“Ehe für alle”: Homosexualität ist normal und darum auch die Homo-Ehe.

EHE für alle: Homosexualität ist normal… und darum auch die Homo-Ehe

Philosophische und theologische Hinweise. Sie wurden vor 2 Jahren schon einmal in einer längeren Fassung hier publiziert. Aus aktuellem Anlass erinnern wir an “bleibende” Einsichten zum Thema EHE FÜR ALLE. Es wird dabei als Nebenthema nicht uninteressant sein, am Ende des Beitrags zu lesen: Die Katholische Kirche segnet mit großer Selbstverständlichkeit Autos, Hunde und Katzen und Handys, aber nicht Homosexuelle, wenn sie denn eine religiöse Feier ihrer Ehe in einer katholischen Kirche wünschen…

Ein Kommentar von Christian Modehn am 29.6.2017

Zum Titel dieses Beitrags nur die kurze Erinnerung an gültige wissenschaftliche Erkenntnisse: Homosexualität ist gegenüber der Heterosexualität eine andere,  genauso wertvolle Form der menschlichen Sexualität, also etwas Normales…

Jetzt (d.h. im Moment der ursprünglichen Veröffentlichung 2015) hat der Supreme Court für das Recht auf gleichgeschlechtliche Eheschließung in allen (!) US-Staaten gestimmt. Die Urteilsbegründung durch den konservativen katholischen Richter Anthony Kennedy (er wurde 1988 von Reagan ernannt !) wird als historisches Dokument für die Gleichstellung homosexuellen Lebens und Liebens gelten können. Anthony Kennedy ist Katholik. Er könnte also sehr gut den Papst beraten in diesen Fragen! Anthony Kennedy hat einen Text der Urteilsbebegründung geschrieben, den die Herren der römischen Kirche durchbeten sollten, um in letzter Minute vielleicht noch Anschluss zu finden an eine vernunftbestimmte, allgemeiner werdende Zustimmung zur Ehe für alle. Oder wollen sich die Herren der römischen Kirche und die Führer orthodoxer und evangelikaler und pfingstlerischer Gemeinschaften Seite an Seite wissen mit den erklärtermaßen Homo-hassenden Diktatoren nicht nur in den arabischen Staaten? Können sich Christen in einem solchem Milieu wohlfühlen? Die bis jetzt bestehende geistige Nähe zu diesen Verächtern der Menschenrechte ist zumindest für den Vatikan höchst blamabel. Mit einem offiziellen Schuldbekenntnis des Papstes zur Jahrhunderte währenden Verfolgung und Unterdrückung Homosexueller durch die Kirche wäre ein erster Schritt in Richtung Vernunft getan. Im Evangelium steht die Liebe an allererster Stelle. Von Homosexualität im heutigen Lebenszusammenhang ist im Neuen Testament bekanntlich absolut keine Rede. Das sagen die Bibelwissenschaftler seit 50 Jahren, aber die Institution der Herrschenden, der Kirchenfürsten,  glaubt diese wissenschaftliche Bibelerkenntnis einfach ignorieren zu dürfen im Rahmen ihrer eigenen, ganz auf Herrschaft fixierten Theologie! Die katholischen Bischöfe der USA haben, wie zu erwarten, die Entscheidung des Supreme Court verurteilt, die vielen Stimmen der Bischöfe dort hat die eher progressive katholische Wochenzeitung “National Catholic Reporter” gesammelt, zur Lektüre des Beitrags klicken Sie bitte hier.

Durchaus wegweisend im katholischen Milieu sind die schönen, fast poetischen Worte des katholischen und konservativen US-Richters Anthony Kennedy: “Keine Bindung ist so tief wie die Ehe. Denn sie verkörpert die höchsten Ideale von Liebe, Treue, Hingabe, Opfer und Familie. Wenn zwei Menschen den Bund der Ehe eingehen, werden sie etwas, was größer ist als das, was sie einst waren…”

Der Respekt vor der Ehe wird durch den Willen vieler Homosexueller zu heiraten, ja nur unterstrichen! Der Richter Anthony Kennedy betrachtet es als “furchtbar unfair, dass das Potential eines einzelnen in irgendeiner Weise dadurch begrenzt würde, dass er einer Gruppe (etwa “den” Homosexuellen) zugeordnet würde”. Damit ist natürlich nicht gesagt, dass es nun eine Art Verpflichtung für Homosexuelle gibt, die gesetzliche Möglichkeit der Ehe (mit Kinder-Adoptionselbstverständlich) auch persönlich wahrzunehmen. Vielfalt der Lebensformen bleibt oberstes Gebot bei rechtlicher Gleichstellung.

Die Allianzen von Rechtsextremen und Katholiken gegen die Homoehe im Jahr 2015:

In den konservativ-christlich geprägten Milieus wird der Kampf gegen die “Ehe für alle” oft verbunden mit dem Kampf gegen “Genderismus” und für die “alten” Familienwerte, die nun angeblich durch die Homoehe zerrüttet werden. Dass dabei die alte Heteroehe oft bereits zerrüttet ist und etwa in vielen katholischen Regionen, wie Lateinamerika, als “klassische Liebes-Ehe” kaum noch besteht, ist ein anderes Thema.

Wichtiger ist hier: Es gibt eine direkte Verbindung und Verbrüderung der Gegner von “Familie für alle” mit rechtsextremen Parteien und Politikern, die alles andere sind als”lupenreine Demokraten”. Hier kann nur an den Moskauer Kongress vom 1. September 2014 erinnert werden unter dem Thema: “Große Familien und die Zukunft der Menschheit”. Mit dabei war die katholische Publizistin Gabriele Kuby, sie ist Mitglied im konservativen “Forum deutscher Katholiken”, einer Art reaktionären Alternative zum offiziellen “Zentralkomitee der Deutschen Katholiken” (ZDK). Das Forum deutscher Katholiken wird unterstützt u.a. von den Legionären Christi, von Neokatechumenalen, von einzelnen charismatischen Gruppen, früher war Kardinal Ratzinger dort gern gesehener Vortragender. Die Tagungen haben den hübschen Titel “Freude am Glauben”. Die mit diesen Kreisen eng verbundene katholische Zeitschrift/Tageszeitung “Deutsche Tagespost” (Würzbunrg) veröffentlichte einen Jubelbericht zur Moskauer Tagung, verfasst von Gabriel Kuby. Auch bei den Evangelikalen, beim Pressedienst IDEA, ist Frau Kuby schriftstellerisch tätig. Da haben sich also, von einer breiteren Öffentlichkeit kaum bemerkt, ganz neue Formen einer reaktionären Ökumene. Frau Kuby lobte in Moskau die hochrangigen Politiker, die in Moskau dabei waren: Es handelte sich um Aymeric Chauprade von dem sehr rechtslastigen Front National, Frankreich; auch ein führender Politiker der rechtslastigen und populistischen FPÖ war dabei: Johann Gudenus, Wien, er beklagte die angebliche weltweite Homolobby…Der Dominikanerpater Wolfgang Ockenfels, Prof. für katholische Theologie an der staatlichen Universität Trier, wollte Putin verteidigen, er klagte über “die Medien, die ihren Hass auf den Teufel Putin kaum noch zügeln können”. Putin gilt in reaktionären Kreisen weltweit, auch unter französischen Katholiken, als Lichtgestalt eines ordentlichen, der alten Familie verpflichteten gläubigen Europas. Die “Herder Korrespondenz” erwähnt in ihrer Ausgabe vom Januar 2015, Seite 52, dass ein deutscher Prälat in Rom, ein Mitarbeiter der Kurie, so wörtlich, “die wachsende Übereinstimmung des Heiligen Stuhls mit Russland unter dem praktizierenden Christen Putin” lobte.

Nur wer sich die internationalen Netzwerke vergegenwärtigt, im Rahmen einer rechtslastigen Ökumene, die reaktionäre Katholiken, Evangelikale und selbstverständlich Orthodoxe vereint, der kann die Bedeutung des “Kampfes für Ehe für alle” ermessen. Der kann aber auch ermessen, in welchem Licht das offizielle katholische Anti-Homo-Verhalten steht. Diese Bündnispartner im Kampf gegen die “Ehe für alle” zu haben, ist eigentlich noch peinlicher als der Kampf gegen die Homoehe selbst!

Wenn in Deutschland die Debatte um die so genannte Homoehe die Gesellschaft zu spalten droht, so gibt es in unserer Sicht, auch vom Forum der Remonstranten Berlin, einen Vorschlag, in dieser Diskussion weiterzukommen:

Religiöse Menschen innerhalb der Kirchen sollten erkennen, dass in der Auseinandersetzung mit der Homosexualität nicht die Bibel oder andere heilige Bücher leitend sein können. Es gilt, nicht alte Sprüche heiliger Texte nachzusprechen, sondern die Vernunft anzustrengen und im gemeinsamen Disput den Weisungen einer vernünftigen Ethik zu folgen. Christen müssen müssen also die Homosexualität diskriminierenden Texte ihrer eigenen religiösen Traditionen beiseite legen, d.h. nur noch der Historie wegen studieren; diese Texte haben aber keine existentielle Bedeutung (mehr). Christen sollten also wissen: Bei diesen “homofeindlichen” neutestamentlichen Texten handelt es sich um fromme Poesie von vorgestern. Erst wenn religiöse Menschen aufhören, bestimmte angeblich heilige Bücher in ihrer Wortwörtlichkeit unmittelbar als Gottes Wort zu verstehen, kann Gleichberechtigung und Respekt und damit Demokratie möglich werden. Warum stellen sich fromme Leute nicht die Frage: Will denn nun der „liebe Gott“ Menschlichkeit oder will er Ausgrenzung und Diskriminierung? Will er die besseren “korrekten” Fundamentalisten allein als Gläubige? Aber was wäre das für ein lieber Gott, der Diskriminierung will? Einen solchen sollte man getrost beiseite lassen. Wann wird man in Europa solche Worte von Kirchenführern und Theologen hören, von islamischen Gelehrten ganz zu schweigen?

Erst wenn Bibel und Koran historisch-kritisch gelesen werden, kommt die Emanzipation voran. Menschenrechte sind wichtiger als religiöse Weisungen frommer Leute, die vor etlichen hundert Jahren mit einem ganz anderen Weltbild gelebt haben. Die menschliche Vernunft entwickelt sich, auch das Verstehen des Religiösen entwickelt sich. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, daran zu erinnern. Viele religiöse Menschen benutzen z.B. vorbehaltlos moderne Technik, sind aber religiös auf dem Niveau des Altertums stehen geblieben. Dabei vergessen sie zudem, dass das Bild der Heterofamilie und Hetero-Ehe selbst aus dem 18. oder 19. Jahrhundert stammt, aus einer Zeit, als sich die bürgerliche Heteroehe durchsetzte. Die Päpste und Prälaten haben komischerweise nie etwas gegen die üblichen Mätressen der Fürsten und Könige gehabt und selbst die mittelalterliche Kirche duldete die Prostitution. Etwas mehr historische Bildung würde den leidenschaftlichen Hetero-Ehen-Vorkämpfern also sehr gut tun. Wie hieß doch das Motto des Evangelischen Kirchentages in Stuttgart kürzlich? „damit wir klug werden“. Klug werden heißt doch wohl, der kritischen Vernunft den absoluten Vorrang zu lassen. Hat der Kirchentag in Stuttgart dazu beigetragen? Bisher sehen wir dafür keine Anzeichen.

Die Gleichberechtigung homosexueller Menschen in den wenigen demokratischen Staaten ist das Ergebnis eines politischen Kampfes, eines schmerzvollen Kampfes um Emanzipation und Menschenrechte. Eigentlich kann von diesem offenen Eintreten für den Respekt für Homosexuelle erst seit 100 Jahren die Rede sein. Vorher war, sozusagen seit Adam und Eva, von Homosexualität als Normalität und als Wert wie die Heterosexualität nie öffentlich die Rede. Die Geschichte der Homosexualität ist seit Adam und Eva eine Geschichte des Verschweigens und Verfolgens, eine Leidensgeschichte, oft eine Geschichte der Lügen (man rettete sich, indem man sich heterosexuell nannte usw.).

Der Kampf um die Gleichberechtigung war ein Kampf gegen die etablierten und mächtigen Religionen, er war in Europa immer auch ein Kampf gegen die Deutungshoheit der Kirchen. Die Kirchen haben bis ca.1980 die gut bürgerlichen Vorstellungen der Ehe sozusagen heilig gesprochen und alle sexuelle „Andersheit“ ignoriert bzw. verfolgt.

Wenn es heute in demokratischen und halbwegs demokratischen Staaten keine Verfolgung von Homosexuellen mehr gibt: Dann nur als Sieg über die Ansprüche der religiösen und kirchlichen Traditionen „seit Adam und Eva“. Kirchlich und religiös definiert sich eben bis heute als unkritisch, alten Sprüchen verhaftet usw.

Eine kleine protestantische Kirche, die Remonstranten in Holland, folgte 1986 der vernünftigen Einsicht, stellte also die uralten antihomosexuellen und menschenverachtenden Texte der Bibel beiseite und erklärte: Wir segnen selbstverständlich auch homosexuelle Paare, auch jene, die nicht Mitglieder dieser Gemeinschaft sind.

Entscheidend ist, dass eine neue Kirchenordnung der Remonstranten existiert, jetzt werden alle Beziehungen zwischen Menschen, ob nun hetero – oder homosexuell, einfach nur „Levensverbintenis“ genannt, also, wörtlich übersetzt:„Lebenskontrakt“ bzw. „Lebensvertrag“ nennt. Auf den Begriff „Ehe“ wird verzichtet, weil er zu exklusiv noch an die Verbindung zwischen Heterosexuellen erinnert. „Der Grundgedanke dabei war, dass alle Theologie eben auch von der Gnade der Neuinterpretation (etwa der Bibel) lebt“, so Tom Mikkers, damals der “Allgemeine Sekretär der Remonstranten” in dem empfehlenswerten Buch „Coming Out Churches“, Meinema Verlag, 2011, Seite 68). „Gnade der Neuinterpretation“: Dieses Wort mögen bitte die Gegner der Homoehe auf ihrer spirituellen Zunge genießen.

Dieser Schritt der Remonstranten, homosexuelle Menschen als absolut gleichwertig in jeder Hinsicht zu sehen, wurde damals von anderen Kirchen heftig kritisiert. Aber es gab auch vereinzelte katholische Stimmen, die der Veränderung der Kirchenordnung der Remonstranten zustimmten: So sagte der damalige Studentenpfarrer in Amsterdam, der Jesuitenpater Jan van Kilsdonk, Homosexualität sei „eine gute Erfindung des Schöpfers“,

Der niederländische Gesetzgeber hat dann im Jahr 2001 als erstes Land der Welt überhaupt die bürgerliche Ehe auch für homosexuelle Menschen geöffnet, das geschah 15 Jahre nach dem Beschluss der Remonstranten. Nebenbei: Die Remonstranten gehören selbstverständlich zum „Ökumenischen Rat der Kirchen in Holland“, sie sind Mitglied im „Weltrat der Kirchen in Genf“…

Tom Mikkers dokumentiert zusammen mit dem Reformierten Pastor Wiellie Elhorst in dem Buch ein Stückweit die Wirkungsgeschichte der Initiative der Remonstranten von 1986: Denn inzwischen sind auch etliche Gemeinden der offiziellen Protestantischen Kirche der Niederlande (PKN) „zum Segen bereit“, sowie grundsätzlich die Kirche der Mennoniten (Doopgezinde in NL), die „Apostolisch Genootschap“ und die „Vrijzinnige Geloofsgemeenscap NPB“. Hinzukommen auch die Amsterdamer „Basisgemeiden“ wie „Dominikus“ , „de Duif“ oder die „Studentenecclesia“ (gegründet von Huub Oosterhuis).

Die Remonstranten haben sich jedenfalls gefreut, als sie im Jahr 2010 von dem landesweit hochgeschätzten (und gar nicht immer kirchlich gesinnten) Verein zur homosexuellen Emanzipation (COC) einen Preis der Anerkennung erhielten. Die Hetero –Ehe- Paare verlieren gar nichts, schon gar nicht werden sie diskriminiert oder gar verfolgt und ins Elend getrieben, wenn es auch Homo (Ehe) Paare gleichberechtigt gibt und diese heiraten und Kinder adoptieren und erziehen. Wovor haben die Hetero-Eheleute eigentlich Angst? Ihnen wird nichts weggenommen, wenn auch Homosexuelle heiraten wollen und als Ehepaar Kinder adoptieren.

Autos und Handys und Tiere werden katholischerseits gern gesegnet, aber nicht alle liebenden Menschen

Die katholische Kirche pflegt nach wie vor die Autosegnungen. Kürzlich sah ich, wie im Stift St. Paul im Lavanttal/Österreich, sogar Oldtimer und Motorräder von Priestern gesegnet werden. Ich hatte ja früher schon einmal katholischen Homopaaren -ironischerweise – empfohlen, wenn sie denn katholischen Segen wünschen: Sich am besten in ein Auto zu setzen bei einer Autosegnung. Dann werden diese Menschen, die die römische Kirche NICHT segnen will, vielleicht indirekt mit-gesegnet. Der Vatikan hat bisher auf diese liturgische Mit-Segnung nicht reagiert. Zur Lektüre dieses Beitrags klicken Sie bitte hier. Tatsache aber ist: Auf andere Weise ist eine Homo-Ehe-Segnung innerhalb der römischen Kirche wohl nicht zu bekommen. Und daran wird auch der angeblich so progressive Papst Franziskus nichts ändern. Eigentlich ist diese theologische Haltung nichts anderes als eine menschenverachtende Verdinglichung, sagen wir: eine theologische Liebe zum Gerät: Man will modern erscheinen, indem man Autos segnet oder eben auch Tiere, Kühe, Hunde, Katzen usw. …etwa am Tag des Heiligen Franziskus von Assisi).

copyright: Religionsphilosophischer Salon Berlin und Forum der Remonstranten Berlin.

 

 

 

 

Zum CSD in Köln: “Ehe für alle” ist normal, weil Homosexualität normal ist…

Am Sonntag, den 5. Juli, findet in KÖLN wieder die CSD Demo statt. Aus diesem Anlass ein Kommentar von Christian Modehn. Klicken Sie zur Lektüre hier.

Jesus war ein Religionskritiker

Jesus war ein Religionskritiker. Im Alltag das Heilige entdecken.

Gelegentlich bieten wir im Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon auch Hinweise auf interessante aktuelle Entwicklungen in den konkreten Religionen. Diesmal ein Hinweis auf die protestantische Kirche der Remonstranten. Sie ist Mitglied in der Ökumene, geht aber entschieden ihren eigenen Weg der Unabhängigkeit des Denkens. D.h. Kritisch gegenüber allen Dogmen, für die Anerkennung der spirituellen Freiheit und auch der Religionskritik.
Tom Mikkers, der „Allgemeine Sekretär der Remonstranten Kirche“, hielt am Sonntag, 16. Mai 2010, in der Kirche „de Vrijburg“ in Amsterdam eine bemerkenswerte Predigt. Anlass war ein besonderer Gottesdienst, in dem die Lieder des Song Contests, der Eurovision, im Mittelpunkt standen. Mehr als 400 Teilnehmer waren bei diesem ungewöhnlichen spirituellen Ereignis dabei, als Angebot und Einladung wurde deutlich: Auch in der Populärkultur, sogar in den Songs und Liedern des „Eurovision Song Contest“, kommen spirituelle und religiöse Aspekte vor. Die Remonstranten haben immer schon die kritische Theologie gefördert, etwa die historisch – kritische Methode der Bibelinterpretation. Sie wollen aber auch sensibel sein für Spuren der Spiritualität in der Alltagskultur. Diese „Spuren“ sollten auch von Kirchen beachtet werden, sie können nämlich hilfreich sein, auch wenn es lar ist, dass viele dieser Songcontest Lieder banal und kitschig sind.
Tom Mikkers sagte unter anderem:

„Ganz eingefleischte Theologen („hardcore theologen“ im niederländischen Text) könnten sagen: Diese Lieder sind schön, aber das hat mit Kirche oder Christentum nichts zu tun. Andere sagen: Es kann ja sein, dass einige Songfestival – Lieder ein bisschen Friede und ein bisschen Liebe brachten. Aber für die Antworten zu den großen Lebensfragen muss man doch bei dem alten kirchlichen Repertoire sein Heil suchen. All das andere sei nur eine Art Verdünnung der alten Lehre.
Wer das sagt, hat eine Voraussetzung: Es gibt eine große Wahrheit, und die ist buchstäblich zu finden in der Bibel, und diese Wahrheit wird genau formuliert von Priestern und Kardinälen. Und wehe dir, wenn du beginnst, dein eigenes Lied zu singen!
In meinen Augen pervertiert der christliche Glaube, wenn er zu einem fest umschriebenen kirchlichen Exklusiv – Programm wird.
Warum? Weil Glauben nichts zu tun hat mit einer Stellungnahme (mit dem „nur so ist es“), sondern mit einem innerlichen Abgestimmtsein auf das eigene Selbst, auf den Mitmenschen und das große Ganze, das wir vielleicht auch, (wenn genaue Begriffe fehlen), Gott nennen.
Jesus war ein Religionskritiker der reinsten Art! Nun ist es ein Gewinn von wahrer Religionskritik, dass sie religiös inspirierte Menschen herausfordert, die Bitterkeit und die Unbarmherzigkeit der harten Wahrheit („nur so und nicht anders“) wirklich anzusehen, aber sie dann auch zu verlassen und aufzugeben! Übrigens ist für mich die Angst vor der Religionskritik vollkommen unbegründet. Denn Religion versteinert nur ohne Kritik.
Jesus hielt nichts von bürokratischen Dogmatikern, die meinten bestimmen zu können, wer etwas taugt und wer nicht. Jesus rief das Establishment zur Ordnung!
Die Kirche als Gemeinschaft von Menschen, die auf dieser Spur Jesu von Nazareth weiter gehen will, kann nicht machtvolle Verurteilungen vornehmen und an einer festen Ordnung hängen. Nicht das haarscharfe Urteil, sondern das Mitleiden mit jedem, der leidet und stirbt, ist das geistliche Brot, das in der Kirche an alle Menschen ausgeteilt wird…Jesus machte das Heilige wieder zum Alltäglichen, und das Alltägliche wurde für ihn heilig. Jesus bezweifelte in aller Offenheit die religiös korrekten Antworten und Annahmen“. weitere ausführliche Informationen: www.remonstranten-berlin.de