Ein Hinweis von Christian Modehn
Erstens:
Die rechtslastigen und rechtsextremen Organisationen im Katholizismus. Dazu im folgenden einige Hinweise unter „Erstens“.
Zweitens:
Kann die katholische Kirche, auch heute, überhaupt demokratische Werte fördern und unterstützen, wenn sie selbst, als Kirche, als Hierarchie, in ihrer offiziellen Lehre, explizit nicht – demokratisch sein will. Wenn also die theologische Lehre immer noch betont wird: Jesus Christus als Stifter dieser Kirche will gar keine demokratischen Strukturen und demokratischen Werte, will gar keine Menschenrechte als oberste Orientierung. Jesus Christus will auch keine Gleichberechtigung der Frauen (in der Kirche).
Das behaupten Kleriker, Bischöfe, Päpste seit ca. 1.600 Jahren, Kleriker, die in keiner Weise vom „Kirchenvolk“ gewählt wurden. Papst Franziskus selbst nannte kürzlich den Vatikan eine „absolute Monarchie“. So verstand sich auch der „Sonnenkönig“ Ludwig XIV.
Der demokratisch nicht legitimierte Klerus beansprucht die absolute Deutungshoheit der Bibel, der katholischen Lehre, der Dogmen. Diese Ablehnung freier theologischer Forschung kann man nur fundamentalistisch nennen. Diese fundamentalistische Gesinnung „färbt“ natürlich auch ab, sie prägt die stark katholisch – kirchlich Gebundenen, die Praktizierenden. Und diese antidemokratische Struktur und Denkform der „heiligen“ Kirche kann Gläubige ins rechte und rechtsextreme Lager führen.
Die katholische Kirche ist also eine Organisation, die als Hüterin, als Förderin der Demokratie und des demokratischen Geistes und der Menschenrechte von Demokraten und Verteidigern der Menschenrechte NICHT ernst genommen werden kann. Wenn in dieser Kirche heute demokratisches Bewusstsein (etwa in sozialen und kulturellen Initiativen) da und dort gefördert wird, dann leisten diese Arbeit Katholiken als weltliche Staatsbürger in Demokratien, nicht aber primär motiviert als gläubige Katholiken.
Die Frage nach den rechtslastigen, rechtsextremen antidemokratischen Kräften im Katholizismus darf sich also nicht auf die zahlenmäßig eher kleinen, expliziten katholisch rechtsextremen Gruppen und Gemeinden fixieren. Es ist der antidemokratische Geist der Kirche selbst, der rechtslastiges Denken und Handeln fördert. Über die protestantischen Kirchen in Deutschland wäre eigens zu sprechen. Sie sind erst seit 1945 demokratisch organisiert.
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Erstens: Die rechtslastigen und rechtsextremen Organisationen im Katholizismus. Einige wichtige Hinweise.
1.
Über die politische Rechtslastigkeit und vor allem den Rechtsextremismus in der Welt der katholischen Traditionalisten heute berichtet Raoul Löbbert in einer Reportage in „Christ und Welt„ (Beilage von „Die Zeit“) vom 6. Juni 2024. Darum diese Vertiefung des Themas hier.
2.
Es geht in der Reportage etwas durcheinander und hin und her. Wichtig ist für unsere Sicht als Ausgangspunkt die zentrale Erkenntnis: Die „katholischen Traditionalisten“ sind eine vielfältige, sehr unterschiedliche und untereinander durchaus auch verfeindete internationale (!) „Gemeinschaft“. Und es gelten viele historische und vor allem theologische Nuancen.
3.
Die Reportage nennt ausführlich das Priorat St. Afra in Berlin – Wedding mit seinem Gründer Prälat Gerald Goesche. Die Kirche St. Afra mit dem umgebenden Gemeindezentrum wurde offiziell, im Jahr 2002, von Kardinal Georg Sterzinsky, Erzbischof von Berlin, Gerald Goesche überlassen. Zuvor trafen sich dort die spanisch sprechenden Katholiken Berlins. Goesche und seine kleine Priestergemeinschaft, die sich nach St. Philipp Neri nennt, ist also offiziell Mitglied der römischen – katholischen Kirche und als „Priestergemeinschaft“ „päpstlichen Rechts“. Zu Besuch waren dort schon hochrangige Kardinale, wie der reaktionäre Kardinal Medina.
Goesche und sein Priesterteam dürfen also offiziell mit Zustimmung des Berliner Erzbischofs erlaubt die Messe in lateinischer Sprache im alten Stil des 16. Jahrhunderts feiern. Und in der theologischen wie politischen Lehre, wie die Reportage zeigt, kann Goesche sehr deutlich machen, wo er (rechts) steht. Und diese Orientierung findet einen gewissen Anklang unter Berlins Katholiken, die nie zu den Fortschrittlichsten im deutschen Katholizismus gehörten, begründet auch durch die reaktionäre theologische Haltung von Kardinal Bengsch, danach ebenso von Kardinal Meisner. Kardinal Sterzinsky war eher theologisch unbegabt, aber auch kein Reformer. In einem solchen Berliner Milieu, in dem es bis vor kurzem keine katholisch _ theologische Fakultät gab, ist reaktionäres Verhalten vieler Katholiken also eher normal.
4.
Bis zur Jahrtausendwende war der Priester Gerald Goesche eng verbunden mit der „Priesterbruderschaft St. Pius X“, mit einer eigenen Kapelle in Berlin -Kreuzberg, er war sehr verbunden mit jener Gemeinschaft, die Alterzbischof Marcel Lefèbvre gegründet hatte. Lefèbvre hatte die Reformbeschlüsse des 2. Vatikanischen Konzils rigoros abgelehnt. Er steht am Beginn der auch jetzt breit und vielfältig aufgestellten, wenn nicht unübersichtlichen Welt der„katholischen Traditionalisten-Bewegungen“. Weil Lefèbvre ohne Erlaubnis des Papstes 1988 vier seiner Priester zu Bischöfen für seine Gemeinschaft weihte, wurde er von Papst Johannes Paul II. exkommuniziert. Diese Bischofsweihen sind nach vatikanischem Recht zwar unerlaubt, aber gültig.
Diese Lefèbvre Priestergemeinschaft nennt sich „Bruderschaft St. Pius X.“, sie ist international verbreitet mit vielen tausend Gläubigen. LINK.
Sie gilt nach vatikanischem Recht als schismatisch, also als „spalterisch“, sie gilt in vatikanischer Sicht aber nicht als häretisch, also nicht Irrlehren verbreitend!
Die vier unerlaubt geweihten Bischöfe wurden vom Papst exkommuniziert, diese Exkommunikation wurde nach einigen Jahren aber wieder aufgehoben, obwohl einer dieser Bischöfe, Williamson, sich offen und öffentlich antisemitisch geäußert hatte. Als Kardinal in Rom, dann als Papst Benedikt XVI., wollte Ratzinger – selbst ein Konservativer – unbedingt eine Versöhnung mit diesen Schismatikern, denn sie haben sehr viele junge Priester „im Angebot“… Und Kirchenspaltungen vom Katholizismus sind immer ein Makel für den Machtanspruch des Papstes.
5.
Besonders Kardinal Ratzinger, dann Papst Johannes Paul II. und später Papst Benedikt XVI. betrieben aber auch eifrig die Spaltung dieser schismatischen Priestergemeinschaft St. Pius X.: Wenn etwa Klöster der Lefèbvre Bewegung den jetzigen Papst als obersten Chef wieder anerkennen wollten – was weite Kreise der Lefèbvre Anhänger allerdings nicht tun – dann konnten sie sich mit Rom (dem Papst) offiziell versöhnen: Das heißt: Ihre reaktionäre Theologie im Sinne Lefèbvres durften sie beibehalten, ebenso selbstverständlich ihre lateinische Messe im Ritus des 16. Jahrhunderts. Berühmtes Beispiel für diese bloß formal zu nennende “Versöhnung“ mit dem Papst ist das Kloster Le Barroux in Südfrankreich, deren Mönche – und deren Abt (z.B. Gérard Calvert) stark der rechtsextremen Le Pen – Partei anhängen bzw. anhangen.
In der Europa Wahl im Juni 2024 haben in Frankreich 42 Prozent der praktizierenden Katholiken rechtsextreme Parteien gewählt. LINK
6.
Als päpstlich anerkannte reaktionäre Alternative wurde von Papst Johannes Paul II. schließlich die „Priesterbruderschaft St. Petrus“ gegründet: Dies war durchaus als Attacke zu verstehen gegen die stark werdende Lefèbvre Bruderschaft Pius X.. Traditionalistischer Geist mit päpstlicher Unterstützung und Förderung auch bei den “Petrusbrüdern“, sie feiern ebenso die uralte lateinische Messe. Formale Anerkennung des Papstes als obersten Chef. Die Petrusbrüder bedienen in ihren Kirchen weltweit reaktionäre Katholiken. Diese St. Petrus – Bruderschaft erfreut sich auch in Deutschland eines regen „Nachwuchses“ an Priestern, in Wigratzbad bei Lindau ist das Priesterseminar. Mit welchen reaktionären, aber offiziell römisch -katholischen Bischöfen die Petrus – Bruderschaft in Verbindung steht, kann man auf deren Website bequem nachlesen. .
7.
Zu diesen päpstlich anerkannten traditionalistischen Bewegungen gehört eben auch Prälat Goesche in Berlin – Wedding mit seinem Zentrum St. Afra. Das Erzbistum Berlin erwähnt Goesches Gemeinde auf der offiziellen Website: LINK
8.
Diese offiziell römisch – katholischen, also durch aus päpstlich anerkannten traditionalistischen Kreise sind sehr vielfältig auch unter der Laien: Fürstin Gloria von Thurn und Taxis wäre zu erwähnen, die in enger Verbindung steht mit sehr konservativen Bischöfen und Kardinälen, wie etwa Kardinal Müller oder Kardinal Sarah, beide heftige öffentliche Feinde von Papst Franziskus. Überall, wo Katholiken als leidenschaftliche Verteidiger von „Pro Life“ auftreten, etwa auch auf Demonstrationen gegen die „Ehe für alle“, sind Traditionalisten in enger Einigkeit mit AFD Anhängern verbunden oder – etwa in Frankreich – mit der Le Pen Partei.
Aus Frankreich kommt nun auch nach Deutschland die sehr konservative, durchaus traditionalistische Priestergemeinschaft „Christus König“. Frankreich als Zentrum traditionalistischer und damit katholisch – rechtsextremer Kreise wäre ein eigenes Thema. Da wäre auch über die Bischöfe von Toulon oder von Bayonne zu reden, die jetzt nach vielen Jahren ihrer sehr rechtslastigsten Agitation vom Papst Franziskus eingeschränkt und kontrolliert werden. LINK RPS. Es wäre zu reden von den vielen neuen kleineren Ordensgemeinschaften und zahlenmäßig starken charismatischen Gruppen, wie „Emmanuel“, die alles andere als einem offenen, liberalen, demokratischen Geist der modernen Theologie folgen.
9.
Die Akzeptanz des katholischen Glaubens und die Bindung an die römische Kirche nimmt in Europa rapide ab. Eher progressive Katholiken verlassen in Scharen diese Kirche, der sexuelle Missbrauch durch viele hundert Priester weltweit hat das Ansehen des Katholizismus massiv auf Dauer beschädigt. Aber an ein Ende der Klerus- Herrschaft denken nur einige Theologen und Laien. Eher lässt sich Papst Franziskus wie Ende Mai 2024 zu der populistischen Aussage hinreißen, „Schwuchteln gehören nicht ins Priesterseminar“. Als ob die wenigen verbliebenen heterosexuellen Priester den Bischöfen nicht auch Probleme bereiten, etwa offene Beziehungen zu Frauen und deren gemeinsamer Kinder… Für seine populistische, unreflektierte Aussage zu den “Schwuchteln im Priesterseminar” hat sich der Papst nach internationalem Protest entschuldigt.
10.
Da sind es dann eben die treuen Seelen, die sozusagen gegen besseres Wissen noch glauben: Diese katholische Kirche, so wie ist, soll ewig so bleiben, denn sie habe der liebe Gott persönlich gegründet. Diese reaktionären und zum Teil rechtsextremen Katholiken fühlen sich als die Retter des angeblich unwandelbaren katholischen Glaubens. Und sie fühlen sich unter der autoritären Herrschaft des Klerus wohl, sie sind sozusagen die „Führer“.
Ihre Theologie ist eher fundamentalistisch, sie ist zudem faktisch völlig unmaßgeblich in der Breitenwirkung nach außen in die Öffentlichkeit hinein, schlicht ist diese Theologie und aus der zeit gefallen. Aber das finden diese Leute ja gut. Diese Gruppen haben eigene zum Teil noch sehr gut besuchte Priesterseminare, sie sind streng klerikal – männlich strukturiert. Offene Debatten etwa über den Zölibat oder die Akzeptanz von Homosexualität sind tabu.
10.
Prälat Goesche betont selbst ausdrücklich, wo er sich theologisch -politisch aufgehoben fühlt: :
„Wir haben freundliche Kontakte zu traditionellen Instituten wie etwa den Benediktinern von Le Barroux, dem Institut Christus König und der Petrusbruderschaft. Besondere Beziehungen bestehen zum „Brompton Oratory“ in London, das uns in vieler Hinsicht ein Vorbild ist.“ Quelle: http://www.institut-philipp-neri.de/institut.html
11.
Die Reportage von Raoul Löbbert bezieht sich oft auf Berlin, auf St. Afra. Leider wird ein anderes Zentrum traditionalistischen katholischen Lebens in Berlin übersehen: In Berlin – Friedenau, am Breitenbach – Platz, hat die Lefèbvre – Piusbruderschaft ihr Priorat und ihre eigene Kirche. Diese Leute sind nicht offiziell römisch – katholisch. Aber Häretiker – wie die Protestanten – sind sie in päpstlicher Sicht eben auch nicht! Sie sind also doch „noch“ katholisch. Diese Leute warten auf bessere Zeiten in ihrer Sicht: Wenn der Priestermangel in Deutschland und in Europa so groß wird, kann es geschehen: dass der Papst, den Klerus überall als unverzichtbar schätzend, dann doch auf die vielen traditionalistischen Lefèbvre – Priester zurückgreift: Um die klerikale Struktur der Kirche irgendwie noch zu retten. Für ein paar Jahre wenigstens.
Copyright: Christian Modehn, www.religionsphilosophischer-salon.de