krippe. Und die Meister religiöser Kunst zeigen, wie Maria ihr nacktes Kind auf ihrem Arm trägt. Dabei wird „die Gottesmutter“ selbst noch mit freier Brust dargestellt. Und Jesus wird fast nackt auch am Ende seines Lebens den Augen der Glaubenden zugemutet: Der elende Leib des Erlösers ist eine Provokation für allen Schönheitswahn. Franz von Assisi wusste, dass Kleider das wahre Wesen verhüllen, schöne Gewänder sind Ausdruck von Macht. Darum hat er sich im Moment seiner Bekehrung aller Kleidung entledigt. Denn er wusste: Jesus zeigt, wie in „existentieller Nacktheit“ das Menschsein besser gelingen kann, in Offenheit, Wahrhaftigkeit und Schutzlosigkeit. „Nur in dieser Nacktheit kann ich dem nackten Gott begegnen“, sagt Jesuitenpater Klaus Mertes. „Hüllenlos heilig“ heißt das Programm derer, die auch zu Weihnachten dem nackten Jesus nacheifern wollen.

Glauben ohne Angst. Ein Interview über “Himmel und Hölle” mit Prof. Wilhelm Gräb

Religion ohne Angst
Ein Interview mit dem protestatischen Theologen Prof. Wilhelm Gräb,
Humboldt Universität Berlin
Die Fragen stellte Christian Modehn

Im Umfeld des Totensonntags oder Ewigkeitssonntags wird auch vom Ende des Lebens gesprochen, manche christlichen Menschen denken dann an das Endgericht Gottes, an mögliche göttliche Strafen.
Sicher werden auch der Begriff und die Bilder von “Hölle” wieder hoch kommen. Was ist für eine liberale Theologie, die “es gut meint mit dem Menschen”, wie Sie früher so deutlich sagten, wichtig im Blick auf den Totensonntag?

Im Jahreszyklus ist der Totensonntag – nach kirchlichem Sprachgebrauch, der Ewigkeitssonntag – ein wichtiger Tag. Es ist der letzte Sonntag im Kirchenjahr und wird gerade von denen, die einen lieben Menschen verloren haben, als Tag des Gedenkens begangen. In vielen gemeindlichen Gottesdiensten werden die Namen der Verstorbenen des vergangenen Jahres verlesen; auf den Friedhöfen finden weitere Andachten am Nachmittag statt. Betont der „Totensonntag“ das Totengedenken, so der „Ewigkeitssonntag“ die christliche Auerstehungshoffnung.

Christlicher Glaube ist in seinem Zentrum Auferstehungsglaube. Aus der Gewissheit, dass Jesus, der den Tod am Kreuz hat sterben müssen, von Gott ins ewige Leben gerufen wurde, ist die christliche Religionsbewegung entstanden. Insofern kann man durchaus sagen, dass es ein und dasselbe bedeutet, christlich zu glauben und die Ewigkeitshoffnung zu gewinnen. Das apokalyptische Weltbild des Neuen Testamentes drückte diese Ewigkeitshoffnung dann in Bildern aus. Sie haben die Totenauferweckung mit dem Gerichtsgedanken verbunden. Dem Eingang in die himmlische Seligkeit steht dann ein finsterer Ort entgegen, an dem Heulen und Zähneklappern sein wird.

Der christliche Grundimpuls war jedoch überhaupt nicht von diesem Dualismus „himmlische Seligkeit contra Hölle“ geprägt. Jesus versprach vielmehr allen, die seinen Weg der Gottes- und Nächstenliebe mitgehen, die unendliche Lebensfülle. Deshalb konnten Jesu Anhänger auch seinen Kreuzestod nur als eine Art Durchbruch durch Elend, Sterben und Tod hinein in die ewige Seeligkeit deuten. Denn so hat Jesus von Gott gesprochen, dass in ihm das Leben ist, ein Leben, das gerade nicht mehr nur diese Krankheit zum Tode ist, das nicht im Tod endet, sondern den Tod überwindet und in Gottes Ewigkeit eingeht.

Das Neue Testament lässt keinen Zweifel daran, dass alle Bilder von Gottes ewigem Leben niemals adäquate Vorstellungen sein können. Alle Vorstellungen sind unserer endlichen, irdischen, widersprüchlichen, tödlichen Wirklichkeit entnommen. Wir können nur symbolisch, in uneigentlichen Sinnzeichen, von
der transzendenten göttlichen Wirklichkeit sprechen. Aber dabei ist vom Neuen Testament her ebenso klar, dass Gott die unendliche Fülle des Lebens, der unverlierbare Sinn des Ganzen der Wirklichkeit ist. Wer im Geiste Jesu an Gott glaubt, setzt darauf, dass der Welt im Ganzen ein unverlierbarer Sinn innewohnt. Er besteht auch darauf, dass Gott jeden, der ihm vertraut, jetzt schon an der Fülle ewigen Leben teilhaben lässt. An Gottes Ewigkeit teilzuhaben, schon mitten in der Zeit und unendlich übers Irdische hinaus, geschieht, wo Menschen im Glauben und in der Liebe ihr Leben gestalten.

An Gottes Ewigkeit gewinnt jeder Anteil, der glaubt. Mehr braucht es nicht. Den Glauben aber braucht es, weil ja nur dann, wenn wir selbst uns in Beziehung zu Gott wissen, wir in der Einheit unseres selbstbewussten Daseins an Gottes ewigem Leben teilhaben. Unser Glaube macht es, dass wir uns selbst als zu Gott gehörig verstehen.

Von der Hölle ist im Christentum in keiner Weise zu reden. Gott ist ewiges Leben. Er ist Leben im Licht und in der Fülle und nicht zugleich auch noch das Gegenteil. Es ist keine Leere und keine Finsternis in ihm. Versteht der christliche Glaube sich richtig, dann redet er also nicht von der Hölle und finsteren Teufelsmächten. Es sähe dann außerdem so aus, als wüssten wir von einer jenseitigen Wirklichkeit, die für die einen eine himmlische Glückseligkeit und für die anderen eine schreckliche Todeswirklichkeit bereithält. So ist es aber nicht.

Alle Aussagen über eine jenseitige Wirklichkeit, sei es die des Himmels, sei es die der Hölle, entspringen, sobald sie vom vertrauensvollen Akt des Glaubens absehen, einer halt- und heillosen Spekulation. Die Hölle ist eine Erfindung derer, die meinen, man müsse den Menschen Angst machen, damit sie sich zum Glauben bekehren und ein ordentliches Leben führen. Die angstmachende Rede von der Hölle verfehlt beides, Gott und den Glauben, die Fülle des Lebens und das grundlose Vertrauen darauf, dass die Fülle allen Menschen versprochen ist.

Sind denn die traditionellen Bilder, die aus dem biblischen Buch der Apokalypse stammen, heute noch existentiell berührend und wichtig?

Es gibt so viel Schreckliches in der Welt, Naturkatastrophen, und vor allem die Kriege, all die Grausamkeiten, die Menschen einander antun. Es ist einfach nur furchtbar! So sieht die Hölle auf Erden aus. Da ist es nur zu verständlich, dass wir auch in der Bibel Vorstellungen und eine Sprache finden, die die Blutströme, die die Menschheitsgeschichte durchziehen, in Bilder eines endzeitlichen Dramas übersetzen, in dem Gott den unerbittlichen Kampf gegen die Mächte des Bösen führt. Diese Bilder des endzeitlichen Schreckens, die sich nicht nur im letzten Buch der Bibel (der Apokalypse), aber dort mit besonderer Wucht finden, zeigen, wie zu einer bestimmten Zeit dem Schrecken und unserem Entsetzen Ausdruck gegeben werden kann.

Die Botschaft der Bibel ist dennoch eine durch und durch von der Angst befreiende Botschaft. Jesus ist gekommen zu retten, was verloren ist, nur dazu. Das Christentum ist eine Erlösungsreligion und sonst gar nichts.

Der Fehler, der freilich immer wieder begangen worden ist und auch heute begangen wird, liegt darin, den Glauben, den allein der Gott verlangt, an menschlich kontrollierbare Bedingungen zu knüpfen: die christliche Taufe, den Glauben der Kirche, die Zustimmung zu bestimmten Glaubenssätzen, die Einhaltung bestimmter Moralvorschriften. Nur wer in einem bestimmten Sinn glaubt, sich zu einer bestimmten kirchlichen Gemeinschaft der Erwählten hält, geht in die ewige Seligkeit ein, den anderen droht die ewige Verdammnis.

So aber wird die biblische Botschaft im Kern missverstanden. Sie will, „dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“ (1. Timotheus 2,4), wer sie auch seien, welcher Konfession oder Religion sie auch angehören, selbst wenn sie keiner Kirche oder Religion verbunden sind. Die Wahrheit ist, dass Gott die Welt trotz der ungeheuren Macht des Bösen in Liebe zusammenhält und auf den Sinn, den sie im Ganzen hat, ausrichtet.

Allmächtig ist Gott nicht, wäre er es, gäbe es die Macht des Bösen, all die Gewalt in Natur und Geschichte überhaupt nicht. Wäre Gott immer schon alles in allem, die Vollendung der Liebe und die Realisierung des Sinns des Ganzen, dann gäbe es aber auch keine natürliche Evolution und keine die Freiheit der Menschen realisierende Menschheitsgeschichte. Als die Macht der Liebe und als der Sinn des Ganzen von Welt und Leben ist Gott für uns, die wir in der Zeit sind und in eine immer noch unvollendete und undurchschaubare Geschichte verstrickt sind, ein werdender Gott. Gottes Sein ist im Werden, so aber, dass er uns an diesem Werden teilhaben lässt. Dies geschieht in unserem vertrauensvollen Glauben, in unserem Tun der Liebe, in der Hoffnung, mit der wir in allem Widerstreit und allem Kampf auf eine Vollendung der Welt im Guten setzen.

So ist die christliche Eschatologie, die Lehre von den letzten Dingen, zu verstehen. Sie setzt keinen Widerspruch, keine Macht des Bösen, nicht einmal eine Zornesmacht in Gott selbst hinein. Sie redet auch keinem Gegengott, keinem Teufel das Wort. Gott ist die Macht einer ohnmächtigen Liebe und damit Weg zur Realisierung des Sinn des Ganzen einer Welt, die von uns als eine solche erfahren wird, in der es ungeheuer viel Leid, Schmerz und Geschrei gibt.

Indem wir Gott denken und an ihn glauben und auf ihn unsere Hoffnung setzen, gehen wir aber davon aus, dass die Liebe das letzte Wort behält und wir auf einen Gott zugehen, der, wie es im letzten Buch der Bibel heißt, „abwischen wird alles Tränen“ (Offenbarung 21,4). So ist Gott der, der überall dort am Werk ist, wo Menschen auch noch in Katastrophen neuen Mut gewinnen, wo sie auch noch in bösen Erfahrungen an den Sieg der Liebe glauben, wo sie im Leiden am trotzigen Dennoch neuen Glücks festhalten, wo sie die Hoffnung nicht aufgeben. Weil es Gott ist, der am Ende Recht behalten wird, deshalb ist es eines jedes Menschen Bestimmung, im unendlichen Ganzen letztlich nicht verloren zu gehen, an der Fülle teilzuhaben, ewig in Gott geborgen zu sein.

Kann es eine religiöse Haltung geben, die ohne Angst auskommt, ohne Angst vor Gott?

In der Religion geht es um nichts anderes, so könnte man geradezu sagen, als eben darum, die Angst, die zu unserem endlichen Dasein gehört (Heidegger hat sie im Anschluss an Kierkegaard ein Existential genannt), zu überwinden. „In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ (Johannes 16, 33) So sagt es Jesus. In der Welt haben wir Angst, denn wir wissen nicht, was sein wird und es kann und wird so vieles geschehen, was wir nicht verstehen und allen unseren Vorstellungen vom Leben wie es sein sollte zuwiderläuft. Aber der Glaube ist gerade darin Glaube an Gott, dass er den Gedanken einer Vollendung fasst, der den Widerstreit der Welt hinter sich lässt und den Sinn uns zeigt, auf den hin wir schon immer leben. Dann werden wir sein wie Träumenden, die eintauchen in ein Meer voller Wärme und Licht.

Sollten wir uns von der Vorstellung „Gott als strafender Richter“ verabschieden?

Radikal! Die Vorstellung von Gott als strafendem Richter ist zwar eng mit der juridischen Auffassung der paulinischen Rechtfertigungslehre verbunden, aber genauso unhaltbar wie diese jurirdische Gottesauffassung insgesamt. Wenn Gottes Sein im Werden ist, dann erfahren wir ihn nur dort, wo wir die Macht des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung erfahren. Gott ist in den Weltprozess selbst verwickelt, oft so, dass wir ihn nicht verstehen, weil wir ihn und seine Liebe nicht zusammenbringen können mit dem, was geschieht. Im Absurden und Desaströsen spricht die Erfahrung nicht dafür, dass einen Gott gibt. Eigentlich spricht die Erfahrung nie direkt für Gott. Sie kann nicht für ihn sprechen. Dennoch ist Gott so ins Weltgeschehen verwickelt, dass er ihm die Richtung gibt, hin auf einen guten Ausgang aller Dinge. Als der Richtungssinn der Geschichte existiert er. Im Vertrauen auf diesen Sinn ist er der Gegenstand unseres Glaubens und der Grund unserer Hoffnung.

Der Gott, der vertrauenswürdig ist, ist kein richtender Gott. Dann müsste er über dem turbulenten Weltgeschehen thronen, um schließlich den Guten den Himmel zu öffnen und die Bösen in die Hölle zu schicken. Der vertrauenswürdige Gott ist der in die Menschen- und Weltgeschichte verstrickte, aber ihr den Richtungssinn gebende Gott, vielfach ohnmächtig in seiner Liebe, immer wieder bösen Mächten unterliegend. Deshalb steht das Kreuz im Zentrum des Christentums. Aber wenn es diesen Gott unseres Vertrauens nicht gäbe, dann hätte diese komplizierte, ebenso schöne wie schreckliche Welt kein Ziel, keines, an das wir glauben und auf das wir hoffen können.

Welche Interessen haben einige Christen, wenn sie noch am Begriff der Hölle und katholischerseits am Fegefeuer festhalten?

Da Gottes Wesen in der Höllen-Predigt völlig verkannt wird, liegt die Vermutung nahe, dass diese Vorstellung ein machtvolles Instrument in der Hand derjenigen ist, die an einen strafenden Gott bei den Menschen immer noch glauben. Sie wollen die Angst steigern bei denen, die in diesen unglücklichen Gottesvorstellungen vielleicht sogar schon erzogen worden sind. Oft wird zwar gesagt, dass mit der Drohung von Hölle und Fegefeuer die Menschen zur Wahrnehmung ihrer Verantwortung und zum Tun des Guten angehalten würden. Das Gegenteil scheint mir jedoch der Fall. Höllen- und Gerichtsandrohung führen allenfalls zu einer trüben Doppelmoral.
Klerikale Herrschaftsinteressen liegen auf der Hand.
Die Bibel redet eine andere Sprache: „Niemand hat Gott jemals gesehen. So wir uns untereinander lieben, so bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist völlig in uns… Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die völlige Liebe treibt die Furcht aus; denn die Furcht hat Pein. Wer sich aber fürchtet, der ist nicht völlig in der Liebe.“ (1. Johannes Brief, 4, 12 und 18)
copyright: Prof. Wilhelm Gräb und Religionsphilosophischer Salon Berlin.

Der atheistische Christ – der religiöse Atheist: Wider die klassischen Grenzziehungen. Ein Salonabend

Wir setzen die Gespräche in der Urania vom 21. 11. 2013 fort unter dem Titel:
Der atheistische Christ – der religiöse Atheist: Wider die klassischen Grenzziehungen.
Das Thema verdient weiter unsere intensive Beachtung, wenn uns daran liegt, eine neue Kultur des religiösen und nichtreligiösen Miteinanders (in Berlin und sonst) zu gestalten und aufzubauen.
Der Ort: Die Galerie Fantom in der Hektorstr. 9 in Berlin Wilmersdorf. Beginn: Um 19 Uhr am MITTWOCH 4. Dezember 2013.
Teilnahme gebühr, für Studenten frei, auch sonst Ermäßigung, sonst: 5 Euro.
Bitte um Anmeldung, da die Zahl der Plätze begrenzt ist an: christian.modehn@berlin.de

Zur Veranstaltung in der Urania am 21. 11. 2013 klicken Sie bitte hier.

Albert Camus – Sein Unglaube und sein Glaube: Zum 100. Geburtstag am 7. November 2013

Albert Camus: Zu seinem 100. Geburtstag.
Ein Beitrag, der vielfach vergessene Aspekte im Leben und Denken von Albert Camus freilegt.

Das vorliegende Manuskript gehört zu einer Ra­dio­sen­dung von NDR Kultur am 20. Okt. 2013. Die Form entspricht der für Hörfunkproduktionen üblichen Struktur. Red.:Dr. Claus Röck NDR
Das Manuskript ist ausschließlich zu privatem Gebrauch bestimmt!

„Das Leben ist ein Geheimnis“
Albert Camus – ein frommer Ungläubiger
Von Christian Modehn

1. SPR.: Berichterstatter
2. SPR.: Berichterstatter
3. SPR.: Zitator Camus.

1.SPR.:
Das Flanieren in Paris hat einen besonderen Reiz im so genannten „Intellektuellen – Viertel“ rund um Saint Germain des Prés, auf der Rive Gauche, dem linken Ufer der Seine. Dann erinnert man sich, vielleicht im Café „Deux Magots“ verweilend, an die glorreichen Jahre nach der Befreiung von der Naziherrschaft. Da wurde in der „Brasserie Lipp“ oder dem Musikclub „Tabou“ ausgelassen gefeiert und heftig debattiert: Philosophen und Journalisten, Literaten und Künstler wollten sich übertreffen mit ihren Visionen für eine bessere Welt.

2.SPR.:
Im Herbst 1943 hatte sich der Schriftsteller Albert Camus in Paris niedergelassen. Seine Bücher „Der Fremde“ und „Der Mythos des Sisyphus“ waren gerade erschienen und hatten begeisterte Aufnahme gefunden, auch bei den Intellektuellen. Der Philosoph Jean Paul Sartre und seine Gefährtin Simone de Beauvoir ließen jedoch den jungen Autor spüren, dass er nicht ganz zu ihnen passte. Hatte doch Camus den Makel, keine berühmte Pariser Elitehochschule besucht zu haben. Er galt als „Algerien – Franzose“ und war somit eine Art Emporkömmling aus der fernen Kolonie. Dort wurde er am 7. November 1913 in dem Dorf Mondovi geboren: Die Verhältnisse zu Hause waren äußerst bescheiden. In seinem autobiographischen Roman „Der erste Mensch“ erinnert er sich an die Kindheit:

3. SPR.:
Ich war immer inmitten einer Armut aufgewachsen, die so nackt war wie der Tod.

1.SPR.:
Der junge Camus wurde früh mit der brutalen Sinnlosigkeit des Lebens konfrontiert: Sein Vater, zu Beginn des Ersten Weltkrieges an die französische Front abkommandiert, erliegt schon wenige Wochen später seinen Verletzungen. Der arme Mann aus der Kolonie: Er war nichts als Kanonenfutter. Das Entsetzen darüber klingt selbst in Camus distanzierter Sprache an:

3.SPR.:
Der Vater hatte Frankreich nie vorher gesehen. Er sah es. Und wurde gleich getötet.

2. SPR.:
Die Großmutter kümmert sich um die beiden Kinder, Albert und Lucien; die Mutter, stark behindert, ist kaum in der Lage, korrekt zu sprechen. Zu alledem leidet Albert Camus an der Tuberkulose, mit dieser Krankheit wird er sein ganzes Leben zu kämpfen haben.

1.SPR.:
Aber er will sich den widerwärtigen Bedingungen des Daseins nicht unterwerfen: Er liebt die Welt, und er liebt die Menschen. Schon in einem seiner frühesten Essays mit dem Titel „Sommer in Algier“ schreibt Camus:

3. SPR.:
Wenn es eine Sünde gegen das Leben gibt, so besteht diese Sünde darin, auf ein anderes, jenseitiges Leben zu hoffen und sich der unerbittlichen Größe dieses jetzigen Lebens zu entziehen. Ich behaupte, dass ich am Glück der Engel im Himmel keinen Geschmack finde.

2.SPR.:
Seine philosophischen Interessen helfen ihm, seine eigene, einmalige Lebenshaltung zu entwickeln. Er studiert den Kirchenvater Augustin und gleichzeitig den antiken Philosophen Plotin. In Algier widmet er beiden Denkern seine philosophische Lizenziatsarbeit. Und gleich danach macht er seine ersten Versuche als Schriftsteller. Er sieht seine Berufung als Künstler darin, anderen zu helfen, den Lebenssinn inmitten des Unsinns zu entdecken.

1.SPR.:
Als Journalist in Paris weiß er sich dieser Mission verpflichtet. Die Zeitung Combat stand, wie der Name sagt, ganz im Dienst des Kampfes gegen die deutsche Besetzung. Heftig wurden dabei auch Kollaborateure attackiert, jene Franzosen, die sich unter dem Nazi – freundlichen Regime des Marschall Pétain so recht wohl fühlten.

2. SPR.:
Nach der Befreiung Frankreichs durch die Alliierten im August 1944 beginnt aber für Albert Camus ein neuer Kampf, diesmal gegen totalitäres Denken, nun auch in Friedenszeiten. In seinem Roman „Die Pest“ lässt Camus den Arzt Dr. Rieux eine ihm selbst so wichtige Überzeugung aussprechen:

3. SPR..
Diese Freude über das Ende der Pest ist immer wieder bedroht, und die Pest und das schlimmste Übel können jederzeit wiederkommen.

1.SPR.:
Camus tritt leidenschaftlich ein für die Rechte der Menschen, zumal der kleinen Leute; blinden Terror und staatliche Gewalt will er bedingungslos bekämpfen, egal, ob sie von Faschisten oder von Kommunisten verübt werden.
Und genau daran zerbricht die Freundschaft mit Sartre und seinem Kreis, zu dem auch die Philosophen Maurice Merleau – Ponty und Francis Jeanson gehörten. Sie sind überzeugt, die gerechte Welt beginne hinter dem eisernen Vorhang. Die sonst so kritischen Köpfe haben viel Verständnis für die Sowjetunion; sie können es ertragen, dass eine systematische Auslöschung der Opposition politisch notwendig erscheint. Straflager seien nichts anderes als ein notwendiges Mittel, um den guten Zweck des Kommunismus zu befördern.

2. SPR.:
Albert Camus ist über so viel Verblendung entsetzt. Und er ist nicht bereit, um der Freundschaft mit einigen Intellektuellen willen auf sein Mitgefühl für die unschuldigen Opfer zu verzichten. Er ist einer der wenigen Intellektuellen in Paris, die sich mit den Arbeiterprotesten in Ost – Berlin oder Budapest solidarisieren. Seine ehemaligen Freunde wissen nun: Camus gehört nicht mehr zu ihrer Clique. Er ist ein sozialistischer Demokrat; ein Rebell, kein Revolutionär. Darum gilt er nun als Ausgestoßener und Verfemter. Um so mehr verehren ihn seine Leser weltweit: Seine Romane „Die Pest“ und „Der Fremde“ werden in mehr als 45 Sprachen millionenfach verbreitet.

1. SPR.:
Aber äußere Erfolge können ihn kaum trösten. Die Stadt Paris erscheint ihm kalt und fremd. Ein Leben inmitten von Steinwüsten wird ihm zur Last. Er zieht sich in kleinere Städte zurück, nach Avignon oder Angers, erst kurz vor seinem Tod findet er seine wirkliche Heimat inmitten der Schönheit der Provence.

2. SPR.:
Das Leben in den anonymen Großstädten kann Camus nur bestehen mit seiner humanistischen Spiritualität. Sie folgt keiner speziellen Tradition; sie ist sein eigenes, sein schöpferisches Werk. Leitend ist die Überzeugung: Niemand sollte sich einreden lassen, das wahre menschliche Leben beginne erst in ferner Zukunft, etwa in der klassenlosen Gesellschaft oder –religiös formuliert – im Himmel. Wer heute leidet, will trotz allem jetzt sinnvoll leben.

3. SPR.:
Der einzelne Mensch erlebt, dass er sinnvoll leben will, das gehört zu seinem Wesen. Gleichzeitig aber erleben wir, wie unsere Versuche, dem Leben Sinn zu geben, auch wieder scheitern und uns in Verderben ziehen können.

1.SPR.:
Diese Doppelbödigkeit des Lebens ist für Camus bestimmend: Es gibt auf dieser Welt nie das vollständig Gute, es gibt nur die Mischung aus Ja und Nein, aus Glück und dem „Absurden“.

2.SPR.:
In dem Essay „Der Mythos des Sisyphos“ zeigt Camus, wie der Mensch in einer offenbar aussichtslosen Lage doch noch selbst seinen Sinn finden kann: Auch wenn Sisyphus den Stein wieder und wieder auf den Berghang hinaufwälzt und dieser dann am Gipfel sofort wieder hinunterrollt: Sisyphos ist stolz, von so viel Sinnlosigkeit überhaupt zu wissen, also auf sie zu schauen und nicht wie ein Tier an sie gekettet zu sein. Immer bin ich es, der diese Leistung vollbringt. Ich stehe also über dem Mechanismus der Monotonie von Hinauf und Hinunter. Camus schreibt:

3. SPR.:
In diesem Widerstand zeigt sich eine stille Freude. Alles ist gut. Man muss sich Sisyphus als einen glücklichen Menschen vorstellen. Das Absurde hat nur Sinn in dem Maße, indem man ihm gerade nicht zustimmt .

1.SPR.:
Die Erfahrung von Absurdität und Sinnlosigkeit schließt menschliche Entwicklung und Reifung gerade nicht aus. Denn der Mensch kann immer seine schöpferische Kraft entwickeln und für sein eigenes Leben sinnvolle Horizonte erschließen. Diese Fähigkeit des Geistes befreit aus existentieller Bedrängnis. Camus hat dafür eine Art Formel:

3.SPR.:
Schöpferisch sein, bedeutet zweimal zu leben.

1.SPR.:
Denn es gibt neben dem unmittelbaren, alltäglichen Leben noch das reflektierte, das geistige Leben. Und das ist größer als alle Aussichtslosigkeit oder Gebundensein an schlimme Umstände. Deswegen kommt für Camus auch der Suizid nicht in Betracht. So sehr er selbst mit der Versuchung des Selbstmordes zu kämpfen hatte, etwa als er die Untreue seiner ersten großen Liebe durchmachen musste. Hand an sich zu legen, lehnt er aber grundsätzlich ab: Denn das würde bedeuten, sich dem Absurden zu unterwerfen.

2. SPR.:
Camus, der 1960 bei einem Autounfall aus dem Leben gerissen wurde und dessen Werk unvollständig blieb, hat eine Antwort auf die Frage: Unter welchen Bedingungen sich Menschen der Erfahrung von Sinnlosigkeit widersetzen können Und er verweist auf die ihm eigene Spiritualität: Dieser Begriff war Mitte des Zwanzigsten Jahrhunderts noch auf die enge Kirchenwelt begrenzt, deswegen verwendete ihn Camus auch nicht. Aber seine Äußerungen sind klar: In der tiefen Verbundenheit mit der Natur findet er den Grund seines geistigen Lebens, seine Spiritualität: Er denkt dabei vor allem an die Welt des Mittelmeeres mit ihrer Kraft der Sonne und der unendlichen Weite des See , vor allem aber auch an die Stille der Natur im Abseits der Städte. Er schreibt:

3. SPR.:
Es ist meine schwere Bestimmung, auf heidnischem Boden in einer christlichen Epoche geboren zu sein. In diesem Sinne fühle ich mich den Werten der antiken, griechischen Welt näher als dem Christentum. Griechenland ist für mich nur noch ein langer strahlender Tag und auch eine von Blüten bedeckte Insel, die unablässig auf einem Meer des Lichts dahin treibt. Dieses Licht gilt es festzuhalten.

1.SPR.:
In seinen Romanen und Essays beschreibt Camus, wie im Erleben der Schönheit eine Dimension des Heiligen berührt wird. Für ihn ist dies kein Rückfall in romantische Gefühle, sondern eine moderne Weltsicht, die den Menschen aus der Verkapselung in Individualismus und Egoismus befreien kann. Diese sinnstiftende Gabe der Natur kann nur wahrnehmen, wer sich der Welt geradezu andächtig zuwendet und die Natur nicht dem technischen Zugriff unterwirft. In der Profitgier entstehen nur verwüstete Landschaften. In seinem Buch „Licht und Schatten“ schreibt er – beinahe mystisch bewegt – von einem Besuch in Palma de Mallorca:

3. SPR.:
Wenn ich dort in den Höfen voller grüner Pflanzen und runder grauer Säulen stehen blieb, verschmolz ich mit diesem Geruch des Schweigens. Ich verlor meine Grenzen und war nichts anderes mehr als der Klang meiner Schritte oder jener Vogelschwarm, dessen Schatten ich in der Höhe auf den sonnigen Mauern wahrnahm. Im Schweigen dort fand ich eine neue und doch vertraute Köstlichkeit.

2.SPR.:
Dabei weiß Camus durchaus, dass die Natur doppeldeutig erlebt wird. Die Sonne schenkt zwar Leben; sie kann aber auch mit ihrer unbezähmbaren Kraft vieles vernichten. Nur mit Klugheit und Maß kann sich der Mensch der Natur aussetzen. Dann aber wird er reich beschenkt, gelegentlich sogar in Großstädten, die eigentlich keinen Raum bieten für erhebende Natur – Erfahrungen. In dem von ihm als abweisend und hässlich erlebten Prag wurde Camus eine besondere Erfahrung geschenkt:

3. SPR.:
In einem Barockkloster am Rande der Stadt, ließen die Lieblichkeiten des Augenblicks, der gemächliche, helle Ton der Glocken, die vom Turm auffliegenden Tauben und auch ein Duft von Kräutern ein tränenerfülltes Schweigen in mir entstehen. Es brachte mich der Erlösung auf Haaresbreite nahe.

1.SPR.:
Erlösung erwartet Camus nicht in religiösen Zeremonien der Kirchen. Nur inmitten des Lebens, in einem geschenkten Augenblick der Stille gelingt es, eine Spur der Transzendenz zu sehen. In seinen „Carnets“, den „Tagebuch Notizen“, beschreibt er seine spirituelle Haltung:

3. SPR..
Das Wort Atheismus hat keinen Sinn für mich. Bei mir ist es so: Ich glaube zwar nicht an Gott, ich bin aber auch kein Atheist“.

2.SPR.:
Camus lebt – paradox – in gottloser Frömmigkeit, er kennt die Ahnung des Heiligen, er liebt das Erhabene in der Natur und weiß, dass da jedes Wort nur Fragment ist. Aber er erlebt, wie der Mensch in eine dauerhafte Gegenwart gestellt wird: Die Last der Vergangenheit wird dann ausgeblendet und die Aufgaben der Zukunft werden zurückgestellt. Nur die Gegenwart ist im Naturerleben „da“. Wer dies achtsam erlebt, wird in die Zeitdimension der langen Dauer gehoben, in einen gedehnten, sozusagen stehenden Augenblick. Der fließende Zeitstrom ist überwunden und die Ahnung wird geweckt, was Ewigkeit meinen könnte. Von der Schönheit der Natur unterstützt, wird dabei das Geheimnis allen Lebens berührt. Selbst noch der Mörder Mersault, der Protagonist in dem Roman „Der Fremde“, kann sich in seiner Zelle kurz vor seiner Hinrichtung durch den Anblick der Natur geborgen, wenn nicht gerettet fühlen.

3. SPR.:
Ich bin mit den Sternen über dem Gesicht wach geworden. Geräusche vom Lande stiegen zu mir herauf. Gerüche von Nacht, Erde und Salz erfrischten meine Schläfen. Der wunderbare Frieden dieses schlafenden Sommers drang in mich ein wie eine Flut.

1. SPR.:
Aber für Camus ist Spiritualität kein Selbstzweck. Immer geht es ihm darum, Widerstandsreserven zu wecken inmitten des Alltags. Auch der politische Kampf für die Rechte der Unterdrückten kann niemals auf eine geistvolle Lebensphilosophie verzichten. Wie sollte man denn sonst die vielen kleinen, die vielen frustrierenden Schritte hin zu einer Verbesserung der Welt überhaupt leisten können?

2.SPR.:
Wer die neue, die gerechtere Welt aufbauen will, muss immer auch Nein sagen zu den alten Verhältnissen. Diese Dialektik zwischen Ja und Nein ist entscheidend. Und Camus sieht darin eine Art Urkraft des menschlichen Geistes! In seinem Buch „Der Mensch in der Revolte“ hat er diesen Gedanken weiter entfaltet.

3. SPR.:
Der Revoltierende kämpft für eine Unversehrtheit seines Wesens Und die Bewegung der Revolte beruht auf der kategorischen Zurückweisung eines als unerträglich empfundenen Leidens.

1.SPR.:
Der Mensch muss rebellieren, einfach nur, weil er Mensch ist, das gehört zu seinem Wesen! Dabei ist die Rebellion oder die Revolte grundlegend verschieden von der Revolution. Diese lässt sich von brutaler Macht und tötender Gewalt leiten. Die Einheitspartei im Kommunismus wie im Faschismus maßt sich an, Hort der Wahrheit zu sein und deswegen Menschen auslöschen zu dürfen. Auch in der westlichen Welt, mit ihrer Lust am unbegrenzten Konsumieren und Vernichten der natürlichen Ressourcen, sieht Camus nichts als zerstörerischen Nihilismus, es ist die Ideologie: Alles auf dieser Erde ist letztlich wertlos und deswegen zu verbrauchen.

2. SPR.:
Nur der Rebell, also der „Mensch in der Revolte“, kann dem herrschenden Nihilismus Einhalt gebieten: Camus findet Bündnispartner, denn es gilt, eine breite Bewegung der Solidarität aufzubauen, mit kritischenGewerkschaften vor allem. Er sieht, wie sich rebellische Menschen unterstützen, wenn sie ein gemeinsames, humanes Projekt haben. Camus formuliert diese Einsicht in einer weithin bekannten Formel:

3. SPR.:
Ich empöre mich. Also sind wir!

1. SPR.:
Ein denkwürdiges und anspruchsvolles Wort: Das Lebens Motto von Camus! Denn wenn das Leben wesentlich Protest ist gegen Ungerechtigkeit und Rebellion gegen den Nihilismus, dann erlebt man Außergewöhnliches: Der einzelne weitet sich auf die anderen hin, es entstehen Verabredungen, es wächst Gemeinschaft. Camus betont:

3. SPR.:
In der Revolte zeigt sich eine Bejahung des Lebens; diese Zustimmung übersteigt den Einzelnen. Sie zieht ihn aus seiner Einsamkeit und gibt ihm einen Grund zum handeln. Der Revoltierende kämpft für eine Unversehrtheit seines Wesens. In der Revolte übersteigt sich der Mensch.

2.SPR.:
Auch wenn Camus immer wieder betont, nicht an den Gott der Christen und ihrer Kirchen zu glauben, so ist er alles andere als ein militanter Feind der Religionen. Er meint zwar, die Theologen wüssten zu viel von der göttlichen Wirklichkeit und dem Geheimnis des Lebens. Dennoch ist es für ihn wichtig, mit den Christen zu diskutieren. So folgte er gern einer Einladung der Dominikaner Mönche in Paris und er läuterte ihnen seine religionsphilosophische Haltung:

3. SPR.:
Ich möchte festhalten, dass ich mich nicht im Besitz irgendeiner absoluten Wahrheit fühle, aber auch niemals von dem Grundsatz ausgehen werde, die christliche Wahrheit sei eine Illusion. Vielmehr möchte ich Ihnen sagen, dass die Welt heute ein echtes Zwiegespräch nötig hat.

1.SPR.:
Camus ist überzeugt: Die Zeit ist gekommen, dass sich Ungläubige wie Gläubige vereinen in ihrer Rebellion gegen jegliche Verachtung menschlichen Lebens. Seine christlichen Freunde hat er mehrfach aufgefordert, über die eigenen Dogmen hinauszublicken zugunsten elementarer Lebenserfahrungen. In seinem Buch Licht und Schatten schreibt Camus:

3. SPR.:
Die Welt ist schön. Außerhalb dieser schönen Welt gibt es kein Heil und keine Rettung.

2.SPR.:
Aber der Mensch wird sterben, was kann dann über den Tod hinwegtrösten? 1957 notiert Camus :

3. SPR.:
Wenn ich einmal sterbe, dann wird dieser schöne Ort wie Tipasa am Mittelmeer noch weiter seine Fülle und Schönheit verbreiten. Darin finde ich meinen Trost. Wir entscheiden uns für die treue Erde, das kühne und nüchterne Denken, die klare Tat, die Großzügigkeit des wissenden Menschen. Im Lichte bleibt die Welt unsere erste und letzte Liebe.

1.SPR.:
Wenige Tage vor der Verleihung des Literatur – Nobelpreises im Dezember 1957 in Stockholm formulierte er noch einmal das, was ihn trägt:

3. SPR.:
Wie viele andere Menschen von heute bin ich des Mäkelns und der Bosheit, mit einem Wort, des Nihilismus müde. Was zu verurteilen ist, sollte verurteilt werden! Aber kurz und bündig. Was hingegen noch gelobt zu werden verdient, sollte ausführlich gelobt werden. Schließlich bin ich ja deswegen Künstler. Denn selbst das Werk, das verneint, bejaht doch noch indirekt etwas und ehrt auch so das armselige und herrliche Leben, unser Leben.

Literaturhinweis:
Unter den Werken Albert Camus verdient die neue Übersetzung von „Hochzeit des Lichts“ (übersetzt von Peter Gan und Monique Lang), erschienen im Arche Verlag, Hamburg – Zürich, 2013, besondere Beachtung, zumal im Blick auf das Thema Spiritualität.

Huub Oosterhuis wird 80: Dichter und Theologe, nun auch der “Papst von Amsterdam” ?

Huub Oosterhuis wird 80: Dichter und Theologe, nun auch der “Papst von Amsterdam”?

Eine aktuelle Ergänzung vorweg am 17. 5. 2014: Huub Oosterhuis wird für sein Lebenswerk mit dem ökumenischen Deutschen Predigtpreis ausgezeichnet. Das gab der Stifter des Preises, der Verlag für die Deutsche Wirtschaft mit Sitz in Bonn, bekannt. ‘Oosterhuis zähle mit seinen Liedern, Gebeten und liturgischen Texten zu den wichtigsten Gestaltern des religiösen Lebens auch im deutschsprachigen Raum,’ so die zehnköpfige Jury. ‘Seine Texte drückten das Lebensgefühl von Christen in der Gegenwart beispielhaft aus. … Sein dichterisches Werk und seine Beiträge zur Erneuerung der Liturgie und des Kirchengesangs finden seit 40 Jahren auch in Deutschland weite Verbreitung.’
Huub Oosterhuis: “Ich fühle mich sehr geehrt und freue mich auf die Preisverleihung.” Die Feierstunde findet am Buß- und Bettag, Mittwoch, 19. November 2014 vormittags in der Schlosskirche der Universität Bonn statt.

Inzwischen ist ein kurzer, aber sehr wichtiger TV Beitrag mit Interviews mit Huub Oosterhuis und Kees Kok (dem vertrauten Mitarbeiter in Amsterdam) im Netz,  klicken Sie bitte hier. Sie finden den Beitrag am Ende einer Liste von Text Beiträgen anläßlich der Preisverleihung.

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Der religionsphilosophische Salon interessiert sich für neue Formen religiöser Sprache. Auf den niederländischen Dichter und Theologen, den manche auch einen Propheten nennen, also auf Huub Oosterhuis, haben wir mehrfach hingewiesen. Seine Gedichte führen über die banale Alltagssprache hinaus, die nur in Zweck – und Mittelrelationen denkt, die flach ist und abgestumpft und tiefere Gefühle und Einsichten nicht ausdrücken kann. Huub Oosterhuis hat seine Poesie, diese andere Sprache, die niemals esoterisch und hermetisch ist, im Studium der biblischen Texte entwickelt. Er wagt es von Gott zu sprechen. Seine Poesie wird auch gesungen in vielen holländischen Gemeinden, einige wenige Lieder sind sogar auf Deutsch in offiziellen konfessionellen Gesangbüchern zu finden.
Huub Oosterhuis feiert am 1. November 2013 seinen 80. Geburtstag. Wir wollen aus diesem Anlaß herzlich gratulieren. Für alle, die sich für eine moderne Gestalt des christlichen Glaubens interessieren, bleibt er inspirierend, wenn nicht vorbildlich: Oosterhuis hat schon Ende der neunzehnhundertsechziger Jahre erkannt, dass die römische Kirche so lange nicht den Impulsen Jesu und der biblischen Botschaft entspricht, als sie das Papsttum als Papsttum, in welcher (moderneren) Gestalt denn immer, bewahrt. Und solange hierarchische (also klerikale) Strukturen der bekannten Art die Kirche dominieren (und zunehmend lähmen). Huub Oosterhuis hat 1970 den Schritt gewagt, eine eigene, freie Gemeinde zu inspirieren, ohne die Last römischer Gesetze, sondern in stetem Dialog zwischen moderner Lebenswelt und biblischer Botschaft. Diese “Studentenecclesia” besteht bis heute, jetzt in den neuen Räumen von “de nieuwe liefde” in Amsterdam. Von allen Versuchen, die Hierarchie um etwas Reformen zu betteln, hält er nichts: “Das ist vertane Zeit”. “Es gibt Dringenderes!” Diese Worte werden und wurden in sogenannten progressiven Kreisen des Katholizismus etwa in Deutschland nie gehört und wahrgenommen.
Wir haben darüber mehrfach berichtet, zur Lektüre klicken Sie bitte hier.
Nun ist vor einigen Tagen ein Buch erschienen mit dem merkwürdigen Titel “De paus van Amsterdam. Biografie van Huub Oosterhuis’, also “Der Papst von Amsterdam. Biographie Huub Oosterhuis”. Verfasst hat das Buch der Journalist Marc van Dijk, erschienen ist es im Verlag Atlas Contact. Wenn man den tatsächlichen Einfluß von Huub Oosterhuis auf die Lieder und dadruch auch auf die Theologie einiger Amsterdamer Gemeinden andeuten will, erscheint der Titel wohl berechtigt,wenn auch übertrieben. Das Buch hat jetzt viele Diskussionen ausgelöst, weil diese Biographie auch auf die Verbindungen von Oosterhuis mit dem Königshaus eingeht und ausfürlich auch sein politisches Engagement, etwa in der Sozialistischen Partei SP, beschreibt.
copyright: Religionsphilosophischer salon berlin.

Zu einem neuen Buch von Huub Oosterhuis in deutscher Sprache:» Das Huub Oosterhuis Lesebuch «: Essays und Lieder über Bibel, Gott, Jesus, Geist, Tod, Neue Menschheit, Ekklesia, Lehrhaus und Liturgie. Mit Einleitungen, einer Hinführung zur Person und zum Werk des Autors durch den Herausgeber Cornelis (Kees) Kok und einer Würdigung seines Werks durch Alex Stock. 340 Seiten.

Am Montag, 2. Dezember 2013, 20.00 Uhr, spricht Huub Oosterhuis, eingeladen vom Herder Verlag und der katholischen Akademie Freiburg unter dem Titel: ‘Dein Buch, das uns am Leben hält’ über Die Spiritualität der Bibel.
Ort: Katholische Akademie, Wintererstr. 1, 79104 Freiburg
Karten: 6 Euro, erm. 5 Euro. Siehe www.huuboosterhuis.de
Interessant ist der Bericht über diese Tagung in der katholischen Wochenzeitschrift “Christ in der Gegenwart”, Ausgabe 51/2013, Seite 576. Dort schreibt der Redakteur “JPS”: In den Niederlanden gibt es vier “an Oosterhuis orientierte Personalgemeinden”. Mit dem unklaren Begriff “Personalgemeinde” (diese gibt es ja bekanntlich auch im römisch-katholischen Milieu) wird wieder einmal in katholischen Medien Deutschlands die Identität dieser Gemeinden, von Oosterhuis inspriert, verschwiegen und vertuscht: Es handelt sich tatsächlich um unabhängige, von Rom getrennte Gemeinden, die, wie in Amsterdam, seit mehr als 40 Jahren den eigenen theologischen Weg gehen. Huub Oosterhuis hat oft und voller Stolz über diesen eigenen Weg etwa der Amsterdamer Studentenecclesia berichtet. Warum haben katholische Medien (und Verlage) Angst, die Identität dieser Gemeinden zu nennen? Fürchten Sie, dass dieses Modell inspirierend in Deutschland sein könnte? Sollte es eigentlich sein, könnte man denken…. Aber sind für die Gründung solcher Gemeinden “die” Deutschen doch viel zu ängstlich? Und vor allem? Was machen wir dann ohne Kirchensteuer?

“Uns allen blüht der Tod” – Der mexikanische “dia de los muertos”

“Uns allen blüht der Tod…” – Das mexikanische Totenfest. Siehe auch den Buchhinweis am Ende dieses Beitrags.

Von Alfons Vietmeier, Mexiko – Stadt.

Das mexikanische Totenfest (“Días de los Muertos”) ist das (fast)  wichtigste Volksfest des Jahres. Zuerst und vor allem ist es ein Familienfest. Fast so wie an Weihnachten wird das Wohnzimmer geschmückt mit Girlanden und es wird ein Altar gebaut: statt Geschenke für uns Lebende, werden die Verstorbenen empfangen und beschenkt mit all den Lieblingspeisen und –Getränken, die ihnen im Leben wichtig waren; so darf auch ein Tequila nicht fehlen. Und für jeden Lebenden und Toten der Familie steht auf dem Altar ein kleiner Totenschädel aus Schokolade oder Amaranto mit einem Zettel der den jeweiligen Namen angibt. Auf dem Altar sind zudem die Fotos der Verstorbenen, einige persönliche Erinnerungsstücke und symbolisch die vier Elemente: Blumen als Zeichen von Erde, Kerzen (zumindest vier für die Himmelsrichtungen) als Zeichen des Feuers, Weihrauch als Zeichen des Windes und dann ein Wasserglas. In einigen Regionen kommen schon am 31. Oktober abends die verstorbenen Kinder; in der Mehrzahl der Regionen kommen sie am 1. November abends und am 2. November dann die verstorbenen Erwachsenen. Damit sie den Weg zum Altar auch finden, streuen viele Familien einen Weg mit den gelben Blütenblättern der “Cempasúchil – Totenblume”: gelb ist die Farbe des Lebens und der Sonne: Himmel und Erde sind vereint. Es wird gebetet, gesungen, Erinnerungen erzählt und es wird miteinander gegessen: das süsse “Totenbrot” und heisser Kakao. Natürlich werden die Gräber auf den Friedhöfen mit diesen gelben Bumen üppig geschmückt. in vielen Orten ist des Brauch , abends im Dunkeln sich auf dem Friedhof zu treffen mit vielen Kerzenlichtern: Lebende und Tote besuchen sich und nachdenklich – dankbar werden Erinnerungen, Essen und Trinken miteinander geteilt.

Die Wurzeln dieser Festtage reichen weit zurück in die vorspanische Kultur und Religion. Über Jahrtausende erwuchs diese Kosmosvision einer integralen Welt, in der Natur und Menschen eine Einheit bilden. So wie die Pflanzen blühen, Frucht bringen und sterben und dann als Dünger neues Leben zu ermöglichen, so ist es auch mit dem menschlichen Lebenszyklus. Wir sind Teil eines sich immer erneuernden Ökosystems. Tod und Leben gehören zusammen.

In solchem Begreifen eines ewigen Austausches von Leben und Tod ist auch die indigene Religion einzuorden: Das Göttliche beseelt Alles: auch die Natur hat Seele. Jedes Ökosystem, einschlieslich menschliches Leben, macht das göttliche Leben und sein Geheimnis sichtbar. Die uralten Schöpfungsmythen der verschiedenen mesoamerikanischen Völker haben gemeinsam, dass die vier Elemente “Erde – Wasser – Feuer – Wind” alleine nicht den Bestand des Kosmos und des Lebens in ihm schaffen konnten. Deshalb war ein weiterer göttlicher Schöpfungsakt notwendig: um die Dunkelheit  zu erhellen, opfert sich die Gottheit der Kranken und Leidenden, wirft sich ins heilige Feuer und beim sich Verbrennen verwandelt er sich in die Sonne (= die fünfte Dimension), die Alles erhellt und belebt. Krankheit, Leiden und Tod verwandeln sich in Licht und Leben für den ganzen Kosmos und das immer neu!

Wir müssen deshalb keine Angst vor dem Tod haben: Wir sind weiter wichtig für die nach uns Lebenden und diese pflegen zugleich uns weiter! Und zugleich auch: Mensch und Natur sind verwoben: deshalb müssen wir die Umwelt pflegen und auch immer neu die Menschenwürde verteidigen! Genau das empfinden weiterhin ganz Viele, denn es lebt im Unbewussten als kulturelles Erbgut.

Als vor 500 Jahren, nach der politischen Eroberung durch Hernán Cortés, auch der iberische Katholizismus begann die indigene Religion zu erobern, hatten die ersten Missionare kein Problem mit solchen Totenbräuchen. Sie spürten Übereinstimmung mit der christliche Sicht: “Von der Erde sind wir genommen und zur Erde kehren wir zurück!”, so wird bei Beerdigungen gebetet  und am Aschermittwoch als Aschekreuz auf die Stirn gezeichnet. Von sich selbst sagte Jesus: “Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht” (Joh. 12, 24). Das “Gottesopfer” geschah am Kreuz und Ostern besiegte den Tod. Also Aschermittwoch und Allerseelen, Karfreitag  und Ostern zusammen! Auch bis heute wird das so im katholisch – kirchlichen Milieu ausgedrückt: jeder Kirchenraum hat seinen “Totenaltar”, reich geschmückt mit der Vielfalt indigener religiöser Symbole und keine kommt auf die Idee zu sagen: das ist aber heidnisch! Es ist ein kreativer Synkretismus! Ihn hat es immer schon in der Geschichte des Christentums gegeben, zum Beispiel bei den Weihnachtsbräuchen.

Weil es sich beim Totenfest um eine integrale Kosmosvision handelt, ist notwendigerweise die ganze Gesellschaft mit einbezogen. Jeder Kindergarten, jeder Schule, jedes Büro oder Geschäft hat seinen “Totenaltar” und überall dabei Girlanden und die “Totenblumen”. Jede Stadt und jeder Ortsteil hat auf seinem Hauptplatz einen Wettbewerb von “Totenaltäre” und dazu gibt’s Volksmusik und Essens- und Getränkestände: so etwas wie Weihnachtsmarkt – Stimmung, aber mit weniger Rummel und mehr Volkskultur, mit weniger Kommerz und mehr politisch satitrisch, insbesondere in den letzten Jahren.

Ich war mit meiner Familie auf dem Campus der UNAM der grössten Universtät in Lateinamerika mit rd. 250 tausend Studenten. Einige tausend Studenten und auch Professoren, Ehemalige usw. schlendern gelockert und nachdenklich über die riesige Grünfläche vor dem Rektorat  zwischen Hunderten von grossflächigen Totenaltären: Studenten und Mitarbeiten fast aller Fakultäten und Forschungsstätten haben Kreativen in wochenlanger Vorarbeit erarbeitet. Tema war in diesem Jahr die Erinnerung an das 25. Todesjahr von Jorge Luis Borges, einer der grössten lateinamerikanischen Dichter und tiefsinniger Denker des Lebensdramas. Medizinstudenten visualsieren dies scharf – kritisch mit der Darstellung von Opfern ärztlicher Fehldiagnosen, unterlegt mit Gedichten von Borges. Die Biologie hat natürlich den Tod der Umwelt zum Thema und die Fakultät der Rechtswisenschaften arbeitet das ab mit Beispielen der realen Ungerechtigkeit: die Gefängnisse von voll Kleindelinquenten, verurteilt zum sozialen Tod oder als Kanonenfutter des Drogenkrieges. Und die Täter mit weissen Kragen? Auch sie müssen sterben: der Tod ist gerecht. Uns allen blüht der Tod!

Ich sehe im Fernsehen die Übertragung der Totenfeier der neuen “Bewegung für Frieden mit Gerechtigkeit und Menschenwürde”: Tausende mit Lichtern in der Händen sind in der Dämmerung um die “Siegessäule” versammelt. Ihr Sprecher, der Poet Javier Sicilia, liest einen bewegenden Appell: Es gilt, sich heute zu erinnern insbesondere der Tausenden Opfern einer wilden Unmoral, die sich unseres Landes bemächtigt hat. Jedes Opfer hat einen Namen, ein Gesicht und seine ureigene Lebensgeschichte. Die Gesellschaft und der Staat sind tief verschuldet durch fehlende Gerechtigkeit den Opfern gegenüber und den Lebenden! Zugleich listet es einen hochpolitischen Forderungskatalog auf! Verschuldung beinhaltet auch Entschuldung und Aufbau eines gerechteren Gesellschaftsstuktur. Das mexikanische Totenfest in seiner familiären, sozialen, kulturellen und politischen Ausfächerung hat Zentrum, ein  Herz das klopft und so Herzen bewegt.

Ich höre dann in den Nachrichten vom “G 20 – Gipfel” die markante Aussage: “Der Euro ist das Herz von Europa!”. Ich werde betroffen und wütend: Geld ist zum Herzstück tausendjähriger abendländischer Kultur geworden?! Das darf doch nicht wahr sein: der brutal – orgiastische “Tanz um’s goldene Kalb” ist jetzt Herzenssache?! Genau deshalb erleiden wir eine herzlosen Zeit! So lese ich mit Genugtuung, dass sogar die FAZ (Mitherausgeber Schirrmacher, 4.11.2011) unterstreicht “…wie massiv gerade moralische Übereinkünfte der Nachkriegszeit im Namen einer höheren, einer finanzökonomischen Vernunft zerstört werden. Solche Prozesse laufen schleichend ab, sie tun ihr Werk im Halbbewussten, manchmal über Jahrzehnte, bis aus ihnen eine neue Ideologie entstanden ist. So war es immer in den Inkubationsphasen der großen autoritären Krisen des zwanzigsten Jahrhunderts. (…) Es ist gut, einen Schritt zurückzutreten, um klar zu sehen, was sich hier vor unser aller Augen abspielt. Es ist das Schauspiel einer Degeneration jener Werte und Überzeugungen, die einst in der Idee Europas verkörpert schienen”.

Gerade unsere kritisch – chaotische Zeit im Umbruch benötigt vor allem auch Zeiten – Erfahrungen, die uns ermöglichen, den tieferen Sinn der Existenz von Welt und Mensch zu entdecken und wieder ins Zentrum zu rücken. Immer dringlicher gilt es, tiefer und weiter zu denken, umzudenken und: anders leben und handeln!

Das neue Buch:
Alfons Vietmeier, 1942 in Emsdetten geboren, studierte inMünchen und Münster Theologie. Als katholischer Priester arbeitete er an der Basis in Cardonal, bei Tula, Mexiko. 1991 zog er nach Mexiko Stadt, um außerhalb des Amtspriestertums ökumenische Bildungsarbeit zu leisten, vor allem im Blick auf die zunehmende Urbanisierung. Er ist mit einer Anthropoligin und Historikerin verheiratet.
Seit seiner Pensionierung im Jahr 2005 engagiert er sich ehrenamtlich in der Gestaltung eines zivilgesellschaftlich relevanten Netzes von der Basis aus zugunsten einer gerechten, demokratischen Gesellschaft und zugunsten von christlichen Gemeinden, die ihre politisch – soziale Aufgabe neu entdecken, und dabei gerade die religiöse Dimension auch neu wahrnehmen.
Sein neues Buch hat den Titel „Mexiko tiefer verstehen“, es bietet einen kritischen Einblick die vielfältige Realität Mexikos.
Viele Menschen in diesem Land sind dem brutalen internationalen Drogenhandel ausgesetzt, Frauen werden abgeschlachtet (Ciudad Juarez), die Zivilgesellschaft wird tyrannisiert, aber sie wehrt sich und braucht Unterstützung weltweit: Denn der Bedarf an harten Drogen in den USA und der so genannten „reichen Welt“ wird geweckt durch eine tiefe Sinnkrise, um nicht zu sagen Sinnleere, in der Millionen reicher und weniger begüterter Menschen leben. Angesichts dieses massenhaften Bedarfs an berauschenden Mitteln bis hin zu total benebelnden Giften darf man sich fragen, was es bedeutet, wenn sich die USA eine christliche Nation nennen. In god we trust, diese und ähnliche Sprüche verdecken nur die Tatsache, dass das Christentum, die Kirchen, in den USA eben nicht wirksam und prägend geworden sind. Die große Sinnleere hat der Glaube eben nicht ausfüllen können. Das Christentum in der Drogen -Konsumenten – Nation USA ist, dürfen wir es sagen, weithin nichts als schöner Schein, als eine Blase, mit der Politik (auch Außenpolitik) gemacht werden kann und mit dem sich viel Geld in Gemeinden machen lässt… das dann aber unter den Hand wieder für harte Drogen ausgegeben wird. Dies sind Randbemerkungen von Christian Modehn.

Das Buch von Alfons Vietmeier „Mexiko tiefer verstehen“ ist im Herbst 2013 im Dialog Verlag Münster erschienen.
copyright: Religionsphilosophischer Salon.

Die Reformation braucht eine Reformation. Zum 31. 10. ein Interview mit Prof. Wilhelm Gräb

Zum Reformationstag: Einmal radikaler die Reformation denken.

Die Erinnerung an die Reformation Martin Luthers hat sehr oft nur den Cha-rakter des kritischen Rückblicks und der Wiederholung alter Standardthemen, wie etwa der Rechtfertigung des Sünders. Sollten nicht neue Gotteserfahrungen besprochen werden, etwa der “Gott in uns”, die Sakralität der Person; das Göttliche, das in der Musik (in jeder Musik?) oder auch in der Erotik erlebt wird? Oder in der Solidarität mit Verarmten und Leidenden?
Zur Fortsetzung der Lektüre des Interviews mit dem Theologen Wilhelm Gräb klicken Sie bitte hier.