Der Soziologe und Philosoph Jürgen Habermas wird am 18.6. 2019 90 Jahre alt. Ein Grund mehr, erneut auch an die Themen zu erinnern, die Habermas zu Religionen und Kirchen in der post-säkularen Gesellschaft und dem entsprechenden Staat vorgeschlagen hat. Er plädiert für eine wechselseitige Lernbereitschaft von religiösen und nicht-religiösen Menschen, zu denen er sich selbst zählt.Sind seine Hinweise heute noch aktuell, angesichts des zunehmenden Fundamentalismus in allen Religionen und Kirchen?
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Filmfestspiele in Cannes 2019: Der Mord an einem Bischof. Ein Film von George Clooney.
1998 wurde in Guatemala der katholische Bischof Juan Gerardi von Militärs ermordet. Er war ein leidenschaftlicher Verteidiger der Menschenrechte. Der Dokumentarfilm von George Clooney führt uns in diese hierzulande vergessene Welt des Elends, der Diktaturen, der Herrschaft reaktionärer evangelikaler und pfingstlerischer Kreise, die in enger Verbindung mit der US amerikanischen Regierung agieren. Wir werden in dem Film veilleicht befreit von unserem eurozentrischen Blick: Es gibt eben mehr als Brexit Probleme oder das Geschwafel der AFD Leute.
Der Film über das arme Guatemala und seinen Menschenfreund wird im "wunderschönen" reichen Cannes gezeigt anläßlich der Filmfestspiele 2019.
Für eine demokratische, republikanische Kirche: Erinnerungen an Abbé Grégoire, gestorben am 28.Mai 1831.
Ein Hinweis von Christian Modehn
Er war ein führender Kopf der Französischen Revolution und ein Gestalter ihrer humanistischen Ziele: Der katholische Priester Abbé Grégoire. Sein vollständiger Name ist: Henri Jean-Baptiste Grégoire. Er war der berühmte „Priester-Bürger“, „citoyen par excellence“, schreibt der Historiker Bernard Plongeron (Concilium, 1989, Heft 1, Seite 31, französische Ausgabe).
Abbé Grégoire ist eine Ausnahme – Gestalt in dem damaligen antirepublikanischen, antidemokratischen und reaktionären Katholizismus, repräsentiert im Vatikan. Er hat dafür gesorgt, dass sich mindestens für ein paar Jahre die Ideen des katholischen Glaubens mit den richtigen Ideen der Französischen Revolution versöhnen konnten. Er ist die entscheidende Gestalt unter den Abgeordneten des revolutionären Parlaments, der die rechtliche Gleichberechtigung der Juden durchsetzte sowie auch die Abschaffung der Sklaverei. Die Bevölkerung der Republik Haiti, die erste unabhängige Republik in den damaligen südmaerikanischen Kolonien, hat ihn hoch verehrt! Und bei seinem Tod 1831 mehrere Tage eine Staatstrauer begangen.
Er hat für die Eingliederung des katholischen Klerus in die Verfassung der Republik gestimmt (Constitution civile du Clergé): „Alle Bischöfe und Pfarrer müssen von nun an von den Bürgern gewählt werden“. Der Papst wird lediglich von der Wahl benachrichtigt. Alle Priester müssen auf die Verfassung der Republik schören. Seit der Zeit ist der französische Klerus der Revolutionsepoche gespalten, republikanisch oder nicht, also königstreu und dem Papst ergeben.
Geboren wurde Grégoire am 4. Dezember 1750 in Vého bei Luneville in Lothringen, einer Region, in der sich unterschiedliche philosophische und aufklärerische Bewegungen versammelten. Er war zuerst Pfarrer und Theologe, bevor er als Abgeordneter ins Pariser Parlament kam.
Seine geistigen Impulse bezog er vor allem aus dem Studium der alten, der ursprünglichen Kirche („ecclesia antiquior“). Er verfasste zahlreiche politische und theologische Studien, 427 Titel von ihm sind bis jetzt zusammengetragen und tausende von Briefen: Ein Intellektueller und ein Verteidiger der Menschenrechte, und das alles ab 1789, zu einer Zeit, als die Päpste die Menschenrechte und die Freiheit verfluchten. Abbé Grégoire ließ sich nicht unterkriegen. Dabei hatte er gar nichts gegen die Dogmen der Kirche, er wollte nur menschliche Verhältnisse in Staat und Kirche. Er fand es normal, dass man katholische Bischöfe wählte: Er wurde etwa zum Bischof von Blois gewählt. Er setzte es durch, dass Französisch die Sprache in katholischen Messen wurde; er organisierte Synoden als Orte des freien katholischen Disputs. Er setzte sich für eine Versöhnung der römischen mit der orthodoxen Kirche ein.
Natürlich, möchte man sagen, wurde dies alles vom Vatikan verboten, untersagt, zerschlagen. Die zerstörerische Kraft alles Lebendigen war im Vatikan immer schon sehr groß. Aber Abbé Grégorie ließ sich nicht in die Verzweiflung treiben, er kämpfte für die Menschenrechte, für die Befreiung der “Schwarzen“. Michelet sagte von ihm: „Abbé Grégoire hat zwei Gottheiten gehabt, Christus und die Demokratie. Beide vermischten sich seiner Meinung nach zu einer einzigen Überzeugung, denn beide haben dasselbe Ideal, die Gleichheit und die Brpderlichkeit“ (Histoire et dictionnaire de la Révolution Francaise, Robert Laffont, 1987, Seit 860)
1950, zum 200. Gedenken an die Geburt dieses freien, republikanischen Priesters, Bischofs und Politikers war es ausgerechnet der vietnamesische Politiker Ho-chi-Minh, der seiner gedachte: als einem „Apostel der Freiheit der Völker“.
Am 28. Mai 1831 ist Abbé Grégoire in Paris verstorben. An seiner Bestattung auf dem Friedhof Montparnasse, Paris, nahmen 20.000 Studenten und Arbeiter teil, berichtet Bernard Plongeron (ebd., S. 43).
1989 im Rahmen der Feiern „200 Jahre Französische Revolution“ erhielt dieser republikanische, demokratische Priester endlich ein Ehrengrab im berühmten Pariser Panthéon. Die französischen Bischöfe, immer noch im Zorn auf ihren großen republikanisch-katholischen Vorgänger, nahmen selbstverständlich NICHT an den Feiern im Panthéon teil, so klein kariert sind diese Herren nun einmal. Lediglich der progressive Außenseiter unter den Bischöfen, Jacques Gaillot, Bischof von Evreux, nahm an den von Staatspräsident Mitterrand geleiteten Zeremonien im Panthéon teil.
Es wird Zeit, dass sich einige Leute an Abbé Grégoire erinnern. Leider sind seine Werke in deutscher Sprache nicht verfügbar. Ich finde diesen Mangel in gewisser Weise typisch: Wie viele hundert Bücher wurden in frommen Verlagen über Schwester Theresia vom Kinde Jesu in Lisieux oder über den angeblichen Mystiker, den Pfarrer von Ars publiziert?
Und eben nicht über einen revolutionären, republikanischen Priester und Bischof, einen Kämpfer für die Menschenrechte!
Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin
Wer oder was ist schon „normal“?
Ein religionsphilosophischer Salon am Freitag, den 14. Juni 2019, um 19 Uhr
in der Galerie Fantom, Hektorstr.9 in Wilmersdorf.
„Normalsein“ gilt meist als üblich, selbstverständlich, wenn nicht sogar gut. Normal wird etwa der durchschnittliche (gesundheitliche) Wert beschrieben. „Normal“ nennen sich Menschen – vor allem in den östlichen Bundesländern – die weder konfessionell gebunden noch militant atheistisch sind. Viele heute hoch geschätzte Künstler, wie Vincent van Gogh, waren in ihrer Wahrnehmung etwas „verrückt“ gegenüber der üblichen Existenzform. Welche große Welt hat er van Gogh uns erschlossen!
Auch heute werden Menschen mit schweren geistig-seelischen Problemen mit dem Wort "Nicht-Normal" ausgegrenzt. So hält sich die bornierte Mehrheit für besser und gesünder als jene "ganz anderen", die ihre eigenen Einschätzungen der Wirklichkeit haben und diskriminierend „verrückt“ genannt werden. Oder eine selbstbestimmte, „andere“ Sexualität leben wollen und darum noch kämpfen müssen.
Wir werden zunächst einen persönlichen Bericht hören und besprechen, von Stefanie Hubert, die genaue und persönliche Kenntnis hat durch die Begleitung von Menschen mit seelischen Erkrankungen, die oft als "anormal" tituliert werden.
Dies ist der Focus, und es wird sich zeigen, wie wir im Laufe des Gesprächs das Thema weiten: So begeben wir uns in unserem Salon auf die Suche nach der Vielfalt des Normalen und damit auf die Suche nach einer Welt, in der nicht nur Toleranz, sondern vor allem Respekt und Solidarität gelten.
Ein wichtiges Thema, dazu herzliche Einladung!
Wer teilnehmen will: Bitte um Anmeldung an: Christian.Modehn@berlin.de
Wenn die Lust zur Vernunft kommt. Eine Radiosendung
Die Aktualität des Hedonismus. Eine RADIOSENDUNG auf NDR KULTUR am Sonntag, 12. Mai 2019
Von Christian Modehn
Ohne Lust gibt es kein menschliches Leben. Wir alle sind Geschöpfe erotischer Begierde. Aber sinnlich geprägte Lebensfreude kann nur von Dauer sein, wenn sie eine Balance findet. Hemmungsloser Genuss fördert kaum das Wohlbefinden. Es gilt, die Hedoné, die Lust, geistvoll zu verteidigen, eine Herausforderung für Theologen und Philosophen.
Informationen über die Sendereihe "Glaubenssachen", dort kann man auch Manuskripte bestellen: https://www.ndr.de/ndrkultur/sendungen/glaubenssachen/index.html
Philosophischer Salon-Abend zu Thema Misstrauen: Vom Wert eines Unwertes!
Am Freitag, den 3. Mai 2019, findet wieder ein religionsphilosophischer Salonabend statt, in der Kunstgalerie Fantom, Hektorstr.9 in Wilmersdorf. Beginn: Um 19 Uhr. Diese Veranstaltung ist ausgebucht. Anmeldungen wurden selbstverständlich berücksichtigt. Auch wegen aktueller politischer Zusammenhänge (Fake-News, rechtsextremer Populismus, religiöser Fundamentalismus weltweit usw.) wollen wir uns mit der Bedeutung des Misstrauens (und auch der skeptischen Lebenshaltung) auseinandersetzen. Grundlage für unser Gespräch ist die Studie des Sozialanthropologen Prof. Florian Mühlfried, der vor kurzem bei Reclam sein Buch "Misstrauen. Vom Wert eines Unwertes" veröffentlichte. Das Reclam Buch umfasst 88 Seiten und kostet nur 6 Euro, es könnte also von allen interessierten TeilnehmerInnen vorweg gelesen werden. Aber wie früher schon gesagt, einen "Lektüre-Zwang" gibt es in unserem Salon nicht. Herzliche Einladung also mit der Bitte um Anmeldung: christian.modehn@berlin.de
„Die Religion ist der tiefste ruhige Meeresgrund…“ Wittgenstein lesen … und auch meditieren
Ein Hinweis zu Wittgensteins Geburtstag am 26. April (1889)
Die Werke Ludwig Wittgensteins muss man nicht empfehlen, sie sind „Pflicht“ und Last und Freude und Inspiration.
Anlässlich seines Geburtstages am 26. April (der 29. April 1951 ist sein Todestag) plädiere ich für eine Lektüre einiger „Vermischter Bemerkungen“, die in Band 8 der Werkausgabe „Über Gewissheit“ bei Suhrkamp ab Seite 445 publiziert sind.
Diese meist knappen „Bemerkungen“ stammen aus dem Nachlass; sehr viele „Bemerkungen“ wurden 1945 nach Abschluss des ersten Teils der Schrift „Philosophische Untersuchungen“ notiert. Dieses Buch ist wohl der Hintergrund für viele „Bemerkungen“.
Das Zitat im Titel (von 1946) heißt vollständig:
„Die Religion ist sozusagen der tiefste ruhige Meeresgrund, der ruhig bleibt, wie hoch auch die Wellen oben gehen“. (S. 525)...
Kurz davor hat Wittgenstein notiert:
„Das Christentum sagt unter anderem, glaube ich, dass alle guten Lehren nichts nützen. Man müsse das Leben (Vom Verfasser kursiv, CM) ändern (oder die Richtung des Lebens). (ebd.)
Wer die "Vermischten Bemerkungen" liest, wird bemerken: Für Wittgenstein ist religiöser Glaube (im Christentum) ein „leidenschaftliches Sich-Entscheiden“ (S. 540, von 1947). Glauben ist für ihn vor allem Praxis, als Sprung in eine bestimmte Lebensform. Aber jede ethisch wertvolle Lebensform ist wohl nur in einem Sprung erreichbar, meint er. Darin wird der Einfluss Kierkegaards spürbar. Glaube hat für Wittgenstein zentral mit der Bewegtheit des Herzens zu tun. Wissenschaften können (seine) Lebensprobleme nicht lösen! Davon war Wittgenstein, der Skepiker, überzeugt.
Es ist also eine große Begrenzung, nur den Wittgenstein des „Tractatus“ zu lesen!
Ich empfehle auch die Darstellung des Religionsphilosophen Wittgenstein von Friedo Ricken, ín: “Religionsphilosophie“, Kohlhammer Verlag, 2003, S.29 bis 57.
Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin