Nichtrechthabenwollen. Viel Sinn und weniger Sinn

Hinweis auf ein neues Buch von Martin Seel

Von Christian Modehn

Martin Seel, Philosophieprofessor an der Frankfurter Uni, will versuchen, das Philosophieren etwas aus der Strenge des Rechthaben- Wollens zu befreien. Sehr löblich! Denn bekanntermaßen sind Philosophen oft die wahren „Streithähne“. So ganz kann der Befreier aber auch selbst nicht auf die Berechtigung des Rechthabenwollens und damit auch auf einen Wahrheitsanspruch verzichten (S. 24, auch S. 40). Seels Position will ja ernst genommen werden, also als berechtigt, wenn nicht als recht und wahr gelten können. Es geht also gar nicht darum, auf die für den einzelnen unabwerfbare Einbindung des eigenen Denkens ins Rechthaben-Wollen bzw. in die Wahrheit zu verzichten. Denn wer für sich selbst darauf verzichtet, in seinem nun einmal immer satzhaften Denken für sein eigenes (!) Leben recht zu haben und eben auf der Seite des Wahren zu leben, gibt sich selbst auf. Darauf weist Seel in seinem Buch auch selbst hin.

Aber er wagt es dennoch, Gedankenspiele vorzustellen: Und dies ist der für alles Verstehen dieses ersten Kapitels des Buches entscheidende Untertitel: „Gedankenspiele“. Es sind Spiele, es ist also durchaus etwas Unterhaltsames, was da geboten wird, förmlich eine Art philosophische Lockerungsübung, aber nicht nur für die „Freizeit“ im Denken: Denn das Sich Versteifen aufs Rechthaben ist ein Grundübel der offenen Kommunikation. Menschen mit „absolutem Wahrheitsbesitz“ werden zurecht gemieden. Aber, so Seel, „es geht mir nicht um die Kritik der Rechthaberei“ (S.22). Aber was dann? Es geht um die Akzeptanz der freien Erzählung in der Philosophie. Denn das Erzählen hält die Möglichkeit bereit, „ohne alles Rechthabenwollen auszukommen“ (S. 29).

Der Philosoph Martin Seel, der so viele interessante Essays geschrieben hat, in denen er selbstverständlich für sichere Erkenntnis, also fürs Rechthaben(wollen) eintritt, will nun nicht länger, so wörtlich, „an EIN Genre gebunden sein“. In dem Essay „Wie phänomenal ist die Welt ?“ (in „Paradoxien der Erfüllung“) schreibt er: „Kenntnis wird zur Erkenntnis, wo wir das, womit wir bekannt geworden sind, mit begrifflicher Bestimmtheit ansprechen können“ (S. 175), also mit unserer Erkenntnis dann doch recht haben dürfen! Sind die Zeiten dieser Erkenntnis vorbei?

Nun also ein Plädoyer fürs Erzählen, als dem Spielerischen. „Ich möchte ungehemmt schreiben können“, so in dem neuen Buch (S. 33).

Wer darf es ihm verbieten, „ungehemmt“ zu schreiben? Niemand. Nur: Die philosophische Reflexion, die ja doch auch in einem Gedankenspiel fürs Spielen übliche Gesetze hat, fragt dann: Was hat man davon, wenn man zum Beispiel „ungehemmt schreiben würde“: „Im Himmel ist Jahrmarkt“. Und was haben andere, LeserInnen, davon, wenn sie diese meine ungehemmte „Erkenntnis“ zur Kenntnis nehmen: „Im Himmel ist Jahrmarkt“. Bestenfalls Theologen mit der Spezialisierung in Eschatologie (d.i. die Lehre von den letzten Dingen im Jenseits) könnten sich für diese ungehemmte Erkenntnis erwärmen…

Martin Seel erwähnt dieses Beispiel nicht, wie er überhaupt kein Beispiel für seine Gedankenspiele bietet, leider. Denn dann wäre zumindest aufgefallen, dass man doch unterscheiden sollte zwischen meinem eigenen, nur auf mich selbst bezogenen Nichtrechthabenwollen. Und der Dimension, wenn ich meine Sätze, immer mit der Qualität des Nichtrechthabenwollens, den anderen, der Gesellschaft, mitteile. Was haben die anderen denn dann von diesen nichtrechthabenwollenden Sätzen? Sie können sie als Poesie subjektiver Art deuten oder als hübsche (Märchen)-Erzählung, aber das wars dann auch.

Leider finden die Gedankenspiele Martin Seels außerhalb jeder politischen Dimension statt. Wie nett wäre es doch, wenn Pegida-Anhänger sagen würden: „Mit meinen brutalen Beleidigungen demokratischer Politiker und Journalisten will ich nicht recht haben. Sie sind nur meine kleinen, lieblichen Gedankenspiele“. Wunderbar wäre dies. Nur, wenn dann die Demokraten und die Verteidiger der universalen Menschenrechte, etwa von „Amnesty International“ oder „Ärzte ohne Grenzen“, kommen und sagen: „Auch unsere universalen Menschenrechte sind nur ein Gedankenspiel. Wir haben gar nicht recht, wie sprechen keine universal gültige Wahrheit aus!“

Das wäre eine Katastrophe. Oder würden sich Pegida Fanatiker und Menscherechtler um den Hals fallen und sagen: „Wir alle sind so liebe Brüder, gerade weil wir alle nicht recht haben wollen“. Bloß: Wie ging es dann weiter in der Politik? Die starke Hand würde sich schon durchsetzen, denn immer gibt es Leute, die leider extrem politisch fanatisch recht haben wollen..

Ich denke, dieses erste Kapitel des Buches „Nichtrechthabenwollen“ ist, sorry, nette, aber nicht sehr ins Weite führende Unterhaltung, es ist ein kurzes Lese-Spiel, das man dann aber auch wieder beiseite legt. Dieses Spiel führt nicht wirklich weiter in neue Erkenntnisse, wenn man denn die (noch) sucht: Denn dass Philosophen erzählen müssten ist vielen doch klar. Hat nicht deswegen der Philosophieprofessor Peter Bieri seinen Job an der FU Berlin aufgegeben und dann begonnen, zum Teil sehr beachtliche Romane zu schreiben? Und dass andererseits in Erzählungen der „Literaten“ sehr viel mehr Philosophie enthalten ist, als in expliziter Philosophie, ist völlig klar. Philosophie findet nicht nur dort statt, wo an den Universitäten Philosophie drauf steht. Gott sei Dank ist das so.

Martin Seel hat das erste Kapitel nach Ziffern gegliedert, er erinnert damit entfernt an die bravouröse Bezifferung im „Tractatus Logico-Philosophicus“ von Ludwig Wittgenstein. Für Seel scheint mir die Ziffer 42 (S. 38) besonders wichtig zu sein (Seel bietet nur 67 Ziffern, die z.T.den Charakter von knappen Aphorismen haben). Wir sollen „auf Abstand zu unseren Ansichten und Absichten“ (Ziffer 43) gehen. Wenn das die Summe des ersten Kapitels ist? Wahrscheinlich! Diese Wahrheit musste doch mal von kompetenter Seite gesagt werden. Es kommt zudem, so Seel, darauf an, „alles in der Schwebe zu halten“. (Nr. 48). Die Problematik dieses Satzes, bezogen auf “die Welt” und die Politik, ist, wie vorher von mir gezeigt, sehr erheblich!  Ich persönlich halte den Satz für falsch. Man kann nur kurzfristog etwas in der Schwebe halten. In dieser verrückten Welt dürfen Demokraten eben nur sehr sehr wenig in der Schwebe lassen…

Ich bin bei dem Gedankenspiel des ersten Kapitels förmlich hängen geblieben, und schreibe also nichts zu den Kapiteln 2 und 3. Aber ich denke, dieser Stil, nur ein Kapitel zu „besprechen“, passt gut zum spielerischen Anspruch des Buches. Ich habe dann doch noch etwas weiter, ins 2. Kapitel, hinein geblättert und bin auf Seite 99 hängen geblieben: „Meine Religion ist das Schreiben“, betont Seel, „näher komme ich dem Numinosen nicht“. Vielleicht gibt es für Martin Seel doch noch mal Momente, wo er als Philosoph versucht, diesen Gedanken sehr ausführlich zu entfalten; und vielleicht dem Numinosen auch auf andere Art, dann durchaus etwas recht haben wollend, näher zu kommen. Ich würde mich darüber sehr freuen und warte förmlich schon auf sein längeres Essay zum Thema Religion, weil ich doch etwas recht haben will mit meiner unverschämten Frage: Kann ein so interessanter Philosoph im Ernst darauf verzichten, etwas Ausführliches zum Thema Numinoses, sagen wir unverschämterweise auch „Gott, Göttliches“ zu schreiben? Irgendwie hat er ja de facto schon seine religiöse „Startbasis“: das Scheiben…Ohne einen säkularen Ansatz für Numinoses kommt auch Martin Seel nicht aus… Mit dieser Aussage will ich natürlich nicht recht haben.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon.  Auf dieser website kann ein sehr interessantes Interview mit Martin Seel nachgelesen werden über sein 2012 erschienenes wichtiges Buch “Tugenden und Laster”.

Martin Seel, Nichtrechthabenwollen. Gedankenspiele. S. Fischer Verlag, 158 Seiten. 2018, 18€.

„Philosophie ist kein Beruf, keine Disziplin, sondern ein schöpferischer Akt“

Den georgischen Philosophen Merab Mamardaschwili entdecken:

Ein Hinweis von Christian Modehn auf das Buch „Die Metaphysik Antonin Artauds“

Das Erstaunen ist in Deutschland sicher noch groß: Es gab einmal im Sowjet-Imperium einen ziemlich frei denkenden, eigenständigen Philosophen. Sein Überleben dort war nicht einfach, er nutzte aber die geringen Ausweichmöglichkeiten der Freiheit, er studierte u.a. französische Autoren. Seine Wirkung auf die damals Studierenden war wohl groß: Auch Michail Ryklin zählt zu den Philosophen, die von ihm beeinflusst sind: Von dem aus Georgien stammenden Philosophen Merab Mamardaschwili (1930-1990). Anlässlich der Frankfurter Buchmesse 2018 habe ich schon einige Hinweise zum Denken Mamardaschwilis veröffentlicht.

Nun liegen (endlich) zwei kleinere Essays vor, es sind Vortrags – Mitschriften von Studenten: Denn Mamardaschwili bevorzugte als Philosoph die freie Rede. Und das ist auch in den Essays deutlich zu spüren, es ist der freie Denkstil, der sich da äußert. Das macht die Lektüre nicht immer einfach. Aber die Breite seiner öffentlichen Auseinandersetzungen etwa mit Artaud, Proust, Kafka, aber auch Descartes und Kant ist erstaunlich.

Vielleicht sollte man zuerst das Nachwort von Zaal Andronikashvili lesen, dort wird auf Mamardaschwilis Kritik an der kommunistischen Gewaltherrschaft hingewiesen, er nannte das Regime eine „Hölle“ (S. 47), ein Urteil, das vielen „Links-Intellektuellen“ im Westen gar nicht gefiel (S. 94). Mamardaschwili hat sich als Philosoph der philosophisch reflektierten, kritischen und „klassischen“ Metaphysik verpflichtet gewusst. Was ja äußerst schwer war in einem Sowjetsystem, das seine eigene primitiv- materialistische „Metaphysik“ als Staatsideologie durchsetzte. Mamardaschwili verstand Philosophie nicht als ausgegrenzten Beruf einiger weniger Spezialisten an der Universität.Philosophie war für ihn Grundvollzug des menschlichen, d.h. personalen, kritisch sich selbst reflektierenden Lebens (vgl. S. 97 ff).

Der Essay bzw. abgedruckte Vortrag erfordert große Konzentration. Und man wünscht sich, dass nachvollziehbarere Texte des georgischen Philosophen bald auf Deutsch zugänglich werden. Die Art des freien Denkens und des freien Vortrags macht neugierig. Vielleicht ließe sich eine Übersetzung des auf Französisch erschienenen Interviews „La pensée empechée“ (Paris 1991) ermöglichen. Zu einer Weitung der hiesigen philosophischen Perspektiven kann dieser, auch gegenüber Georgien, kritische Denker sicher beitragen.

Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Merab Mamardaschwili, „Die Metaphysik Antonin Artauds“ (1988), mit einem weiteren Essay „Wien vor der Jahrhundertwende“ (1990) und einem Nachwort von Zaal Andronikashvili. Aus dem Russischen übersetzt von Roman Widder und Maria Rajer.   Matthes und Seitz Verlag Berlin, 2018, 110 Seiten, 16 €.

Religions-philosophischer Salon Berlin: Ein Rückblick.

Ein Jahresrückblick: 

Was haben wir im Jahr 2018 unternommen? Die Salon-Gespräche fanden 2018 in der Galerie Fantom, Hektorstr. 9 statt. Für die Gastfreundschaft besten Dank. Ich habe etliche mails erhalten von den (insgesamt 480) Abonnenten meines newsletters, die unsere Initiative beachtlich finden und leider nicht teilnehmen können: Sie wohnen zu weit entfernt von Berlin… Weitere Informationen, auch über die Notwendigkeit weiterer kleiner philosophisch-religionswissenschaftlich und auch (liberal)-theologischer Salons finden Sie auf meiner website. Auf die Salonabende wird auch auf meiner webiste www.remonstranten-berlin.de hingewiesen. Zu allen Veranstaltungen stehen kurze  inspirierende Hinweise und Einführungen von Christian Modehn auf der website bereit. Alle Veranstaltungen wurden gemeinsam mit Hartmut Wiebus geplant und gestaltet.

Eine Übersicht: Zusammengestellt von Christian Modehn am 22.12. 2018:

Am 28.12.2018 eine kleine (private) philosophisch-poetische “Weihnachtsfeier” mit einigen TeilnehmerInnen des Salons.

Am 14. 12. 2018: Eine kleine Philosophie des (Weihnachts-) Festes: Mit einem Hinweis auf einen Weihnachtstext aus dem Philipperbrief des Apostels Paulus: Gott unterbricht sich selbst (Kenosis). Zugleich einige Hinweise auf Denken des Philosophen Gianni Vattimo. Es waren 12 TeilnehmerInnen dabei.

Am 23. 11. 2018: „Tod-Sterben-Abschied“. Ein Salonabend mit Prof. Johan Goud, Pastor der Remonstrantenkirche, Den Haag. Mit 23 TeilnehmerInnen.

Am 18.10.2018: Gespräche (und gemeinsames Speisen) im algerischen Bistro „Chez Zola“ in Berlin, Gespräche über Algerien, islamische Philosophie, interreligiösen Dialog. Mit 12 TeilnehmerInnen.

Am 28. 9. 2018: „Monotheismus und Gewalt. Hinweise zu Jan Assmann“ (14 TeilnehmerInnen)

Am 24. 8. 2018: „Die Weisheit der Bibel und die philosophische Weisheit“ (14 TeilnehmerInnen)

Am 10.8. 2018: Sommerausflug des Salons nach Erkner (Gerhart Hauptmann Museum) und Friedrichshagen (Friedrichshagener Dichterkreis). Mit 10 TeilnehmerInnen.

Am 20. 7. 2018: „Jürgen Habermas und die Religion“ (18 TeilnehmerInnen)

Am  22. 6. 2018: „Der alltägliche Rassismus“  (13 TeilnehmerInnen)

Am 5. 2018: „Warum wir Europa fördern“. Zus. mit Jungen Remonstranten aus Holland (20 TeilnehmerInnen)

Am 23.3.2018 sprachen wir (mit 17 TeilnehmerInnen) über „Was gibt uns Halt im Leben?“

Am 23.2.2018 sprachen wir (mit 19 TeilnehmerInnen) über „Gibt es Fortschritt in meinem Leben“?

Am 26.1.2018 (mit 21 TeilnehmerInnen) sprachen wir mit Prof. Wolfgang Ullrich über das Thema „Wahre Meisterwerte“. So auch der Buchtitel im Wagenbach – Verlag.

2017:

Am 15. Dezember 2017 (mit 15 TeilnehmerInnen) sprachen wir über das Thema: “Eine kleine Philosophie der Sehnsucht”.

Am 23.11.2017 (mit 19 TeilnehmerInnen) sprachen wir über das Thema: „Vanitas, die Vergeblichkeit von allem?“

Am 25. 10. 2017 (mit 8 TeilnehmerInnen) sprachen wir – angesichts des Reformationsjubiläums – über das Thema : “An welchen Gott können wir und wollen wir heute (noch) glauben?“

Am 15. September 2017 (mit 17 TeilnehmerInnen) sprachen wir über das Thema: Was tun? Über den MUT, diese schwierige Tugend in düsteren politischen Zeiten!”

Am 4. August 2017 machten wir mit 10 TeilnehmerInnen den Sommerausflug, diesmal nach Frohnau, u.a. mit Gesprächen mit Pfarrerin Gräb, dem Künstler Moegelin und einer Begegnung im Buddhistischen Haus…

Am 14. Juli 2017, sprachen wir mit 19 TeilnehmerInnen – anlässlich des 125. Geburtstages des Philosophen Walter Benjamin (am 15.Juli) vor allem über dessen „Geschichtsphilosophische Thesen“.

Am 26. Mai 2017 sprachen wir mit 15 TeilnehmerInnen über das Thema „Ist Religion Opium? Wann ist Religion kein Opium?“ (Anlässlich des Geburtstages von Karl Marx).

Am 21. April 2017 sprachen wir mit 17 TeilnehmerInnen über das Thema: “Postfaktische Untaten – Ein Salonabend über das Lügen und die Suche nach Wahrheit”.

Am 31.März 2017 sprachen wir mit 17 TeilnehmerInnen über das Thema: “Glauben und Wissen. Getrennt und doch verbunden”.

Am 24. Februar 2017 sprachen wir mit 14 TeilnehmerInnen über das Thema: „Bei Verstand bleiben. Philosophie als Lebenshilfe in Zeiten politischer Verwirrung“.

Am 29. Januar 2017 sprachen wir mit 22 TeilnehmerInnen über das Thema: “Die Heimat des Weltbürgers. Ein Versuch, dem Wahn des Nationalismus und Dogmatismus zu widerstehen“.

2016:

Ende Dezember 2016 machten wir wieder eine kl. philosophische Weihnachtsfeier.

Am 16. Dezember 2016 sprachen wir mit 22 TeilnehmerInnen über das Thema: „Was ist uns heute (noch) HEILIG?“

Am 18. November 2016 sprachen wir mir 20 TeilnehmerInnen über die aktuelle Bedeutung des Philosophen LEIBNIZ, anlässlich seines 300. Todestages.

Am 26. Oktober 2016 sprachen wir mir 20 TeilnehmerInnen über das Thema „Der Mensch ist böse? Und von Gott geschaffen?“ (Zur so gen. „Erbsünde“)

Am 23. September 2016 sprachen wir mir 13 TeilnehmerInnen über das Buch des Philosophen Michel Serres: „Erfindet euch neu“. Mit einem Beitrag von Hans Blersch.

Am 26. August 2016 machten wir wieder unseren Sommerausflug, diesmal nach Karlshorst mit dem dortigen Pfarrer Edgar Dusdal.

Am 15.Juli 2016 sprachen wir mit 19 TeilnehmerInnen – anlässlich der großen Ausstellung „El siglo de Oro“ (Spanien im 17. Jahrhundert und die spanischen Künstler) über die religiösen und philosophischen Hintergründe des „Goldenen Zeitalters“.

Am 24. Juni 2016 sprachen wir mit 21 TeilnehmerInnen in der Weinhandlung „Sinnesfreude“ anlässlich des vorgegebenen Themas der Neuköllner Kulturtage über das Thema „Sattsein ….Übersättigtsein …..Hungern“.

Am 20. Mai 2016 sprachen wir mit 23 TeilnehmerInnen über den Philosophen Emil Cioran, mit dem Berliner Philosophen Dr. Jürgen Große.

Am 29. April 2016 sprachen wir mit 18 TeilnehmerInnen über das Thema “Alle Menschen sind Grenzgänger”.

Am 18. März 2016 gab es ein sehr großes Interesse mit 25 TeilnehmerInnen zum Thema “Für eine Philosophie der Auferstehung”.

Am 26. Februar 2016 sprachen wir mit 22 TeilnehmerInnen über das Thema “Privateigentum und Gemeinwohl”. Mit einem Beitrag von Elisabeth Hoffmann..

Am 22. Januar 2016 sprachen wir mir 18 TeilneherInnen über das Thema: “Was ist wichtiger: Freiheit oder Sicherheit?

Zu 2015 nur diese wenigen Hinweise:

Wieder fand eine kl. eher private philos. Weihnachtsfeier statt.

Am 11. Dezember 2015 sprachen wir mit 17 TeilnehmerInnen (in der Weinhandlung „Sinnesfreude“, Neukölln, über „Der schöne Schein, Wahrhaftigkeit und Authentizität“.

Am 27. November 2015 sprachen wir mit 26 TeilnehmerInnen mit dem remonstrantischen Theologen Prof. Johan Goud aus Den Haag über das Thema: „Theologie und Autobiographie“. 

….. die Liste ab Oktober 2015 wird demnächst fortgesetzt und auf der website veröffentlicht….

Der Religionsphilosophische Salon wurde 2007 gegründet und hat seit der Zeit meistens einmal im Monat eine Veranstaltung angeboten. Der Religionsphilosophische Salon wird seit der Zeit von Christian Modehn geleitet, sozusagen “ehrenamtlich” und ohne jede finanzielle Unterstützung von irgendeiner Seite.

Religion und Religionskritik – das große Thema der Philosophen.

Zum neuen Handbuch „Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie und Religionskritik“ von Michael Kühnlein (Hg)

Eine Buchempfehlung von Christian Modehn

Um einmal persönlich zu beginnen:

Endlich haben wir in unserem „Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon Berlin“ überhaupt keinen Grund mehr, uns bei der Zuspitzung unseres philosophischen Interesses irgendwie einsam oder marginal zu fühlen. Das war immer dann der
Fall, wenn fundamentalistisch Fromme aus allen Konfessionen und Religionen die kritische und freie Betrachtung des Religiösen, der Transzendenz, des Unendlichen, des Göttlichen und des atheistischen Nichts als störend für den
(naiven) Glauben (und störend für die selbstsicheren Institutionen vor allem!) abgewiesen haben.

Nun also liegt ein wichtiges Buch über „Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie und Religionskritik“ vor, der Titel in dieser Zusammenstellung ist glücklich gewählt: Denn immer geht es auch um Religionskritik.

Das Buch enthält 80 Beiträge zu religionsphilosophischen Texten von Platon bis Charles Taylor, wobei 47 Beiträge auf Autoren des 20. bzw. 21. Jahrhunderts bezogen sind! Deutlicher kann die breite Aktualität re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­er Überlegungen kaum dokumentiert werden. Die oft vorausgesagte totale Säkularisierung als Verzicht auf „transzendenzoffene Situationen“ (M. Kühnlein) ist also im Denken (und damit auch im Leben der europäisch geprägten Kulturen) nicht eingetreten.

Jedes Kapitel stellt einzentrales Werk eines Philosophen vor. Nach sehr knappen biografischen Hinweisen wird der Kontext des jeweiligen Buches/Textes gewürdigt, dann folgt im 3.Schritt die ausführliche Darstellung des Werkes, es folgen dann Hinweise zur Rezeption und zusammenfassende Überlegungen, bevor die wichtigsten Quellen und Interpretationen genannt werden. Der Herausgeber, der Philosoph Michael Kühnlein (Frankfurt/M.), bedauert selbst, dass einige große Autoren fehlen (müssen – aufgrund des begrenzten Umfangs des Buches). Wer das Inhaltsverzeichnis studiert, wird etwa Lessing vermissen oder Hamann oder Troeltsch oder Martha Nussbaum oder Erich Fromm. Und er wird sehr bedauern, dass Religionsphilosophen aus dem asiatischen, afrikanischen oderlateinamerikanischen Raumvöllig fehlen! Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie ist heute ein weltweites Thema. Vielleicht wäre dies ein Thema für einen Fortsetzungsband. Auch wenn nordamerikanische Religionsphilosophen wie Taylor gewürdigt werden,das Buch ist eben doch noch euro-zentrisch angelegt.

Aber sein Wert liegt in der meistens wohl doch noch für philosophisch Nicht-Promovierte Leser meistens erreichbaren und mitvollziehbaren Lektüre. Ich habe alle Beiträge bisher nicht lesen können, mir fällt nur auf, dass etwa der hoch aktuelle Philosoph Meister Eckart („Opus tripartitum“) in einem leider sehr fachwissenschaftlich orientierten Duktus vorgestellt wird, so, als wollte man damit unter Eckart Spezialisten glänzen, wobei der Autor, Dietmar Mieth, ja durchaus allgemein zugängliche Texte zu Eckart schon anderswo geschrieben hat. Dieser Beitrag weckt dann doch wieder die Befürchtung, dass die Texte eher Fachphilosophen und Hauptfach Studenten hilfreich sein sollen,. Dabei ist etwa der Text über Ludwig Feuerbach (Das Wesen des Christentums) sehr zugänglich, verfasst von Ursula Reitemeier. Philosophieren und Philosophie sollte nach meinem Verständnis immer „Sache aller sein“. Man freut sich, dass Holger Zaborowski die vom Umfang her eher kleine (und nicht so viel beachtete) Schrift „Phänomenologie und Theologie“ (1927) von Martin Heidegger zugänglich macht, selbst wenn ich persönlich eher eine Interpretation der späteren Werke Heideggers, etwa „Vom Ereignis“ (1936), unter re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­er Sicht gewünscht hätte. Aber da hätte man auf die Nazi-Verquickung im Denken Heideggers eingehen müssen…

Wie weit das Verständnis von Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie bei Michael Kühnlein als Herausgeber reicht, zeigt sich deutlich an der Auswahl der Autoren des 20. Jahrhunderts, da werden etwa die Theologen Metz und Moltmann als religionsphilosophisch relevante Autoren verstanden. Auch der äußerst schwierige, explizit katholische Jean Luc Marion ist im Buch vertreten.

Diese Hinweise machen einmal mehr deutlich, dass Religion ein ganz breites Thema ist in der Philosophie sowie der Religionssoziologie (Peter L. Berger) und Psychologie (Freud).

„Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie und Religionskritik“. Ein Handbuch, hg. von Michael Kühnlein. 946 Seiten. Suhrkamp Taschenbuch, 2018, 36 €.

Christian Modehn Berlin

 

“Unterbrechungen – Abstandnehmen – Freiwerden“. Ein religions-philosophischer Salon

Ein religionsphilosophischer Salon am Freitag, den 14. Dezember 2018 um 19 Uhr. Unterbrechungen sollten zu (m)einer Lebensphilosophie gehören. Unterbrechungen sind zum Beispiel Feste und Feiern. Wenn wir sie denn als wirklichen Ausstieg aus dem Alltag gestalten. Darüber wollen wir sprechen. Denn auch Weihnachten ist – eigentlich – eine Unterbrechung. Und es wird philosophisch kaum bedacht: In den Mythen der Bibel wird sogar von einer Unterbrechung Gottes in seinem Himmel berichtet: Der ewige göttliche „Logos“ verlässt den Himmel und wird Mensch in Jesus von Nazareth. Der Logos als armer Mann. Man lese im Neuen Testament mal den Philipperbrief, Kap. 2, Verse 6 bis 9. Wenn Gott ein Mensch wird, dann wird der Mensch als Mensch aufgewertet, so, dass er Göttliches in sich hat. Eine uralte Einsicht, auch bei Feuerbach. Man lese aber auch den Philosophen Meister Eckart. Der sagt klar: Der Mensch „hat“ etwas Ewiges, Göttliches. ( Meister Eckart, “Vom Wunder der Seele”, Reclam Heft, Seite 64 und 65, 3 Euro!). Ist das plausibel? Auch der Philosoph Gianni Vattimo hat sich in seiner Studie “Glauben – Philosophieren” (Reclam Verlag 1997) mit dem Thema der Kenosis, also des Menschwerdens des Logos, auseinandergesetzt. Ein philosophischer Salon also mit einigen (hilfreichen) religionsphilosophischen Überraschungen. Und auch mit Wein und etwas Gebäck… Herzliche Einladung und die Bitte um Anmeldung: christian.modehn@berlin.de Wir treffen uns in der Galerie Fantom, Hektorstr. 9, in Wilmersdorf. Für die Raummiete bitte ich um 5 Euro, Studenten haben freien „Eintritt“. Christian Modehn  

Vielfalt des Bösen. Ein Sonderheft des Philosophie Magazins

Eine Lektüre Empfehlung von Christian Modehn: Das neue Sonderheft des „Philosophie Magazin“

Von Christian Modehn

Die Frage nach dem Bösen ist eine der besonders komplexen Themen der Philosophie. Und eine der ganz dringenden auch politischen Fragen!

Wer sich auf die neue, sehr lesenswerte Sonderausgabe des „Philosophie – Magazin“ einlassen will, bringt ja Fragen mit: Sollen Philosophen zuerst von „den“ Bösen sprechen, bevor sie über den sachlichen Begriff „das“ Böse reflektieren? Drängt sich dann aber die Gefahr auf, einen anderen Menschen deswegen böse zu nennen, weil man sich selbst gut findet? Und wo sind die begrifflichen Grenzen zwischen schlecht und böse?

Wer wäre denn „der Böse“ oder „die Böse“? Setzt diese Qualifizierung bereits die Kenntnis von „dem“ sachlich Bösen voraus? Wahrscheinlich. Aber auch dieser Begriff ist wohl entstanden im Angesicht der Bösen, d.h. der als böse wahrgenommenen Menschen. Sind sie zahlreich? Sind vielleicht alle Menschen irgendwie manchmal, in erträglichem Maße, böse? Jemanden böse zu nennen, ist nichts Leichtfertiges. Und dies darf nicht kultisch – religiös – rituell noch gefeiert werden: Siehe Hexenverbrennungen.

Gibt es Abstufungen unter „den“ Bösen? Hitler, Stalin, den Massenmörder aus den Kliniken von Oldenburg und Delmenhorst, Anders Breivik in Norwegen, um nur einige extreme Beispiele zu nennen? Darf man einen Menschen als „den Bösen“ qualifizieren und auf diese Qualität sogar definitiv festlegen? Wohl kaum, denn in einem demokratischen Rechtsstaat gibt es keine Todesstrafe für den absolut großen Verbrecher, schon gar nicht eine Hexenverfolgung. Demokratische Verhältnisse rechnen immer noch mit einer Besserung „der Bösen“. Total böse, gibt es das also? War es Hitler, waren es die Leute von der SS und SA? Gab es bei diesen Bösen noch einen Funken „Gutes“? Welcher Mensch will das beurteilen?

Zeigten die Akteure in dem Film von Pasolini „Salo oder die hundert Tage von Sodom“ absolut böse Menschen? Man möchte es meinen, wenn man den Film bis zum schrecklichen Ende ausgehalten hat. Pasolini wollte die Bösen, also die durch und durch bösen Menschen, böse geworden durch das faschistische System, also die Sadisten, vorführen; wohl als Lehrstück der Warnung vor dem immer wieder auftretenden Faschismus. Die bekannte US-amerikanische Philosophin Susan Neiman (Potsdam) findet – durchaus provozierend – ein aktuelles Beispiel, an das sicher schon viele andere zustimmend gedacht haben: “Kein Mensch ist an sich böse. Bei Donald Trump habe ich ehrlich gesagt meine Zweifel. Das klingt wie ein Witz, aber das ist es nicht. Da haben wir einen Menschen vor uns auf der Weltbühne, der anscheinend keine Moralprinzipien versteht – dem schlicht das Verständnis für Gut und Böse fehlt“ (Seite 14). Leider sagt Susan Neiman nicht, wie man diesen Bösen von der „Weltbühne“ wieder herunternimmt und ihn in eine dauerhafte Pension schickt. Mit dem demokratischen Mitteln wird dies angesichts all der Lügen – Kampagnen und Twitter Attacken von Trump und seinen Freunden kaum gelingen. Ein Theologe hat vorgeschlagen: Vielleicht sollte man die Lehre vom Tyrannenmord des heiligen Thomas von Aquin neu debattieren? Nebenbei: Die Vater-Unser Bitte „Erlöse von =dem= Bösen“ erhält angesichts der treffenden Hinweise von Susan Neiman einen neuen, einen personal – politischen Inhalt. Aber die Frommen werden dann auch Putin, die Machthaber in Saudi-Arabien, Pakistan oder Nord – Korea und anderswo in ihr Gebet einbeziehen müssen…

In jedem Fall macht Susan Neiman erneut aufmerksam, welche Gefährdung von diesem, von Psychiatern längst als krank bezeichneten Herrn Trump in Washington ausgeht.

Ich möchte dieses graphisch sehr lesefreundlich gestaltete Heft empfehlen, es bietet in gewisser Weise einen vielseitigen Einstieg in die Debatten. Besonders einige Interviews finde ich großartig: Etwa das Gespräch mit der Psychologin Francoise Sironi (sie ist auch Expertin am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag) über ihre Erfahrungen mit Folterknechten der Roten Khmer. „Dieses System – wie auch die Nazis – rekrutierte nicht in erster Linie Sadisten oder nachweislich brutale Kerle. Das wichtigste Kriterium war das Bedürfnis dieser Leute nach Anerkennung, also die Fähigkeit zu gehorchen“ (S. 60). Sironi weist darauf hin, dass auch der häufige Wechsel von Aufenthaltsorten, bedingt durch globale geopolitische Umbrüche die Gewaltbereitschaft (der Flüchtlinge?) steigert (S. 61). Sehr erhellend, weil differenziertes Verstehen fördernd, auch der Beitrag des englischen Philosophen Julian Baggini über „Zehn Figuren des Bösen“ (S. 34 ff), etwa über das Böse der Mittäterschaft, das gleichgültige Böse, das selbstgerechte Böse usw. „Mehrheitlich liegt subjektiv sogar die Absicht vor, Gutes zu tun. Einzig der sadistisch Böse handelt böse aus völlig bewusster böser Absicht (S. 39). Erwartungsgemäß wird auch die Einsicht Hannah Arendts diskutiert: Sie hatte als Beobachterin des Eichmann Prozesses in diesem Verbrecher eher einen Ausdruck für die Banalität des Bösen gesehen. Für sie ist Gedankenlosigkeit auch eine Ursache des Bösen. Diese Erkenntnis zu Eichmann wurde inzwischen durch die Arbeiten von Bettina Stangneth korrigiert.(„Eichmann in Jerusalem“, 2011).

Kritisch möchte ich meinen, dass etwa Texte des Kirchenvaters Augustinus präsentiert werden, ohne dass auf das Wichtigste in unserem Zusammenhang, auf dessen Konstruktion der bis heute gültigen Erbsündenlehre hingewiesen wird. Es wird nicht der Wahn dieses offiziellen Kirchen-Dogmas auseinander genommen, wonach alle Menschen durch den Geschlechtsverkehr der Eltern Anteil haben an der Erbsünde. Die Menschen sind also für den späten Augustinus von Anfang an böse, nur durch die Taufe kann die Kirche in ihrer Allmacht von dieser Erbsünde befreien. Siehe meine kleine Studie zur Erbsündenlehre.

 

Kritisch möchte ich meinen, dass das ganze Heft doch sehr eurozentrisch ist. Philosophisches Nachdenken über das Böse findet doch wohl auch in Afrika, Asien und Lateinamerika statt. Was denken Guerillas in Kolumbien über das Böse? Was denken die braven und reichen Bürger in Kolumbien, wenn sie ganz selbstverstädnlich Guerillas töten? War der leider fast vergessene katholische Guerillo Priester Camillo Torres aus Kolumbien etwa ein Böser? Er war alles andere als dies! Dem Heft würde im ganzen insgesamt eine Öffnung auf die „Weltphilosophie“ gut tun! Wie wird sich der neu gewählte Präsident Brasiliens, Bolsonaro, als böse zeigen: Böse sind seine Worte schon. Und Worte sind bereits Taten…

Und noch etwas: Es ist löblich, sozusagen zentrale Basistexte von berühmten Philosophen zum Thema zu präsentieren. Mühe haben wohl alle, die nicht über Immanuel Kant promoviert wurden, die eine Seite „Ein natürlicher Hang zum Bösen“ aus Kants schöner Religionsschrift zu verstehen, weil schlicht und einfach der Text ziemlich unverständlich ist. Kant selbst hat über seinen eigenen Stil geklagt! Zurecht!!!! Da wäre mein Vorschlag: Auf einer anderen Seite sollte ein philosophischer Dolmetscher Satz für Satz diesen unglaublich wichtigen Kant Text in der Alltagssprache wiedergeben, Satz für Satz. Wäre auch eine schöne Übung für Profi-Philosophen. Philosophen sollten ohnehin Dolmetscher sein, gerade die Leute des „Philosophie Magazins“… Denn dieser Text von Kant z.B. wird so oft auch theologisch missverstanden, etwa: Kant sei für die Erbsündenlehre usw. Siehe meine kleine Studie zur Erbsündenlehre.

Abdrucken allein genügt nicht, selbst wenn es gut gemeint und natürlich sehr bequem ist.

Noch etwas: Die meisten Bösen sind offenbar Männer! Historisch stimmt das ja wohl. Gibt es und gab es auch böse Frauen? Gibt es eine feministische philosophische Interpretation „der“ Bösen?

Das Böse. Sonderausgabe des Philosophie Magazin. Oktober 2018. 100 Seiten. 9,90€. Herausgegeben von Catherine Newmark. www.philomag.de

Am Kiosk finden: www.mykiosk.com

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Eliten, welche Eliten? Die Oktoberausgabe des “Philosophie Magazins”

Ein Hinweis von Christian Modehn

Das „Philosophie Magazin“ für die Monate Oktober und November 2018 bietet wieder vielfache Anregungen. Sie zeigen: Dass philosophierend, also z.B. ins Grundsätzliche denkend und vieles selbstkritisch hinterfragend, förmlich alle Themen bearbeitet werden können, etwa „Arbeit und Asyl“, die „Rechtsextremen auf der Buchmesse in Frankfurt“ usw.

Ich weise nur auf drei weitere Themen im Heft etwas ausführlicher hin:

Ein Hauptartikel setzt sich mit der Frage auseinander: „Brauchen wir Eliten?“

Man nennt gewohnheitsmäßig Eliten solche Menschen(gruppen), die aufgrund von hohen Ämtern oder beträchtlichem Eigentum an der Spitze in der Lage sind, globale Entwicklungen zu bestimmen: Etwa Richter, Politiker, Manager etc. Leider sind diese Eliten oft, individuell – ethisch betrachtet, alles andere als „herausragend“. Sie sind eher Totengräber der Demokratie, wie Mister Trump, Viktor Orban oder die Leute der PIS Partei in Polen oder die FPÖ Clique. Ihr Verständnis vom eigenen „Elitedasein“ zu untersuchen, wäre interessant, von den Autokraten Putin oder Erdogan ganz zu schweigen. Oder den Autokraten in vielen Staaten Afrikas usw. Das heißt: Wir leben in einer Welt voller falscher Eliten, von Leuten, die sich selbst und, von den von ihnen gesteuerten Medien hoch gepuscht, nur Eliten nennen; das einzige, was diese Herren wirklich leisten, ist viel Geld in die eigene Tasche (bzw. in die Schweiz) zu bringen. Diese Autokraten herrschen zwar elitär, sind aber keine Eliten, um nur im Bereich der Politik zu bleiben, von den Banken, „Lehman Brothers“ etc.. wollen wir hier schweigen…

Diese Fragen berührt das Heft Philosophie Magazin eher am Rande.

Philosophisch könnte ich auch als andere Möglichkeit, als kritische Alternative, sagen: Eliten sind in unserer demokratischen Gesellschaft Menschen, die als Menschen so überzeugend menschlich sind, z.B. so wegweisende, „ethisch gute“ Taten vollbringen, dass sie Vorbilder sind. Genau dadurch werden sie zur Elite. Und durch ihr Engagement fordern sie andere auf, selbst auf ihre je eigene Art für die Menschen Gutes zu tun. In diesem Engagement tun die Akteure, nebenbei gesagt, sich selbst Gutes: Sie erfahren Sinn.

Im sprachlichen Ursprung ist Elite auf das lateinische Verb eligere bezogen, „auswählen“. Diese noch „neutrale“ wertfreie Bezeichnung wurde dann mit einem Maßstab der herrschenden Gesellschaft ausgestattet: Zu den (Aus)Erwählten gehörten dann nur die hoch geachteten, sich selbst in den Mittelpunkt stellenden Herrscher. Die Erwählten waren ja in Feudalzeiten eben nicht gewählt. Man redete sich ein, sie seien aufgrund ihrer adligen Herkunft „erwählt“.

Wer ein humanistisches Kriterium für den Elitenbegriff anwendet, könnte man treffende Beispiele nennen: Etwa die MitarbeiterInnen von „Ärzte ohne Grenzen“ sind Elite. Oder die MitarbeiterInnen von Obdachlosenspeisungen in den steinreichen Städten Europas. Oder die HausbesetzerInnen, die gegen eine ungerechte Wohnungspolitik protestieren. Oder die vielen „Mutter Theresas“, die es auch heute gibt. Oder die RentnerInnen, die ihre Freizeit für Sprachkurse der Flüchtlinge einsetzen.

Diese Menschen werden nicht öffentlich zur Elite gezählt, sie gehören aber zweifelsfrei zur humanen Elite, die nun wirklich den Titel Vorbild verdient. Das gilt etwa für Helfer, die Flüchtlinge aus dem Mittelmeer retten vor der Gewalt der EU-Politiker, die per Vorschrift Menschen ertrinken lassen. Natürlich ist Kritik an Eliten heute besonders gefährlich, weil sich Rechtsextreme und Populisten auch in der Elitenkritik heftig groß tun und dabei selbst vergessen, dass ihre eigenen Führer selbst sich als Elite des rechtsextremen und populistischen Denkens fühlen und gebärden. Dennoch muss sich grundlegend etwas ändern in unserer demokratischen Eliten-Herrschaft: Es müssen Menschen von unten, es müssen „Ausländer“ und Flüchtlinge Zugang haben zu Karrieren, die in eine leitende Stellung führen. Und es bedarf der gesellschaftlichen Kontrolle, ob die Eliten tatsächlich qualifiziert für das Gemeinwohl der Menschen arbeiten oder egoistisch nur für die eigene (Finanz) Karriere.

Man wird das Interview mit dem bekannten Elitenforscher Michael Hartmann im Heft mit großem Gewinn lesen. Volker Weiß weist darauf hin, dass die neue Rechte auch von Eliten schwärmt und dabei ausgerechnet die Elite über das rechte und richtige „Blut“ definiert. Carl Schmitt sollte auch in dem Zusammenhang „auseinander genommen“ werden von demokratischen Historikern und Philosophen. Der bekannte Soziologe Hartmut Rosa fordert die „intellektuellen Eliten“, also Professoren und Schriftsteller, sich viel stärker zu profilieren: Indem sie ihre Arbeiten verbinden mit der eigenen Biografie, wie dies etwa Didier Eribon oder Annie Ernaux in Frankreich tun, oder auch der junge Schriftsteller Edouard Louis. Sascha Lobos Diagnose für die Bundesrepublik (Seite 63) sollte breit diskutiert werden: „Wir taumeln elitenschwach in eine digitale Zukunft“.

Indirekt gehört zum Thema der „reichen Elite“ das Interview mit Luc Boltanski und Arnaud Esquerre über die Bereicherung, das ist etwas anderes als reich werden durch eigene Tätigkeit! Zu Bereicherung haben beide Soziologen ein Buch publiziert, sehr umfangreich, fast immer sind die Argumente auf Frankreich bezogen. Aber auch in Deutschland gibt es die Bereicherung: Sie findet heute nicht mehr durch die Produktion von Waren statt (diese Produktion wurde in Billigländer „verlagert“), sondern im Profitmachen „von Gütern und Waren, die schon da sind oder in bezug zur Vergangenheit stehen: Also touristisch hoch gepriesene Landschaften, Antiquitäten, Denkmäler, Kulturerbe, Kunst usw“ (Seite 22). Der geldgierige Kapitalismus sucht neue Profite im Vergangenen, Traditionellen.

Eine schwierige Philosophin stellt das neue Heft vor, die Französin Simone Weil (1909 bis 1943). Jacques Julliard, Historiker und Autor der eher religionskritischen politischen Zeitschrift „Marianne“ (Paris) nennt einige Aspekte zum letzten Buch von Simone Weil, es hat den Titel „Die Verwurzelung“. Ein, wie so oft bei Weil, sehr schwieriger Text, weil Simone Weil selbst ganz eigene Wurzeln suchte, sie war Jüdin, fühlte sich als Christin, Katholikin, stand mit einem Dominikanerpater in engem Kontakt, konnte und wollte aber keine „institutionelle Konversion“ vollziehen: Weil sie, wie so viele, das Evangelium Jesu wichtig, die (katholische) Kirche aber abstoßend und arrogant fand. Über Weils heftige Kritik am Judentum waren die Rabbiner usw. alles andere als erfreut. Jacques Julliard schreibt zusammenfassend über das Buch: „Verwurzelung ist nichts anderes als die Summe der Verankerungen hier unten, im Irdischen. Verankerungen, die uns unmerklich zum Absoluten führen, indem sie dem, was wir sind und was wir tun, einen Sinne geben“. In einem kleinen Beiheft, Booklet, kann man sich etwas vertiefen in das komplexe Denken der Simone Weil. Und ihr politisches, leidenschaftliches humanes Engagement kennen lernen.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin