Protestantische Verteidiger der Toleranz und des Humanismus –Werden sie im Reformationsjubliäum 2017 vergessen?

Protestantische Verteidiger der Toleranz und des Humanismus –Werden sie im Reformationsjubliäum 2017 vergessen?      Hinweise zur frühen Geschichte der Remonstranten und zur Gegenwart einer nicht dogmatischen protestantischen Kirche.

Von Christian Modehn

Wenn Historiker und Theologen heute wie früher über „Toleranzdiskurse in der frühen Neuzeit“ (so ein neues Buch hg. von Friedrich Vollhardt, erschienen 2015) sprechen und über Duldung und besser noch Akzeptanz religiöser Pluralität, „dann ist es auffällig, dass Weiterlesen ⇘

Über die Reformation hinaus: Für eine Ökumene der Zweifler und Skeptiker

Über die Reformation hinausgehen: Für eine Ökumene der Zweifler und Skeptiker

Einige neue Thesen und Vorschläge  zum Reformationstag (31. 10. 2014)

Von Christian Modehn

An Gedenktagen sollte man denken. Auch heute. Und zwar Neues denken, Neues, d.h. auch bisher eher Ungesagtes oder an den Rand Gedrängtes. Dann wird man sich der Grenzen des Vergangenen und der bisherigen Interpretationen des Vergangenen bewusst. Man will weg aus Engführungen und kleinlichen Debatten der Spezialisten.

Das gilt auch für die Erinnerung an den Reformationstag 31.10. 2014:

Für den Philosophen G.W.F. Hegel war die Reformation Luthers „die Hauptrevolution“, so schreibt er in seiner „Philosophie der Geschichte“. Hegel teilte die Welt-Geschichte nicht nur „nach Christus“, sondern zusätzlich noch „nach Luther“ ein. Natürlich spielen bei Hegel ideologische und politische Bindungen seiner Zeit, des frühen 19. Jahrhunderts, hinein. Einen wahren Aspekt hat diese Interpretation der Lutherischen Reformation als grundlegender Umwandlung, als Revolution, aber doch. „Jeder Mensch hat nun an sich selbst (also in sich selbst, also in seinem eigenen Geist CM) das Werk der Versöhnung (zwischen Gott und Mensch CM) zu vollbringen“. Der einzelne, „das Subjekt“, ist also unendlich aufgewertet, ist unendlich wichtig, denn „in ihm ist Gott“. Worte, die an Meister Eckart erinnern, ihn erwähnt Hegel. Der Mensch ist also in gewisser Hinsicht mehr als bloßer Mensch. In seinem Geist ist das Unendliche lebendig zugegen. Alles Transzendieren des menschlichen Geistes geschieht nur kraft dieser „Dynamik“.

Gott ist in allen, so die metaphysische Aussage Hegels bzw. Luthers. Noch einmal: Diese Perspektive gilt für alle Menschen. Heutige Theologie und Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie auf andere Weise können diese Aussage nicht mehr nur auf den kleinen Kreis der Getauften beziehen. Vielmehr: Alle Menschen sind – in christlicher Deutung, die sich natürlich den anderen nicht aufdrängt – mit dem einen Gott und in dem einen Gott verbunden. Jeder und jede auf unterschiedliche Weise, je nach der Kultur, Sprache, Religion usw…

Gott in allen und im allem: Das ist für religiöse Menschen eine Perspektive zum Reformationstag 2014 und später. Sie befreit von den langweiligen innerkirchlichen und „ökumenischen“ Debatten, sie befreit von dem endlosen Streit um Studien und Konsens-Papiere zugunsten der Kircheneinheit, die Theologenkommissionen seit Jahrzehnten produzieren. Dabei wecken sie den Eindruck, Kircheneinheit, was man auch immer darunter verstehen mag, sei Sache von theologischen Gremien, also Sache des Herrschaftswissens einiger Hierarchen und ihrer Haustheologen.

„Gott in allen und in allem“ gilt, und das wäre das „Neue“ als eine Provokation, auch für Menschen, die sich gottlos oder agnostisch nennen. Diese Wahrnehmung und Interpretation der anderen, der Atheisten und Agnostiker, ist keine Arroganz religiöser Menschen, keine Kampfansage, kein Auftrag zur Bekehrung in die Kirchen hinein. Diese Wahrnehmung der „anderen“ kann lediglich behilflich sein, das Denken der sich irgendwie christlich nennenden Menschen friedlich zu bestimmen. Der einst feindlich betrachtete Atheist wird dann der Gesprächspartner, der Mensch, den es absolut zu respektieren gilt.

Aber über diese bloßen Dispute zwischen Glaubenden und Nicht-Glaubenden muss man hinauskommen, nette Diskussionen finden als eine Art freundliche Konfrontation von Unterschieden schon seit Jahren statt. Etwas anderes ist freilich die wissenschaftlich fundierte Debatte unter Philosophen. Aber die gut gemeinten christlich–atheistischen Gespräche als Konfrontation der fixierten Meinungen sind in dieser Form eher überflüssig. Das spürte man deutlich bei den Dialogen „Vorhof der Völker, die der Vatikan mit Atheisten (etwa auch in Berlin) organisierte.

Jetzt kommt es darauf an, im Rahmen einer erweiterten, neuen Reformation, die Gemeinsamkeit von Glaubenden und Nichtglaubenden zu erkennen und praktisch zu leben. Denn Glaubende und Nichtglaubende (Atheisten usw.) haben als gemeinsame (!) geistige Basis, dass sie Suchende, Fragende, Zweifelnde sind. Denn auch religiöse Menschen, auch Christen, „haben“ ja niemals Gott, sind immer auf der Suche, fragend, nach dem göttlichen Gott…Es geht also um den Dialog und die Praxis unterschiedlicher Zweifler und Suchender. Es geht letztlich darum, am jeweiligen Zweifel noch einmal zu zweifeln, um daraus eine gemeinsame geistige, philosophische oder möglicherweise neue religiöse Ebene zu entdecken. Und um gemeinsame politische Aktionen zu starten, um gegen die militanten Nihilisten, diese Mörderbanden, die Zerstörer aller Kultur und Lebendigkeit, anzugehen. Es gilt also, eine Ökumene der Zweifler, der Humanisten, ob religiös oder nicht, zu fördern und vor Ort zu leben und zu beleben.

Daneben drängt sich eine weitere Thematik auf im neuen Gedenken an die Reformation Luthers. Bisher wird eben fast nur mit viel Aufwand an Luther erinnert und leider nicht ausführlich an die mutigen Theologen, die ihm sozusagen den Mut gaben und den Boden bereiteten, etwa Petrus Valdes und die Valdenser oder Jan Hus aus Prag. Auch die Konzeptionen eines humanistischen Christentums durch Erasmus und später durch die Remonstranten (und ihre heutige freisinnige Kirche) stehen absolut im Hintergrund. Unverständlich bleibt auch, warum nach dem Ende der DDR fast kein Theologe und Kirchenmann (keine Kirchenfrau) es mehr wagt, Thomas Müntzer, den großen Zeitgenossen Luthers, diesen Theologen der sozialen Befreiung, überhaupt zu erwähnen. Wo bleiben die -kritischen- “Müntzer Tage” oder “Müntzer Kongresse” bei all den vielen Luther-Feierlichkeiten?

Der Religionsphilosophische Salon wird jedenfalls einen Salon über das humanistische Christentum und über Thomas Müntzer im Jahr 2015 veranstalten.

Coypright: Religionsphilosophischer Salon Berlin.

 

 

Ein Humanist als Reformator: Philipp Melanchthon

Über Philipp Melanchthon.

Ein Vorwort: Am Sonntag, den 18. April 2010, sendete das Kulturradio des RBB einen Beitrag von mir anläßlich des 450. Todestages von Philipp Melanchthon (am 19. April 2010). Hier das ursprüngliche Manuskript der Radio Sendung, also das ausführliche Manuskript vor der Kürzung, die bedingt ist durch die nun einmal zur Verfügung stehende Sendezeit von 26 Minuten.

Ein weiteres Vorwort am 26.4. 2017: Im Laufe der Zeit, im Abstand von 7 Jahren, und weiteren Studien, bin ich heute zurückhaltender, Melanchthon “Humanist” zu nennen. Melanchthon ist dies nur im Vergleich mit Luther, dem Anti-Philosophen. Einen umfassend humanistisch-christlichen Glauben hat Melanchthon meines Wissens nicht intendiert. Dazu war auch er zu sehr an die alleinige Macht der Bibel gebunden… CM.

Theologie soll dem Leben dienen
Philipp Melanchthon, Humanist und Reformator
Von Christian Modehn

1. Musikal. Zusp.

1. O TON, Hansen.
Philipp Melanchthon hatte die humanistische Überzeugung, dass Bildung und Wissenschaft den Menschen zivilisieren und ihn instand setzen, sich friedlich zu verhalten.

1. Musik

2. O TON, Dorgerlohn
Von Melanchthon gibt es ein wunderbares Wort, das heißt: Wir sind zum wechselseitigen Gespräch geboren. Also Melanchthon war jemand, der den Dialog geradezu suchte.

1. Musikzusp.,

3. O TON, Kuropka
Er war kein Gelehrter im Elfenbeinturm, sondern er war ein Gelehrter, der Theologie immer im konkreten Kontext der gesellschaftspolitischen Ereignisse gemacht hat.

1. Musikzusp.

TITELSPRECHERIN:
Theologie soll dem Leben dienen
Philipp Melanchthon, Humanist und Reformator
Eine Sendung von Christian Modehn

4. O TON, Treu
Wenn man sich anschaut: Wer hat das heute noch gültige Bekenntnis aller lutherischen Kirchen auf der Welt geschrieben? Melanchthon. Wer hat die erste evangelische Kirchen – und Schulordnung verfasst? Melanchthon. Wer hat das erste Lehrbuch der lutherischen Theologie verfasst? Melanchthon. Fragt sich natürlich, warum heißt es dann lutherische Kirche, zumal Luther ja selber ausdrücklich gesagt hat, dass er nicht will, dass sich die Kinder Christi nach seinem heillosen Namen nennen. Die Antwort ist ganz einfach: „Melanchthonische Kirche“ kann kein Mensch aussprechen.

1.SPR.:
…immerhin klinge „melanchthonische Kirche“ besser als „schwarzerdtische Kirche“, meint der Historiker und Theologe Martin Treu von der Stiftung Luthergedenkstätten in Wittenberg. Er kann die Bedeutung Philipp Melanchthons nicht hoch genug einschätzen, der ursprünglich als Philipp Schwarzerdt geboren wurde. Als hochbegabtem Studenten wurde ihm die Ehre zuteil, seinen deutschen Namen in einen griechischen umzuwandeln. Aus Schwarz – erdt wurde Melan – chthon. Damit gelang dem gerade mal 12jährigen der Eintritt in die Welt der intellektuellen Elite: Zu Beginn des 16. Jahrhunderts pflegten die Akademiker die klassischen Tugenden der „allseitigen Bildung“ und nannten sich „Humanisten“, also Freunde der Menschheit und Förderer der Menschlichkeit. Als derart „weltlich Gebildeter“ sollte Philipp Melanchthon an der Seite Luthers die Kirche erneuern. Ein Meter fünfzig klein, von zarter Statur und oft sehr kränklich, hatte der „kleine Grieche“, wie er liebevoll genannt wurde, jedoch keinen Ehrgeiz, sich neben dem schon an Körperfülle überragenden Reformator Martin Luther als ebenbürtig zu profilieren. Heute, 450 Jahre nach seinem Tod, ist Melanchthon gleichberechtigt neben Luther anerkannt: Beide sind die Reformatoren Deutschlands.

2. musikal. Zusp., latein. Gesang

1. SPR.:
Latein war im 16. Jahrhundert die gängige Sprache der Gebildeten in ganz Europa. Vorlesungen wurden selbstverständlich auf Latein gehalten. Bei wichtigen Diskussionen und Disputen bediente man sich der Sprache der „alten Römer“. Und auch in der Freizeit, beim Musizieren zu Haus, wollte Melanchthon nicht auf lateinische Lieder verzichten.

2. musikal. Zusp.,

1. SPR.:
Mit diesen Klängen ist Philipp Melanchthon aufgewachsen. 1497 in Bretten, nahe Karlsruhe, geboren, erlebte er die römische Kirche mit ihrer überschwänglichen Heiligenverehrung, dem Ablasshandel und der Macht des Klerus. Schon als Jugendlicher kritisierte er den Luxus der Bischöfe mit scharfen Worten:

2. SPR..
Ein Theologe mit einem dicken Ring ist entweder ein Narr oder ein Prälat. Noch weniger sind goldene Ketten eine Zierde für Theologen, man sollte sie daran aufhängen.

1. SPR.:
Melanchthon war leidenschaftlich an religiösen Fragen interessiert. Sein Schwerpunkt aber war die Erforschung der alten Sprachen, nebenbei beschäftigte er sich noch mit medizinischen Fragen, philosophischen Themen, mathematischen Problemen, mit Musik und Astronomie. Der vielseitige junge Wissenschaftler wurde 1518 als Professor für Altgriechisch an die Universität Wittenberg gerufen. Martin Luther hörte seine Antrittsvorlesung und war begeistert. Wenige Monate zuvor hatte er seine berühmten 95 Thesen zur Kirchenreform öffentlich gemacht. Melanchthon machte Luthers Ideen zur Erneuerung des christlichen Glaubens auch zu seiner Sache und betonte:

2. SPR.:
Ich habe erst durch Luther das Evangelium entdeckt.

1. SPR.:
An der Universität Wittenberg arbeitete Melanchthon bis zu seinem Tod im Jahr 1560. Vor allem als Sprachwissenschaftler wurde er für Martin Luther ein wichtiger Partner:

14. O TON, Treu
Der Einfluss Melanchthons bei der Bibelübersetzung muss erheblich gewesen sein. Luther selber berichtet auf der Wartburg, dass ihn überhaupt erst Melanchthon zu dem Unternehmen aufgefordert habe. Er kommt im März 1522 mit dem Manuskript zurück, das allerdings erst im August 1522 unter die Druckerpresse geht, d.h. in diesem Zeitraum muss erheblich überarbeitet worden sein. Und da war der Griechisch Kenner Melanchthon sicherlich mehr zu Hause als Luther, dessen Griechisch Kenntnisse mäßig waren.

1. SPR.:
Jede ernstzunehmende Übersetzung des Neuen Testaments muss sich auf die „Quelle“, den ursprünglichen, den griechischen Text, beziehen. Für den Humanisten Melanchthon war das eine Selbstverständlichkeit: Wer nur die lateinischen Texte respektiert, könne nur oberflächliches Gerede voller Fehler produzieren. Ein hoher wissenschaftlicher Anspruch machte für Melanchthon den typischen Geist der Reformation aus. Christliche Gemeinden sollten nicht bloß „fromm“ sein oder nur feierliche Gottesdienste abhalten. Darum seine Forderung:

2. SPR.:
Auch die Pfarrer müssen Altgriechisch und Hebräisch beherrschen und die Christen gut ausbilden.

1. SPR.:
Melanchthon war ein Vorbild des wissenschaftlichen Eifers: Er selbst hat die Bibel so intensiv studiert, dass er bestens mit allen Grundfragen des Glaubens vertraut war. Deswegen konnte er an der Universität auch Vorlesungen zur Theologie und zu einzelnen Texten des Neuen Testaments halten. Pfarrer wollte er jedoch nie werden, im Gottesdienst zu predigen lehnte er ab. Als Humanist lag es Melanchthon fern, in seinen Büchern und Vorträgen „ewige“, vermeintlich zeitlose Wahrheiten zu verbreiten. Vielmehr wollte er stets aktuelle Orientierung und Lebenshilfe bieten, betont die Theologin und Melanchthon Spezialistin Nicole Kuropka:

15. O TON,
Ich mach das mal an seinen Römerbrief – Kommentaren deutlich. Der Römerbrief ist ja das zentrale biblische Dokument der Reformation geworden. Und Melanchthon hat den Römerbrief nicht nur einmal ausgelegt, sondern wir haben insgesamt 5 oder 6 komplette Auslegungen des Römerbriefes von Melanchthon. Diese Kommentare sind keine überarbeiteten Versionen. Es sind komplette Neuauflagen, die absolut voneinander verschieden sind. Wenn man sie liest, dann sieht man auch wie sehr er diese Auslegungen schreibt mit Blick auf die aktuellen Streitigkeiten, die gerade im Raum sind. Die Theologie oder auch das Studium der Heiligen Schrift dient unserem Leben, es ist keine abstrakte Wahrheit, die man in ein Bücherregal stellen kann. Schriftstudium gibt Weisung für das Leben, und zwar für das ganz konkrete Leben.

1. SPR.:
Schon Jesus hatte ausdrücklich davor gewarnt, den Menschen „Steine statt Brot“ zu reichen. Auch Melanchthon ging es um gut bekömmliche geistliche Nahrung

2. SPR.:
Ich bin mir bewusst, aus keinem anderen Grund jemals Theologie getrieben zu haben, als um das Leben zu verbessern. Eine wirksame „Verbesserung des Lebens“ kann nur gelingen, wenn die Menschen die grundlegenden Wahrheiten des Glaubens richtig verstehen.

1. SPR.:
Glaube hatte also für ihn mit dem Verstand zu tun, mit Nachdenken, nicht etwa mit Gefühlen oder Emotionen. Darum setzte Melanchthon auch seine ganze Energie ein, um die Menschen von übertriebener Heiligenverehrung und allzu naiven Gottesbildern zu befreien. Aber als Humanist wusste er auch: Religiöse Wahrheit lässt sich nicht verordnen oder gar mit Gewalt durchsetzen. Nicole Kuropka:

16. O TON, Kuropka
Er war enorm dialogbereit. Und dialogbereit heißt, dass er nicht nur seine Meinung vertreten hat, sondern dass er sich angehört hat, was auch von gegnerischer Seite an Meinung vertreten worden ist. Und diese Fragen für sich auch mitgenommen hat. Den Papst hätte er als Organisationsstruktur anerkannt, nicht mit der Autorität, die dahinter steht. Er war immer wieder bereit, sich mit den gegnerischen Parteien an einen Tisch zu setzen. Das hat er über 4, 5 Jahrzehnte sehr ausdauernd gemacht.

1. SPR.:
So hat er sich z. B. für katholische Nonnen in Nürnberg eingesetzt. Radikale Protestanten wollten sie aus der Stadt vertreiben, so wütend war man auf „das verlogene Klosterwesen“. Dank seiner Intervention konnten die Nonnen in der evangelisch gewordenen Stadt weiter ihr Ordensleben führen. Melanchthon plädierte für Toleranz. Sein Motto war:

2. SPR.:
Bei gutem Willen können sich unterschiedliche Christen als gleichwertig respektieren.

1.SPR.:
Beim Reichstag in Augsburg im Jahr 1530 hatte er ein Glaubensbekenntnis formuliert, das die Basis aller Christen hervorhebt: das gemeinsame Evangelium und das Angewiesensein aller auf die Gnade Gottes. Melanchthon fand in seinem Bekenntnis eine Sprache, die den römischen Kirchenführern sehr entgegen kam. Aber sie lehnten einen ökumenischen Kompromiss ab. Melanchthon war zutiefst enttäuscht, berichtet der Theologe Martin Treu:

17. O TON, Treu
Für mich ganz interessant sind seine immer wiederkehrenden Hinweise bei solchen Kontroversen: Dass jeder sich doch gleich zu Anfang sorgfältig prüfen möge, welche Motive ihn denn umtreiben. Ob es wirklich die reine Suche nach der Wahrheit ist oder auch Profilierungssucht, Lust am Streiten oder ähnliches. Und das hat er natürlich strikt abgelehnt.

1. SPR.:
Angesichts dogmatischer Erstarrung und sturer Unvernunft riss aber auch dem Reformator mitunter der Geduldsfaden:

2. SPR.:
Man wird sich noch lange streiten, bis es den Heiden ein Greuel ist. Da disputieren sie über das Abendmahl, gleich als ob sie in den Himmel gesehen und Jesus gefragt hätten, wie er denn die Worte: „Das ist mein Leib“ verstanden habe. Diese Theologen werden es hier auf Erden nicht klären. Es gehört sich wohl nicht für uns schwache Menschen, alles ergrübeln und erforschen zu wollen. Genug ist zu wissen und zu glauben, was zu unserem Heil nötig ist. Das übrige macht nur Zank. Woran Jesus gewiss keinen Gefallen hat.

1. SPR.:
Als Humanist nahm sich Melanchthon die Freiheit, seine Kritik an den uneinsichtigen Gegner auch voller Sarkasmus zu formulieren.

2. SPR.:
„Der Titel Bischof heißt nicht =bi de schoof=, also bei den Schafen, wie der Prediger Johann von Kaysersberg einst behauptete. Die heutigen Bischöfe lassen sich durch keine Etymologie und Wortspielereien bewegen, da muss man etwas anderes beibringen. Bischof heisst also sarkastisch gesagt: =Bies de Schof=, =Beiße die Schafe=. Denn das passt besser auf die gegenwärtigen Bischöfe, weil sie weder die wahren Aufseher über ihre Gemeinden sind noch Hirten oder gar Hüter ihrer Schafe. Sie beißen eher ihre Schafe“.

1. SPR.:
Kummer machten ihm auch seine Freunde in der Lutherischen Kirche. Sie warfen ihm vor, zu „versöhnlerisch“ zu sein und die eigene Lehre nicht ernst zu nehmen. Einmal mehr musste Melanchthon klagen:

2. SPR.:
Jetzt ist ein eisernes Zeitalter angebrochen. Da bekämpfen sich Menschen, die eigentlich in der Verbundenheit derselben Religion die engsten Verbündeten sein müssten. Meine Krankheit tut mir nicht so weh wie der große Jammer um das Elend der heiligen christlichen Kirchen. Das Elend entsteht aus der unnötigen Trennung, aus der Bosheit und dem Mutwillen der Menschen, die sich aus unmenschlichem Neid und Hass abgesondert haben.

3. Musik. Zusp., „Aus tiefer Not“…

1. SPR.:
Voller Sorge beobachtete Melanchthon ein Gruppe von Christen, die sich „Schwärmer“ nannten. Sie meinten, unmittelbar von Gott berufen zu sein, auch einen Krieg gegen die Obrigkeit anzuzettelten. Die unterdrückten Bauern waren von blindem Enthusiasmus erfasst und glaubten im Ernst, durch einen Krieg eine gerechtere Gesellschaft herbeizuführen. Nicole Kuropka:

18. O TON, Kuropka
Melanchthon war sehr obrigkeitstreu. Und Widerstand war bei ihm nur unter bestimmten Bedingungen erlaubt. Und in seinen Augen haben die Bauern die Bibel genommen und mit der Bibel ihre weltlichen, irdischen Anliegen versucht durchzusetzen und haben dann versucht mit dem Schwert gegen die Obrigkeit durchzudringen. Und dagegen war Melanchthon grundsätzlich, weil er sehr viel Angst vor Durcheinander, Chaos und Krieg hatte.

1. SPR.:
Angesichts der ständigen konfessionellen Grabenkämpfe suchte Melanchthon Zuflucht in der Astrologie. Dass sich ein rational denkender Mensch der geheimen Botschaft der Sterne zuwendet, ist heute schwer nachvollziehbar. Es passt aber gut zur damaligen Mentalität, meint Martin Treu:

19. O TON, Treu
Sein eignes Horoskop hatte ihm gesagt, er würde über dem Wasser sterben. Und deswegen war er sehr besorgt bei jeder Form von Schiffsreisen. Astrologie ist die fortschrittliche Modewissenschaft des 16. Jahrhunderts. Melanchthon hat natürlich es ein bisschen schwierig gehabt, weil Astrologie und christliche Grundwerte sich nicht ganz vertragen. Aber Luther hat ihn machen lassen. Melanchthon glaubte an Horoskope, er glaubte an Träume, er glaubte Vorzeichen. Allerdings war er so viel christlicher Theologe war er dann doch, dass dies nicht mit zwangsläufiger Notwendigkeit eintreten würde, sondern eher eine Warnung sei, sich den christlichen Grundtugenden zuzuwenden.
4. musikal. Zuspielung,

1. SPR.:
Der Theologe Melanchthon blieb stets auch Pädagoge – Reformation und kulturelle Entwicklung sollten Hand in Hand gehen, sagt der evangelische Prälat Stephan Dorgerloh in Wittenberg:

12. O TON, Dorgerloh
Der Bildungsimpuls der Reformation speist sich daraus, dass Glaube und Bildung zusammengehören. Also den Reformatoren ging es darum, gebildete Christen zu bekommen, dass sie selber auch in der Lage sind, diesen Glauben im Alltag zu leben. Also Glaube und Vernunft, eine Sache, die bei den Reformatoren zusammengehört.

5. O TON, KUROPKA
Das Sensationelle an Melanchthon ist, dass er wirklich für eine Bildung für jedermann war, jeder sollte gebildet sein, es sind auch Mädchenschulen gegründet worden. Er hat Lehrpläne geschrieben. Und vor allen Dingen er hat eine Unmenge an Lehrbüchern geschrieben, da war er ein sehr begnadeter Lehrer. Melanchthon hat kurze kompakte Lehrbücher geschrieben, in denen er seinen Schülern auch immer wieder erklärt hat, warum sie das lernen müssen.

1.SPR.:
…weil das Leben seiner Ansicht nach nur Freude macht, wenn man die Welt versteht und begreift, was der Mensch von seinem Wesen her ist. Melanchthon war von einem leidenschaftlichen Elan getrieben, die Menschen zu bilden, er kümmerte sich um Schulen auf dem Land wie in den Städten. „Praeceptor Germaniae“, Lehrer Deutschlands, wurde er genannt.
Ihm kam es darauf an, Bildung als gemeinschaftliche Erfahrung einzuüben. In seinem eigenen Haus in Wittenberg gab er dafür ein anschauliches Beispiel: der Professor und seine Familie lebten mit einigen Studenten zusammen, damals wie heute eine originelle Idee, betont Martin Treu:

13. O TON, Treu.
Es war eine viel gesuchte Ehre bei dem „Lehrer Deutschland“ in Kost und Logie zu sein. Ein Vergnügen kann es nicht immer gewesen sein, weil Melanchthon keine Freistunden kannte, sondern seine Schüler waren eigentlich immer im Unterricht.

1.SPR.:
Als oberster Schulmeister bleibt er aktuell, meint der Studienleiter der Evangelischen Akademie in Wittenberg, Christian Lehnert:

6. O Ton, Lehnert
Melanchthon hatte versucht, so etwas wie einen Bildungskanon zu formulieren. Was braucht der Mensch unbedingt um eine sinnhafte Existenz zu führen. Ihm lag vor allem den klassischen griechischen Autoren, dann lag ihm an der Bibel, ihm lag an Sprachkenntnissen, vor allem des Lateinischen, ihm lag sehr an Sprachkompetenz, was heute man als kreatives Schreiben bezeichnen würde, spielte eine ganz große Rolle für Melanchthon, Musik, Mathematik.

1. SPR.:
Umfassende Bildung – das bedeutete mehr als die Kenntnis einzelner Sachgebiete:

7. O TON, Lehnert
Es geht ja darum, Räume zu schaffen und Fähigkeiten zu entwickeln,
in denen dieser Mensch sich selbst entfalten kann; ihm gewissermaßen eine Handwerkzeug an die Hand zu legen, mit der er seine eigenen Fähigkeiten entfalten kann.

1. SPR.:
Zu den grundlegenden „Fähigkeiten“ gehörten für Melanchthon auch die religiöse Orientierung und die Kenntnis der Bibel. Ein Gedanke, der bis heute gilt, selbst wenn Glaube und Kirche für viele Menschen kaum noch eine Rolle spielen, meint Christian Lehnert. Denn die christlichen Traditionen haben Europa entscheidend geprägt.

31. O TON, Lehnert
Auch ein Mensch, der nicht glaubt, braucht eine gewisse Kompetenz im Umgang mit religiösen Formen, sonst fehlen ihm wesentliche Zusammenhänge. Es braucht eine gewisse Sensibilität für religiöse Fragen. Man muss auf der religiösen Tastatur spielen können, zumindest ein klein wenig. So wie Kinder in der Grundschule auf der Blockflöte spielen. So muss man auch mit biblischen Geschichten umgehen können. Sonst läuft man da ins Leere.

1. SPR.:
Melanchthon verteidigte ausdrücklich eine „Philosophie der Bildung“, die auf einen langsamen, aber spürbaren Fortschritt der Menschheit vertraute. Der Berliner Historiker Professor Reimer Hansen:

8. O TON; Hansen
Melanchthon hatte eine Lehre aus der klassischen Antike zum Ausgangspunkt genommen, dass die Entwicklung der Menschheit sich über Wildheit und Barbarei zur Zivilisation vollzieht. Hat man Stand der Zivilisation erreicht, dann kann man ihn nur halten, indem man ihn durch unablässige Bildung verfestigt. Unterlässt man es, dann tritt Unwissenheit ein und Unwissenheit ist nach Melanchthons Auffassung die Ursache dafür, dass Menschen sich wieder unvernünftig verhalten und zurückfallen.

1. SPR.:
Wie so viele andere Humanisten ließ sich Melanchthon von einem optimistischen Menschenbild leiten. Der Mensch, so glaubte er, sei grundsätzlich in der Lage, ein gutes, ein ethisches wertvolles Leben zu führen, vorausgesetzt, er ist ausreichend gebildet.

9. O TON, Hansen
Wir sind heute auch skeptischer geworden. Nicht allein die Bemühung um Wissenschaft garantiert den Frieden, sondern eine Wissenschaft, die sich selbst auf den Frieden verpflichtet, ist nötig. Wir haben ja erlebt, dass Wissenschaft auch den Krieg fördern kann. Wir haben ja erlebt, dass Atomforscher kritisch über das nachgedacht haben, nachdem die ersten Atombomben gefallen sind. Das ist eine Erfahrung unseres Jahrhunderts, insofern war der Optimismus Melanchthons mit der Realität weniger zu vereinbaren. Man kann den Menschen nicht so erziehen, dass er die Aggression durch Erziehung überwindet.

1. SPR.:
Auch Melanchthon konnte es nicht einfach ignorieren, dass auch in seinem Umfeld so viele Menschen zu kriegerischen Auseinandersetzungen bereit waren. In Deutschland hatten sich im Jahr 1546 die Fronten zwischen den verfeindeten Konfessionen so sehr verhärtet, dass sogar er eine prinzipiell pazifistische Haltung zurückweisen musste.

11. O TON, Hansen
Der Schmalkaldische Krieg ist von Melanchthon gerechtfertigt worden als ein gerechter Krieg. Er hat den Kaiser verantwortlich dafür gemacht. Karl V. hatte die Reformation durch Krieg rückgängig zu machen versucht. Das warf er ihm vor. Und deshalb hatten die Protestanten nach Melanchthons Auffassung das Naturrecht der Verteidigung, der Notwehr, in Anspruch zu nehmen und insofern hat er den Schmalkaldischen Krieg gerechtfertigt
6. musikal. Zusp.,

1. SPR.:
Der Humanist Melanchthon konnte seine Vorstellungen vom menschenwürdigen Leben nur als eine ferne Zielvorstellung, als ein Ideal, pflegen und bewahren. Darauf zu verzichten, hätte bedeutet, alle Wertmaßstäbe zu relativieren, nicht mehr zwischen gut und böse zu unterscheiden. Darum schärfte Melanchthon seinen Zeitgenossen ein:

2. SPR.:
Wir dürfen das vernünftige Nachdenken, wir dürfen die Philosophie, niemals aufgeben.

1.SPR.:
Was wie eine Selbstverständlichkeit klingt, war in der Frühzeit der lutherischen Reformation eher eine Provokation, waren doch die meisten Theologen fest überzeugt: Der Mensch sei durch die Allmacht der Sünde von Grund auf verdorben, deswegen habe auch der Verstand seine gestaltende Kraft gänzlich verloren. Melanchthon konnte sich dieser Meinung nicht anschließen, betont Nicole Kuropka:

20. O TON, Kuropka
Melanchthon kannte die antiken Philosophen sehr sehr gut, und er schätzte vor allem Aristoteles, den griechischen Philosophen. Den konnte Luther nun gar nicht leiden, weil er eben im Mittelalter Einzug in die Theologie gezogen hat. Und Luther den Eindruck hat, Theologen reden häufiger von Aristoteles und von Aristoteles Weltverständnis als von dem biblischen Verständnis. Da war Luther ganz empfindlich. Der Heiligen Schrift ist absolut Vorrang zu geben vor Aristoteles. Trotzdem bleibt Melanchthon ein Befürworter der Philosophie. Und die Vernunft ist ein Geschenk Gottes, deshalb sollen Christen die Vernunft verwenden.

1. SPR.:
Aber Melanchthon traute der Vernunft noch viel mehr zu:

21. O TON, Kuropka,
Es ist durchaus möglich als denkender Mensch zu der Erkenntnis zu kommen, dass Gott existiert. Das ist möglich. Nur die Frage: Wer Gott ist, daran wird der Verstand dann scheitern. Das Geschehen von Kreuz und Auferstehung ist der menschlichen Logik nicht erschließbar. Das ist dem Glauben vorbehalten.

1. SPR.:
Die Vernunft kann also den Menschen in eine transzendente, in eine göttliche Dimension führen. Welchen „konkreten“ Gott dann aber ein Mensch tatsächlich verehrt, ist entweder Geschenk der Gnade oder Ausdruck der freien Wahl des einzelnen.

Musikal. Zusp.

1. SPR.:
Philipp Melanchthon, der Humanist als Reformator, der Aufgeschlossene und Tolerante – Er war unter den Reformatoren eher die Ausnahme. Martin Treu betont:

22. O TON, Treu
Er war aufgrund der begrifflichen Klarheit seines Denkens in der Lage zu unterscheiden zwischen den Dingen, die eineindeutig feststehen, und wo es auch kein Wackeln geben kann und den Dingen, über die man sich unterhalten kann.

1. SPR.:
Melanchthons Überzeugung wurde ein halbes Jahrhundert später von einem holländischen Theologen und Reformator aufgegriffen, von Jacobus Arminius. Auch er war ein Humanist. In diesen Wochen wird in den Niederlanden seiner Reformation vor 400 Jahren gedacht. Sie führte zur Gründung der Remonstranten Kirche. Ihr Name verweist auf die remonstrance, die Zurückweisung enger dogmatischer Vorstellungen. Die zwei humanistischen Reformatoren, die 2010 gefeiert werden, verbindet die Erkenntnis, dass der christliche Glaube auf die Kraft kritischen Nachdenkens niemals verzichten kann. Der niederländische Theologe Marius van Leeuwen:

24. O TON;
Ich denke, dass eine Art von humanistischem Christentum sehr wichtig ist, dass nicht Gott und Mensch als Konkurrenten gesehen werden. Aber: Wie Arminius das sagt: Gott ist allmächtig und gnädig, aber er braucht Menschen, um Ja zu sagen zu seinem Angebot. Ich glaube, dass das aktuell ist, dass die Sachen des Glaubens sehr menschliche Sachen sind.

1. SPR.:
Sowohl Melanchthon als auch Arminius wollten mündige, selbstbewusste Menschen für die Gemeinden ausbilden:

26. O TON,
Einer der wichtigen Punkte bei Arminius war, dass er Fragen hatte, auch wenn es ja gefährlich war sozusagen für was die Kirche an Wahrheit und Doktrin hatte. Eine Art von intellektueller Redlichkeit, das war sehr wichtig für ihn. Eigentlich, kann man sagen, eine Art Frommheit des Fragens war wichtig für ihn.

1. SPR.:
In Melanchthons Geburtsort Bretten und in seiner zweiten Heimat, in Wittenberg, wird das ganze Jahr über dieses eigenwilligen Reformators gedacht. Auch in Berlin wird sein 450. Todestag am 19. April feierlich begangen: In der „Evangelischen Melanchthon Gemeinde“ in Kreuzberg gibt es z.B. einen festlichen Abend zu Ehren des Namenspatrons, berichten Andreas Günter und Dörte Rothenburg vom Gemeindekirchenrat:

29. O TON, Dörte Rothenburg. Andreas Günther,
Der Grundgedanke ist der: Melanchthon hatte ein offenes Haus. Melanchthon war gastfreundlich und diesen Gedanken wollen wir so ein bisschen aufgreifen. Und vielleicht so ein Anspiel machen mit Musik… Und wir haben auch eine Ausstellung, die wir zeigen wollen. Wir wollen uns auch ein bisschen in diese Zeit vor 450 Jahren zurückversetzen lassen. Es wird ein typisches Essen aus dieser Zeit geben z.B,. Wir werden Getränke dazu haben. Wir wollen was herstellen, so dass sozusagen mit allen Sinn auch nachgespürt werden kann.

1. SPR.:
Die Melanchthon Gemeinde hat dem Geist Melanchthons schon seit längerer Zeit vor allem theologisch „nachgespürt“, und dabei immer wieder die große Leidenschaft des Reformators für die Einheit der zerstrittenen Christen entdeckt. Demgegenüber müssen heute viele ökumenische Initiativen an der Basis eher zaghaft und verängstigt erscheinen. Pfarrer Jürgen Bergerhoff von der Melanchthon Gemeinde

28. O TON, Jürgen Bergerhoff
Einmal im Jahr veranstalten wir einen gemeinsamen Gottesdienst am Himmelfahrtstag. Das hat schon Tradition seit glaube ich 16 Jahren.
Der Gottesdienst wird gemeinsam gestaltet, vorbereitet, und wir treffen uns anschließend beim Kaffeetrinken, aber es ist kein gemeinsames Abendmahl. Nein. Ich denke schon, dass doch an der Stelle die Katholische Kirche das noch zu verhindern versucht. Die evangelische Kirche scheint mir da viel aufgeschlossener zu sein.

1. SPR.:
Aber die „Aufgeschlossenheit“ der Protestanten geht dann doch nicht soweit, Christen anderer Konfessionen ausdrücklich zum gemeinsamen Abendmahl einzuladen. So viel Werben für die eigene Sache widerspreche dem Geist heutiger Ökumene, meint der evangelische Prälat Stephan Dorgerloh:

27. O TON, Dorgerloh
Ich bin mir nicht sicher, ob das von der anderen Seite auch als warmherzige Einladung verstanden würde oder nicht vielleicht als ein Angriff. Man könnte es kurz auf den Nenner bringen und sagen: Müsste man nicht eine Reformation in der katholischen Kirche anzetteln. Das ist ja auch etwas, was Leute immer fordern. Man muss schauen, wie sich die Dinge weiter entwickeln. Konfrontation wird uns nicht weiterbringen, sondern das wirkliche gemeinsame Bohren des dicken Brettes, ohne die Unterschiede dabei unter den Tisch fallen zu lassen.

1. SPR.:
Seit hundert Jahren wird schon an diesem offenbar granitharten und äußerst kompakten „dicken Brett“ der Ökumene gebohrt, ohne dass es zu einem Erfolg, zu einer sichtbaren Einheit gekommen ist – was für ein Unterschied zu der Vision Philipp Melanchtons. Der Berliner Historiker Reimer Hansen:

30. O TON, Hansen
Melanchthon hat die anglikanische Kirche, die katholische Kirche, die reformierte Kirche und die griechisch orthodoxe Kirche in ihrem Kern als übereinstimmend christlich betrachtet und von daher die Einheit der Christenheit für möglich gehalten. Er hat diesen gemeinsamen Kern aller Konfessionen für so stark erachtet, dass sie zu einer pluralistischen Einheit zusammen finden können.

1. SPR.:
Der vollständigen Anerkennung aller christlichen Kirchen in Gleichwertigkeit verweigert sich die katholische Kirche bis heute. Angesichts des bevorstehenden ökumenischen Kirchentages in München eine eher betrübliche Perspektive für die Einheit der Christen..