“Kirchensteuer muss gezahlt werden” – Wie die Katholische Kirche in Deutschland auf das Niveau eines Vereins abrutscht

Katholische Kirche in Deutschland auf dem Niveau eines Vereins?

Fragen des „Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salons Berlin“ zur aktuellen Debatte am 21.9.2012

Die Deutsche Bischofskonferenz hat am 20.9.2012 verfügt: Wer seine Kirchensteuer nicht zahlen will, kann nicht mehr Mitglied der Katholischen Kirche in Deutschland sein, d.h. sogar: Er/sie kann kein(e) Katholik(in) mehr sein, obwohl in fast allen anderen Ländern dieser Welt die Mitgliedschaft in der katholischen Religionsgemeinschaft nicht gebunden ist an die vom Staat eingezogene Kirchensteuer oder überhaupt an feste regelmäßige Beitragszahlungen. Oder hat man etwas von verpflichtenden Beitragszahlungen auf den Philippinen, in Kolumbien, in der Demokratischen Republik Kongo oder in Mexiko gehört? Den viel gerühmten katholischen „Stammländern“?

Noch einmal: Selbst wenn ein Katholik ausdrücklich bekennt, er sei nach wie vor ein gläubiger Katholik, habe aber seine eigenen Ansichten, wie er die persönlich hoch geschätzte Glaubensgemeinschaft finanziell unterstützen wolle, der wird von den so genannten Oberhirten ausgeschlossen. Das Wort exkommuniziert bietet sich von selbst an.

Damit rückt die katholische Kirche in Deutschland durch den Beschluss der Bischofskonferenz auf das Niveau eines von vielen Vereinen: Etwa:Du kannst ein noch so großer Liebhaber von Schäferhunden sein; wenn du nicht deinen Beitrag zahlst als Mitglied des „Vereins Freunde der Schäferhunde“ dann darfst du – in der Sicht der Vereinschefs – auch kein Schäferhund – Liebhaber mehr sein. Du darfst dich nicht mehr Schäferhundliebhaber nennen.

Ein Gedanke drängt sich einigen Freunden und Mitgliedern des Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salons auf:

Die Bischöfe wollen unbedingt das Geld, so viel wie möglich. Es ist ihnen dabei egal, ob ein zahlendes Mitglied sich seinen persönlichen Glauben, etwa als Mix von Astrologie, Buddhismus, Yoga und Bibel,  selber formt, ob er mehr Maria verehrt als Gott, ob er mehr Pater Pio anbetet als das göttliche Geheimnis: All das ist den so genannten Oberhirten weithin egal. Wer aber tiefer theologisch nachdenkt, wie einige Theologieprofessoren, etwa Prof. Hartmut Zapp, die aus Glaubensgründen (!) keine Kirchensteuer mehr zahlen wollen, der wird rausgeschmissen. Keine Debatten, keine Vielfalt, keine viel besprochene “Brüderlichkeit”, kein Respekt vor abweichenden (gar nicht häretischen!) Meinungen… So handeln nur  Vereine, nicht Glaubensgemeinschaften. Mit ihrer Entscheidung führen die sogenannten Oberhirten die Katholische Kirche weiter ins Getto. Manche Freunde unseres Salons meinen: “Sie gehört wohl in den Club der =Sekten=”. Tatsache ist: Diese Entscheidung der deutschen Bischöfe isoliert weiter die Spitze von der sogen. Basis. Von Glaubensgemeinschaft in Viefalt Gleichberechtigter kann keine Rede mehr sein. Es geht den Hirten vor allem ums Geld, um die Wahrung bisheriger Strukturen (die ja bekanntermaßen alles andere als einen kirchlichen Frühling bescherten) und die Fortsetzung ihres abgehobenen, fürstlichen Lebens in Palästen und Residenzen. Und das alles im Namen des Evangeliums. Welches Evangeliums eigentlich?

Copyright: Religionsphilosophischer Salon Berlin

 

 

“Berlin 775 Jahre”: Für eine “Berliner Theologie: Religiös sind fast alle

Anläßlich der Feiern “Berlin wird 775” eine theologisch -religionsphilosophische Provokation.

Religiös sind fast alle

Für eine „Berliner Theologie“, zum ersten Mal publiziert an 5, September 2012

Von Christian Modehn

Ab Ende August wird in Berlin – wieder einmal – ausgiebig gefeiert: Die Hauptstadt wird 775 Jahre alt. Auch die Religionen gehören zu Geschichte. An „Gedenkfeiern“ wird es nicht mangeln. Wird die Theologie nur nach rückwärts schauen? Theologie als Wissenschaft wird in Berlin seit Beginn des 19. Jahrhunderts gelehrt. Inspirierend sind bis heute die Protestanten F. Schleiermacher und E. Troeltsch, sicher auch D. Bonhoeffer und P. Tillich. Sie wurden auch außerhalb der kirchlichen Welt geachtet, weil sie den Mut hatten, jenseits dogmatischer Traditionen Neues zu sagen: Ihr Bezugspunkt war die unkirchliche Kultur der Metropole. Aber die war nicht der „Feind“, den man missionierend „besiegt“, sondern der Partner, von dem man lernt. Deswegen galt es, die „Gebildeten unter den Verächtern des Religion“ (Schleiermacher) anzusprechen und zu argumentieren, „als gäbe es Gott nicht“ (Bonhoeffer). Berliner Katholiken sind noch stolz auf ihren einzigen Star, den Religionsphilosophen R. Guardini, er interpretierte immerhin Rilke, Dostojewski und Hölderlin.

Auch heute ist Theologie (evangelische an der Humboldt – Universität, katholische, sehr bescheiden, an der F.U.) auf den immer kleiner werdenden kirchlichen Sektor bezogen. In kulturellen oder sozialpolitischen Debatten der Stadt kommt Theologie kaum vor. Für die Medien ist sie ein Randthema. Die beiden konfessionellen Akademien bedienen vor allem das älter werdende kirchliche Publikum.

23 Jahre nach dem Fall der Mauer ist Berlin immer noch „Sektoren – Stadt“. Es gibt zahlreiche unterschiedliche soziale und religiöse Milieus, die nebeneinander leben, manchmal auch gegeneinander. 130 Nationen sind allein im Bezirk Neukölln vertreten: Etliche Menschen arabischer Herkunft wollen mit ihren Nachbarn türkischer Herkunft nichts zu tun haben. Zudem wird die Gentrifizierung als Heimat Vertreibung der Alteingesessenen an den ungeliebten Stadtrand erlebt. Wohlhabende Kirchengemeinden meiden die Begegnung mit „Glaubensbrüdern“ aus armen Bezirken. Der Stadt mit 3, 5 Millionen Einwohnern und mit mehr als 12 Millionen Touristen jährlich, fehlt eine allen gemeinsame spirituell – menschliche Basis; es fehlt das Bewusstsein für das Verbindende. Darum sollte sich Theologie kümmern. Dies könnte dann auch ihr Sprechen von Dogmen und Traditionen grundlegend weiten. Schleiermachers und Bonhoeffers Ideen sollten fortleben.

Von regelmäßigen, auf Dauer angelegten theologischen Gesprächen mit Nichtkonfessionellen oder Atheisten kann keine Rede sein. Dabei bilden diese Menschen in Berlin die absolute Mehrheit. Nur jeder dritte Bewohner Berlins gehört noch einer christlichen Kirche an. 660.000 sind evangelisch, 320.000 katholisch. Junge Menschen sind in den Kirchen die Minderheit. An einem „normalen Sonntag“ nehmen ca. 50.000 Christen am Gottesdienst teil. So viele Besucher zählen auch die zahllosen (Musik) „Clubs“ an einem Wochenende. Zum Islam bekennen sich etwa 8 Prozent der Bevölkerung. Die jüdische Gemeinde hat 11.000 Mitglieder. Genaue Zahlen zu den zahlreichen Buddhisten gibt es nicht.

Wäre es nicht an der Zeit, eine neue, eine ausdrücklich ortsbezogene „Berliner Theologie“ zu entwickeln? Es ist doch selbstverständlich: In Kalkutta muss anders über Gott und die Menschen nachgedacht und gesprochen werden als in Paris oder Nairobi.

Was ist also eine „Berliner Theologie“? Sie bezieht sich zunächst auf die allgemeine Religiosität der Menschen, weil sie weiß, dass jeder auf irgendeine Weise bewusst oder unbewusst seinen eigenen Mittelpunkt im Leben hat, einen  Wert, der ihm „absolut wichtig“ ist: Die Liebe und Nächstenliebe, das Vergnügen und die Solidarität, die Musik, die Kunst und die Museen … oder der Sport. Eine Bindung an etwas (subjektiv) „Heiliges“ haben die Menschen längst, „Religion“ ist immer schon da. Theologie hat diese allgemeine Spiritualität zu respektieren und im Gespräch herrschaftsfrei zu befragen.

„Berliner Theologie“ weist also darauf hin, dass es eine „unsichtbare humane Religion“ (Th. Luckmann) gibt, die als eine Art gemeinsamer „Nenner“ die Menschen verbindet. Im Gespräch können sie sich verständigen, wie sich diese Formen unsichtbarer Religion wechselseitig kritisieren oder korrigieren: Ist Religiosität persönlich und gesellschaftlich befreiend, fördert sie die Ausbildung ganzheitlicher Menschlichkeit? Christliche Traditionen können dann als Vorschlag, als Denkanstoß und Einladung eingebracht werden. Diese Berliner Theologie würde dann eher als Religionswissenschaft des Christentums arbeiten, wie in Holland oder den USA. Sie fordert offene Gemeinden, in der möglichst viele unterschiedlichen Menschen sich ökumenisch austauschen können, mit einander (auch rituell) feiern in dem Wissen, dass die Vielfalt der Überzeugungen eine gemeinsame humane – spirituelle Basis hat. Im Gespräch mit Muslims wäre das gemeinsame Menschsein die Basis, nicht die korrekte Koran – Interpretation. Eine „Berliner“ Theologie, „anthropologisch gewendet“, könnte dem Wohl der Stadt dienen und die Grenzen und „Sektoren“ überwinden.

Der Beitrag erschien am 24. 8. 2012 in ähnlicher Form in Publik  Forum, allerdings durch die Redaktion dort bearbeitet.

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Sprache und Sprechen im Vatikan. Anläßlich des Buches von G. Nuzzi, Seine Heiligkeit

Sprache und Sprechen im Vatikan heute

Anlässlich der deutschen Ausgabe von Gianluigi Nuzzi, Seine Heiligkeit.

Der Religionsphilosophische Salon will aus dem weiten Feld der Religionen und Kirchen immer wieder Themen nennen, die eine erhöhte Aufmerksamkeit verdienen. Es geht um Fragestellungen, die unserer Meinung nach bisher kaum studiert und diskutiert werden. Die aber ein Licht werfen, wie sich Religionen heute, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, präsentieren und wie ihr „Innenleben“ geprägt ist.

Ein Thema: Sprache und Sprechen im Vatikan heute. Damit ist gemeint, wie innerhalb der päpstlichen Kurie, also innerhalb des „Hofes“ (curia), gesprochen wird, welcher Formeln und Floskeln sich die Mitglieder des Hofes bedienen. Angestoßen sind diese Hinweise durch das nun auf Deutsch erschienene Buch von Gianluigi Nuzzi, Seine Heiligkeit, Piper Verlag, September 2012. Der Journalist Nuzzi bietet darin, das ist bekannt, bislang geheime Dokumente, die für den internen Verkehr im Staat des Papstes bestimmt waren. Sie offenbaren gerade in ihrer „privaten“ Dimension, wie dort die vielfältigen Untergebenen des Papstes sich an die obersten Spitzen, also den sogen. „Heiligen Vater“  selbst und seinen Sekretär wenden; meist, um die Gunst dieser beiden Herren der Kirche in ihren privaten Angelegenheiten zu erwerben.

Wer historische Kenntnisse hat, wird vielleicht zum Vergleich die Korrespondenz der Untertanen Ludwig XIV. im 17. Jahrhundert, des sogen. „Sonnenkönigs“,  heranziehen wollen, aber das ist ein anderes Forschungsthema.

Wir dokumentieren nur in einigen Auszügen, in welcher Sprache sich die Bittsteller an den Papst und seine Mitarbeiter wenden. Wie weit diese Briefe tatsächlich einen „Vater“, also Papa, „Papst“,  meinen, erscheint hoch problematisch; man denke zum Vergleich an den großzügigen Vater in Jesu Gleichnis vom Verlorenen Sohn… aber das mag jeder Leser und jede Leserin selbst beurteilen.

Unserer Meinung nach ist die Sprache meist Angst besetzt und voller „heiliger“, kindlicher, infantiler Ehrfurcht vor dem Papst und seinem Sekretär Gänswein. Es handelt sich selbstverständlich hier immer um kurze Auszüge, die die Lektüre des Buches nur um so dringender machen.

Dino Boffo zum Beispiel, Chefredakteur der katholischen Tageszeitung Avvenire. Ihm wird im Jahr 2009 öffentlich „vorgeworfen“, homosexuell zu sein. Er bestreitet das und wendet sich um Unterstützung an Monsignore Gänswein: „Vor allem möchte ich mich für ihren priesterlichen Beistand und die Offenheit danken, die Sie mir gestern in unserem Telefongespräch entgegengebracht haben. Gott weiß, wie leid es mir tut, Ihnen so großes Ungemach zu bereiten…“

An Kardinal Bagnasco, den Vorsitzenden der Italien. Bischofskonferenz schreibt der Journalist und Chefredakteur eines Tageszeitung, eben des Avvenire, Dino Boffo, Jahrgang 1952:  „Eminenz, ich wünschte, vor Ihnen zu stehen, sodass Sie mich in meiner ganzen Betrübnis sehen könnten. Betrübnis vor allem angesichts der Tatsache, Sie behelligen zu müssen, wo ich doch weiß,  mit welchen Sorgen Sie sich täglich plagen müssen… Eminenz, ich frage Sie auf Knien, und Sie mögen daraus ersehen, in welchem Geist ich Ihnen zu schreiben wage… Mir fehlen die Worte, um mich bei Ihnen zu entschuldigen, bei Ihnen, den ich als Menschen und Bischof herzlich verehre und den auf diese Weise zu belästigen mir unsagbar leidtut, Ihr ergebenster Dino Boffo.

Der Staatssekretär im ital. Ministerratspräsidium Gianni Letta kommentiert in einem Brief an Monsignore Gänswein eine vom Vatikan ausgesprochene Empfehlung eines bestimmten Mannes:  „Hochwürdigster Monsignore… Wenn es möglich ist, werden wir uns bemühen, die Sache zu beschleunigen. Das werde ich gern und mit Stolz tun. … in Dankbarkeit und mit einem ehrerbietigen und – wenn Sie gestatten – freundschaftlichen Gruß, Gianni Letta.

Kardinal Carlo Vigano, Leiter der Verwaltung des Vatikans, wendet sich am 27. März 2011 an den Papst, um ihm schwerwiegende Unregelmäßigkeiten in der Finanzverwaltung des heiligen Stuhls mitzuteilen: „Der hochwüridgste Kardinal Lajolo ist in seiner großen Herzensgüte um Versöhnlichkeit bemüht…. Ich gebe Eurer Heiligkeit auch den Brief zu Händen, … damit Sie nach Ihrem erlauchten Willen darüber verfügen…“

Wie gesagt, dieser Beitrag macht nur auf die Sprache im Vatikan aufmerksam, die unabhängig von den Inhalten der Briefe ihre Bedeutung hat.

Der Generalobere des Jesuitenordens wendet sich am 12. Nov. 2012 an den „heiligen Vater“, um ihm Irritationen eher halbwegs fortschrittlich gesinnter Katholiken zur Entwicklung der römischen Kirche weiterzugeben und mitzuteilen. Der Generalobere der Jesuiten, Pater Adolfo Nicolas, eigentlich ein bedeutender Mann in der römischen Kirche, eine Autorität, wenn man so will, schreibt u.a. dem Papst in diesen Worten: „Ich bitte demütig um Verzeihung, wenn dies nicht die richtige Vorgehensweise (der Übermitttlung des Briefes der Katholiken, CM) war… „ Interessant der Zusatz: „Wie Sie wissen, steht die Gesellschaft Jesu (also  die Jesuiten) nach wie in Ihren (also des Papstes, CM) Diensten und im Dienst der Kirche…“ Es gibt allerdings auch einen Hinweis, dass es ein Sprechen mit den vatikanischen Behörden gibt, die eben dem Behördencharakter gerecht werden, also “objektiver” und weniger dem Hof entsprechend untertänig verfasst sind. Dazu gehört in dem Buch von Nuzzi das geheime Dokument, das der Apostolische Nuntius in Deutschland, J.C. Perisset, an einen Mitarbeiter im vatikanischen Staatssekretariat sandte. Perisset schreibt zu einem banalen Vorgang: “Allerdings wundere ich mich, dass in einer so unbedeutenden Angelegenheit die Ansicht des Nuntius eingeholt wird, während viele andere Themen entschieden werden, ohne dass zuvor Kontakt aufgenommen wird” (S. 334).  Der Brief von Nuntius Perisset an den Vatikan endet (freilich) mit den Worten: “Mit aufrichtiger Hochachtung verbleibe ich ergebenst in Christo…”

Nebenbei:

Im Vatikan werden theologisch und politisch betont konservative Presseerzeugnisse mit besonderer Aufmerksamkeit gelesen und respektiert, das ist bekannt. In dem Buch Nuzzis wird die äußerst konservative website „kath.net“ aus Österreich wie eine unumstrittene Autorität behandelt, etwa in einem Brief des vatikanischen „Vizeaußenministers“ Ettore Balestrero, im Buch Seite 363.

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Die Last der Vergangenheit: Die Dominikanische Republik und die Trujillo Diktatur

Zwei Fragen an Dr. Stefanie Hanke, Repräsentantin der “Friedrich Ebert Stiftung” in Santo Domingo, Dominikanische Republik

Findet jetzt Ihrer Meinung nach in der Dominikanischen Republik  eine tiefere “Bearbeitung” der Trujillo Diktatur statt, also die Frage: Wie stark haben Familien, Gruppen, Kirchen den Diktator Trujillo unterstützt?

Nach wie vor findet weder auf gesellschaftlicher noch auf politischer Ebene eine Aufarbeitung des Trujillo – Regimes statt. Bezeichnend ist der Umstand, dass am Jahrestag der Trujillo – Ermordung nur eine kleine Privatinitiative eine Ehrenfeier begeht, zu der zwar auch ein offizieller Staatsvertreter kommt, aber nur ein rangniedriger. Der Präsident war am selben Tag damit beschäftigt, eine neue Strasse einzuweihen. Es gibt noch heute viele „Aktive“ des Trujillo Regimes und vor allem solche seines Nachfolgers Balaguers, die kein Interesse an einer öffentlichen Debatte haben. Die jungen Menschen interessieren sich kaum für das Thema. Insgesamt gibt es unter den jungen Menschen keine kritische „Masse“, die sich mit Trujillo beschäftigt. Das ist also etwa nicht zu vergleichen mit den familieninternen Auseinandersetzungen um Schuld und Täterschaft in den deutschen Familien nach dem zweiten Weltkrieg.

Die katholische Amtskirche spielt keine Rolle bei einer historischen Aufarbeitung und macht weiter wie bisher. Lediglich die Jesuiten haben nach Trujillo einen Kurswechsel vorgenommen und erklärt, nie mehr mit den Herrschenden zu paktieren, sondern nur noch für die Armen und Bedürftigen arbeiten zu wollen.

Welche Rolle spielt dabei jetzt das Museo de la resistencia, also das neue Museum des Widerstands?

Das Museo ist ja relativ neu. Es hat aber offenbar einen guten Ruf, das kann man immerhin in Erfahrung bringen. Ob es angenommen wird, kann ich nicht beurteilen, da ich nicht über Daten wie Besucherzahlen etc. verfüge. In der Presse findet es jedenfalls kaum Beachtung.

 

 

 

 

Wege der Kunst – Wege zu Gott?

Wege der Kunst – Wege zu Gott?

Von Prof. Wilhelm Gräb. Der Beitrag wurde am 6. August 2012 publiziert.

Die Fragen stellte Christian Modehn

Das Interesse an Kunst, wie es sich etwa im Besuch von Kirchen, Kathedralen und Museen zeigt, ist ungebrochen groß. Zeigt sich da Ihrer Meinung nach mehr als ein „übliches Kulturinteresse“, etwa ein „Ausstieg“ aus dem Alltag?

Wenn wir eine gotische Kathedrale wie etwa den Kölner Dom betreten, spüren wir unwillkürlich, dass wir an einem anderen Ort sind. Der Raum öffnet sich ins Hohe wie in die Tiefe. Wir machen in der Tat die Erfahrung des Eingang in eine dem Alltag enthobene Wirklichkeit. Das besondere dieser anderen Wirklichkeit ist, dass sie uns auf eigentümliche Weise berührt. Wir fühlen uns angesprochen, in etwas ausgesetzt, das uns sagt: „Tua res agitur“, „Deine eigene Sache wird hier verhandelt“.

Das ist die Erfahrung, die wir in Kirchen machen können, auch modernen Kirchen wie etwa in der berühmten Walfahrtskirche, die Le Corbusier in Ronchamp, Frankreich, gebaut hat. Dort sind es die kubischen Fensteröffnungen in einem alles Rechteckige und Quadratische von sich abweisenden, in sich zurück gebogenen Raum, die die Erfahrung geradezu einer Lichtoffenbarung machen lassen. Die ganz besondere Raumatmosphäre macht es, dass wir aus unserer Selbstbezüglichkeit herausgeführt werden. Es kann uns aufgehen, dass wir, diese in selbst verkrümmten Wesen, doch zu einer sehr viel größeren Wirklichkeit gehören, ja Teil eines unendlich Ganzen sind. Doch das Universum ist – entgegen aller physikalischen Erkenntnis – nicht stumm, nicht abweisend. Im Gegenteil, es spricht uns an, es hebt uns über uns selbst hinaus, lässt uns aufatmen, gibt uns neue Kraft.

Was ich so zu beschreiben versucht habe ist eine ästhetische Erfahrung, die zugleich auf ihr innewohnende religiöse Momente hin durchsichtig wird, eine ästhetische Erfahrung, die zur Gotteserfahrung werden kann.

Wir können sie überall machen, wo uns ästhetische Erfahrungen, also sinnlich beeindruckenden Sinnerfahrungen geschehen, nicht nur in Kirchen, auch vor großen Werken der Kunst und im Musikerleben, auch vor dem Naturschönen, bei einem Waldspaziergang, am Meeresstrand, oder auf einer Bergwanderung. Immer hat unser ästhetisches Erleben die Chance, ein religiöses Empfinden zu wecken und zu stärken. Religiös ist dieses Empfinden, weil es den meditativen Gedanken bei sich hat, leicht jedenfalls auf sich ziehen kann, dass wir doch in die letztlich fremde, verkehrte Welt passen, dass es ein Glück ist, da zu sein und das Leben genießen zu können. Voll Dankbarkeit! Wem das Religiöse im ästhetischen Erleben bewusst wird, der wird dem empfundenen Dank auch Ausdruck geben wollen – indem er vor seinem Schöpfer auf die Knie fällt. Weiterlesen ⇘

Nietzsches Philosophie: Gefährlich – anregend. Ein Salonabend

Nietzsches Philosophie – gefährlich und anregend.

In diesem Salonabend am Freitag,  21. 9. um 19 Uhr in der Galerie Fantom Hektorstr. 9 wollen wir uns einigen zentralen Erkenntnissen/Einsichten Nietzsches annähern, wie dem Tod Gottes, dem Übermenschen, dem Willen zur Macht und der “ewigen Wiederkunft des Gleichen”. Wir wollen dabei nicht nur philosophie – geschichtlich mehr sehen lernen, sondern auch begreifen: Da spricht ein Denker, der die Moderne innerlich erfahren und erlitten hat und nach Auswegen suchte in einer Zeit, in der die herrschenden Religionen und absoluten Werte nur noch scheinbar und pro forma galten. Wir fragen: Bietet Nietzsche ein Alternative?

“Der Moskauer Patriarch glaubt an Putin”: Religionskritische Hinweise zum Moskauer Schauprozeß im August 2012

„Der Patriarch glaubt an Putin“

Religionskritische Hinweise zum Moskauer Schauprozess im August 2012

Von Christian Modehn.

Dieser Beitrag hat seit seiner Veröffentlichung im August 2012 sehr viel Interesse gefunden, vielleicht stellen sich die LeserInne Fragen, angesichts des orthodoxen Weihnachtsfestes, was sich denn hinter den weihrauchgeschwängerten Zeremonien mit ihrem Chefliturgen Patriarch Kyrill, an materiell – politischen Interessen verbirgt. Vielleicht warten sie auch gespannt auf die Konversion Gérard Dépardieus zur russisch – orthodoxen Kirche. Es wird die Meinung geäußert, dass sich Dépardieu durchaus gut mit Patriarch Kyrill verstehen könnte…

Aktuell ergänzen wir am 11. 5. 2014 diesen Beitrag mit einem Hinweis auf das sehr empfehlenswerte Buch von Mischa Gabowitsch “Putin kaputt!? Russlands neue Protestkultur” (Suhrkamp, 2013). Diese ausgezeichnete Studie verdient viel Aufmerksamkeit. Sie enthält auch ein Kapitel “Strukturwandel der Kirche” (der Russisch-orthodoxen Kirche). Die Ausführungen dort (auf den Seiten 205 ff.) unterstreichen die hier seit 2012 notierten Hinweise zur engen ideologischen Verbindung des Moskauer allmächtigen Patriarchen Kirill mit Putin. Mischa Gabowitsch zeigt, dass die kirchliche Gier nach Macht und Einfluß im Putin Regime auch Ausdruck der tatsächlichen Schwäche der Kirche ist. Denn es ist ja keinesweges so, wie manchmal behauptet wird, als sei die Russisch-orthodoxe Kirche bei den Menschen tief verwurzelt und geradezu massenhaft anerkannt. Gabowitsch zitiert den Religionssoziologen Nikolay Mitrokhin:“Die russisch-orthodoxe Kirche lässt sich als konsequent antiliberal, antiwestlich, ethnischen Minderheiten gegenüber xenophob, mit einer monarchistischen (oder zumindest autoritären) Staatsform sympathisierend, etatistisch und marktfeindlich beschreiben”(S. 208). Interessant ist der Hinweis von Gabowitsch, dass liberale Priester wie Gleb Jakunin und Jakow Krotow (in den neunziger Jahren) aus der Kirche gedrängt wurden und “alternative orthodoxe Kirchen gründeten” (S. 208), dieses Thema sollte weiter bearbeitet werden…  Aber noch ein erhellendes Zitat des Religionssoziologen Nojkolay Mitrokhin: “In wenigen Monaten haben Kirill und seine Helfer vollbracht, wofür ihre Vorgänger im zaristischen Russland Jahrzehnte brauchten:die Kirche gleichzeitig mit Diktatur, stumpfsinniger Grausamkeit und Korruption in enge Verbindung zu bringen” (S. 209).

Hier unsere nach wie interessanten Hinweise aus dem Jahr 2012:

Drei Künstlerinnen, Nadeschda Tolokonnikowa, Maria Aljochina und Jekaterina Samuzewitsch, werden drastisch wie in einem politisch gesteuerten Schauprozess bestraft: Die Musikerinnen der Gruppe „Pussy Riot“ werden wegen „Rowdytum aus religiösem Hass“ für 2 Jahre ins Straflager geschickt. Sie hatten am 22. Februar 2012 in der Moskauer Erlöser – Kathedrale, dem “prunkvoll – kitschigen Symbol des wiederauferstandenen orthodoxen Rußland”, vor der Ikonenwand ein gleichermaßen religionskritisches wie regimekritisches Lied angestimmt: Es beginnt wie ein klassisches Bittgebet: „Mutter Gottes, du Jungfrau, vertreibe Putin! Vertreibe Putin! Vertreibe Putin“.  Darin kommt auch der Vers vor: “Der Patriarch glaubt an Putin, besser sollte er, der Hund, an Gott glauben“. Gemeint ist der enge Verbündete Putins, Patriarch Kyrill, ein Mönch, seit 2009 im höchsten kirchlichen Amt in Moskau.

Das Urteil kam nur durch die übliche und seit Jahren selbstverständliche enge Übereinstimmung von russisch –orthodoxer Kirchenführung und dem Putin – Regime zustande.

Unser Salon ist der Religionskritik verpflichtet, sie ist wesentlicher Aspekt eines freiheitlichen und aufgeklärten Bewusstseins. Und damit für die Demokratie. Deswegen bieten wir als Hintergrundinformation zu dem Urteil einige Zitate des russischen Philosophen Michail Ryklin, der in Berlin an der Humboldt – Universität lehrt und in der sehr empfehlenswerten Zeitschrift Lettre (Berlin) regelmäßig seine „Korrespondenz aus Moskau“ veröffentlicht. Es wird schon in diesen wenigen Zitaten aus Lettre deutlich, wie eng sich die russisch – orthodoxe Kirchenführung an die Machthaber gebunden hat.

In Heft III/2005 berichtet Michaeil Ryklin von einer Bewegung, die eine „orthodoxe Hagiopolitik“ etablieren will (vertreten durch Gleb Pawlowski). Kern dieser theologischen Lehre, sie fordert ausdrücklich das Neu – Mittelalter !, ist „das Eingreifen von Heiligen und die Einwirkung geweihter Gegenstände in den Gang der Geschichte; dem Anthropozentrismus wird ein Primat des Wunders gegenübergestellt“ (S 130).  Ryklin berichtet weiter, dass Fundamentalisten aus der Russisch – Orthodoxen Kirche wesentliche Teile der säkularen Kultur verfolgen; diskriminiert werden von den Kirchenfürsten Opernaufführungen, Kunstausstellungen usw. „Die Russisch –Orthodoxe Kirche reklamiert für sich den Status einer staatsbildenden Religion“  (ebd.) Interessant schon 2005 die Bemerkung Ryklins: “Menschenrechtsaktivisten werden immer häufiger als Feinde der Orthodoxie und des russischen Volkes diffamiert“. (ebd).

Im Herbst 2007 schrieb Michail Ryklin unter dem Titel „Der heilige Bolschewik“: Die Russen kehrten in eine Kirche zurück, die sich von Stalin und ihrer Unterstützung eines atheistischen Regimes nicht nur nicht distanziert! Sondern die Stalin zu einem konsequenten Freund und Förderer des Glaubens erklärt“. (s. 128). Der christliche Glaube, den diese Orthodoxie vertritt, sei nur ein Ritual, der Glaube als ein seelischer Zustand (Liebe, Toleranz, Gnade) werde negiert.

In der Ausgabe I/2008 berichtet Prof. Ryklin in Lettre (S. 128) von einem TV Film, der in Russland sehr viel Aufmerksamkeit findet: „Der Untergang des Imperiums“ von Abt Tichon Schewkunow. Dieser Abt soll der Beichtvater des Präsidenten Putin sein. (ebd). In der Interpretation dieses vielfach gesendeten TV Films schreibt Prof. Ryklin „ Die Russisch – Orthodoxe Kirche, die kein Charisma besitzt und den weltlichen Machthabern keine Unannehmlichkeiten zu bereiten scheint, drängt den Staat auf einen gefährlichen Weg: Indem sie dem Staat für all sein Tun automatisch Ablass erteilt und damit jegliche Reformen für unnötig erklärt“. Abt Tichon spräche im Blick auf Europa von „den Barbaren in Brüssel“… Die Verquickung der russischen Kirche mit dem Staat nennt Prof. Ryklin eine „Verstaatlichung des Glaubens“. Er erwähnt weiter die Prozesse gegen den Galeristen der Tretjakow Galerie und gegen die Mitarbeiter des Sacharow- Zentrums. „Die Kirche redet dem Staat zumunde und verdammt die weltliche Kultur“, so das Faszit dieses Beitrags in Lettre I/2008.

In Heft IV/2008 von Lettre schreibt Michail Ryklin:“ Das Gefährliche am jetzigen Regime ist, dass es die Demokratie diskreditiert und dem Einfluß religiös- nationalistischer Gruppen Vorschub leistet, insgesamt habe – so 2008, heute ist das wohl anders – eine Entpolitisierung der Gesellschaft stattgefunden.

Insgesamt lassen die Beiträge Michail Ryklins keinen Zweifel daran, dass diese Haltung der russischen Kirche gerade bei jungen und kritischen Menschen nur auf zunehmende Abwehr und Distanz stößt. Diese absolute Regimeverbundenheit der Kirchenführer und weiter Kreise des Klerus ist die beste Form, intelligente und freie Menschen aus der Kirche definitiv zu vertreiben…

In Heft 97 von Lettre (Sommer 2012, Seite 134) widmet sich Prof. Ryklin erneut der Gestalt dieses machtgierigen Patriarchen. Durch Kyrill “ist die (russisch – orthodoxe) Kirche zu einem integralen Teil der =Machtvertikale= geworden. Hatte die atheistische Sowjetmacht die Kirche versklavt, ihren Zielen unterworfen, so verschmilzt nun die operative Macht Putins mit der Kirche”.  Seine Studien über das Umfeld der Moskauer Kirche mit ihrem Patriarchen Kyrill fasst Prof. Ryklin zusammen: ” In der Kirche wird Askese gepredigt und Luxus gefördert, Demut gepredigt und Intoleranz praktiziert, manch einer lobt den Herrn und benimmt sich gottloser als einst Atheisten”. Selbst der Sprecher von Patriarch Kyrill muss zugeben, so Ryklin, dass der Mönch Kyrill (eigentlich der Armut verpflichtet) einen Wagenpark (Cadillac Escalade, Mercedes der S-Klasse, Toyota Land Criser) und Residenzen (u.a. Villa in der Schweiz, Privatflugzeug usw.)  zu seiner Verfügung hat. “Doch es seien alles Geschenke….”(so in Lettre, 97, Seite 134, 3. Spalte). Ryklin weist auf eine Studie von Alexander Soldatow vom 15. 2. 2012 hin, nach der Patriarach Kyrill ein persönliches Vermögen von ca. 4 Milliarden Dollar hat (ebd, Spalte a).

Vielleicht werden angesichts dieser Informationen die Umstände dieses Prozesses deutlicher, in einem angeblich frommen und christlichen Land, das jeglichen Sinn für Kritik und freie Meinungsäußerung verloren hat.

Wir fragen, welchen Sinn es hat, wenn der Vatikan heute kein dringenderes Verlangen in der ökumenischen Bewegung hat, als sich ausgerechnet mit den „theologisch so nahe stehenden orthodoxen Kirchen“ (so ist immer wieder von höchsten Kreisen der römischen Kurie und des Papstes zu hören) möglichst bald zu versöhnen und zu einer Kirche zu vereinen? Was wäre der spirituelle, was der politische Gewinn, wenn Leute wie Patriarch Kyrill, Moskau,  auch noch ein Wort in Rom zu sagen hätte? Wir fragen weiter, welchen kritischen Beitrag eigentlich die sogen. “Ostkirchen – Kunde” an den deutschen Universitäten leistet. Studiert sie nur die Werke Didymus des Blinden, fragt ein Leser unserer Website.

Abgesehen von den zahlreichen Studien von Prof. Ryklin weisen wir, eher zufällig gefunden, auf einen Beitrag der Wochenzeitung DIE ZEIT hin. Diana Laart berichtet aus Moskau in der Ausgabe vom 16. August 2012, Seite 9 unter dem Titel “Gefährliche Freunde”, gemeint sind Putin und das Oberhaupt der Russisch – Orthodoxen Kriche Kyrill I.

Wir zitieren nur einige Sätze aus dem gut dokumentierten Beitrag: “Auch der Patriarch besitzt nicht nur einen Maybach, sondern für einen Mönch (das ist der geistliche Stand des Patriarchen, CM)) recht viele Residenzen. Vor allem nennt er eine luxuriöse Penthouse – Wohnung gegenüber dem Kreml sein Eigen. Sein Vermögen soll sich auf 4 Milliarden Dollar belaufen. Das Geld verdiente er in den neunziger Jahren, als er im Namen der orthodoxen Kirche mit Zigaretten und Öl handelte…..” Interessant ist, dass Diana Laarz unsere Einschätzung bestätigt: Der Patriarch sei die beste Voraussetzung, dass die Russen scharenweise die Kirche verlassen…Es ist wieder einmal der klassisch zu nennende klerikal bedingte Atheismus, der aufgrund bestimmter Kirchenführer entsteht. Diana Laarz schreibt:”Staatliche russische Meinungsforschungsinstitute schätzen, dass nur noch 10 Prozent der Kirchenmitglieder in die Kirche gehen”.

Copyright: Christian Modehn