Neues von den Legionären Christi: Der Nachwuchs im Orden bleibt aus… und die alten Freunde des Gründers sind aktiv…

Ein Hinweis von Christian Modehn am 18.6.2021.

Der Grund für diesen erneuten Hinweis auf den katholischen Orden der Legionäre Christi (gegründet von dem als Verbrecher geltenden Pater Marcial Maciel): Der Orden klagt über den geringen „Nachwuchs“.

1.
Über die katholische Ordensgemeinschaft „Legionäre Christi“ hat der „Religionsphilosophische Salon Berlin“ seit 2007 regelmäßig berichtet, dadurch haben viele andere Journalisten überhaupt erst wichtige deutschsprachige Informationen erhalten und davon profitiert. LINK
Unser Interesse hat nicht nur theologische Gründe, sondern auch philosophische, also religionskritische Motive. An dieser von Päpsten bis zu Johannes Paul II. geliebten und bevorzugten Ordensgemeinschaft wird die systemische Korruption innerhalb der Kirche, als Klerus-Kirche, offensichtlich.

Der korrupte Ordensgründer und enge Freund des polnischen Papstes, also der sich Generaldirektor seines Ordens nennende Mexikaner Pater Marcial Maciel seit 13 Jahren tot. Aber die Korruption seiner Person und seines Ordens wirkt weiter und wird weiter dokumentiert. Bevor dazu einige Hinweise folgen, hier zur Erinnerung einige Fakten:

2.
Wenn man angesichts der Menge der Untaten richtig zählt, dann sind bislang dem Pater etwa 60 „Fälle“ sexuellen Missbrauchs und Vergewaltigungen nachgewiesen, Untaten, die er als nach außen hin zölibatär lebender Priester an seinen eigenen Kindern beging, geboren von seinen (sehr wohlhabenden) Gebliebten. Maciel war also nicht nur „pädophil“, er war offenbar bisexuell … Seine besondere Leidenschaft aber war das Geldbeschaffen in Millionenhöhe, Geld für sich und seinen Orden. All dies war in Rom, also im Vatikan und in seiner Heimat Mexiko und den USA, seit Jahrzehnten bekannt.

3.
Erst Papst Benedikt XVI. hat den greisen, aber aktiven Ordensgründer aus dem „Verkehr gezogen“, nicht etwa, dass er ihn den Justizbehörden übergab. Nein, Benedikt ermahnte ihn in der üblichen klerikalen Kumpanei zur Buße und zum zurückgezogenen Leben. Daran hielt sich der umtriebige Ordensgründer nun gar nicht, sondern nutzte die freie Zeit bei seinem Millionen-Vermögen (als „armer Ordensmann“), um noch mal das Leben zu genießen, er hielt sich vorwiegend in den USA auf, dort ist er in den Armen seiner Getreuen und Geliebten verstorben.

4.
Einige neue Erkenntnisse, die der Mexiko – Korrespondent der katholischen Tageszeitung LA CROIX, Diego Calmard, am 17.6.2021 in dieser Pariser Tageszeitung veröffentlicht.

Etwa ein Drittel der Mitglieder des Ordens lebt in Mexiko, dem Heimatland des Ordensgründers. „La Croix“ nennt 385 Legionärs – Priester in Mexiko. Sie hatten kürzlich dort ein „Ordenskapitel“, eine interne Konferenz und stellten fest: „Es gibt eine Notlage, was den Ordensnachwuchs betrifft, es gibt eine kontinuierliche Verminderung der Zahlen neuer Mitglieder“. Das bestätigt der ehemalige Legionär Christi, Cristian Borgono in „La Croix“: „Die Alten blieben, es gibt wenige Seminaristen, also Priesteranwärter. Die große Mehrheit der 300 Mitglieder, die aus dem Orden geflohen sind, waren eher jüngere Mitglieder“. Cristian Borgono hat die Facebook Legioleaks geschaffen.
Ende März 2021 musste der Orden 27 Namen weiterer Priester veröffentlichen, die 175 sexuelle Vergehen an Minderjährigen begangen haben, so “La Croix”.
Die Mexikanische Bischofskonferenz hat dieser Zeitung keine Stellungnahme gegeben, was sie jetzt vom Orden der Legionäre denkt. Der päpstliche Nuntius im Land, Bischof Coppola, versichert jedoch der Zeitung: „Die Legionäre erfüllen eine fundamentale Mission, die die Kirche vergessen hat: die spirituelle Begleitung“. Eine denkwürdige, man könnte sagen allzu wohlwollende Sympathiebekundung für diesen Orden. Der Nuntius betont: „Die Legionäre Christi sind ein Patient auf dem Weg der Heilung“.
Erstaunlich, dass der ehemalige Legionärspriester Christi Cristian Borgono über den neuen Chef des Ordens in Mexiko berichtet: „Pater Siman und andere Verantwortliche des Ordens standen dem Gründer, Pater Maciel, nahe“. Können diese Leute den Orden heilen?
5.
Tatsache ist ferner, dass der Orden sich bemüht, mit den Reichen in Mexiko, die man „Elite“ nennt, weiterhin in bestem Einvernehmen zu bleiben. Mit der Gattin des ehemaligen Präsidenten Vicente Fox gab es gute Kontakte. Bernardo Barranco, Religionssoziologe, meint, die Legionäre Christi hätten die Medien, die politische und ökonomische Macht in Mexiko infiltriert, das alles berichtet die katholische Tageszeitung La Croix. Pater Marcial Maciel ließ es sich nicht nehmen, die kirchliche Eheschließung des reichsten Mannes in Mexiko, Carlos Slim und seiner Gattin, zu leiten.
Roberto Blancarte, ehemaliger Botschafter Mexikos beim Heiligen Stuhl, meint, die Legionäre Christi hätten Milliarden US – Dollar bei diesen Kontakten erhalten, wörtlich: „Die Legionäre Christi haben zwei Ziele: Sie sind eine Art Maschine, um Priester auszubilden und um Geld anzuhäufen“.
Zu allen diesen aktuellen Aussagen wollte sich dieser Orden in Mexiko gegenüber „La Croix“ nicht äußern.

6.
Es bleibt die schon oft gestellte Frage: Warum muss dieser Orden, von einem Verbrecher gegründet, mit dem vorwiegenden Ziel, sehr viele Millionen für den Orden zu sammeln, überhaupt noch weiter bestehen? Es wäre ein Leichtes für den Papst, diesen Orden aufzulösen. Macht er sich Sorgen, was dann mit den Milliarden passiert, die der Orden besitzt, etwa, dass die Ex-Mitglieder dann alles für sich behalten? Was sind also die Gründe, diesen Orden weiter bestehen zu lassen, zumal die „berühmte“ Ordens – Universität Anahuac in Mexiko „längst nicht wegen der Qualität ihres Unterrichts berühmt ist“, wie “La Croix” schreibt. Und wirkliche Tätigkeit der Legionärs-Priester in den (priesterarmen) Gemeinden kaum erwünscht ist.

7.
Andererseits ist es ja durchaus ein positives Zeichen, wenn jetzt offenbar immer weniger junge Männer bereit sind, in den Orden der Legionäre Christi einzutreten. Aber angesichts der Chancen, in einem Orden mit sehr viel Geld eine traditionelle klerikale Karriere (immer den Talar tragen!) zu machen, ist wohl noch groß. So dass dieser Orden, immer noch durchsetzt von den alten Freunden des korrupten, manche sagen verbrecherischen Gründers, weiterhin die Kirche prägen und die Welt der Reichen und sehr Reichen „beglücken“ kann.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Weitere Quellen:

Legioleaks: https://www.facebook.com/groups/623513181133578/

Über den Nuntius Franco Coppola:
https://www.swissinfo.ch/spa/m%C3%A9xico-abusos_nuncio-en-m%C3%A9xico-aclara-que-no-se-investiga-encubrimiento-a-marcial-maciel/46637008

Über Cristiano Borgono:

“Inteligente y seductor”, así convenció el fundador de los Legionarios de Cristo a Juan Pablo II

Siehe auch den Beitrag in der Tageszeitung EL PAIS:
https://elpais.com/sociedad/2020-02-28/los-legionarios-de-cristo-publicaran-el-nombre-de-los-sacerdotes-condenados-por-pederastia.html

Der Religionssoziologe Bernardo Barranco: https://mvsnoticias.com/podcasts/manuel-lopez-san-martin/debemos-creerle-a-legionarios-que-quieren-redimirse-bernardo-barranco/

Und vor allem zu den Finanzgebahren des Ordens:
https://www.elnorte.com/aplicacioneslibre/preacceso/articulo/default.aspx?__rval=1&urlredirect=https://www.elnorte.com/urgen-investigar-a-fondo-a-legionarios/ar1849067?referer=–7d616165662f3a3a6262623b727a7a7279703b767a783a–
oder auch:
https://www.reforma.com/aplicacioneslibre/preacceso/articulo/default.aspx?__rval=1&urlredirect=https://www.reforma.com/pagan-por-sus-pecados/ar2152057?referer=–7d616165662f3a3a6262623b727a7a7279703b767a783a–

Zum „Kapitel“, der Konferenz, der Legionäre Christi in Mexiko im Mai 2021:

Convocan en México a la semana vocacional virtual 2021

Die 5. unerhörte Frage: Warum gibt es – in der von Europa gesteuerten Ökonomie – wertvolle “Herrenmenschen” und zweitklassige Arme, etwa Afrikaner?

Von Christian Modehn.

Was bedeutet „unerhört“?
„Unerhört“ werden außerordentliche Themen genannt.
Als „unerhört“ gilt, wenn ein wahres Wort, ein vernünftiger Vorschlag, von anderen nicht gehört und nicht wahr-genommen wird, also un-erhört bleibt. Unerhörte Fragen müssen entfaltet , beschrieben werden, um ihre provokative Kraft zu bezeugen.

Diese “unerhörte Frage” ist ein politischer Beitrag UND zugleich ein philosophischer Beitrag, weil er mit Fakten noch einmal die unerhörte Frage Nr. 4 aufgreift: „Warum haben Menschen das deutliche Kriterium für ihre Moral vergessen?“ Warum haben also die Konzerne und die Konzernchefs die Aktienbesitzer und die Politiker in Brasilien, Nigeria usw. dieses Kriterium vergessen?

1.

Warum haben sich die Bürger aller Staaten letztlich an diesen Zustand gewöhnt oder wegen unfähiger bzw. korrupter Politiker daran gewöhnen müssen: Es geht um die „Ackergifte“ von Bayer und BASF, also um die weit verbreiteten Pestizide der deutschen Hersteller der so genannten „Agrarchemie“. Es handelt sich um 33 Pestizidwirkstoffe , die Bayer und BASF entwickelt und vermarktet haben:
Diese Wirkstoffe töten ganze Familien armer Bauern, etwa in Oye-Obi, in Gyawana oder in Bauchi, im Osten Nigerias, wo diese einfachen Bauern, meist Analphabeten, aus dem Zwang überhaupt zu überleben, Pestizide auf ihre Felder sprühen, Pestizide, die in Deutschland verboten sind. „Eine tödliche Logik, was für die Europäer zu gefährlich ist, ist für Afrikaner noch gut genug. Bayer in Leverkusen streitet nicht ab, in Afrika Chemikalien zu vermarkten, die in Europa nicht eingesetzt werden dürfen. Der Chemiekonzern verweist aber darauf, dass die Einfuhr dieser Stoffe von den nigerianischen Behörden genehmigt sei“, das berichten Wolfgang Bauer und Andy Spyra in ihrem ausgezeichneten Investigationsbeitrag für das „Zeit – Magazin“ Nr. 23/2021, Seite 14 bis 31, Zit. Seite 30. (Dieser Beitrag wird LEIDER nicht in voller Länge im Internet angeboten, aber allein dieses Artikels wegen lohnt sich ein Test dieser Zeitung, die diese wichtige politische Aufklärung nicht kostenlos zum Nachlesen anbietet!!!) A propos „von nigerianischen Behörden genehmigt“, wie Bayer behauptet: Die Autoren haben herausgefunden, dass es in Nigeria vier entsprechende Behörden gibt, die sich gegenseitig blockieren und Gegenteiliges sagen…(Seite 30)
Die Folgen des Gebrauchs von Pestiziden in Nigeria, die auch von Indien geliefert werden, sind verheerend. Das Trinkwasser wird vergiftet, Tiere krepieren, Menschen sterben qualvoll in einer entlegenen Gegend, die Krankenhäuser, die den Namen verdienen, gar nicht kennen.
Auch in Lateinamerika werden die Gifte von Bayer aus Leverkusen eingesetzt. Dort gefährden die Bauern ihre Gesundheit, die diesen Produkten der Agrarchemie ausgesetzt sind. Und wenn dann Obst oder Gemüse – Produkte wieder aus Mexiko oder Brasilien oder Südafrika wieder nach Europa exportiert werden, dann steht das giftige Zeug (Papaya, Mango, Limetten, Orangen etc.) auf den Tischen auch der Deutschen, wahrscheinlich auch in Leverkusen, dem Sitz von Bayer, vielleicht auch in den dortigen Kantinen, aber sicher nicht in den Restaurants der Vorstandsmitglieder. Durch das Handelsabkommen MERCOSUR wird der Handel mit den Pestiziden aus Deutschland und anderen europäischen Staaten noch weiter gefördert, aber dem CDU Wirtschaftsminister sind diese verheerenden Zusammenhänge offenbar egal. Hauptsache, Deutschland geht es gut! (Quelle: https://www.greenpeace.de/themen/umwelt-gesellschaft-wirtschaft/handelsabkommen/vergiftete-doppelstandards)

2.

Die Zeitschrift „Südwind“, Nr. 196 vom Juni 2021, berichtet auf Seite 62:“ In ihrer Recherche stießen die AutorInnen (siehe unten) immer wieder auf Schwierigkeiten, da die Handelsströme auf dem globalen Wirkstoffmarkt wenig dokumentiert und kaum einsehbar sind. Dies macht es den (Gift-)Herstellerfirmen leicht, sich dem kritischen Licht der Öffentlichkeit zu entziehen… Weiterhin lassen die Ergebnisse dieser Studie kein anderes Urteil zu, als dass der Export von in der EU bereits verbotenen Pestizidprodukten endlich beendet werden muss“. (Die komplette Studie auf Deutch und Englisch nachlesen: https://bit.ly/doppelstandards-und-ackergifte

Die Fortsetzung dieses Handels ist ein internationales Vergiftungsgeschehen, organisiert u.a. auch von Bayer in Leverkusen. Also: Export des Giftes, Anwendung auf lateinamerikanischem Boden und von dort als Obst etc. wieder zurück nach Deutschland. Diesen Kreislauf kann man ethisch – philosophisch nur als langfristigen Selbstmord bezeichnen. Und das Verhalten von Bayer in Nigeria würde man kritisch betrachtet als das Verhalten von Herren-Menschen bezeichnen, von Menschen besonderer Würde, die um des Profits willen Menschen von geringerer Würde (Afrikaner) einfach so vergiften dürfen.

3.

Was hat das Thema mit dem Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon Berlin zu tun?
– Wir wollen die Philosophie pflegen, und damit auch die universal geltende Ethik, also keine Ausnahme zulassen für wohlhabende Herren-Menschen.
– Mit Religion hat diese Frage viel zu tun, wenn man denn die christliche Religion als eine wesentlich ethische Religion versteht, wie es auch den Intentionen des Propheten Jesus von Nazareth entspricht. Seine Botschaft ist im wesentlichen eine ganzheitlich humane und humanistische und damit politische, zugunsten der universalen Menschenrechte.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Die 4. unerhörte Frage: Warum haben Menschen das deutliche Kriterium für die Qualität ihres Lebensstils (ihrer Moral) vergessen?

Von Christian Modehn: Die 4. Frage unserer Reihe „Unerhörte Fragen“: Warum haben wir den „Kategorischen Imperativ“ vergessen?

Was bedeutet „unerhört“?
„Unerhört“ werden außerordentliche Themen genannt.
Als „unerhört“ gilt, wenn ein wahres Wort, ein vernünftiger Vorschlag, von anderen nicht gehört und nicht wahr-genommen wird, also un-erhört bleibt. Unerhörte Fragen müssen entfaltet , beschrieben werden, um ihre provokative Kraft zu bezeugen.

1.

Über Moral und Ethik kann man natürlich ewig diskutieren und dann sagen: Ja, ja, jeder und jede hat irgendwie recht. Also soll jeder – auch politisch und ökonomisch – so leben, wie es ihm passt. Egal, was dann weiter passiert.

Immanuel Kant hat die menschlichen, die sozialen und politischen Gefährdungen dieser simplen Haltung erkannt und ihr mit Gründen vernünftiger Einsicht, die DEN Menschen auszeichnet, widersprochen.

Kant wusste: Mit äußeren Befehlen und Gesetzen ist einer banalen moralischen Haltung allein nicht beizukommen. Einzig die innere Überzeugung, also eine Leistung der Vernunft, hilft auf Dauer weiter und führt zu einer menschenwürdigen und freien Gesellschaft, also einer, in der alle Menschen ihrer Würde entsprechend leben können. Dass Moral dabei nicht den Mief einer spießbürgerlichen Sexualmoral hat, ist sowieso klar.

2.

Man sollte sich fragen, warum die verschiedenen Formulierungen des Kategorischen Imperativs von Kant so wenig bekannt und noch viel weniger respektiert werden? Sie sind doch so einfach zu verstehen. Liegt die Unkenntnis an dem etwas schwierigen Titel? Liegt es an der allgemeinen Unbildung vor allem auch in Fragen der vernünftigen Lebensgestaltung, und dies ist ja die Philosophie? Wahrscheinlich ist das so. Indem man Philosophie als „schwierige Disziplin“ in die Ecke des Marginalen stellt, entledigt man sich auch der Grundsätze einer universalen humanen Lebensgestaltung.

Zwei Formulierungen des „Kategorischen Imperativs“ von Immanuel Kant, die sich auf die Grundsätze der individuellen Lebensgestaltung beziehen, folgen gleich.

Zunächst: Diese unbedingt (also kategorisch) geltenden Imperative beziehen sich auf die zahllosen Maximen, also die Leitlinien individueller Lebensgestaltung, die jeder und jede, irgendwie, mehr oder weniger bewusst, „hat“ und lebt.
Heute wäre eine aktuelle Maxime etwa: „Zuerst muss ich mich als Teil der reichen Länder um mein eigenes materielles Wohlergehen kümmern“.
Oder: „Die Frage der Klimapolitik überlasse ich künftigen Generationen“.
Oder: „Wir als deutsche Unternehmer (etwa Bayer) haben moralische Doppelstandards und akzeptieren, dass unsere Gifte für den Acker (mit Pestiziden) im reichen Europa nun verboten sind, um so mehr sind wir dankbar, dass wir unsere Gifte an anderen Orten, etwa im armen Lateinamerika, auf den Markt bringen können.“
Oder: „Ich als Agrar-Unternehmer (etwa in Spanien) brauche für meine Obstplantagen Menschen, die als Ungelernte und zudem noch als Flüchtlinge aus Afrika eben schlechter als andere bezahlt werden dürfen und in eher primitiven Unterkünften leben können“.
Jeder und jede kann weitere, seine eigenen Maximen formulieren. Diese Maximen hätten im Denken der Vernunft, im Sinne Kants, keinen Bestand in der Moral.

Kant macht es uns insofern einfach, als er für die denkbare Fülle von Maximen Kriterien hinsichtlich ihrer Vernunft formuliert, also Prüfsteine ihrer moralischen und allgemein menschlichen Qualität,

Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“
Oder:
Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst.
In heutige Alltagssprache übersetzt könnte man diesen Kategorischen Imperativ so verstehen: „Handle so, dass du die allgemeine menschliche Würde aller Menschen sowohl für dich selbst und für jeden anderen Menschen niemals instrumentalisierst. Du sollst dich selbst und auch keinen anderen Menschen als Mittel, als Ding, verstehen und behandeln. Sondern: Du selbst und jeder andere Mensch ist Selbstzweck, hat also unendlichen Wert an sich selbst. Kein Mensch darf für irgendetwas wie ein Instrument behandelt werden“.

Werden diese Imperative mit den jeweiligen Maximen verbunden, kann die Qualität der Maxime beurteilt werden. Aber die Erkenntnis stellt sich der Freiheit eines jeden, der Erkenntnis zu folgen.

3.

In sehr vielen religiösen Kulturen setzte sich die so genannte „Goldene Regel“ durch: Als Sprichwort ist sie sehr weit verbreitet, etwa:
„Was du nicht willst, dass man es dir tut, das füg auch keinem anderen zu“. Oder auch „moderner“ formuliert:
“Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst“.

Über diese traditionsreichen „Goldene Regel“ wurde viel geschrieben, oft wurden die Grenzen dieses Weisheitsspruches dargestellt. Etwa etwas spitzfindig: „Wenn ich geschlagen werden will, dann kann ich auch andere schlagen“…

Wegweisend ist die aktuelle Formulierung des Kategorischen Imperativs durch den Philosophen Hans Jonas: Er hat einen ökologischen Imperativ vorgeschlagen: „Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden.“ Oder auch: „Handle so, dass die Folgen deines Tuns mit einem künftigen menschenwürdigen Dasein vereinbar sind, d.h. mit dem Anspruch der Menschheit, auf unbeschränkte Zeit zu überleben.“

Jeder kann sich weitere kategorische Imperative überlegen, auch: „Welche Maxime ist mir wichtig?

Für die Bildungspolitiker könnte man formulieren: „Handle so als Bildungspolitiker, dass die SchülerInnen ethische Grundkenntnisse wie den Kategorischen Imperativ nicht nur auswendig lernen, sondern auch für ihr Leben verstehen. Denn moralisches Leben ist ohne Reflexion der Vernunft nicht möglich“.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

Die 3. unerhörte Fragen: Inwiefern ist der heutige Katholizismus immer noch vom Aberglauben bestimmt?

Ist der Katholizismus auch heute noch, nicht nur eine Religion des Wunderglaubens, sondern auch des Aberglaubens?

Von Christian Modehn, am 10.6.2021.

Was bedeutet „unerhört“?
1.Unerhört werden außerordentliche Themen (auch Dinge) genannt.
2.Als unerhört gilt, wenn ein Wort, ein Vorschlag, von anderen nicht gehört und nicht beachtet wird, also un-erhört bleibt, mit Schweigen übergangen wird. Unerhörtes wird oft von Machthabern „totgeschwiegen“. Und die Fragenden werden zu “unerhörten Leuten” erklärt…

Die 3. unerhörte Frage also:
Inwiefern ist der heutige Katholizismus immer noch vom Aberglauben bestimmt

1.

Ein Gebetssturm wegen der Pandemie wurde bereits kürzlich offiziell von Papst Franziskus entfacht. Durch Rosenkranz-Gebete sollte Gott im Himmel bestürmt werden, für eine gute Lösung der Pandemie zu sorgen. Die Ergebnisse dieses weltweiten Betens kann man sich ansehen und darf wohl sagen: Geholfen hat nachweislich die Wissenschaft der Medizin, etwa das Impfen. Die Impfgegner ließen sich durch den Gebetssturm nicht korrigieren. Sie blieben stur. Und stecken andere an. Die Frommen wurden hoffentlich bestärkt, durchzuhalten und aufs Impfen zu warten.

Schon dieser „Gebetssturm“ im Mai 2021 hatte den Charakter von Aberglauben: „Bete nur heftig und viel, und Gott persönlich wird dich und die Welt insgesamt gesundheitlich heilen“.

Nun aber geht es weiter: Vom 7. Juni bis zum 15. August 2021 wird erneut ein großer Gebets – „Marsch“ quer durch Frankreich stattfinden, um alle Familien der Nation dem heiligen Josef anzuvertrauen. Dies ist der französische Beitrag zum Josefs-Jahr, das der Papst schon 2020 ausgerufen hatte.

Also, ein Josefs-Jahr: Ja, wirklich, dem Gatten Mariens, dem Vater Jesu von Nazareth, dem Bautischler dort selbst, gilt die Verehrung. Aber was ich da schreibe ist ein offizieller Irrtum in der Person: Denn der heilige Josef ist nach katholischer Dogmatik ein ganz anderer: Er ist nicht etwa der wirkliche, der leibliche Vater Jesu, von dem aufgeklärte Theologen gelegentlich sprechen, sondern der katholisch ersonnene sexuell eher apathische alte so genannte „Nährvater“ Jesu. Denn das Kind Mariens, also Jesus, wurde ja dem Mythos folgend von Gott selbst gezeugt. Gott ist der Vater des Jesus von Nazareth!
Von dem asexuellen Nährvater Josef, meist sehr alt auf Barock – Gemälden dargestellt, überliefern die Bücher des Neuen Testaments meines Wissens höchstens zwei oder drei Sätzchen. Genaues weiß man von ihm nicht, seinen Tod kennt niemand, keiner weiß, ob er die Kreuzigung seines „Pflege-Sohnes“ erlebt hat etc. Alles ungewiss. Aber die Kirche spekuliert trotzdem ungebremst: Fürsorglich war der Mann Josef, sexuell und erotisch aber völlig desinteressiert und … darin wohl für die Kleriker ein Vorbild für katholische Familien auch heute.

Alle sollen sich nun im Juli und August 2021 ihm anvertrauen und um himmlischen Beistand bitten. Denn der heilige Josef kann im Himmel Gott selbst direkt anflehen, seine irdischen Josefs-Freunde in Frankreich besonders zu schützen. Dies ließ jedenfalls der Apostolische Nuntius in Frankreich, Monsignore Celestino Migliore verlauten, als er den Josefs-Pilgern die Segenswünsche von Papst Franziskus übermittelte: „Indem der Papst diese Pilger der Fürbitte des heiligen Josef anvertraut, gewährt der Papst von ganzen Herzen seinen väterlichen und liebevollen apostolischen Segen“.

Die Josefspilger können selbstverständlich wie alle anderen glauben, was sie wollen. Die Josefs-Pilger glauben ja auch an den Gnadenort des heiligen Josefs zu Cotignac in der Provence, im Bistum Fréjus – Toulon. In Cotignac ist nämlich am 7. Juni 1660 Josef persönlich „erschienen“, die einzige Josefs-Erscheinung neben zahllosen Marien-Erscheinungen, wie in Fatima, Lourdes etc…In Cotignac hat der heilige Bautischler aber auf einen Stein (!) verwiesen und sagte dem durstigen Hirten Gaspard Richard: „Ich bin Joseph, (mit ph geschrieben), hebe diesen großen Stein dort in dieser Gegend ohne Wasser und du wirst trinken“. Und siehe da: Es floss Wasser aus einer Quelle. „Schöpft mit Freuden aus den Quellen des Erlösers“ ist noch heute an der Stelle zu lesen, wo die Quelle „entsprang“. Während der Französischen Revolution und danach wurde diese wunderbare Josephserscheinung vergessen, der Wunderglaube wurde erst 1975 wieder belebt und als „Erscheinung“ offiziell von der Kirche anerkannt.

In dieses provenzalische Dörfchen schieben also die Josefs-Gläubigen von Paris aus die Josefs-Statue (auf einem einrädrigem Rollstuhl, einer „Joelette“, quer durchs Land. Auf Josefs Schultern sitzt segnend das Jesuskind, so dass man eher an eine Christophorus-Statue erinnert wird. Der Pilgermarsch wird mehrere Wochen dauern, die Veranstalter hoffen, viele gute Gespräche auch mit „Nicht-Glaubenden“ unterwegs.

Wie gesagt: Jeder kann glauben was er will, solange er damit nicht das friedliche Zusammenlebt stört. Das ist bei den Josefs-Pilgern wohl nicht der Fall.

2.

Aber es könnte doch ein Bischof mal auf den Gedanken kommen: Welche Form von Glauben demonstrieren wir Katholiken eigentlich öffentlich mit solchen Wallfahrten, mit solch einem Glauben, dass der asexuelle Vater Jesu im Himmel Fürsprache bei Gott hält? Was soll das? Ist im Himmel auch Jahrmarkt? Verdummt man die wenigen verbliebenen Gläubigen mit solchem Wahn und raubt ihnen die Zeit mit solchem Engagement? Kann sich der Katholizismus nicht auch populär UND vernünftig – modern zeigen? So aber wird bei den vielen kritischen Menschen heute das Wissen bestätigt, dass der katholische Glaube doch auf weite Strecken ein päpstlich zugelassener und geförderter Aber-Glaube ist.
P.S.: Über die inzwischen weltweit bekannten reaktionär-katholischen Zustände im Bistum Fréjus-Toulon, wo sich das Josefs-Heiligtum befindet, habe ich schon einige Hinweise verfasst. Auch zum dortigen extrem – reaktionären Bischof Dominique Rey, er ist ein „Versteher“ der rechtsradikalen Partei Front National; Rey gehört der charismatischen Gemeinschaft EMMANUEL an.

WARUM ist diese Frage wichtig? Weil sie zeigt, in welchem geistigen Zustand etliche Kirchenführer und Familien und besonders die Väter sich befinden und eine Phantom-Gestalt verehren, einen Vater, der kein leibiicher Vater ist, eine heilige Familie, die eigentlich deswegen keine Familie ist; zudem werden die im Neuen Testament genannten Geschwister Jesu von der Kirche ignoriert bzw. als Cousins etc. umtituliert.

Vor allem aber: Da wird eine männliche Phantomgestalt, der keusche alte Joseph, als heiliges Vorbild auch heutiger Gestaltung von (männlicher) Sexualität und Erotik propagiert. Was für ein Wahn!

Abgesehen davon, wie befremdlich es ist: Eine Kitschfigur im Sommer durch die Straßen von ganz Frankreich zu schleppen und zu ziehen: Auf welchem Niveau ist der Katholizismus eigentlich allmählich gelandet?

Es gibt für die heutige Menschheit sehr viel dringendere Themen als dieses Josephs-Spektakel und andere Marien-Spektakel….als diesen Aberglauben, der sich katholisch nennt.

Das sind die Themen, neben den berechtigten „Missbrauchs-Themen“, an denen sich der Katholizismus abarbeiten sollte, falls er für moderne Menschen noch relevant sein sollte und wollte.

Hinweise zum unerhörten Thema “Voltaire gegen den Aberglauben” LINK

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Die 2. unerhörte Fragen: Warum fördert der Katholizismus die Korruption in Lateinamerika?

Die 2. Frage unserer Reihe “Unerhörte Fragen”
Warum fördert der Katholizismus die Korruption in Lateinamerika?
Von Christian Modehn am 9.6.2021.

Was bedeutet „unerhört“?
„Unerhört“ werden außerordentliche Themen genannt.
Als „unerhört“ gilt, wenn ein wahres Wort, ein vernünftiger Vorschlag, von anderen nicht gehört und nicht wahr-genommen wird, also un-erhört bleibt. Unerhörte Fragen müssen entfaltet , beschrieben werden, um ihre provokative Kraft zu bezeugen.

Die 2. unerhörte Frage also:
Warum gibt es keine soziologischen und religionswissenschaftlichen Studien, die das Begründungsverhältnis von katholischer Kirche und Korruption, besonders krass im „katholischen Lateinamerika“, freilegen?

Fast alle lateinamerikanischen Staaten sind bekanntlich von Korruption seit Jahrhunderten zerrüttet, mit den Konsequenzen von permanenter Gewalt und zunehmendem Elend der Massen. Diese Korruption als „Verdorbenheit“ bzw. als Fehlen des Respekts für die für die Menschenrechte hat vielfache Ursachen. Eine entscheidende Ursache ist die Religion, im Falle Lateinamerikas der Katholizismus. Über den Zusammenhang schweigen sich die Katholiken, Theologen und ihre Bischöfe aus, kein Bischof sagt: „Unsere eigene Religion in ihrer Form wie in ihrem Inhalt ist mit-schuldig an der permanenten Korruption“. Nur ein Beispiel: Eine Kirche, die die Frauen von allen führenden Kirchen-Ämtern ausschließt und den Marien-Kult (den Kult der reinen Jungfrau) extrem auch als Wunderglauben fördert, kann niemals ernsthaft als Verteidigung der Frauenrechte und Frauenwürde in Lateinamerika ernstgenommen werden. Diese Kirche fördert den Machismos, den gewalttätigen (Hetero-) Männer-Wahn
Sehr früh hat auf diesen Zusammenhang schon der Philosoph Machiavelli hingewiesen, in seinen „Discorsi“ (1513 – 1519) schreibt er: „Durch das böse Beispiel des päpstlichen Hofes sind in Italien alle Gottesfurcht und Religion verloren gegangen, dies ist die Ursache für zahllose Übelstände und endlose Unordnung“ (zit. in: Herfried Münkler und Grit Straßenberger „Politische Theorie und Ideengechichte“ , München 2016, S. 408.)
Natürlich gilt diese Erkenntnis, auch wenn man selbstverständlich nicht alle sonstigen politischen Erkenntnisse Machiavellis heute treffend findet. Und auch dieses noch: Natürlich gibt es auch in anderen christlichen Kirchen, wie den Evangelikalen in den USA oder im Islam die religiöse Korruption usw.
Hier wurde nur auf die weltweite Religion des Katholizismus speziell in Lateinamerika hingewiesen. Dort gehört Korruption traditionell zur immer weiter gegebenen Un-Kultur. Korruption in Lateinamerika wird nur eingeschränkt werden, wenn die Kirchenlehre reformiert wird und die Verelendung der Massen ein Ende hat.

Über Korruption und Katholizismus siehe auch LINK

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Die 1. unerhörte Frage: Warum lädt die Evangelische Kirche in Deutschland nicht Katholiken zur Konversion ein?

Die 1. Frage unserer Reihe “Unerhörte Fragen”

Von Christian Modehn, am 8.6.2021.

Was bedeutet „unerhört“?
„Unerhört“ werden außerordentliche Themen genannt.
Als „unerhört“ gilt, wenn ein wahres Wort, ein vernünftiger Vorschlag, von anderen nicht gehört und nicht wahr-genommen wird, also un-erhört bleibt. Unerhörte Fragen müssen entfaltet , beschrieben werden, um ihre provokative Kraft zu bezeugen.

Die unerhörte Frage also: Warum lädt die Evangelische Kirche in Deutschland die vielen Katholiken, die jetzt aus der katholischen Kirche in Deutschland austreten, nicht ausdrücklich ein, protestantisch zu werden, also zu konvertieren?

1.
Die vielen tausend „Ausgetretenen“ wollten ja nicht nur Steuern sparen. Viele werden spirituell bleiben, vielleicht sogar explizit christlich interessiert. Braucht man dafür nicht Orte des Gesprächs, des gemeinsamen Feierns etc.?
Die Evangelische Kirche in Deutschland sollte also öffentlich und ausdrücklich ehemalige Katholiken in die protestantischen Gemeinden einladen. Dort finden unzufriedene Katholiken sehr vieles, was sie in der römischen Kirche vermissen, etwa das selbstverständliche Pfarramt für Frauen, demokratische Strukturen…
Es könnte diesen katholischen „Neu-Protestanten“ auch der Status eines „Gastes“ oder „Freundes“ der evangelischen Kirche gegeben werden.
Weil die ausgetretenen Katholiken eher zum progressiven Flügel des Katholizismus gehören, sollten sie eher fundamentalistische Gemeinden innerhalb der EKD meiden.
Progressive Protestanten, zumal Lutheraner, hätten überhaupt nichts dagegen, wenn diese katholischen „Neu-Protestanten“ ihre eigenen Traditionen auch einmal pflegen wollen, etwa eine Wallfahrt, eine Andacht, die sich auf Maria, die wirkliche Mutter Jesu von Nazareth bezieht usw. und die traditionellen „Alt-Protestanten“ könnten froh sein, dass ihre Gemeinden nun durch katholische „Neu-Protestanten“ noch lebendiger und vielfältiger werden.

2.

Wird diese unerhörte Frage also gehört werden, die sich übrigens auch für die kleine alt-katholische Kirche stellt? Ich fürchte nein.

Denn die Protestanten wie die Alt-Katholiken werden sagen: Solche offiziellen Einladungen stören den so genannten ökumenischen Frieden mit der katholischen Hierarchie. „Die Ökumene“ wird also als Grund vorgeschoben werden, ein spirituelles Angebot den „ausgetretenen Katholiken“ anzubieten. Ökumenische diplomatische Verabredungen sind also wichtiger als spirituelle Entwicklungen.

Die Protestanten, immer bescheiden und zurückhaltend, sollten aber nicht vergessen: Die offizielle katholische Kirche hält sich nicht an ökumenische Verabredungen: Sie lädt zum Beispiel offiziell Priester der Anglikanischen Kirche ein, die mit ihrer Kirche unzufrieden sind, ohne weiteres römisch -katholische Priester zu werden. Und wie viele verheiratete evangelische Pfarrer in Deutschland wurden schon offiziell katholische Priester, verheiratet natürlich. Mit anderen Worten: Die römisch – katholische Kirche ist im Ernstfall alles andere als zurückhaltend und diplomatisch vorsichtig.

Aber was geschähe, wenn die Evangelische Kirche in Deutschland Katholiken scharenweise aufnehmen würde? Die katholische Kirche würde sich plötzlich besinnen und in der eigenen Kirche tiefgreifende Reformen durchsetzen. „Schließlich sollen nicht noch mehr Katholiken protestantisch werden“, werden die Bischöfe sagen, dabei alles andere als ökumenisch-tolerant.

COPYRIGHT: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Die Pariser Commune (1871) spaltet noch heute.

Ein Hinweis von Christian Modehn: Wie die katholische Kirche ihrer politisch – konservativen Helden gedenkt und sie „seligspricht“.

1.
Am Samstag – Nachmittag des 29. Mai 2021 zogen etwa 300 fromme Katholiken durch die Straßen im Osten von Paris. Sie nannten ihre Demonstration eine Prozession bzw. Pilgerfahrt. Sie wollten, von einigen Priestern angeführt, ganz offiziell wie zum Gottesdienst in Messgewändern gekleidet, der „Märtyrer der Commune“ gedenken. Vom Erzbistum unterstützt, erwiesen sie auf diese Weise öffentlich den Klerikern die Ehre und Verehrung, die Ende Mai 1871 während der Pariser Commune von den Communarden erschossen wurden. Und ihr öffentliches Gedenken nannten sie „Wallfahrt“, veranstaltetet auf den Straßen, die auch die Märtyrer zu ihrer Erschießung gehen mussten.
Die Teilnehmer an der „Wallfahrt“ hatten sich spirituell darauf vorbereitet, wie sie berichten, ihr theologischer Leiter kam wohl aus der Pfarrei, die sich „Notre Dame des Otages“ im 20. Arrondissement nennt, also „Unsere Liebe Frau der Geiseln“. Diese Gemeinde wurde 1936 errichtet, die Basilika „Sacre Coeur de Montmarte“ stand da schon längst, sie war und ist ein machtvolles Symbol des Protestes gegen die Pariser Commune, deswegen wurde sie errichtet. Genau in der Umgebung von Montmartre begann die Commune…und auf dem Friedhof Père Lachaise im Norden von Paris endete sie.
Die aktuellen Wallfahrer behaupteten, keinerlei politische Interessen zu haben. Alles sei eine fromme Wallfahrt, absichtslos spirituell. Wer die lange Erklärung der Wallfahrer liest, publiziert in der katholischen Tageszeitung La Croix (Paris) vom 3. Juni 2021 spürt, wie sich dort die traditionelle Frömmigkeit äußert: Die Kirche wird dabei „die Zeugin DER Wahrheit“ genannt, die Kirche kann also die Wahrheit über die Commune sagen, und nicht etwa Historiker. Und diese Katholiken wollen „die Liebe Christi in die Straßen tragen“. Das gelang dann doch nicht, weil die Wallfahrer gestört und attackiert wurden. Doch zunächst einige Fakten:

2.
Es waren ca. 10 Kleriker, die in der „Blutigen Woche“, während der definitiven Niederschlagung der Commune, erschossen wurden. Die Communarden hatten zuvor gefordert, dass einer der ihren, der sozialistische Politiker Louis Auguste Blanqui, von der reaktionären Regierung in Versailles festgehalten, nun freigelassen werden sollte. Im Austausch wollten die Communarden ihre Geiseln, die Kleriker, frei lassen, darunter auch den Pariser Erzbischof Darboy. Aber der Machthaber in Versailles, Adolphe Thiers, lehnte ab, gut kalkulierend, dass nun die erzürnten Communarden sich entschließen, ihre Geiseln, die Kleriker, zu erschießen: Weil das geschah, hatte Thiers nun endlich allen Grund, gegen die „Vernichter der Kirche“ vorzugehen. Und zwar mit blutiger Gewalt, mindestens 20.000 Bürger wurden in der „blutigen Woche“ von den Regierungstruppen umgebracht. Da sollte man einen Zahlenvergleich wagen: 20 von den Communarden ermordete Kleriker – Geiseln stehen den etwa 20.000 Communarden und demokratisch gesinnten Bürger in der Commune gegenüber, die von den offiziellen Truppen der Regierung zum Teil bestialisch ermordet wurden, von einer Regierung, die sich konservativ, katholisch und monarchistisch verstand. Und die von der Kirchenführung und dem Klerus völlig unterstützt wurde.

3.
Die frommen „Pilger“ in Paris am 29. Mai 2021 wurden bei ihrer angeblich nur spirituell gemeinten Wallfahrt, völlig überraschend, auf den Straßen mit Flaschen beworfen und mit Schlägen attackiert. Und zwar von Linksextremen, „Antifas“ (Antifaschisten) und Anarchisten, wie die katholischen Veranstalter sagen und die Presse betont, etwa auch die katholische Tageszeitung „La Croix“ oder der konservative „Figaro“. Der Historiker Etienne Fouilloux nannte diese ungewöhnlichen Aggressionen gegen eine katholische Demonstration, die offiziell auch polizeilich angemeldet war, „ein Wiedererstarken des Antiklerikalismus“. Der Pariser Erzbischof Aupetit will wegen dieser Gewalt gegen Katholiken die Gerichte bemühen.

4.
Einige kritische Katholiken wollten angesichts der Gewalt vermitteln, sie publizierten ihre Erkenntnisse zu der so genannten Prozession bzw. der „Pilgerfahrt“ durch die Pariser Straßen. Sie nannten diese offizielle kirchliche Unternehmung „eine spirituelle und politische Verirrung“ („aberration“). Es ist klar, dass auch diese Katholiken jegliche Gewaltanwendung gegen die „Pilger“ ablehnen. Aber diese wenigen kritisch reflektierenden Katholiken wehren sich gegen die Vorstellung: Die ermordeten Katholiken wären die „Guten“ (und Heiligmäßigen), die Communarden hingegen die Atheisten und Mörder. „Die katholischen Geiseln wurden getötet, nicht etwa, wegen ihres christlichen Glaubens. Sondern weil die Communarden meinten, sie gehörten politisch zu den Feinden der Ideale der Commune“. Die Getöteten waren also nicht automatisch Märtyrer, wie die Katholiken der Prozession bzw. der Pilgerfahrt durch Paris am 29.5.2021 meinen. Es waren nur Bürger, die letztlich der demokratischen Commune gegenüber politisch feindlich eingestellt waren, „es gab eine Verteufelung der Commune durch den Klerus damals“.
Wenn sich also heute Katholiken in Frankreich (laut und vernehmlich für die ganze Presse) für die sogenannten „Märtyrer“ von 1871 einsetzen, grenzen sie sich ab von einer objektiveren Einschätzung der Leistungen und der Ideale der Commune. „So wird von den Katholiken auch heute „verschwiegen, dass viele Tausend Communarden von der sich katholisch nennenden Regierung in Versailles umgebracht wurden. Das politische Modell der Commune , radikal demokratisch und egalitär, entspricht in mancher Hinsicht den fundamentalen Begriffen der Soziallehre der Kirche“, schreiben die 15 kritischen Katholiken. Siehe dazu die Tageszeitung La Croix am 2.6.2021.
Diese Erkenntnis bedeutet für die katholischen Kritiker der politisch – spirituellen „Wallfahrt“ andererseits auch keine Idealisierung der Commune…. Zu den Unterzeichnern gehört der Jesuitenpater Maurice Joyeux, der Journalist Paul Piccarreta, der Soziologe Pierre-Louis Choquet…

5.
Nun wird immer häufiger berichtet, dass vor allem ein Priester offiziell „seliggesprochen“ werden soll, der von den Communarden erschossen wurde: Père Henri Planchat (geboren 1823) wurde am 26. Mai 1981 von Mitgliedern der Pariser Commune erschossen. Nun soll er „seliggesprochen“ werden, er also darf dann wie ein Heiliger verehrt und um himmlischen Beistand gebeten werden. So lehrt es nun einmal der Wunder- und Heiligen-Glaube der Kirche.
Planchat hat als Pfarrer im Armen – Viertel rund um die Rue des Charonne den Armen beigestanden, obwohl er, so wird betont, eigentlich einem reichen bürgerlichen Milieu entstammte. Eine Ausnahme damals. Er hat sich über die Communarden nie polemisch geäußert, andere Priester hingegen damals nannten die Communarden „wilde Tiere“. „Er hat also nachweislich niemals voller Hass auf die Commune gesprochen“, betonen die Priester, die jetzt die Seligsprechung des Armen – Paters betreiben. Um 1990 wurde in Rom der „Prozess der Seligsprechung“ unternommen, begonnen hatte er schon 1896. Er soll als Märtyrer verehrt werden, weil bei seiner Anrufung im Himmel jetzt schon „Wunder“ geschehen sind.
Planchat wurde schon im März 1871 von einigen Communarden mit Gewalt bedrängt und dann am 6. April verhaftet, weil er sich als Priester eher ungewöhnlich damals um das Wohl der Armen kümmerte? Oder waren die Hilfsangebote des Pfarrers „zu spirituell“ in der Sicht der Communarden?

6.
Es darf nicht verschwiegen werden, dass am gleichen Tag, am 29.5.2021, eine andere Demonstration durch die Boulevards von Paris zog: 100 verschiedene linke Organisationen hatten zur Demonstration aufgerufen zur Erinnerung an die Pariser Commune. Und 15.000 (!) TeilnehmerInnen waren dabei, behaupten die Veranstalter des „Vereins Freunde der Pariser Commune“. Und sie betonen: Über deren große Demonstration hätten nur die Tageszeitungen L Humanité und Libération berichtet, während die spirituell – politische „Wallfahrt“ der 300 Katholiken von den Medien ausführlich gewürdigt wurde.

7.
Man darf in dem Zusammenhang auch nicht vergessen: Die katholische Kirche hat vorbildliche Helden, Selige und Heilige, wie sie sagt, fast immer in Kreisen der politisch Konservativen, auch der Reaktionären gesucht und gefunden: Es waren eben hierarchie-/kirchentreue Leute, von den Dogmen völlig überzeugt und dem Klerus ergeben. Das wird etwa deutlich, wenn man die riesigen Zahlen der Selig – und Heiliggesprochenen aus dem Spanischen Bürgerkrieg unter dem katholischen General Franco betrachtet. Märtyrer des Spanischen Bürgerkrieges waren in katholischer Sicht, wobei die Zahlen nie so klar sind, 12 Bischöfe, 4184 Priester und Priesterseminaristen, 2365 Ordensmänner und 283 Ordensfrauen, dazu Tausende Laien starben nach den offiziellen Zahlen der katholischen Kirche im Spanischen Bürgerkrieg 1936/1937. 969 der Katholiken, die als Laien und Priester und Ordensleute umgekommen sind, wurden später von den Päpsten Johannes Paul II. und Benedikt XVI. seliggesprochen. Sie können als „Märtyrer für den Glauben“ verehrt werden. Tatsache ist, dass auch deren Glauben eng verbunden war mit den rechten politischen Positionen. Sie wurden von der damaligen noch rechtmäßig bestehenden republikanischen Regierung als politische Gegner ermordet.
Republikanische, linke Priester und katholische Laien hingegen wurden später von den Faschisten Francos getötet. Von ihnen spricht kaum jemand.
Schließlich gab es dann noch ein gutes Einvernehmen zwischen der Kirche und dem Franco-Staat: Der Vatikan erkannte bereits im August 1938 – also noch während des Bürgerkrieges – die Putschisten um General Franco als Führer Spaniens an!
Papst Franziskus verfügte, schon gleich nach seiner Wahl zum Papst, dass am 13. Oktober 2013 über 500 weitere „Märtyrer“ des spanischen Bürgerkrieges in Tarragona selig gesprochen wurden. Dieses Ereignis war, was die Zahlen angeht, die größte Seligsprechung in der katholischen Kirche.
Wikipedia schreibt in dem Beitrag über „Seligsprechung spanischer Bürgerkriegsopfer“: „Kritiker bezeichnen die Auswahl der berücksichtigten Bürgerkriegsopfer als willkürlich. Katholische Geistliche, die von den Milizen Francisco Francos wegen ihres Widerstands gegen die Anweisungen der Amtskirche, welche das Vorgehen der Faschisten als „Kreuzzug“ legitimierte, ermordet wurden, seien nicht seliggesprochen worden“.

Linke Katholiken werden eher sehr selten selig oder heiliggesprochen, dies gilt wohl sich für demokratische “Helden” der Pariser Commune…Linke Katholiken wurden und werden sowieso zu Lebzeiten verdächtigt und degradiert, siehe die Befreiungstheologen in Lateinamerika. Erzbischof Oscar Romero von El Salvador ist wohl der einzige linke Kleriker, der, viele Jahre nach seiner Ermordung 1980 durch rechtsextreme, sich katholisch nennende Militärs, nach langen mühsamen Debatten, vom Vatikan selig- und dann heiliggesprochen wurde. Aber: Erzbischof Helder Camara aus Brasilien, ein Linker, vom Volk seit Jahren als Heiliger längst verehrt, ist bis heute nicht heiliggesprochen…
Bei dem reaktionären Gründer des internationalen Geheim-Clubs „Opus Dei“ ging es bekanntlich ganz schnell mit der Heiligsprechung…So wollte es unbedingt Papst Wojtyla.

8.
Nebenbei:
Papst Pius XII. sagte 1939 in einer Radioansprache: „Die von Gott auserwählte spanische Nation (unter Franco) hat den zum materialistischen Atheismus Bekehrten (also den Republikanern) gezeigt, was die Werte der Religion sind“. Meinte der Papst mit den “Werten” das Abschlachten der Linken und Republikaner durch die katholischen Leute von Franco?
Später wurde Staatschef Franco – als Laie – zum „Protokanonikus“ der römischen Basilika Santa Maria Maggiore ernannt. Die Bindungen zwischen Faschismus und Vatikan haben also sehr früh begonnen: „Hauptsache katholisch und klerikal – was sonst ein Politiker tut ist egal“, war offensichtlich nachweisbar das Leitprinzip im Vatikan in Zeiten des größten Feindes, des teuflischen Bolschewismus. Faschismus war dagegen „halb so schlimm“ in vatikanischer Sicht. Siehe den vatikanischen Umgang mit Mussolini und Hitler…
(Quelle El Pais, 2. Juli 2007, Beitrag von Juan G. Bedoya.
Zu den spanischen Märtyrern siehe auch: https://www.heiligenlexikon.de/Literatur/Maertyrer_Spanischer_Buergerkrieg.html

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