Ein katholischer Theologe gegen 2G Regeln im Gottesdienst. Für Pater Klaus Mertes hat Impfen gegen Corona keine religiöse Bedeutung.

Ein Widerspruch von Christian Modehn am 10.12.2021.

1.So oft sind wir empört und entsetzt, wie in diesen Zeiten der Pandemie die bis jetzt einzige medizinische Hilfe, das Impfen, schlecht geredet wird. Und wie diejenigen, die diesen medizinischen Schutz zum Teil gewalttätig ablehnen und dabei sich selbst und andere tödlich gefährden, öffentlich direkt oder indirekt verteidigt werden und in kirchlichen Kreisen mit einem pastoralen Gestus des Verstehens, wenn nicht der Sympathie bedacht werden.

2. Genau diesen Schock erlebt man, wenn man die Antworten des ziemlich bekannten und eigentlich angesehenen (wegen der Freilegung im Jahr 2010 der pädosexuellen Verbrechen durch Priester) Jesuiten-Paters Klaus Mertes in einem Interview mit der ZEIT vom 9.12.2021, Seite 80, liest. Pater Mertes schwebt darin auf der – außerhalb von Corona – verständlichen „liberalen“ Welle: „Die Kirche muss alle Menschen vorbehaltlos willkommen heißen in den eigenen Räumen“. Was „willkommen“ bedeutet? Dabei denkt und dachte der Jesuit bekanntlich zurecht an die katholischen Homosexuellen, die sich in den Gemeinden nicht willkommen fühlen. Hat Mertes diese seine bekannten Prämissen im Hinterkopf, wenn er die unkontrollierte gemeinsame Anwesenheit von Nicht-Geimpften und Geimpften in den katholischen Messen empfiehlt und gutheißt.

3. Das Problematische, wenn nicht das Skandalöse an den Äußerungen von Mertes in der ZEIT ist dies: Er versteht die Weisungen Jesu als oberste Norm für ein Zusammenleben in der Gesellschaft. Diese Weisungen Jesu geben also – angeblich – Antwort auf die Frage: Dürfen und sollen Nicht-Geimpfte an den Messen teilnehmen. Und die Antwort Jesu in der Interpretation von Mertes ist klar: Ja, natürlich, alle sind willkommen, nach dem Impfstatus darf nicht gefragt werden. Mit anderen Worten: Mertes glaubt, Jesus höchstpersönlich in seiner unendlichen Liebe usw… lehrt: Der Impf-status spielt im Falle eines Gottesdienstbesuches in diesen Pandemiezeiten keine Rolle.

4.Die Belege: Gleich zu Beginn des Interviews mit der ZEIT betont Pater Mertes nicht ohne einen gewissen Stolz:

„Ich habe am Nachmittag des zweiten Advents in Berlin Gottesdienst gefeiert, da kamen vor allem Obdachlose,  Flüchtlinge, Arme“. Frage: Und wer durfte rein? Mertes: „Alle!“ Punkt. Und dann: “Ich habe nicht um Erlaubnis gefragt. In einem größeren Raum ist es leicht, das Infektionsgeschehen zu beachten, ohne andere auszuschließen“. (Mertes kann also das Infektionsgeschehen in Räumen mit bloßem Auge etc. erspüren, großartig!) Und noch einmal legt Mertes nach: „Aber es gilt die Regel, dass wir Menschen, die bei uns Zuflucht suchen, nicht als erstes nach der Impfung fragen. Das ist mir sehr wichtig. Ich habe Respekt vor den Ängsten anderer und finde es falsch, die Ängste zu moralisieren“. Was für eine schräge Aussage: Wer nach dem Impfstatus fragt, „moralisiert“, so Mertes. Und vor allem: Wessen „Ängste“ werden nach Mertes denn da beachtet: Die Ängste der Nicht-Geimpften offenbar, über ihren Status öffentlich Auskunft zu geben. Die Konsequenz ist: Sollen sich doch die nur 2mal Geimpften von uns anstecken… Die Ängste der nur zweimal Geimpften zählen also nicht. Die Nicht-Geimpften werden als die einzg Leidtragenden, die Ausgegrenzten, die „Armen“ gedeutet, ihnen gilt alles klerikale Mitleid. Sie von er Not-wendigkeit der Impfung zu überzeugen, sie dazu zu drängen, kommt offenbar für Mertes nicht in Frage. Ich finde diese Haltung skandalös.

Aber Mertes führt noch in weitere theologische Überzeugungen oder treffender Verirrungen: „Ich habe ein Problem mit 2G bei Gottesdiensten, weil ich es nicht zusammenkriege mit dem Evangelium. Jesus unterscheidet nicht zwischen so genannten Gerechten und so genannten Sündern, er ist für alle da“, so in der ZEIT.

Wer sollen denn die Gerechten und die so genannten Sünder sein im Zusammenhang des Impfens? Diese Frage bleibt ohne Antwort. Sind die Nicht-Geimpften (meistens Impf-Verweigerer) etwa Sünder? Dieser Schluss bietet sich nicht an im Zusammenhang der oben genannten Äußerungen Mertes in der ZEIT. Der Jesuit ist überzeugt: Weil Jesus alle Menschen liebt und in „seiner“ Kirche willkommen heißt, muss sich die Kirche jetzt nicht an die Regel 2G im Gottesdienst halten! Jesu Liebe sei größer als alle menschliche Vernunft, wie oft hat man diese Worte in Predigten gehört? Nun also wieder, unbegründet diese religiöse Weisheit.

Warum eigentlich sollen sich Theater, Kinos etc. an diese 2G-Vorschrift halten? Bieten sie in ihren Räumen etwa ein größeres Infektionsrisiko als die gut besuchten (Weihnachts-)-Gottesdienste? Bieten Messen und Gottesdienste etwa einen imaginären, man möchte sagen abergläubischen himmlischen Schutz vor dem Virus, den weltliche Häuser nicht bieten können?

5.  Diese Verteidigung von „unkontrollierten“ Gottesdiensten hinsichtlich des Impfstatus der TeilnehmerInnen ist in Pandemie Zeiten ethisch betrachtet falsch und vor allem: gesundheitlich hoch-gefährlich. Diese Haltung eines Theologen ist entschieden zurückzuweisen. Denn diese von Mertes verteidigte Überzeugung setzt ein begrenztes theologisches Prinzip (“die offene Kirche für alle”) über das viel wichtigere und universale (!) ethische Prinzip des Lebensschutzes für alle.

Ethik und Sorge um das Gemeinwohl stehen selbstverständlich über den immer begrenzten religiösen, konfessionellen Prinzipien, die bekanntlich nur für einige gelten. Aber diese Minderheit hat sich nach den universalen ethischen Prinzipien eines Rechtsstaates zu richten. Das haben selbst die Charismatiker in Frankreich eingesehen, die 2020 noch unkontrolliert (wie es Mertes praktiziert) ihre Gottesdienste feierten und dadurch die Gemeinde zum Corona-Hotspot machten.

6. Man sollte diese hier von Pater Mertes SJ ausgesprochene Überordnung theologischer Prinzipien über die ethischen Prinzipien eine Form von religiösem Fundamentalismus nennen.

Man stelle sich vor, Imame oder Rabbiner würden nach diesem von Mertes verteidigten theologischen Prinzip handeln! Also: In der Moschee oder der Synagoge würde nicht nach dem Impfstatus gefragt, was für einen berechtigten Aufschrei gäbe es!

7. So also wird einmal mehr deutlich: Es gibt auch heute, in Zeiten der Pandemie, einen versteckten Fundamentalismus in der römischen Kirche. Man muss sich nur die Mühe machen, diese Implikationen freizulegen.

8. Mertes kritisiert in dem Interview mit der ZEIT heftig, dass mit dem Impfen gegen diese Pandemie einige Menschen eine gewisse “Heilserwartung” verbinden, die „schon eine religiöse Dimension hat.” Mertes suggeriert, christliches Heilsverständnis sei nur eine rein ontologische oder nur geistige und seelische Wirklichkeit! Aber warum kann denn Impfen gegen die schreckliche Pandemie, theologisch betrachtet, nicht auch ein leibliches Heil (Gesundheit) bewirken, das zugleich ein Vorschein des umfassenden „göttlichen“ “Heils” ist? Die Zeiten sind doch vorbei, als man in einem traditionellen, starren Denken die Erlösung, das “Heil”, völlig vom irdischen, gesundheitlichen und gesellschaftlichen Wohlbefinden getrennt hatte. Skandalös ist nur, dass die Impfstoffe jetzt nicht gerecht verteilt werden und den Armen im Süden meist nicht gratis zur Verfügung stehen.

9. Jedenfalls bleibt es dabei: Die Chance, die Gesundheit und das Leben durch das Impfen zu retten und damit selbstverständlich auch für die allgemeine Impfpflicht einzutreten, kann als religiöse Dimension gedeutet werden. Das Impfgeschehen ist in dem Sinne, theologisch, ein „Heilsgeschehen“, und zwar vermittelt nicht durch Kleriker, nicht durch Priester, sondern durch Laien, Wissenschaftler, Virologen, Ärzte, Pfleger usw. Diese Erkenntnis wird den meisten Klerikern („Priestern“) nicht gefallen, die alle „Heilsvermittlung“ an ihren erhaben Kleriker-Status binden. Für die Befreiungstheologie, die Pater Mertes wahrscheinlich kennt, ist religiöses “Heil”, “Erlösung” immer auch materiell, leiblich, gesellschaftlich vermittelt. Das gilt auch in Corona-Zeiten. Insofern sind Ärzte, Krankenpflegerinnen, die impfen, auch wirksam für das religiöse „Heil“, für eine erfahrbare Erlösung.

10. Anstatt, dass Theologen hin und her schwadronieren und ein so liebvolles und offenbar herzliches Verständnis für Impfverweigerer aufbringen und dann auch für den Wahn von gemeinsamen Gottesdiensten von Nicht-Geimpften und Geimpften plädieren, sollten sie anerkennen: Die ÄrztInnen, PflegerInnen, VirologInnenen und WissenschaftleInnen sind in dem Fall die hilfreichen PriesterInnen heute. Die alles Theologische noch entscheidenden Kleriker müssen also selbstkritisch und wahrscheinlich demütig anerkennen: Das religiöse Heil wird auch außerhalb der Kirche vermittelt. Es gilt also: „Außerhalb der Kirche wird das Heil vermittelt“, um einen traditionalistischen katholischen Spruchneu zu formulieren.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

 

 

 

 

 

 

Flaubert, antiklerikal und religiös

Hinweise aus Anlass seines 200. Geburtstages

Von Christian Modehn am 5.12.2021

1. Gustave Flaubert (12.Dez.1821 – 8.Mai 1880) und sein großes Werk, einschließlich seiner umfangreichen Korrespondenz, werden umfassend studiert. Dabei ist die Frage: „Welche Bedeutung haben für Flaubert Spiritualität und christliche Religion?“ von zentraler Bedeutung. Aber dieses Thema wird meines Erachtens in Deutschland nicht so oft diskutiert. Man darf sich jedenfalls nicht mit dem populären Spruch begnügen: „Flaubert war antiklerikal“.Oder auch: “Sein Dienst an der Kunst ist letztlich nichts anderes als eine neue Religion“, so in: „Französische Literaturgeschichte“, Stuttgart 1991, S. 269). Es stimmt schon: Kunst, prinzipiell unvollendet und auch unvollendbar, entzieht sich – wie das Göttliche – dem abschließenden Definieren. Die Sehnsucht nach dem Unendlichen („aspiration“, sagt Flaubert) gilt es zu pflegen, auch dies betont Flaubert. „Selbst wenn die Religionen als Institutionen verschwinden, das religiöse Gefühl wird in anderen Formen überleben“, schreibt Gisèle Seginger in ihrem Aufsatz „Flaubert, de la religion à l art“, in „Revue d Histoire et de Philosophie religieuses“, 1998, S. 303). Es bleibt für Flaubert, so kühl und distanziert und ironisch seine Romane erscheinen, entscheidend: Es gibt ein menschliches Bedürfnis, sich einer religiösen Wirklichkeit anzuvertrauen. Damit ist nicht der dogmatisch eindeutige Gott der Kirchen gemeint. Religiöses Vertrauen kann sich vielfältig äußern, es wird sichtbar in der Bindung an heilige Orte, heilige Quellen, heilige Gestalten etc.

2. Es ist wohl typisch für Flaubert: Die Frage, ob Gott „existiert“, ob „ER“ „bewiesen“ werden kann, braucht dann gar nicht gestellt zu werden. Das religiöse Gefühl ist für Flaubert entscheidend, es hat in der menschlichen Natur seinen Grund. Flaubert verurteilt also nicht Religionen von vornherein. Auch wenn Flaubert als Leser der Religionskritiker Quinet, Michelet und Renan die überlieferten Dogmen und Symbole kritisiert: Das Bedürfnis des Menschen, etwas Unendliches zu spüren, wird von ihm dann doch respektiert. Dies könnte man eine Form des humanistischen Atheismus nennen; dieser Atheismus ist alles andere als banal oder materialistisch. Im Gegenteil: Er sieht im Menschen ein “unendliches Streben” anwesend  – als Streben nach einer (nicht göttlichen) Unendlichkeit.

Er kämpft aber leidenschaftlich gegen den so genannten „Neo-Katholizismus“, der sich in seiner Zeit beim erstarkenden französischen Katholizismus in neuen Formen des Kultes zeigte, etwa für das „Herz Jesu“ oder für Marien-Erscheinungen in La Salette: Flaubert kommentiert: „Dies erinnert mich an die Tages de Heidentums“…

3. Die Religion(en) im Frankreich des 19. Jahrhunderts.

Im 19. Jahrhundert äußern sich zwar einige Autoren, die explizit die Rückkehr zu einem etwas reformierten katholischen Glauben unterstützen. Wirksamer sind wohl Autoren, die das Religiöse neu denken wollen „außerhalb der etablierten Religionen“, wie Viktor Hugo sagt. Die Überzeugung setzt sich durch: Religiöse Gefühle, allen Menschen je unterschiedlich gemeinsam, zeigen sich auch in der Kunst, der Literatur, der Philosophie, in den Ekstasen des Eros…

4. Flaubert hat die Geschichte der Religionen gründlich studiert, das zeigt seine „Correspondance“, vor allem aber das Werk, an dem er eigentlich zeit seines Lebens arbeitete:  „Die Versuchung des heiligen Antonius“ (begonnen 1849, verändert publiziert 1874).

Flaubert schwankt in gewisser Weise zwischen einer gewissen Bejahung des Religiösen und dessen Abwehr und Ablehnung. Er verteidigt das Christentum sogar, wenn er sich z.B. entschieden gegen den Materialismus einiger „sozialistischer Denker“ wendet. Diese Sozialisten wollen nach seiner Meinung das religiöse Gefühl auslöschen, damit aber werde eine entscheidende Dimension des Menschen ignoriert, die religiöse. Flauberts Verachtung für “den Sozialismus” ist ein eigenes Thema, zudem er seine Sozialismus-Kritik mit seiner Zurückweisung der Gleichheit (égalité) verbindet. Dass es eine wesentliche Gleichheit, auch rechtliche Gleichheit, aller (!) Menschen philosophisch evident begründen lässt, weiß Flaubert offenbar nicht oder er lehnt dies wider besseren Wissens ab.

5. Für Flaubert ist entscheidend, dass der Künstler sich von allen dogmatisch-kirchlichen Glaubenshaltungen befreit! Er muss aber sensibel werden für die Erfahrung des Unendlichen  ohne einen „persönlichen Gott“. Dies hat für Flaubert persönliche Konsequenzen: Rückzug aus der Welt, Kontemplation der Natur und der Dinge der Welt; die Anerkennung der Realität, „die so ist, wie sie ist“. Soll man diese Haltung der “Anerkennung der Welt, so, wie sie ist”, eine verkappte Form von Positivismus nennen? Bekanntlich wehrt sich Flaubert gegen alles Bewerten, Moralisieren und Belehren durch den Schriftsteller! Aber ist diese Haltung nicht auch eine problematische Form des “Belehrens”, des “Besserwissens”?

6. Befremdlich wirken heute seine „Drei Geschichten“, aus der späten Schaffensphase, erschienen 1877. Eine Geschichte berichtet vom heiligen Julian, genannt St. Julian der Gastfreie“ in der Heiligenlegende. Ein ihm gewidmetes Glasfenster befindet sich in der Kathedrale von Rouen, der Heimat Flauberts. Julian, so erzählt Flaubert seine Heiligenlegende, tötet irrtümlich seine Eltern, aufgrund von Verwechslung.  Aber Julian entschließt sich, einen Aussätzigen in sein Haus aufzunehmen, mit dem er eine intensive, auch körperliche Nähe entwickelt. Dieser Arme, der Aussätzige, verwandelt sich dann im Miteinander zu Christus. Eine Art Erlösung geschieht: Die Verbundenheit mit Christus wird bei Flaubert deutlich als leibliche Nähe und körperliche Verbundenheit beschrieben: Manche Interpreten sehen in dem Miteinander von Julian und seinem „Gast“ sogar homosexuelle Anspielungen…

7. So komplex auch die Spiritualität Flauberts ist: Was ihn immer bestimmte, war die Verachtung der Dummheit, war der leidenschaftliche Kampf gegen Borniertheit und Engstirnigkeit. Sie zeigt sich vor allem in der „Provinz“, als „provinzielles Denken“, aber nicht nur dort. Diese Dummheit nahm er auch in den etablierten und herrschenden dogmatischen Religionen wahr. Gibt es eine Religion, eine Spiritualität, die nicht borniert, engstirnig und dumm ist? Das ist die Frage, die bleibt, über den großen Gedenktag am 12. Dezember…

8. Und darüber hinaus bleibt die Forderung Flauberts, des großartigen Meisters der Sprache, genau auf die Alltagssprache zu achten, die sich heute, etwa in den Nachrichten des Fernsehens, in ihrer Verfallsform ständig zeigt: Haben wir schon einmal gezählt, wie oft innerhalb weniger Stunden irgendein Politiker oder Wirtschaftsspezialist oder Kommentator die Worte „Maßnahme“, „durchführen“, „Betreuung“, „Wissen“ um…“ verwendet, grässliche Worte eines bürokratischen Denkens, das vorgibt „etwas zu tun“, de facto aber nur Ankündigungen behauptet! Diese und andere Wörter dürfen dem bekannten „Wörterbuch des Unmenschen“ zugeordnet werden. Der Niedergang der demokratischen Kultur in Deutschland (Rechtsextremismus, Neofaschismus offen und versteckt, immer aber unterschätzt, allgemein gefährlicher Egozentrismus in der Ablehnung der allgemeinen Impfpflicht) wird im Verfall der Sprache und des Sprechens sichtbar.

9. Wird die Sprache vom Schmutz der Phrasen, Floskeln und Gemeinplätze befreit, wird dann auch die Demokratie gerettet? Man sollte es probieren und auf die Wörter aus dem Wörterbuch des Unmenschen verzichten.

10. Um noch einmal zur Religion zurückzukehren: Wird die dogmatische Sprache von den uralten Formeln, befreit, die heute Leer-Formeln sind, könnte dann ein vernünftiger christlicher Glaube, ohne Klerikalismus und Kleriker-Herrschaft, noch eine Chance haben? Sicherlich! “Man“ kann das ja mal probieren und beginnen, die klerikale Kirchensprache zu entrümpeln. Um den umfangreichen mittelalterlichen theologischen Sprachschrott abzulagern, wird im Vatikan ein eigener großer Palast zur Verfügung gestellt.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

 

 

 

 

Eric Zemmour, der rechtsextreme jüdische Präsidentschaftskandidat und seine katholischen Freunde.

In Frankreich könnte 2022 ein Rechtsextremer Präsident werden.

Ein Hinweis von Christian Modehn am 3.12.2021. Es ist in der religionssoziologischen Forschung üblich, bestimmte Phänomene, Parteien und Personen auch hinsichtlich ihrer weltanschaulichen, religiösen Bindung zu beschreiben.

1.

Er wird in der französischen Presse oft nur „essayiste“ genannt. Damit erinnert man an seine frühere journalistische Tätigkeit, etwa in der konservativen Tageszeitung „Le Figaro“. Aber „essayer“ bedeutet auch „versuchen“: Und das probiert Zemmour mit aller Bravour und Unverschämtheit, bisher erfolgreich: Er tritt nun an,  im nächsten Jahr, im April 2022, Staatspräsident Frankreichs zu werden. Und dies will er mit noch extremeren Forderungen erreichen, extremer, als die Positionen der extrem rechten Marine Le Pen (früher „Front National“, jetzt „Rassemblement National“). Noch extremer als Le Pen? Das funktioniert also, und zwar ziemlich erfolgreich.

2.

Rechte politische Milieus sind von Eric Zemmour fasziniert,  die Finanzwelt interessiert sich für ihn sehr und, wen wundert es bei dem Zustand des französischen Katholizismus, einflussreiche konservative Katholiken schmeicheln ihm.

Welches Frankreich will Zemmour schaffen? Es ist das nationalistische, nach außen hin katholische, anti-muslimische und ausländerfeindliche Frankreich als stolzer Nation. Der Historiker Jacques Semelin scheibt in „Le Monde“ (3. Dec. 2021, S. 33). „Zemmours Rhetorik ist die der Identität, der andere (der Fremde) soll bekämpft und ausgelöscht werden, der andere ist „zu viel“: Hier stehen also die weißen Franzosen gegenüber `denen da`, den anderen, den Fremden. Ich sehe einen analogen Diskurs in Ex-Jugoslawien, bei den nationalistischen Serben gegen die muslimischen Bosnier…Die Geschichte zeigt, dass diese identitäre Gegenüberstellung von denen da und wir, den Fremden und den Franzosen also, ein Land in den Bürgerkrieg und ins Massaker reißen kann“.

3.

Die Anhänglichkeit konservativer bzw. traditionalistischer Katholiken in Frankreich an den rechtsextremen Zemmour wird nun immer deutlicher untersucht.

Die so genannten „Eveilleurs“, Mitglieder eines katholischen Vereins, hatten am 19. Oktober 2021 Zemmour erneut zum Vortrag mit über eintausendfünfhundert Teilnehmern eingeladen, nach Versailles, in die alte französische Königsstadt, ins Zentrum des bourgeoisen Katholizismus. Laurence Trochu, Präsidentin des „Mouvement conservateur“, der mit der Partei die Republikaner verbunden ist, betont: „Erich Zemmour hat den Mut, unser ererbtes kulturelles Modell des Christentums zurückzufordern und zu verteidigen“. Das heißt: Die alte Welt des herrschenden Christentums soll wiederkehren, die vertrauten angeblichen Werte der Familie mit dem Oberhaupt „Mann“ und der häuslichen Gattin. Die „Homoehe“ ist für diese Katholiken – wie für Zemmour – eine Schande, die abgeschafft werden muss, auch der Schwangerschaftsabbruch sollte eingeschränkt werden; der unbedingte Schutz jeglichen Privateigentums (an Produktionsmitteln) ist sowie unbestritten und vor allem: Frankreich muss katholisch bleiben. Und das bedeutet: Für den Islam, also für Muslime, sollte es eigentlich nur einen sehr eingeschränkten Platz geben. Man muss die muslimische „Machtergreifung“ verhindern, heißt es bei Zemmour immer wieder. (Über die prominente Unterstützung für Zemmour durch konservative Katholiken, wie sie in Versailles am 19.Okt. 2021 sichtbar wurde: siehe Fußnote 1 am Ende dieses Beitrags)

4.

Mit etlichen Netzwerken eines „politischen Christentums“ hat sich Eric Zemmour von Anfang eng verbunden: Also mit den Parteien rund um die strengen Katholiken Philippe de Villiers oder Marion Marechal (der Nichte von Marine Le Pen) oder Jean-Frédéric Poisson oder Christine Boutin….  Auch der katholische Politiker Jean-Paul Bolufer gehört nun zu Zemmours Wahlkampf-Team, er ist eng mit den Traditionalisten verbunden aus dem Aktions-Kreis „ICHTHUS“.

Sie alle und ihre Anhänger sind mit Zemmours Zielen eng verbunden. Diese Parteien oder Gruppen sind im Umfeld der Demonstationen, „Manif pour tous“  genannt, entstanden, also der Massenbewegungen gegen die gesetzliche Einführung der Ehe für Homosexuelle. Die Demonstrationen begannen 2013, zum Teil mit offizieller Unterstützung einzelner Bischöfe (wie Msgr. Rey von Toulon). Von Anfang an kam es zu Gewalttätigkeiten der rechtsradikalen Demonstranten gegen Homosexuelle und deren Treffpunkten, rassistische Sprüche wurden dabei verbreitet… Eine gute Übersicht zur „Manif pour tous“ bietet die website: https://fr.wikipedia.org/wiki/La_Manif_pour_tous.

5.

„Jetzt sind erst einige katholische Bewegungen aus dem Umfeld der Demonstrationen „Manif pour tous“ eng mit Zemmour verbunden. Aber hinter den Kulissen fragen sich viele über ein mögliches Bündnis“, schreibt die katholische Tageszeitung La Croix, Paris, am 2.12.2021. „Die politischen Bewegungen, die aus den Aktivitäten der „Manif pour tous“ gegen die Homo-Ehe entstanden sind, die sind gescheitert in ihrem Bemühen, ihre Überzeugungen in den besehenden politischen Parteien durchzusetzen. Eric Zemmour kann für diese Gruppen nun einen glaubwürdigen politischen Ausweg bedeuten“, sagt der Politologe Emilien Houard-Vial, Paris.

6.

Für Zemmour ist das Christentum nichts anderes als eine Art Stabilisator des alten europäischen Herrschaftssystems. „Um Franzose zu werden, muss man sich prägen lassen vom Katholizismus, der Frankreich gemacht hat“, sagt etwa Zemmour, für die sehr konservative katholische Zeitschrift „France catholique“. Er betont: „Man muss sich auch vom christlichen Universalismus und von diesem Mitleid für die Schwachen bestimmen lassen, selbst wenn ich dem misstraue!“. Das moderne Christentum sieht Zemmour sehr kritisch, es sei eine „verrückte Maschine geworden der Nächstenliebe…“ Für ihn ist es eine kulturelle Katastrophe, wenn das Christentum nur noch Solidarität und Brüderlichkeit bedeutet, sagte er schon 2018 der konservativen Zeitschrift „France Catholique“. Später hat Zemmour seine heftige Kritik an Papst Franziskus geäußert, und damit wohl auch noch mal Sympathien gefunden in katholisch-reaktionären Kreisen. In der sehr rechtslastigen Zeitschrift „Valeurs actuelles“ (6. Oct. 2020) sagte er anlässlich der Enzyklika „Fratelli tutti“, „Alle sind Brüder“: Da verkünde der Papst einen naiven Idealismus, er mache linke Politik, und sei nicht mehr katholisch. Außerdem verachte der Papst Frankreich, er verteidige nicht das katholische Erbe.

Als ihn der Europa-Abgeordnete Raphael Glucksmann kritiserte, er sei doch nur für die Kirche, aber gegen Christus, antwortete Zemmour: “Ja, sicherlich, das sage ich klar und deutlich“.

Damit wird einmal mehr die Position der alten reaktionären „Action Francaise“ (ihre Zeitschrift bis 1992 „Aspects de la France“) vertreten, die zu Beginn des 20.Jahrhundert als nationalistische und antisemitische katholische Bewegung einen großen Einfluss ausübte, nicht zuletzt eben durch ihre Parole, sie finde die Kirche wichtig als Institution für die Förderung der Moral, sie finde aber nicht Jesus Christus bedeutsam. 1926 wurde die „Action francaise“ vom Papst verboten. Nebenbei: In diesen Kreisen sind auch die heftigen Feinde der staatlichen Impf-Politik gegen Corona zu finden. Es ist wohl nur als Witz zu bezeichnen, dass sich ausgerechnet der Rechtextremist Eric Zemmour, jüdischen Glaubens wie er selbst immer betont, nun auf eine antisemitische katholische Bewegung positiv bezieht. Man könnte sehr zynisch sagen, es bahne sich nun eine neue rechtsextreme jüdisch-katholische Zusammenarbeit an.

Ludovine de la Rochère, Geburtssname Ludovine Mégret d’Étigny de Sérilly, als „praktizierende Katholikin“ seit 2013 Präsidentin der Bewegung „Manif pour tous“, kann Zemmour nur zustimmen: „Er will einen Teil des  christlichen Erbes verteidigen, das mit dem Auftreten des Islam in unserer Gesellschaft fraglich wurde“…. Allerdings wollen selbst die konservativsten Katholiken darauf achten, dass Monsieur Zemmour doch bitte etwas Rücksicht nimmt auf die Schwächsten in der Gesellschaft.

7.

Der rechtsradikale jüdische „Essayist“ als Politiker ist angetreten, um Frankreich, das christliche, zu verteidigen und wieder aufzubauen, Dass dieses christliche Frankreich lange Zeit antisemitisch war, interessiert ihn als Juden offenbar kaum. Er hat sich u.a. zu der völlig unqualifizierten These verstiegen, das nazifreundliche Regime von Vichy hätte versucht, Juden zu retten…Tatsache ist: Juden in Frankreich wurden nicht dank der Vichy-Regierung gerettet, sondern trotz Pétain und seiner rechtsextremen Freunde.

8.

Marine Le Pen und ihre sich nun seit einigen Monaten etwas milder gebende Partei „Rassemblement national“ sieht sich bedroht in ihren Ansprüchen, selbst 2022 Präsidentin zu werden: Zemmour stört. „Soll er sich doch meiner, der Le Pen Partei anschließen, heißt es von ihr. Wird er aber kaum machen, dazu ist er radikaler als Madame Le Pen. Für die Demokraten ist dies vielleicht eine Hoffnung: Eine gespaltene Rechtsextreme ist eine Chance für den Sieg von Demokraten. Nur traurig, dass sich im französischen Katholizismus, anders als in Deutschland, so viele Gruppen und Parteien mit einer explizit antiislamischen Haltung organisieren in Verbindung mit einer allgemeinen Ablehnung der universal geltenden Menschenrechte, etwa für Homosexuelle. Aber in der Hinsicht folgen diese katholischen Kreise auch den aktuellen Weisungen des Vatikans zur umfassenden UN-Gleichberechtigung Homosexueller auch heute noch.

9.

Und wie reagiert die jüdische Gemeinschaft in Frankreich, mit 600.000 Juden in Frankreich sicher eine der bedeutendsten europäischen Gemeinschaften, sie debattiert natürlich heftig über den Juden Erich Zemmour. Die Wochenzeitung „Jüdische Allgemeine“ schrieb kürzlich (Quelle. https://www.juedische-allgemeine.de/juedische-welt/der-spalter/):

„Zemmour spaltet nicht nur die französische Zivilgesellschaft, sondern auch die jüdische Gemeinde. Etliche sefardische Juden unterstützen ihn. Sie fühlen sich bedroht in ihrer Lebensweise.

Und auch Gilles-William Goldnadel, ein franko-israelischer Anwalt und Kolumnist, verteidigt Zémmour und dessen patriotischen Widerstand. Francis Kalifat hingegen, der Präsident der französisch-jüdischen Dachorganisation CRIF (Conseil Représentatif des Institutions Juives de France), ruft dazu auf, Zemmour nicht eine einzige Stimme zu geben. Frankreichs Oberrabbiner Haïm Korsia nannte ihn vor einigen Tagen in einem Interview mit France 2 gar einen Antisemiten“.

10.

Ein Jude als Antisemit, wie der Oberrabbiner sagt, das ist gewiss eine Neuigkeit.  Beklagt wird zurecht in der französischen jüdischen Gemeinschaft vor allem, dass die „Große Synagoge“ in Paris Eric Zemmour am 1. Juni 2021 zu einer Debatte mit dem ehemaligen Großrabbiner Gilles Bernheim eingeladen hatte. (Quelle: http://www.slate.fr/story/119925/zemmour-kippa-precheur-petainiste).

11.

Seine jüdische Herkunft (aus Algerien) hat Zemmour tatsächlich nie verleugnet und auch die religiöse Bindung ans Judentum bei seinen Eltern betont, er erklärte in einem Interview etwas konfus. „Ich bin ein Mensch des Alten Testamentes, der eine Kultur des Neuen Testamentes erhalten hat. Aber zur Existenz Gottes bin ich sehr am Zweifeln, darüber weiß ich nichts. Ich bin ja nicht im Katholizismus aufgewachsen, und ohne Glauben ist es für mich schwer, dem Credo zuzustimmen. Bei den Riten aus meiner Kindheit ist dies anders. Wenn ich mich darin vertiefen und mich an meine verstorbenen Eltern erinnern will, gehe ich in die Synagoge. Dagegen, ich spüre sehr, ist es so, dass meine ganze Kultur das Christentum ist, davon bin ich imprägniert.“ (Quelle. https://www.france-catholique.fr/Zemmour-Je-suis-impregne-du-christianisme.html). Aber wie gesagt, es ist ein Christentum, das von der Degradierung und dem Ausschluss des anderen, des Fremden, bestimmt ist. Es handelt sich also doch nicht bei Zemmour um ein authentisches Christentum! Alles nur Sprüche, Fassade, Polemik, Wahlpropaganda….

Dabei gehörte doch die Familie Zemmour selbst einmal zur Gruppe der Fremden, der anderen. Das hat Eric Zemmour vergessen. Siehe dazu:

« Moi, mes parents viennent d’Algérie, comme je dis toujours, je ne suis pas un Français de souche, (…), je ne prétends pas être Français depuis 1000 ans », a-t-il déclaré. Zemmour fait savoir qu’il avait appris « à être Français ».  « Simplement, j’ai appris les codes de cette assimilation à la française et je croyais que tout le monde marchait comme moi », a indiqué le polémiste.

(Quelle: https://observalgerie.com/2020/05/28/faits-divers/france-eric-zemmour-evoque-ses-origines-algeriennes/.  28. Mai 2020)

FUSSNOTE 1:

Am Abend des 19. Oktober 2021 in Versailles eine Liste konservativer Katholiken und deren Organisationen: : „Dans le sillage de Zemmour, un élément est visible : le nombre de catholiques conservateurs qui le suivent, l’entourent et le promeuvent. Ce soir, on reconnaît aux premiers rangs Charlotte d’Ornellas, journaliste de Valeurs actuelles, Gabrielle Cluzel, rédactrice en chef du site Boulevard Voltaire, Jean-Frédéric ­Poisson, dirigeant de VIA – la voie du peuple (ex-Parti chrétien-démocrate), Laurence ­Trochu, présidente du Mouvement conservateur (anciennement Sens commun), l’essayiste Patrick Buisson et le chanteur Jean-Pax Méfret, barde de l’Algérie française et de la lutte contre le communisme dans les années 1980. Enfin, l’homme qui assure la sécurité d’Éric Zemmour est Albéric Dumont, porte-parole officiel de la Manif pour tous. À Versailles, bastion de la bourgeoisie catholique, cette présence ne doit pas surprendre : l’association locale à l’origine de l’événement, les Éveilleurs, a invité Zemmour quatre fois depuis 2015 ! Mais l’engouement pour « le Z » dépasse l’ancienne cité royale, et la question de savoir si cet intérêt ira au-delà des classes aisées pour percer dans les milieux populaires sera l’un des enjeux de la présidentielle. « De plus en plus de personnes l’écoutent », se félicite Pierre Nicolas, cofondateur des Éveilleurs“.

(Quelle: „La Vie“, 27.10.21, https://www.lavie.fr/actualite/societe/mais-qui-sont-ces-catholiques-qui-suivent-eric-zemmour-78654.php)

Copyright: Christian Modehn, www.religionsphilosophischer-salon.de

 

Die Macht des Aberglaubens im Katholizismus

Ein Hinweis von Christian Modehn am 27.11.2021.

Zur Einstimmung:

„Der Aberglaube hat die christliche Kirche von Anfang an verpestet. Die Kirche hat die Magie immer verdammt, aber immer an sie geglaubt“. (Voltaire, 1694 – 1776, „Philosophisches Wörterbuch“, Frankfurt am Main, 1985, S. 48.)

“Um den ersten Segen eines Neupriesters zu erlangen, sollte man sehr weit laufen, man sollte sich dabei sogar die Schuhsohlen kaputt laufen”. Vielfach geäußerte Lebensweisheit frommer Katholiken in Deutschland bis in die Jahre 1960.

In Loreto, in den Marken, Italien, befindet sich der “zweitwichtigste Wallfahrtsort Italiens”. Dort wird das Haus in Nazareth verehrt, in dem Maria, die Mutter Jesu, aufwuchs. Dieses Haus wurde, das ist die offizielle katholische Version,  “von Engeln nach Loreto gebracht”. (vgl. etwa wikipedia, Loreto). 4 Millionen Pilger besuchen dieses Haus Mariens.

„Es wird (in der Kirche) eine eigenwillige Frömmigkeit der Ignoranz rhetorisch stark gemacht, so, als ob Gott tatsächlich irgendwie unmittelbar in den Lauf der Dinge eingriffe… Auch der christliche Gottesbegriff weist Konstruktionsfehler auf“. (Oliver Wintzek, Kathol. Theologe und Privatdozent an der Uni Freiburg, Herder-Korrespondenz 2021, S. 47).

„So will Gott nicht trotz seiner Unbegreiflichkeit, sondern gerade in seiner Unbegreiflichkeit die Seligkeit des Menschen sein“. Karl Rahner SJ, „Über die Verborgenheit Gottes“, Gesammelte Schriften 1975, s. 300).

Siehe auch: “Der Aberglaube im Katholizismus kann tödlich sein”: LINK.

1.
Dieser Beitrag ist „pro-vozierend“, also „heraus-rufend, heraus-fordernd“. Befreiend von einem verfehlten christlichen Denken und Handeln. Der Beitrag will also stören, bei dem bedenkenlosen Gerede in der katholischen Kirche heute, dass Gott und die Heiligen überall je nach Laune wirken und walten, vor allem in der Hierarchie, die über die absolute Interpretationsgewalt zu Gottes Anwesenheit verfügt. Als These zusammengefasst: Der katholische Glaube und die katholische Kirchenpraxis sind auf weiten Gebieten auch heute noch Aberglaube. Und Aberglaube sollte eigentlich nicht das spirituelle Leben der Menschen bestimmen. Ob diese Erkenntnis bei den allseits bekannten katholischen Erstarrungen eine Chance hat, wirksam und verändernd zu sein?

Mit diesem Beitrag wird keineswegs geleugnet, dass der Aberglaube eine viel umfassendere und verheerende Bedeutung etwa in den Kulturen Koreas und Indiens hat. Nur: Leider ist der Aberglauben auch im Christentum immer noch eine Macht, auch im Katholizismus. Und von dem ist hier die Rede. Mag ja sein, dass im Mittelalter und in der frühen Neuzeit der Aberglaube im Katholizismus sehr umfassend und bestimmend war; aber Aberglaube ist in dieser Kirche heute immer nch Realität.

2.

Aberglaube wird hier in einem umfassenden Sinn verstanden. Gedacht ist natürlich nicht an populäre Meinungen und schlichte Irritationen etwa anlässlich des Auftretens schwarzer Katzen oder an das mehrfache Klopfen auf den Tisch, um Böses zu verhindern, vom „Freitag, den 13.“ ganz zu schweigen. Diese Verhalten können eine Art dumme Angewohnheit heute sein, aber sie werden oft wie magische Riten praktiziert. Dabei wissen die Menschen, dass sie sich selbst dabei etwas “vormachen”, dass sie lügen, sich selbst belügen, wenn sie an die Wirksamkeit dieser abergläubischen Praxis glauben. Lüge und Aberglaube sind eng verbunden, das zeigt sich auch in der Auseinandersetzung über Aberglauben im Katholizismus.

3..

Hier wird Aberglaube als weit verbreitete religiöse Haltung und Praxis vieler frommer Katholiken und ihrer Führer verstanden. Dieser Aberglaube wird als der grenzenlose Überschuss an Frömmigkeit und „Spiritualität“ gedeutet, mit dem Ziel, alles religiös, spirituell, „mystische und mythische Ahnbare“ mit dem christlichen Glauben zu verbinden. Etwa das Einsalben der Körper von Menschen und Tieren mit heiligen Ölen als Hilfe bei Krankheit, man denke an das St. Rita-Öl oder an das das heilige Wasser des Marienwallfahrtsortes Lourdes. Oder an die propagierten „Gebetsstürme“ der Fatima-Freunde einst, um im Gebet den Kommunismus zu besiegen. Er wurde ja besiegt, aber sicher nicht von Gebetsstürmen… Oder man denke an den Wahn, irgendwelche kleine Schnipsel des Kreuzes Jesu von Nazareth oder gar von Jesu Vorhaut als Objekte der Verehrung im Besitz einer Kirchengemeinde zu haben.

Die Praxis des Katholizismus war und ist durchsetzt von diesen wahnhaften Vorstellungen, die sich gegen jegliche, der allgemeinen Vernunft zugängliche Argumente sperren. Das Problematische ist, dass fromme Katholiken im Vollzug der genannten „volkstümlichen“ Praktiken meinen, wirklich mit Gott verbunden zu sein bzw. in dem Unendlichen/Ewigen geborgen zu sein. Das kann ja subjektiv so gefühlt werden, warum aber der schwierige Umweg über diese Praktiken, die an Magie erinnern und nichts mit einem reifen, kritisch reflektierten Glauben zu tun haben. Das bekannte Bonmot „Im Himmel ist Jahrmarkt“ passt gut in diesen Zusammenhang. Auf theologisch noch problematischere Formen des katholischen Aberglaubens wird später noch ausführlicher hingewiesen.

4.

Die Kleriker, vor allem die Glaubensbehörden im Vatikan, tun alles, damit diese phantasievollen und oft wahnhaften Überzeugungen und Praktiken beibehalten werden, etwa das Segnen von Autos und Tieren und Handys, schließlich profitieren sie als Kleriker finanziell von diesen Segnungshandlungen. Denn Segnen als feierlichen offiziellen Ritus darf bekanntlich nur der Kleriker…Auch die Überzeugung, dass Maria die Mutter Jesu, selbst unbefleckt empfangen wurde, könnte man in diesen der Vernunft nun schon nicht mehr vermittelbaren Aberglauben einordnen. Schließlich sind ja selbst die Eltern dieser Maria, also Anna und Joachim, erfundene, „mythische“ Gestalten, aber natürlich selbst als erfundene Heilige werden sie sehr verehrt! Die Überzeugung, dass es eine Hierarchie der Engel im Himmel gibt, Cherubim und Seraphim, dass es eine spezielle Vorhölle für ungetaufte Kinder gibt, dass der „liebe Gott“ durch den Mund Jesu den Zölibat der Priester (Männer!) persönlich wünscht. All das wird ein Mensch, der die kritisch reflektierte Vernunft als Maßstab der Lebensorientierung nimmt,  als Aberglauben bezeichnen.

5.

Manchmal wird dieser fromme Wahn des Aberglaubens selbst den Herren im Vatikan zu viel, wenn sie etwa die Idee zurückweisen, Maria die Mutter Jesu von Nazareth, sei durchaus als Mit-Erlöserin zu verehren. Das würde dann doch stark an eine „heidnische“ (?) Muttergottheit erinnern, aber zu viel Weiblichkeit wollen die zölibatären Kleriker ohnehin nicht.

6.

Deutlich ist jedenfalls geworden: Die Hierarchie lässt im großen und ganzen diesen wild wuchernden Glauben, den katholischen Aberglauben, zu, weil man die so genannten „einfachen Gläubigen“ in ihrer „Volksreligion“ nicht kritisch bilden will und kann. Sowie: Weil der Klerus davon auch finanziell  profitiert – siehe das Geschäft mit den und in den Wallfahrten, den „Wunderorten“!

Oder man denke daran, dass Katholiken immer noch und weltweit – auch in Deutschland – für 5 oder 10 Euro eine Messe beim Priester „bestellen“ können, der dann im Anliegen des Geldgebers die Messe feiert und speziell etwa für einen bestimmten Verstorbenen betet (dass dieser doch alsbald aus dem Fegefeuer entlassen wird…) Man nennt diesen Handel üblicherweise „Messstipendien“ für Priester. Die Gelder, die der Priester entgegennimmt, sollten in Deutschland der Gemeinde, nicht der Person des Priesters, zugutekommen. Das betont auch eine Information der Benediktinerabtei Münsterschwarzach, der Abtei, in der der erfolgreiche Vielschreiber Pater Anselm Grün wirkt. LINK https://www.abtei-muensterschwarzach.de/beten/messstipendien

Die Benediktiner verlangen nur 5 Euro pro bestellte Messe. Die sehr wohlhabenden Ordensleute von den „Legionären Christi“ verlangen unbescheiden 10 Euro, so heißt es auf ihrer Website. Sie empfiehlt auch die „Gregorianische Messe“, diese wird von den „Legionären“ 10mal gelesen, kostet bei ihnen allerdings 350 Euro. (https://www.messintentionen.de/messe/unterstuetzen-sie-uns-mit-einem-mess-stipendium.html)

Aber abgesehen vom finanziellen Handel: Nicht nachvollziehbar ist die Vorstellung, dass ein Priester, der die Messe (Eucharistie) liest/feiert, mit diesem seinen Kultus Gott im Himmel bewegen könnte, doch etwas Besonderes für die Seele etwa des Herrn Fritz Schulz (im Fegefeuer) zu tun. Welches infantile Gottesbild wird da noch am Leben erhalten?

Man sieht: Wenn man einmal anfängt, sonderbare und heute schrullig wirkende, unvernünftige Überzeugungen und Praktiken im Katholizismus aufzulisten, kommt man mit diesen Formen eines katholischen Aberglaubens an kein Ende.

Es herrscht diese diffuse, schwammige Mischung auch im heutigen Katholizismus, diese Mischung von etwas Progressivem, von etwas religiös Seriösem, auch ursprünglich Jesuanischem, „Evangelischem“ UND eben diese Anwesenheit von vielem Abstrusen, Konstruiertem, Neurotischem, Krankhaften und Abergläubischen.

7.

In dieser Kritik am Aberglauben im Katholizismus hat man sogar ein wenig auch die offizielle Kirchenlehre auf seiner Seite. In einer allgemein gehaltenen Formulierung des offiziellen katholischen Katechismus (von 1993) lehren sogar die Herren im Vatikan: „Der Aberglaube ist gewissermaßen ein abartiges Zuviel an Religiosität“ (§ 2110).

8.

Dieses „Zuviel an katholischer Religiosität“ wird in diesem Beitrag nur in einigen Umrissen untersucht. Das Kriterium, das Aberglauben von einem reifen, kritischen religiösen Glauben unterscheidet, kann nicht aus den Glaubenslehren selbst stammen! Dies sind in sich zu verwirrend. Das Kriterium kann nur die allgemeine selbstkritische Vernunft sein und die von ihr als universal einsichtig formulierten Menschenrechte. Dabei spielt auch ein vernünftiger Bezug des Menschen zu einer transzendenten Wirklichkeit eine Rolle!

9.

Das Thema ist alles andere als eine intellektuelle Spielerei oder bloß eine Spezialfrage für Theologen oder Philosophen. Denn die Bedeutung des Aberglaubens für die seelische Gesundheit eines sich religiös nennenden Menschen ist offensichtlich. Wer in wichtigen Fragen seiner Lebensphilosophie (z.B. auch „Glauben“ genannt) beginnt, spinös zu werden, zerstört langfristig sein klares, argumentierendes, selbstkritisches Denken. Auch Demokratie kann nur (über)leben, wenn es möglichst wenig politischen-ideologischen-religiösen Aberglauben gibt, siehe jetzt den Wahn der Verschwörungstheoretiker angesichts der Corona-Epidemie oder den Reinkarnationsglauben etwa in Anthroposophen-Kreisen als Abwehr gegen die Corona-Impfung. Im katholischen Bereich denke man an die gewaltsamen Attacken von Marien-Fans gegen den Film „Je vous salue Marie“ in den Pariser Kinos oder die gewaltsamen Attacken derer, die PRO LIFE als Verbot jeglichen Schwangerschaftsabbruches verstehen und deswegen Abtreibungs-Klinken und Ärzte in den USA oder Polen schikanieren.

10..

Der Philosoph Voltaire hat in seinem „Philosophischen Wörterbuch“ klar gesagt: „Der Abergläubische wird vom Fanatiker beherrscht und wird selbst zum Fanatiker. Kurz, je weniger Aberglaube, desto weniger Fanatismus, und je weniger Fanatismus, desto weniger Unheil“ (Voltaire, Philosophisches Wörterbuch, Frankfurt am Main, 1985, S.48 und 51).  Es sind also bereits Fanatiker, auch religiöse Führer, Kleriker und fundamentalistische Katholiken, die ihren eigenen Aberglauben anderen aufdrängen, das sagt Voltaire! Im Zusammenhang des sexuellen Missbrauchs durch Priester wurde vielfach deren propagierte abergläubische Theologie freigelegt…Etwa so: Ein Engel soll es dem pädophilen Ordensgründer der Legionäre Christi, Marcial Maciel, befohlen haben, dass ein Knabe ihn sexuell im Kloster befriedigt, angeblich sollte so Maciels Krankheit geheilt werden…, das redete der Chef des Ordens der Legionäre Christi den Knaben, ein, die er nachts in sein Bett lockte…So berichten die Opfer… Zum sexuellen Missbrauch durch Priester: LINK

11.

Hier geht es um den Aberglauben in der katholischen Kirche heute. Und selbstverständlich müsste das Thema auch in den evangelikalen Kirchen und Pfingstgemeinden diskutiert werden, selbstverständlich auch in allen orthodoxen Kirchen oder auch in allen anderen Religionen und Ideologien und Weltanschauungen. Vor allem ist niemand und keine Organisation geschützt, in Aberglauben zu versinken. Und Psychologen müssten untersuchen, ob Aberglauben irgendwie zur strukturell bedingten seelischen Verführbarkeit „des“ Menschen gehört. Ein weites Feld…

12.

Um noch einmal auf den offiziellen katholischen Katechismus (1993 im Vatikan in sehr vielen Sprachen erschienen) zurückzukommen: Er spricht anlässlich der Bestimmungen zum „Ersten Gebot“ merkwürdigerweise nur sehr allgemein von „dem“ Aberglauben , und dieser wird in einem Atemzug mit dem „Unglauben“ bzw. dem Atheismus verbunden. „Das erste Gebot („Du sollst neben mir keine anderen Götter haben“) untersagt Aberglauben und Unglauben“… „Der Aberglaube ist gewissermaßen ein abartiges Zuviel an Religiosität“ (§ 2110).

Damit wird überraschend eine interessante Perspektive eröffnet. Denn von einem „Zuviel“ an Religiosität kann im Katholizismus damals wie heute die Rede sein. Man denke, wie schon angedeutet, an die Wallfahrten und Gelübde, den Kult mit den Heiligen; man denke an die besondere, oft neurotische Verehrung, („Hochwürden“, „Exzellenz“, „Heiliger Vater“…), die immer noch Priester und Ordensleute als „besondere Katholiken“ „genießen“; man denke die überschwänglichen und jeder Vernunft entbehrenden Lieder zu Ehren Marias der „Gottesmutter“, die offiziell üblichen Segnungen von Autos und Tieren und Handys (aber nicht von Homosexuellen) usw.

Aber dieser maßlose Überschwang, der zum Aberglauben führt, wird im Katechismus selbst nicht ausführlicher thematisiert. Kardinal Ratzinger, damals als Glaubens-Behörden-Chef oberster Verantwortlicher für dieses Buch, in der deutschen Ausgabe mit 816 Seiten, ahnte wohl, dass es diplomatisch klüger ist, nicht zu konkret die Irrwege des Aberglaubens im heutigen Katholizismus zu beschreiben. Immerhin: In § 2111 wird Aberglauben „als Entgleisung verstanden, als Entgleisung des religiösen Empfindens und der Handlungen. Aberglaube kann sich auch in die Verehrung einschleichen, die wir dem „wahren Gott“ erweisen. Im Katechismus heißt es weiter: „So wenn z.B. bestimmten, berechtigten oder notwendigen Handlungen eine magische Bedeutung beigemessen wird“. Auch das bloß äußerliche Verrichten von Gebeten ohne „innere Haltungen“ wird im Katechismus Aberglaube genannt. Aber wie gesagt, all dies wird nicht weiter vertieft und mit Beispielen belegt. Ob im Katechismus bei den „bei dem bloß äußerlichen Verrichten von Gebeten“ etwa auch an den beliebten „Rosenkranz“ gedacht ist, den man/frau bekanntlich wie im Dämmerzustand herunterplappern kann? Aber vielleicht ist gerade dieses Dämmern im Religiösen heilsam und genauso viel wert wie die „esoterische Musik zur Entspannung?

13.

Bei der Dokumentation des umfassend praktizierten Aberglaubens im Katholizismus sollt man selbstverständlich auch vom Ablass sprechen, den der Katechismus immer noch verteidigt (§ 1471)! Oder vom Bittgebet (§ 2629ff.). Aber beides wird leider im Katechismus nicht mit Aberglauben in Verbindung gebracht. Und das ist theologisch falsch!

14..

Eher zufällig ein Beispiel aus der Fülle der Möglichkeiten, um Aberglauben förmlich als universale Dimension im Katholizismus zu belegen: Da laden z.B. der evangelische und der katholische Bischof von Berlin zu einem ökumenischen Gottesdienst ein – anlässlich der konstituierenden Sitzung des Berliner Abgeordneten-Hauses am 4.November 2021: Sie sprechen dabei, wie selbstverständlich, als ob man vom Wetter redetet, von Gott, dem Herrn, und er wird ausdrücklich wie ein zuhörender Teilnehmer angesprochen und gebeten, den Abgeordneten beizustehen: „Schenke ihnen Kraft, Mut und gute Ideen für das Gemeinwohl, und stärke sie, sich für eine Kultur des Miteinanders einzusetzen.“

Man stelle sich das vor: Gott als Gott wird als ein personaler Himmelsherr gedacht, der – wie ein Übermensch – „Kraft, Mut und gute Ideen schenken“ kann. Dieser Gott wird von den Herren der Kirche gar nicht weiter erklärt, zumal in dieser Stadt Berlin, in der bekanntlich sehr viele säkulare Menschen (und sich säkular verstehende PolitikerInnen) leben. Dieser allzu menschlich erscheinende und aktuell verfügbare Gott soll also in seiner willkürlichen Freiheit in den Geist der Abgeordneten „Kraft, Mut und gute Ideen“ einfügen. Ein Geschehen, das an die klassischen Erklärungen der „unbefleckten Empfängnis“ Jesu erinnern. Der Heilige Geist soll nach alter Lehre durch ein Ohr (!) Mariens irgendwie mysteriös in Mariens Leib geraten sein. Man vergleiche dazu den Beitrag im katholischen Pressedienst CNA aus den USA am 25.3.2021: Quelle: https://de.catholicnewsagency.com/article/empfaengnis-durch-durch-das-ohr-1292

15.

Auch das populäre Bittgebet sollte viel ausführlicher als Form des Aberglaubens, im angedeuteten “weiten Sinne“, diskutiert werden. Wenn Christen glauben: Gott ist Person, mit leicht relativierenden Anführungszeichen oder auch nicht gemeint, dann betonen sie: Der Glaubende könne diese göttliche Person direkt ansprechen. Und viele meinen sogar, in einen Dialog mit Gott eintreten zu können und fürs eigene Wohlergehen um Gottes hilfreiches Eingreifen bitten. An den leidenden Nächsten wird dabei oft nicht gedacht, hier hat das Ego alle religiöse Bedeutung.

Ich weiß, die reflektierte und kritische Theologie in Europa hält inzwischen nicht mehr viel von dem fordernden Bittgebet der Frommen, die mit Gott wie mit einem Kumpel auf Du stehen. Tatsache aber ist, dass die populäre und manchmal gedankenlose Gebets-Praxis immer noch üblich ist. Zeigt sich darin etwa, dass „der“ Mensch unheilbar naiv-religiös ist?

16..

Ein weiteres, eher zufällig aus vielen anderen Beispielen gefundenes Exempel: Eine Äußerung von Pater Klaus Mertes SJ im Kölner DOM-Radio: „Ich nenne ein Beispiel: Eine Freundin, die nicht glaubt, ruft mich an und fragt mich: Kannst du bitte für mich beten? Ich bin an Krebs erkrankt, ich kann selbst nicht beten. Auf diese Frage kann ich ja nur mit “ja” antworten, wenn ich tatsächlich glaube, dass es so etwas wie eine Stellvertretung anderer vor Gott geben kann“ (Quelle:  Interview im Dom-Radio 26.10.21).

Was folgt daraus: Der Fromme kann also aufgrund seiner Qualität der Gottes-Verbundenheit seine Beziehungen mit Gott sozusagen spielen lassen und für eine offenbar atheistische Freundin eintreten: Das ist nur eine Art Rechnerei innerhalb der göttlichen Welt. Der “Stellvertreter“, der Fromme, wird’s schon richten… Wie weit dürfen theologische „Spekulationen“ eigentlich gehen, wäre die Frage.

17.

Es wird also zu Beginn des 21. Jahrhundert  noch eine katholische Religion praktiziert, die niemals auf Wunder verzichten kann und Unmögliches für möglich hält und dieses dann als Religion verkauft! Wer sich etwa mit dem weltbekannten Marienwallfahrtsort Lourdes in Frankreich befasst, wird dort im Jahr 1858 mit dem angeblichen Auftreten Marias, der Mutter Jesu von Nazareth, konfrontiert. Sie ist vom 11. 2. bis zum 16. 7.1858 in dem französischen Dorf höchstpersönlich in Gestalt einer weiß gekleideten Frau 18mal „erschienen“ und hat dem Kinde, dem „Seher-Kind“, der 14 Jahre jungen Bernadette Soubirous, (1844-1879), auf Französisch gesagt: „Ich bin die Unbefleckte Empfängnis“. Maria selbst also befahl nicht in ihrer Muttersprache Aramäisch, sondern auf Französisch, Buße zu tun, eine Kapelle am Ort ihres Auftretens zu errichten (mit Blick auf späteren Wallfahrer-Tourismus) und „dass man in Prozessionen hierher kommen solle“. Und diesem „Ereignis“ als Wunder gedeutet, glauben viele Millionen Menschen bis heute: Es ist eine mysteriöse Traumwelt, die da mit dem Glauben an eine göttliche Wirklichkeit  verwechselt wird. Ähnliches spielte sich in Fatima (Portugal) oder La Salette (Frankreich) und an vielen Orten ab. Und viele sind bis heute entzückt. Sie lieben die „Romantik“ solcher Orte, lieben die Anwesenheit des Wunderbaren, des mysteriös Überweltlichen. Mag ja sein, dass dieser Marien-Glaube als ein erfreulicher, heilsamer Zustand wahrgenommen wird! Aber: Ist er nicht eher das Opium des Volkes? Das „Rauschmittel“, das auch Papst Franziskus gern verabreicht, wenn er selbst besonders „Maria als Knotenlöserin“ verehrt, ein Marienbild, das er einst aus Augsburg in seine argentinischen Heimat erfolgreich „importierte“.

Noch ein Detail zu Lourdes: Maria also erscheint persönlich, spricht Französisch und zeigt sich als himmlische Unterstützerin des gerade ganz frisch verkündeten Dogmas von der Unbefleckten Empfängnis Maris, das Papst Pius IX, am 8. Dezember 1854 verordnete. Welch ein göttlicher Zufall!. Himmlische Unterstützung für ein umstrittenes Dogma! In jedem Fall hat Maria persönlich dem bescheidenen Dorf Lourdes eine große religiös-touristische Karriere bereitet.  Zum Marien/Mutter-Gottes-Kult in den absonderlichen Marienliedern siehe diesen LINK

Man denke an viele weitere Beispiele etwa der Heiligenverehrung, etwa an die absurde, aber auch von Papst Franziskus direkt unterstützte Verehrung des heiliggesprochenen angeblich stigmatisierten Kapuziner- Paters Pio, den viele Kenner für einen Scharlatan halten, zum Pater PIO Kult siehe: LINK.

Man denke darn, dass die wie eine Heilige verehrte Stigmatisierte, in Frankreich äußerst populäre Marthe Robin mit ihren “Foyers de Charite”, 2019 von einem Mystik-Forscher als Betrügerin entlart wurde: LINK.

18.

Es muss mit allem Nachdruck darauf hingewiesen werden, dass 500 Jahre nach Luthers Kritik der Ablass in der katholischen Kirche offiziell noch praktiziert und auch Papst Franziskus empfohlen wird. Er spricht häufig von der Wirkkraft des Teufels. Und es ist bekannt, dass in Italien, Frankreich, Spanien usw. selbstverständlich die Exorzisten-Priester alle Hände voll zu tun haben. Der Exorzist ist ein offiziell angestellter Spezialist in vielen Bistümern, Exorzisten werden ausdrücklich in offiziellen Publikationen mit Telefon Nr. etc. erwähnt. Der Glaube an den Teufel ist also nicht „totzukriegen“, und er scheint akzeptiert zu sein von den offiziellen Herren der Kirche. Papst Franziskus spricht oft von der Macht des Teufels!  Fortbildungen der Exorzisten veranstaltet regelmäßig ausgerechnet die Universität der „Legionäre Christi“ in Rom, vielleicht wollen diese Herren sich dadurch auch vom Ungeist ihres verbrecherischen Ordens-Gründers Pater Marcial Maciel befreien. Nur ein Beispielfür die Aktivitäten von Exorzisten, etwa in der Erzdiozese Paris, über die website gut erreichbar:https://www.paris.catholique.fr/service-de-l-exorcisme.html. In Italien gibt es einen wahren “Boom” an Exorzisten: “Die vom Vatikan anerkannte Internatioanle Vereinigung der Exorzisten schätzt, dass allein in Italien die Dienstleistungen dieser speziell ausgebildeten Priester – der Exorzisten – rund eine halbe Million po Jahr in Anspruch genommen werden, die Tendenz ist seit Jahren steigend” so Dominik Straub, Der Tagesspiegel, 10.12. 2021, Seite 36.

19.

Eine absolut geltende zentrale Gottesvorstellung des Katholizismus hat sich spätestens seit dem 3. Jahrhundert durchgesetzt. Diese Gottesvorstellung ist religionsphilosophisch und kritisch theologisch naiv bzw. abergläubisch zu bewerten. Sie ist eine Ursache, dass immer mehr Christen die Kommunikationsgemeinschaft einer Gemeinde verlassen. Sie wollen spirituell leben und glauben, ohne dabei auf die kritische Vernunft zu verzichten. Was ist diese uralte, für heilig und unantastbar gehaltene offizielle Gottesvorstellung der Kirche? Der Gott der Christen wird oft wie eine menschliche Person gedacht und verkündet und in Gebeten und Liedern auch wie eine greifbare und verfügbare Person verehrt. Göttliche Person besonderer Art wird in der alten Glaubenslehre Jesus von Nazareth genannt, der als wahrer Gott und wahrer Mensch verehrt werden soll. Jesus von Nazareth „ist“ also auch „wahrer Gott“…Ein religionsphilosophisch und kritisch-theologische nicht akzeptabler Gedanke. Die Alten mussten bekanntlich bei ihren theologischen Prämissen Jesus von Nazareth zum Gott erklären, um ihre eigene verschrobene Erlösungslehre plausibel machen zu können: „Nur ein Gott zugleich als Mensch kann die von Erbsünde zerstörte Menschheit retten…“ Diese „Theologie“ kann man getrost beiseite lassen, sie sollte als Aberglaube bewertet werden, der nicht ohne die Konstruktion einer Erbsünde auskommt….Jesus ist im Bild, als Metapher gesprochen, „Gottes Sohn“, aber nur, so wie alle anderen (!) Menschen ebenfalls sich als Söhne und Töchter Gottes betrachten können.

Bekanntlich wird in der göttlichen Trinität sehr missverständlich von drei Personen gesprochen. Dieser Gott als Person gedacht und verehrt kann also je nach persönlicher Laune ins Weltgeschehen eingreifen, ER kann z.B. den Seuchen ein Ende setzen oder den Feind („die anderen“) im Krieg besiegen. Wenn ER dies nicht wunschgemäß tut, sind die Menschen böse und verzweifelt. Trotzdem glaubt man: ER wirkt Wunder, wann und wo immer Er es will.  Die Frommen flehen ihn an, ER erhört sie oder auch nicht, ER fördert in seinen angeblich heiligen Texten die Angst vor dem Weltenende usw. „Es ist der launische Fatalismus der antiken Gottheiten“, der sich da noch am Leben erhält“, schreibt der Historiker Vito Fumagalli („Wenn der Himmel sich verdunkelt“, Berlin, 1988, S. 16).

20.

Unser Thema „Aberglauben in der katholischen Kirche“ berührt also das Zentrum biblischer Gottesvorstellungen und Gottesbilder: Im Mittelpunkt steht dabei, tausendmal in der Bibel beschrieben, die Vorstellung: Gott schließt einen Bund mit den Menschen, ER wird also in diesem Bund persönlich präsent als greifbarer Bundespartner; er tritt nahe, erhält individuelle Züge, ER spricht und flucht und straft, ER lässt verlauten und offenbart sich verbal. Die Zurückhaltung Gottes in den uralten Geschichten und Erzählungen gegenüber seinem “Profil“ ist bekannt: Etwa Gottes Selbstbezeichnung: „Ich bin der ich bin“. Aber die Frommen konnten sich damit nicht begnügen und hängten Gott alle möglichen „persönlichen“ Eigenschaften an.

Das also ist die Herausforderung: An dieser Gottesvorstellung des allzu menschlichen und bildreichen BUNDES-Gottes muss Kritik geübt werden, um eines reflektierten Glaubens willen…Und um die Menschen vor Verirrungen und Wahnvorstellungen zu bewahren. Die Befreiung von einem allzu menschlichen Gottesbild ist freilich für viele noch ein Skandal, die in Gebeten und Liedern und Kult-Bildern (Ikonen) den greifbaren Gott, „ihren“ zurechtgemachten Gott über alles lieben. Da blüht die Phantasie, die romantische Vorstellung, so bezaubernd in dieser Zeit der rationalen Kühle und menschlichen Kälte. Ist dann dieses Opium „Aberglaube“ eine beruhigende Wohltat, wenigstens für die kurze Zeit religiöser Verzückungen?

21.

Worauf läuft dieser religionskritische Hinweis hinaus?

Das Bild des irgendwie willkürlich und launisch handelnden und immer ansprechbaren Gottes sollte einem reifen, reflektierten Gottesbild Platz machen, das sich der Mystik und Philosophie verdankt.   Nur so kann der Aberglaube überwunden werden, falls die Frommen und die Hierarchie dies überhaupt wünschen!

Ein interessantes historisches Beispiel: Ende des 18. Jahrhunderts war es dem Klerus in Tarbes, Südfrankreich, sogar gelungen, die Gläubigen von einem Aberglauben zu befreien: Bei Gewitter verlangten sie, dass der Pfarrer die Glocken läute: „Das Volk erwartete vom Ritual des Läutens als einer Beschwörung eine unmittelbare Wirkung…Bei einem Misserfolg (also Blitzeinschlag und Hagel) nimmt die Gemeinde gegen ihren Pfarrer  eine aggressive Haltung ein, weil er kein Hagelvertreiber ist“. (zit. in „Der Mensch der Aufklärung“, Beitrag „Der Priester“, Fischer Taschenbuch 1998, S. 316f.) Der Priester führte dann den Blitzableiter ein, den Benjamin Franklin erfunden hatte …und das Glockenläuten bei Gewitter erschien eher albern und überflüssig. Wer baut weitere „Blitzableiter“ gegen den herrschenden Aberglauben?

22.

Gott oder das Göttliche wahrnehmen als den tragenden, freundlichen Sinn des Lebens und der Welt: Das ist religiös gesehen eigentlich alles, was geübt, gelehrt, besprochen, gefeiert werde sollte. Diesen Gott bzw. Göttlichen können Menschen nicht manipulieren, sie können ihn NUR berühren, ihn also NICHT und niemals umgreifen und definieren. Die ganze Last der Theologie, die sich dreht und windet hinsichtlich der Frage, wo und wie und warum handelt Gott, entfällt also. Eine Ernüchterung wird geltend, eine Befreiung von der Lst der Dogmen, die der Klerus im Laufe der Jahrhunderte aufgehäuft hat – als Last für die Glaubenden.

Christlich (auch katholisch) Glauben heißt dann: Inmitten eines erhofften und gelegentlich erlebten Sinn-Grundes als Menschen einfach „da sein“ zu dürfen mit anderen, die auch nichts anderes verlangen als das, was man selbst auch für zentral hält: Die Nächsten – und Selbst-Liebe, Gerechtigkeit und Friede. Daraus folgen politische, ökonomische und ökologische Forderungen, nach Gerechtigkeit und Frieden. Glauben wird in dem Sinne einfach, im guten Sinn reduziert auf einige elementare Erkenntnisse und Imperative.

23.

Noch einmal: Der authentische christliche Glaube sollte sich auf die einfache Lehre Jesu von Nazareth beziehen UND genauso deutlich auf die Verwirklichung der Menschenrechte: Also Gottesliebe und Nächsten/Fernsten-Liebe sowie die Selbstliebe sind im Sinne des Propheten Jesus als Einheit zu verstehen. Dabei muss zur Vertiefung von der Religions-Philosophie und der Mystik gesprochen werden, etwa von Meister Eckart oder Johannes vom Kreuz, die wissen: Gott ist unergründliches, aber vom Menschen kaum berührbares Geheimnis. Der große katholische Theologe Karl Rahner hat in dem eingangs genannten Aufsatz „Über die Verborgenheit Gottes“ geschrieben: „Da ursprüngliche Erkennen Gottes ist das Angerufensein von dem, was keinen Namen mehr hat; das Sich-Einlassen auf, was nicht bewältigt wird; das Sagen des Namenlosen, über das sich nicht klar reden lässt, der letzte Augenblick vor dem Verstummen, der notwendig ist, um das Schweigen zu hören und Gott liebend anzubeten“ (S. 297). Dieses Geborgensein in einem tragenden Lebenssinn braucht keine Wunder, keine besonderen göttlichen Eingriffe, keine egoistischen Wünsche zur Gebetserhörung: Der Mensch ist in einer im Göttlichem gründenden Welt, dem unfassbaren SINN, geborgen, von einem Gott, der ewiger schöpferischer Geist ist. Wer inhaltlich mehr behauptet und entwickelt, gelangt wieder schnell … in den Aberglauben.

24.

Ausblick

Hier konnten nur einige Lehren und Praktiken der katholischen Kirche als Aberglauben genannt werden, sozusagen als Impuls für eine Fortsetzung der religionskritischen Forschung, weiter zu fragen: Etwa: Inwiefern ist die Institutionalisierung des katholischen Glaubens als einer hierarchischen Männer- Kirche und deren Eingliederung in die politischen Systeme der Herrschaft seit dem 4. Jahrhundert verantwortlich für die Ausbildung des christlichen Glaubens zu einem zum Teil abergläubischen Dogmen-System? Dies geschah sicher auch mit Rücksichtnahme auf vorhandenen volkstümlichen Überzeugungen, derer, die da bekehrt werden mussten.

Weitere Strukturen der dogmatischen Lehre des Katholizismus müssten untersucht werden:

Das ungebrochene Festhalten der heutigen Hierarchie an einer fundamentalistischer Bibeldeutung: Dies betrifft die skandalöse Abwehr von Frauen im Priesteramt.

Dies betrifft vor allem das Papsttum selbst, verbunden mit der Arroganz der jeweils herrschenden Päpste, selbst die miserabelsten Verbrecher auf dem Papst-Thron (mit den vielen Gegenpäpsten etc.) noch als Teilhaber an der „apostolische Sukzession“ zu verstehen. Man lese dazu die Studie des katholischen Theologen Hermann Baum, „Die Verfremdung Jesu“, Patmos Verlag Düsseldorf, 2006, etwa das Kapitel „Die Kirche der Kaiser“, S. 130 ff.  Auch Papst Franziskus reiht sich ein – offenbar ohne Probleme – in diese große Gruppe „apostolischer“, aber verbrecherischer Päpste…Man muss dabei nicht nur an Papst Alexander VI. denken oder Leo X., sondern etwa ans 10. Jahrhundert, wie Hermann Baum schreibt: “Intrigen (unter den Päpsten und den Adelsfamilien) enden mit Totschlag und Mord. Und in diese Gräuel und Untaten sind die Päpste engstens verwickelt, als Opfer und Täter“, S. 135.

Diese ganze ,immer auch politische – ökonomische Papst-Geschichte beruht einzig auf einem fundamentalistischen, also wort-wörtlichem Verstehen eines erst viele Jahre nach Jesu Tod konstruierten Wortes Jesu von Nazareth an einen Fischer und Apostel namens Petrus:  „Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen“. (Matthäus, 16. Kap., Vers 18)

Dabei wissen kritische Exegeten heute, dass Jesus von Nazareth – zu Lebzeiten, wann denn sonst?  – nicht im entferntesten an eine Kirchengründung dachte. Jesus war absolut eingestimmt auf ein baldiges Ende der Welt. Es war die frühe Gemeinde der Petrus-Freunde, die Jesus dieses Wort an den Fischer Petrus in den Mund legte. Aber diese Erkenntnis wird von den sich zu Herren der Kirche erklärenden Klerikern ignoriert, schließlich wollen nur sie allein authentisch die Bibel deuten. Und diesen Machtanspruch halten allerdings jetzt einige Katholiken für erlogen und konstruiert.

Auch der Anspruch der Päpste, Nachfolger des armen Fischers Petrus zu sein, ist schlicht und einfach Aberglaube. Peinlich ist der offizielle Hymnus, der in Mexiko 2012 allerorten gesungen wurde, als Papst Benedikt XVI. das Land besuchte. Man weiß nicht. Wird da Christus als Heilsbringer gerühmt oder der Papst? LINK.

Weiter wäre zu sprechen von der Lüge der „Konstantinischen Schenkung“: Gemeint ist die von Päpsten seit dem 8. Jahrhundert verbreitete Behauptung, Kaiser Konstantin hätte den Päpsten weltliche Macht übergeben und ihnen auch den so genannten Kirchenstatt geschenkt. Diesen Wahn der Päpste, einen eigenen Staat beanspruchen zu dürfen, hat der Philosoph Lorenzo Valla schon im Jahr 1440 wissenschaftlich korrekt beschrieben und als LÜGE der Päpste dargestellt. (siehe etwa in kurzer Form: Thomas Sören Hoffmann, Philosophie in Italien, dort das Kapitel über Lorenzo Valla, bes. S. 219). Selbstverständlich wurde gegen Lorenzo Valla ein Inquisitionsprozess eingeleitet. Auch durch Vermittlung des Kardinals Nikolaus von Kues konnte Valla die Inquisition überleben, er ist 1457 eines natürlichen Todes gestorben. Aber an das Recht, einen eigenen, wenn auch jetzt winzigen, aber einflussreichen Staat haben zu dürfen, glauben die Päpste und mit ihnen die Katholiken bis heute.

Nur aufgrund der Lüge der Konstantinischen Schenkung, also wegen des Vatikanstaates, ist der Nachfolger des Fischers Petrus bis heute sowohl Staatschef UND spiritueller Führer. Ein Staatschef freilich, dessen Regime Politologen übereinstimmend als eine „absolute Monarchie“ bezeichnen. Und die Päpste sind stolz darauf, KEINE demokratische Kirche zu leiten und NICHT die „UN-Menschenrechts-Charta“ unterzeichnet zu haben. Der Grund: „Der Vatikan-Staat ist kein normaler Staat und auch nicht Mitglied der Vereinten Nationen. Und er bezieht sich auf eine grundsätzlich andere, von Gott her definierte Rechtsgrundlage. So gelten im kleinen vatikanischem Staatsgebiet bis heute auch weder die Religionsfreiheit noch die Rechte-Gleichheit von Mann und Frau“. (Das schreibt unverblümt eine offizielle katholische Quelle: https://www.katholisch.de/artikel/19912-warum-die-kirche-gegen-die-menschenrechtserklaerung-war), gelesen am 28.11.2021.

Das ist nun ein Beweis für den herrschenden Aberglauben im Katholizismus: Die Herren der Kirche behaupten explizit: Gott selbst habe die Rechtsgrundlage für diese Kirche geschaffen…Bei einem solchen Denken steht die Kirche den religiösen Fundamentalisten im Islam, Judentum, Hinduismus usw. sehr nahe.

Zur Formel “Hokus Pokus” siehe: LINK

 Vorläufiges Schlusswort: „Der Schlaf der Vernunft zeugt Ungeheuer“ (Francisco Goya, 1797).

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

 

 

 

Ein Befreiungstheologe spricht wie ein Mystiker: Pater Gerhard Pöter, El Salvador.

Ein Befreiungstheologe spricht wie ein Mystiker: Pater Gerhard Pöter, El Salvador.

Ein Hinweis von Christian Modehn am 26.11.2021

Befreiungstheologen sprechen eine vielfältige Sprache, sie haben selbstverständlich auch Einsichten, die üblicherweise eher religionsphilosophisch oder mystisch genannt werden. Dazu ein Zitat aus einem Vortrag, den der Dominikanerpater Gerhard Pöter (1939-2019) etwa im Jahr 2000 in Graz gehalten hat zum Thema „Von Gott reden im Angesicht des Götzen `Freier Markt“.  Dass die Kritik Gerhard Pöters am Götzen “freier Markt” hier nicht weiter zitiert wird, ist einfach den Pressegesetzen des kurzen Zitates geschuldet. Aber der ganze Beitrag von Gerhard Pöter kann nachgelesen werden, siehe unten.

Die Zeitschrift des Dominikanerordens „Wort und Antwort“ (die Redaktion ist in Berlin) hat 2019 den Vortrag von Gerhard Pöter publiziert. Er lebte viele Jahre im zentralamerikanischen Staat El Salvador, er war dort eng mit den Gemeinden der Armen und vom Militär Verfolgten verbunden, zahlreiche Sozialprojekte zugunsten der Armen hat er dort geschaffen. Er hatte einen großen Freundeskreis in Deuschland. Weitere Informationen zum Leben Gerhard Pöters: LINK:

Der Auszug aus Gerhard Pöters Vortrag:

„Wie von Gott reden, ohne in die Netze einer unterdrückenden, ausbeutenden und manipulierenden Gesellschaft zu geraten, die nur das Reden eines angepassten Götzen zulässt? Wie Gott hören, ohne dass der Filter des Fernsehens maßgebend wird, durch den nichts hindurch fallen darf, was nicht zum Nutzen der Reichen und Mächtigen ist, nichts, was nicht mit dem heute angeblich einzig möglichen Denken harmonisiert?

Mir scheint notwendig zu sein, uns daran zu erinnern, dass Gott transzendent ist, immer weit hinaus über all unser Denken, Fühlen und Handeln, immer jenseits aller menschlichen Realisationen von Wahrheit, Schönheit und Gerechtigkeit. Den transzendenten Gott können wir niemals besitzen, wir können über ihn keine Aussagen machen, die absolut gewiss sind. Den Gott, wie er in der besten Tradition erscheint, können wir nur suchen, ersehnen, ständig aufs Neue ihm entgegengehen, uns von ihm überraschen lassen. Ein Gott, der nicht mehr überrascht, ist ein perfekt eingepasster Götze.
Spirituelles Leben, Gebet bedeutet in dieser Linie nicht nur Sprechen, sondern mehr noch Hören, auch und besonders denen zuzuhören, die dessen gemeinhin nicht für würdig gehalten werden. Als Christen suchen wir nach Gott im Hören auf die Armen und Verlassenen und in permanenter Auseinandersetzung mit der jüdisch-christlichen Tradition. In ihr finden wir den Kampf der Propheten und Jesu gegen die Götzen, gegen die Schein-Götter, im Falle Jesu vor allem gegen die religiösen. Ein Götze ist etwas, was wir Menschen selber produziert haben, vor dem wir später aber auf den Knien liegen. Es scheint so, als gäbe es keine andere Wahl, als uns dem selbstgemachten Gott zu unterwerfen.“  (Seite 176).

Das Heft 4/2019 von „Wort und Antwort“ über die Befreiungstheologie wird, wie viele andere Hefte dieser Zeitschrift, im Internet in voller Länge gratis präsentiert! Dafür gebührt der Redaktion höchste Anerkennung. Welche katholische Kulturzeitschrift ist denn sonst so großzügig? „Diese Zeitschriften denken doch auch bloß ans Geld“, könnte man meinen. Danke also „Wort und Antwort“.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

„Unsere Kirche ist ein Ort schwerer Verbrechen“: Die katholischen Bischöfe in Frankreich finden zur Vernunft und zu etwas Mitgefühl.

Ein Hinweis von Christian Modehn am 10.11. 2021.

1. Sie haben doch noch „die Kurve geschafft“, die katholischen Bischöfe in Frankreich: Das heißt: Sie haben die traditionelle und Jahrzehnte übliche Verleugnung und Vertuschung der Tatsachen aufgegeben, der Tatsachen, dass es in ihrer französischen Kirche nachweislich und bewiesen seit 1950 etwa 300.000 Opfer von sexuellem Missbrauch durch Priester und Ordensleute gibt bzw. gegeben hat. Vom 2. bis zum 8. November 2021 trafen sich alle französischen Bischöfe im Marienwallfahrtsort Lourdes, am letzten Sitzungstag hat die Bischofskonferenz hoch offiziell sehr Erstaunliches erklärt. Man kann dies – verglichen mit den Bischofskonferenzen anderer Länder – als kleinen Sieg der Vernunft und des Mitgefühls deuten.

2. Die Bischöfe erkennen unumwunden die Freilegung der Verbrechen an, die eine neutrale Studien-Kommission, abgekürzt CIASE, unter Leitung des Juristen Jean-Marc Sauvé, erarbeitet hat. Von den freigelegten Tatsachen erschüttert, konnte die Bischofskonferenz gar nichts andres sagen: „Es gilt ein kirchliches System zu reparieren, das sich pervertierte und das derartige Fakten möglich gemacht hat, die nicht gesehen und nicht gehört sein sollten“, sagte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Eric de Moulins-Beaufort.

3. Eine halbe Million Euro wollen die Bischöfe den Opfern „pädokrimineller Gewalt durch Kleriker“ als Entschädigung zur Verfügung stellen, eine Summe, die bei der viel besprochenen Armut der französischen Kirche erstaunt. Aber die Bischöfe wollen ausdrücklich auf Kollekten, also Spenden der Laien in dieser Sache, verzichten und stattdessen Kirchen-Immobilien verkaufen oder aus irgendwelchen „Reserven“ Geld locker machen.

Außerdem soll es eine unabhängige „nationale Instanz“ geben, unter Leitung eines Juristen, eines Laien, diese Instanz soll im Gespräch mit den Opfern die Entschädigung bestimmen, ausdrücklich spricht die Bischofskonferenz von „Entschädigung“. Der kirchlich übliche Wille zu „kleinen Schritten“ der Hilfe, eher widerwillig geleistet hat, scheint zumindest in Frankreich vorbei zu sein. Zu umfassend sind die pädokriminellen Verbrechen, die gerade in letzter Zeit im kirchlich einst so hoch gelobten Milieu der ganz frommen Katholiken, der Charismatiker und der neuen geistlichen Gemeinschaften, freigelegt wurden.

Ihre Neuorientierung bewerten die französischen Bischöfe, so wörtlich, als Befreiung, sie sehen ihre „institutionellen Verantwortlichkeit und auch die systemische Dimension im Auftreten sexueller Gewalt“… „Unsere Kirche ist ein Ort schwerer Verbrechen“, so die Bischofskonferenz!

4. Die Sensation also ist: Die französische Kirche, die sich seit der Revolution von 1789 sehr weitgehend in einer Anti-Haltung zur Republik (und damit zur Demokratie) befunden hat, folgt nun den Weisungen der neutralen, nicht klerikal besetzen und nicht klerikal gesteuerten Forschungsgruppe CIASE. Kirchliche Erneuung folgt sozusagen republikanischen Erkenntnissen! Diese Tatsache ist sensationell. Schon jetzt melden sich Katholiken, etwa aus Chile, sie loben die französischen Bischöfe wegen ihrer Vernunft und verlangen dies auch von ihren Bischöfen. Ob sich polnische Bischöfe so verhalten wie ihre französischen Kollegen? Wohl kaum.

Die französischen Bischöfe bitten sogar um eine vatikanische Equipe von Visitatoren, sie sollen den Fortgang beim Schutz vor klerikaler Pädokriminalität überprüfen und die geleisteten Entschädigungen für die Opfer.

Am 9. Dezember 2021 wird Papst Franziskus die mutigen, zur Vernunft bekehrten französischen Bischöfe empfangen: Wird er sie weltweit als entscheidendes Vorbild loben oder als „regionale Besonderheit“ abtun? Bei Papst Franziskus ist alles möglich, je nach Laune bzw. Angst vor seinen Feinden im Vatikan, möchte man sagen.

5. Denn eines ist klar: Die tausendfachen pädokriminellen Verbrechen durch Kleriker in Frankreich von 1950 bis 2020 sind systembedingt, sie haben mit dem System der katholischen Kirche zu tun, mit der nach wie vor absoluten Hochschätzung des immer männlichen Klerus, mit dem schlicht und einfach nur verrückt zu nennenden Ausschluss von Frauen vom Priesteramt, der absolutistischen Entscheidungsgewalt eines sehr alten Herren, des Papstes, und natürlich… des Zölibat-Gesetzes, das eben junge Männer in den Priesterberuf zieht, die insgesamt unreife Personen sind, und diese gibt es unter Heterosexuellen wie Homosexuellen.

6. Beklagt wird, dass die Debatten und Entscheidungen der Bischofskonferenz in Lourdes hinter verschlossenen Türen, ohne Öffentlichkeit, stattfanden, dass nur gelegentlich die eingeladenen Laien und einige wenige Opfer den Debatten folgen konnten. Die katholische Kirchenführung als klerikale Hierarchie bevorzugt es halt immer noch, unter sich zu bleiben und unter sich Entscheidungen zu treffen. Demokratie sieht anders aus. Aber die katholische Kirche beharrt ja bis heute voller Stolz darauf, eben alles andere als eine Demokratie zu sein. Wie lange sie in dieser Haltung noch Respekt und Zustimmung erlangen kann unter Menschen, die aufgeklärt und demokratisch denken und handeln, ist die Frage: Die Antwort heißt: Wohl nicht mehr lange.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

Neues Denken könnte die Welt noch retten. Friedenspreis des deutschen Buchhandels 2021!

Die Rede von Tsitsi Dangarembga anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels am 24.10.2021 in Frankfurt/Main.

Die Autorin, Schriftstellerin und Filmemacherin Tsitsi Dangarembga aus Simbabwe hat am 24.10.2021 den Friedenspreis des deutschen Buchhandels erhalten!

Dazu möchten die Initiatoren und Leiter des Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon Berlin ihren herzlichen Glückwunsch aussprechen und ihre Hochschätzung betonen: Denn Tsitsi Dangarembga ist nicht nur eine wichtige Autorin wegweisender kritischer Romane, sie hat sich in ihrer Rede in Frankfurt erneut explizit als Kritikerin des globalen kapitalistischen und imperialen Weltsystems gezeigt. Darüber hinaus hat Tsitsi Dangarembga in ihrer Rede eine philosophische Kritik vorgestellt, die an die Wurzeln neuzeitlichen europäischen Denkens geht. Die Autorin zeigt, dass das viel besprochene Wort des Philosophen Descartes – fast wie eine Floskel verbreitet : „Ich denke also bin ich“ tatsächlich, ursprünglich viel komplexer verstanden, bedeutet: „Ich zweifele, also bin ich! Gerade weil ich am Zweifeln selbst noch einmal zweifeln kann, ist der Zweifel als Denkform also die „Grundmelodie“ des reflektierenden Daseins“. Aber: Für die westliche Welt des Imperiums war Zweifeln  niemals eine Tugend des Imperiums.

Die ganze Rede von Tsitsi Dangarembga können Sie hier nachlesen: LINK.

Hier einige Hinweise und zentrale Zitate aus der Rede:

Tsitsi Dangarembga spricht zu Beginn von der vielfachen Gewalt des Imperiums, die sich auch in Simbabwe als physische, psychische und metaphysische (also religiöse) Gewalt zeigte und zeigt:

„Diese Arten der Gewalt sind in die Strukturen der globalen Ordnung, in der wir leben, integriert und wurzeln in den Strukturen des westlichen Imperiums, dessen Anfänge sich vor über einem halben Jahrtausend bildeten. Das heißt, dass der Westen mit all seiner Technologie, seinen Überzeugungen und seiner Praxis auf vielfachen weiterhin praktizierten Formen der Gewalt aufgebaut ist, die er in den Rest der Welt exportiert hat und die jetzt in postkolonialen Staaten so eifrig praktiziert werden wie zuvor in imperialen und kolonialen Staaten.“

Etwas später betont die Autorin:

„Ein System, das auf Profit basiert, darauf, mehr zu erhalten, als man gibt, ist ein System der Ausbeutung. Ein System, das einerseits Konzentration und andererseits ein Defizit erzeugt, ist ein System des Ungleichgewichts. So ein System ist notwendigerweise instabil und deshalb auch nicht nachhaltig. Wie ist es möglich, dass wir in ein instabiles, nicht nachhaltiges System investieren, das uns zwangsläufig in den Untergang führt?“

Eine Veränderung dieser imperialen Gewaltstrukturen wäre möglich, durch die Entscheidung, neu zu denken:

„Hier ist eine Antwort, und ich glaube, dass die Antwort einfacher ist, als wir denken. Die gewaltsame Weltordnung, in der wir heute leben, wurde von gewissen hierarchischen Denkweisen etabliert. Die Lösung ist, ethnisch determinierte und andere hierarchische Denkweisen abzuschaffen, die auf demografischen Merkmalen wie sozialem und biologischem Geschlecht, Religion, Nationalität, Klassenzugehörigkeit und jedweden anderen Merkmalen beruhen, die in der gesamten Geschichte und überall auf der Welt die Bausteine des Imperiums waren und noch immer sind.“

Die Ego-Fixierung der typisch europäischen Maxime „Ich denke also bin ich“ haben schon europäische Philosophen zu überwinden versucht, wie Martin Buber oder Emmanuel Lévinas. Der andere Mensch muss von vornherein einbezogen werden, wenn das Ich zu denken beginnt. Tsitsi Dangarembga betont:

Da jemand, der »Ich denke, also bin ich« denkt, sich selbst als Mensch betrachtet, wird jemand anders, der anders denkt, als nicht wie ich oder nicht als Mensch wahrgenommen. Wie wir wissen, hat die Aberkennung des menschlichen Werts anderer Menschen den Effekt, den menschlichen Wert zu erhöhen, den wir uns selbst zuschreiben; und wir wissen auch, dass dieser Mechanismus der differenziellen Zuschreibung von Menschlichkeit für einen Großteil der Gewalt verantwortlich ist, mit der die Menschen einander heimsuchen.“

Es muss ein Paradigmen-Wechsel des Denkens stattfinden, wenn die Welt sich von Umweltkatastrophen, zunehmender Verarmung, zunehmender Etablierung von Unrechtsstrukturen und Ausbeutung befreien will. Tsitsi Dangarembga geht deswegen soweit, eine neue Aufklärung zu fordern, also eine neue Epoche neuen, aufgeklärten Denkens.

Über das »Ich« hinauszuschauen zum »Wir« könnte zu horizonterweiternden Neuformulierungen des Satzes des Franzosen führen, zum Beispiel zu »Wir denken, also sind wir« oder sogar zu »Wir sind, also denken wir« und mit letzterem den Ort der Hochschätzung vom rationalen »denken« zum empirischen »sein« verschieben….Unsere Entscheidung, was und wie wir denken, ist letztlich eine Entscheidung zwischen Gewalt oder Frieden fördernden Inhalten und Narrativen. Das gilt, ob wir diese Inhalte und Narrative in Gedanken nur für uns selbst formulieren oder ob wir sie anderen um uns herum mitteilen. Beides ist fruchtbar.“

Für die Hinweise und die Zusammenstellung verantwortlich: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.