Ein Hinweis von Christian Modehn am 24.2.2022: Putin beginnt seinen Krieg gegen die Ukraine.
Zur nationalistischen Russisch-orthodoxen Kirche von Moskau: https://religionsphilosophischer-salon.de/14618_putins-aggression-und-seine-wichtigste-stuetze-der-patrirach-von-moskau-und-seine-russisch-orthodoxe-kirche_befreiung
Man muss die Frage stellen: Warum haben sich die Kirchen und ihre Theologen so sehr auf den „inneren Frieden“, den Frieden der Seele, fixiert und Jesu Worte als Verheißung eines nicht-weltlichen, also eines nur innerlichen Friedens verstanden: „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht einen Frieden wie die Welt ihn gibt, gebe ich euch“. Dieses Zitat aus seinen „Jesu Abschiedsreden“, stammt aus dem Johannes Evangelium im Neuen Testament, Kap. 14, Vers 27. Die Kirchen haben aber oft nicht gesehen, dass vorher Jesus vom heiligen Geist spricht, „der wird euch lehren“… Vers 26: Aber wenn der heilige Geist auch Geist im Menschen ist, dann ist er doch auch Vernunft, und als Vernunft umfasst er auch politische Gestaltung der Welt als einer friedlichen Welt. Aber die Christen waren letztlich froh, sich nur um den inneren Frieden, den Seelenfrieden, kümmern zu müssen. Das ist bequemer.
Man muss die Frage stellen: Welche praktischen, sichtbaren Erfolge haben denn alle Gebete um Frieden gebracht, zu denen nun wieder von der Kirche aufgerufen wird. Gebet um Frieden mag als Form der psychischen Beruhigung in Krisenzeiten durchaus sinnvoll sein, genauso wie das stille Sitzen in der Meditation. Aber das meinen die Bischöfe und Päpste nicht, wenn sie zum Gebet um Frieden aufrufen: Sie wollen Gott im Himmel höchstpersönlich bewegen, den Frieden zu schaffen, den sie sich, die Menschen, wünschen. Im Augenblick beten wohl die Russen für ihren Frieden für ihr Russland, und die Ukrainer beten um Frieden für ihre Ukraine. Auf welche Nation soll Gott bloß hören? Soll er etwa dem Kriegsherrn Putin seinen Frieden bescheren, seinen Sieg? Oder sollen die Gebetswünsche der Ukraine Erfüllung finden? Man sieht, Beten um Frieden ist widersprüchlich, wenn nicht widersinnig, es sei denn man sagt: Das Gebet um Frieden soll nur die innere Stabilität in Kriegszeiten fördern. Und man will, wenn man schon glaubt, eben auch widersinnig glauben, gegen alle Vernunft sozusagen. Gott sei Dank wollen das nicht alle Menschen!
Man muss die Frage stellen: Glauben die um Frieden Betenden wirklich, dass Gott im Himmel als „Person“ das Bittgebet erhört? Welches Gottesbild steht hinter dem Bittgebet? Wird da Gott wie ein menschlicher machtvoller Kumpel vermenschlicht? Wird es nicht Zeit, sich von dem Bild Gott als Person zu verabschieden oder eher von einem tragenden Sinn-Grund der Existenz und der Welt zu sprechen?
Man muss die Frage stellen: Worin liegt eigentlich der größte Fehler, wenn die Kirchen und die Christen Jahrhunderte lang um Frieden beteten und beten, aber de facto kein Frieden entsteht oder entstanden ist? Im Gegenteil: In allen Jahrhunderten wurde eigentlich permanent Krieg geführt, Sklavenhandel betrieben, ganze Völker wurden „missioniert“ und dabei ausgerottet. Der Antisemitismus wurde wie ein permanenter Vernichtungskrieg gegen die Juden geführt. Wie lächerlich ist die Frage: Soll man für die Überwindung des Antisemitismus beten? Wer Antisemitismus besiegen will, möge bitte nicht beten, er soll bitte schön politisch wirksam handeln und z.B. rechtsradikale Täter tatsächlich verfolgen und bestrafen!
Man muss die Frage stellen: Welchen Sinn haben jetzt Friedensgebete und Friedensgottesdienste „Dona Nobis pacem“ ,zu denen die Kirchen im Krieg Russlands gegen die Ukraine auffordern? Sinnvoll ist nur, das tiefe innere Verbundensein mit den Menschen in dieser Region, ein inneres Mitgefühl mit den Leidenden, Sterbenden zu pflegen, um das eigene Denken zu weiten und das Herz in Verbindung mit diesen Menschen zu bringen. Das könnte in der Gemeinschaft eingeübt werden, wenn man auch Zeugnisse der Leiden, der Ukrainer oder der russischen Mütter hört, die von ihrem im Krieg umgekommenen Sohn erzählen.
Man muss die Frage stellen: Ist nicht die entscheidende Wurzel für alle Kriege die Bindung der Kirchen, aller Kirchen, aller Bischöfe, an ihre jeweilige Nation? Hat der Nationalismus unter den Kirchenführern und Christen nicht immer schon total den Geist vernebelt und den Krieg gefördert? Wurde Nationalismus nicht immer wichtiger als das vernünftige Nachdenken über die Menschheit und die Weltgemeinschaft? Hat der kleingeistige Nationalismus das Eintreten für die eine Menschheit, für die Brüderlichkeit und Geschwisterlichkeit aller, zerstört?
Man muss die Frage stellen: Ist der nationalistische Ungeist, der nachweislich die ideologisch verrannten und von Putin privilegierten Popen und Bischöfe der russisch-orthodoxen Kirche beherrschte und heute beherrscht, eine entscheidende Ursache für die Unterstützung im Krieg Putins gegen das so genannte „Brudervolk“. Wie maßgeblich war der Nationalismus der Bischöfe, als sie als Franzosen oder als Deutsche den 1. Weltkrieg leidenschaftlich unterstützten? Diese Herren waren mit Verlaub gesagt keine Christen, sondern kriegerische Nationalisten.
Man muss auch klar sagen: Ihr Christen, hört auf, in der altbekannten Form um Frieden zu beten. Wenn ihr zusammenkommt, sonntags, zu euren Gottesdiensten, lasst die uralten Riten und Lieder mal beiseite, strengt euren heiligen Geist an und fragt gemeinsam, wie können wir aktiv für den Frieden in der Welt, für den Frieden in Ukraine z.B. eintreten? Wie können wir uns umfassend informieren, um gar nicht mehr auf einen Typen wie Putin reinzufallen? Man muss sich also fragen: Wäre nicht politische Aufklärung eine genauso wichtige Aufgabe für die Kirchen, wenn sie sich dem Frieden widmen will? Dazu gehört die Analyse der eigenen westlichen Aggression, man denke an die Kriege, die die USA ohne Ergebnis führten: Vietnam, Libyen, Afghanistan usw., man denke an die Kriege im „Hinterhof der USA“, wie die US-Politiker sagen, in Lateinamerika…
Man muss sich fragen: Warum sind eigentlich nur einige wenige kleinere Kirchen (Quäker, Mennoniten usw.) explizit als Friedenskirchen tituliert? Warum nennen sich nicht alle großen Konfessionen, Katholiken, Protestanten, Orthodoxe ausdrücklich Friedenskirchen? Das wäre doch im Sinne Jesu Christi, den manche gern als Kirchengründer ansehen. Jesus Christus ist der Prophet und Meister auch des politischen Friedens. Wenn man das anerkennt: Dann wäre ein Christ nicht mehr römisch-katholisch, sondern friedenskirchlich-katholisch; man wäre friedenskirchlich evangelisch und vor allem auch dies: Man wäre friedenskirchlich-orthodox. Welch ein Signal wäre dies für die Welt.
Man muss sich fragen: Werden diese Vorschläge irgendeine Resonanz bei den großen Kirchen und ihren etablierten Theologen haben? Ich denke nein. Und diese bloß ganz allgemein um Frieden betenden Kirchenchristen werden auch dann, wenn die Ukraine in ein paar Monaten russisch ist oder die Mörderbanden in Syrien ihr Regime weiter aufbauen usw. Immer weiter um Frieden beten, singen und flehen: „Verleih uns Frieden gnädiglich“, adressiert an einen personalen Vater im Himmel, der aber doch nicht das Flehen seiner Kinder erhört…
Man wird also als Kirche weitermachen, wie bisher. Man wird ein paar kleine friedenspolitische Clubs in den Kirchen zulassen, wie Pax Christi bei den Katholiken oder Church and Peace bei den Protestanten, man wird weiterhin also beten und alte Lieder singen … und die Welt wird in Kriegen versinken.
Man muss sich fragen: Wann werden sich die Kirchen eingestehen: Eigentlich ist die auch empirisch spürbare Bilanz des Christentums, die Bilanz der Wirkungsgeschichte der Lehre Jesu, weitgehend eine Katastrophe. Oder mindestens ein Misserfolg oder eine Illusion. Und trotzdem werden Theologen naiv weiterhin von Erlösung schwadronieren, etwa zu Weihnachten beim Lied „Stille Nacht, alles schläft, aber auch alle schlafen“…Und das Arbeiten am Friedensreich Gottes, diese zentrale, auch politische Idee Gottes von dieser Welt, wird ebenfalls eingeschlafen sein.
Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin