Paulo Freire: Praxis der Befreiung

 

              Wichtige Erkenntnisse der PÄDAGOGIK DER BEFREIUNG von PAULO FREIRE (1921-1997)

              Von Hernán Silva-Santisteban Larco,  Religionsphilosophischer Salon am 23.3.2012

 

–  Einheit von Denken und Handeln

Der Mensch existiert nicht isoliert, er ist auf ein Du angewiesen und er ist auf seine Umwelt gerichtet (Freire, Pädagogik der Unterdrucken, S.117f). Mensch und Welt stehen in einem Wechselwirkungsverhältnis und beide sind so miteinander verwoben, dass sie niemals voneinander abgespaltet werden können (Bernhard, S. 181). Andererseits, der Mensch ist nicht endgültig und für immer festgelegt, vielmehr tendiert er dazu, in der Auseinandersetzung mit seiner Umwelt, seine Lebensbedingungen zu überschreiten und neue Möglichkeiten zu erproben (ebd., S.180). Der Mensch kann nicht anders, als zu handeln und durch sein Handeln sich selbst und die Welt umzuformen (Figueroa, S.33): der Mensch ist ein dauerhafter Entwurf von sich selbst in der Welt, er hat Willen zur Gestaltung. In dieser Hinsicht, in dem der Mensch nicht isoliert existiert, kann es auch kein isoliertes Denken geben, und in dem das menschliche Wesen sich wesentlich in der Handlung bestätigt, kann das Denken des Menschen über seine Welt von seinem Handeln in dieser Welt nicht abgetrennt werden (Bernhard, ebd.): die menschliche Handlung ist die unauflösliche Einheit zwischen meiner Aktion und meiner Reflexion über die Welt (Stückrath, S.18). Das Denken soll konkret werden und in der existenziellen Lebenswirklichkeit wurzeln und auf das Handeln wirken. Nur der Mensch ist fähig, dank seines Denkens, gegenüber der Welt eine Distanz einzunehmen und dadurch bewusst auf die Realität durch seine Handlung einzuwirken. Nur der Mensch, und das gilt für allen Menschen ohne kulturelle Unterschied, ist imstande, sich selbst zu transzendieren und zu verstehen, um sie zu verwandeln (Freire, Pädagogik der Unterdrucken, S.50).

– Der Mensch als kritischer Denker

An Anfang ist die Annährung des Menschen an die Welt, in der er sich befindet und in der er sich sucht, keine kritische Einstellung, sondern eine naive. Auf dieser ersten spontanen Ebene macht der Mensch eine unkritische passive Erfahrung der Wirklichkeit: dieser Prozess beschreibt eine „Bewusstwerdung“. In dem man diese erste spontane Ebene des Erfassens der Realität überwindet, gelangt das menschliche Denken auf eine kritische Ebene, in der die Realität sich „entschleiert“ in seiner wahrhaftigen Wesenheit, d.h., das Bewusstsein nimmt Besitz von der Realität. Das kritische Bewusstsein hinterfragt die Ursache der Umstände und „enthüllt“ die Wirklichkeit durch Auflösung von Bildern und Begriffe, durch die die Wirklichkeit verzerrt dargestellt wird. Dank dieser erworbenen kritischen Ebene verwandelt sich das Bewusstsein, als Entfaltung des Bewusstwerden, in eine „Bewusstseinsbildung“ (Stückrath, S.18f). Die Bewusstseinsbildung ist ein Lernvorgang, der nötig ist, um soziale, politische und wirtschaftliche Widersprüche zu begreifen, um Maßnahmen gegen die unterdrückerischen Verhältnisse der Wirklichkeit zu ergreifen (Dabisch, S.69f). Aus dieser Bewusstseinsbildung kann der Mensch kritisch und schöpferisch in seiner entschleierten Welt handeln. In diesem Sinne, Bewusstseinsbildung ist ein Prozess der „Erweckung“ und der Dynamisierung des Bewusstseins der Einzelnen. Gleichzeitig ist eine Veränderung der Mentalität, wozu eine genaue realistische Einsicht in die eigene Stellung in der Welt und in der Gesellschaft gehört (Dabisch, S.69f; Stückrath, S.18f). Dieses Prozess und diese Veränderung können alle Menschen auf der Welt erreichen und erleben, sogar die Analphabeten.

– Die Utopie als Quelle der Wirklichkeit

Darüber hinaus, diese Bewusstseinsbildung fordert uns auf, der Welt gegenüber eine utopische Haltung einzunehmen. Die Utopie ist in diesem Fall nicht das Unrealisierbare, sie ist eher eine dialektische Verbindung der kritischen Aufdeckung einer entmenschlichenden Struktur und die Ankündigung einer menschlichen solidarischen Struktur durch das schöpferische Denken. Die Utopie, als Veränderungsimpuls der Realität, setzt kritisches Erkennen voraus. Ich kann nicht etwas aufdecken, wenn ich nicht in die Realität eindringe, um sie kennenzulernen; ich kann nicht etwas ankündigen, wenn ich es nicht erkenne. Und nur durch Handeln, auf der Basis eines kritischen Denkens, kann sich eine Utopie in Realität verwandeln (Stückrath, S.19f). Der Mensch, als  historisches Wesen, ist berufen um die Rolle des Subjekt zu übernehmen um die Welt um ihm herum zu gestalten und erneut zu gestalten: er ist berufen um sein eigenes Leben in seine Hände zu nehmen als freier denkender schaffender Mensch, als „kulturschöpferisches Wesen“ (Edward Sapir)

– Der Mensch als Dialog-Wesen

Der Mensch ist auch auf Zwischenmenschliche Kommunikation angewiesen, ohne die er die Welt weder erschließen noch verändern kann. Der Mensch ist zum Dialog mit anderen Menschen bestimmt (Bernhard, S.180). In dem der Mensch dieäußere Welt und seine äußeren Lebensumstände Gegenstand seines Denkens und seines Bewusstseins machen kann, ist er in der Lage, sich selbst und seine Welt im Dialog mit anderen zu verstehen, zu gestalten und zu verändern (Bernhard, S.181). Der Dialog ist, in diesem Fall, ein Akt des Erkennens und einer kritischen Annährung an die Realität (Stückrath, S.18). Der Anreiz zu Bewusstseinsbildung geht von einem interpersonalen Dialog aus. Durch diesen Dialog als Begegnung mit anderen Menschen wird und kann jeder Mensch entdecken, was Mensch sein bedeutet (Dabisch, S.70). Erkenntnis und Selbsterkenntnis erfolgt immer in Kommunikation, d. h., dass das „ich denke“ und dass das „wir denken“ bereichen sich miteinander. Wenn Kommunikation auf ununterbrochene wechselseitige Mitteilungen aufbaut, gibt es kein passives Subjekt in dem Dialogprozess, es gäbe nicht die Möglichkeit, das jemand in seinen Mitteilungen einen anderen zu „erdulden hat“  (Rosch, S.63f)

 

Bibliographie:

-Freire, Paulo, Pädagogik der Solidarität, Wuppertal, 1974;

-Freire, Paulo, Pädagogik der Unterdrückten, Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei  Hamburg, 1977;

-Freire, Paulo, Erziehung als Praxis der Freiheit, Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg, 1977;

-Bernhard, Armin, Pädagogisches Denken, Schneider Verlag Hohengehren GmbH, Baltmannsweiler, 2006;

-Dabisch, Joachim, Die Pädagogik Paulo Freires im Schulsystem, Verlag Breitenbach Publishers, Saarbrücken-Fort Lauderdale, 1987:

-Figueroa, Dimas, Paulo Freire zur Einführung, Junius Verlag GmbH, Hamburg, 1989;

-Rosch, Christoph, Die Erziehungskonzeption Paulo Freires, Verlag Peter Lang GmbH, Frankfurt am Mein, 1987;

-Stückrath-Taubert, Erika (Hg.), Erziehung zur Befreiung. Paulo Freire: Rezeption und Kritik, Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg, 1975  (zusammengestellt von H.S.)

Die Literatur über Paulo Freire ist nahezu “uferlos”. Wir weisen nur auf eine neuere Studie hin: Paulo Freire, Pädagogik der Autonomie.(Band III)
Hg. Peter Schreiner, Norbert Mette, Dirk Oesselmann, Dieter Kinkelbur. Waxmann: Münster 2008.
133 Seiten, ISBN 978-3-8309-1870-7
Band I: Paulo Freire, Unterdrückung und Befreiung

Band II: Paulo Freire, Bildung und Hoffnung   (C.M)

copyright: hernan silva-santisteban-larco.

Total schwarz und “nur schwarz”: Zum Welttag gegen den Rassismus (21.3.): Ein Exempel aus der Dominikanischen Republik

Total schwarz und „nur schwarz“:

Anläßlich des Tages gegen den Rassismus (21. März)

Ein Exempel: Die Dominikanische Republik

Von Christian Modehn

An einem Tag wenigstens einmal alle geistige Energie verwenden, um über den Rassismus nachzudenken und um dann praktische und damit politische Schritte zu tun: Was kann ich tun, um einer Gesellschaft und einer Welt ohne Rassismus näher zu kommen? Das heißt: Einer Welt von unterschiedlichen und gleich berechtigten Menschen, die ohne eine feindliche Abgrenzung von den „anderen“, den zu Feinden Gemachten, leben kann. Vielleicht beginnt philosophisch alles damit, den Begriff der Identität neu verstehen und alle Behauptungen zurückzuweisen, die auf eine geschlossene und ewig fixe Form („Identität“) des eigenen Daseins insistieren. Das gilt auch für religiöse Identitäten, die angeblich dogmatisch ewig bleiben müssen.

Der 21. März wurde von den Vereinten Nationen zum “Internationalen Tag zur Überwindung von Rassendiskriminierung” erklärt. Im Jahr 1979 wurde dieser Gedenktag ergänzt: Alle Mitgliedsstatten sollten eine alljährliche Aktionswoche der Solidarität mit den Gegnern und Opfern von Rassismus organisieren. Der Hintergrund: Am 21. März 1966 wurden bei einem Massaker in Sharpeville, Süd – Afrika, Menschen ermordet, Schwarze in diesem Rassisten Regime, die für ihre Rechte als Menschen eintraten. Wer von unseren Freunden im Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon hat in den letzten Jahren überhaupt einmal etwas von diesem Tag gegen den Rassismus gehört? Warum sind solche Tage nicht im Mittelpunkt des Interesses? Wer verhindert dieses Interesse? Warum sind banale Ereignisse, etwa des Unterhaltungs – Business, wichtiger als solche Tage des Denkens, Gedenktage? Wer will eine solche (Un)Kultur bei uns?

Überall gibt es Probleme damit, dass einige Menschen sich besser und wertvoller fühlen als die vielen anderen. Es gibt versteckten und kaum sichtbaren Rassismus auch in allen europäischen Ländern, die sich aller Beachtung der Menschenrechte rühmen. In Frankreich z. B. werden die Roma verfolgt und ausgegrenzt und abgeschoben; von den rassistischen Baumaßnahmen ganz zu schweigen, den Banlieus, den Bannorten, wo die Verarmten, d.h. meist die Ausländer, abgesetzt werden als die „Überflüssigen“ und letztlich Nutzlosen. In Deutschland pflegen manche Kreise einen Generalverdacht gegen Menschen, die nicht dem eigenen Kulturkreis entstammen und der eigenen traditionellen christlichen Tradition angehören. Tausend weitere Beispiele sind möglich.

Wir weisen – wieder einmal – auf ein uns gar nicht so fernes Land hin, die Dominikanische Republik, ein Land, über das wir seit vielen Jahren berichten, zuletzt über die erfreuliche Eröffnung des „museo de la resistencia“ in der Hauptstadt Santo Domingo. Die Dominikanische Republik wird von zwei Millionen Touristen pro Jahr besucht, ohne dass die Touristen auch im entferntesten etwas von der politischen und leider auch rassistischen Tradition dieses eigentlich so schönen Landes mitbekommen. Darum auch diese Hinweise.

Tatsache ist, dass nach dem Erdbeben vom 12. Januar 2010 in Port au Prince, der Hauptstadt des benachbarten Haiti, eine beachtliche Welle der Solidarität von Menschen der Dominikanischen Republik festzustellen war. Es wurden schnell Hilfsgüter zu den vielen tausend Haitianern ohne Obdach gebracht.  Das ist bemerkenswert, weil es tief sitzende Vorurteile gibt gegenüber „den“  Haitianern unter den Leuten in der Dominikanischen Republik. Darüber ist viel geschrieben worden, auch in zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen; es wurde an den Rassismus des Diktators Trujillo erinnert, an die endlosen Behauptungen, „der dominikanische Mensch“ sei „eigentlich“  ein Weißer, ein Spanier. Je mehr so etwas behauptet wird, um so mehr Glauben findet dieser Wahn: Dabei sind aber nur  8 % der Dominikaner Weiße, so die neuesten Untersuchungen, alle anderen sind Mulatten oder Schwarze, fast genauso schwarz, wie die verhassten Nachbarn, die Haitianer. Solche Studien zur Farbe der Menschen  – eigentlich selbst schon rassistisch – werden tatsächlich angestellt. Die verhassten „sehr schwarzen“ Haitianer, etwa eine Million Menschen auf „dominikanischen Boden“, werden zu untersten und schlecht bezahlten Arbeiten herangezogen. Auch das wird seit Jahren wissenschaftlich dokumentiert und von Menschenrechts Organisationen verbreitet.

Nun behauptet die offizielle Delegation auf einer UNO Tagung, dass der dominikanische Staat nicht rassistisch ist. Das mag zwar im Blick auf die Verfassung so sein. Antirassismus ist ein Begriff, der sich in Büchern und Gesetzestexten besonders wohl fühlt. Tatsache aber ist, dass die staatlichen Organe, wie die Polizei, massiv Haitianer nach wie vor bedrängen, misshandeln und willkürlich außer Landes weisen. Noch im September 2011 wurden 80 haitianische Migranten in Navarete zusammengetrieben und willkürlich außer Landes gewiesen. Lokale Quellen berichten, dass viele der Ausgewiesenen bereits mehr als 10 Jahre in der Dominikanischen Republik gelebt und gearbeitet hatten. Mindestens 30 der Ausgewiesenen waren Mitglieder einer Vereinigung, die für die Rechte von haitianischen Arbeitern kämpfte. Selbst Kinder haitianischer Eltern, auf dominikanischem Boden geboren und deswegen per geltendem Recht dominikanische Staatsbürger, werden über die Grenze getrieben. Dies sind nur Beispiele von vielen, wie tatsächlich in der Praxis Rassismus übelster Art fortbesteht. „Der Staat“ schaut weg und ist wohl ganz froh, dass diese „Tiefschwarzen“  aus dem Land verwiesen werden und ein Klima der Angst unter den Verbliebenen Haitianern erzeugt werden. Die meisten Haitianer leben in elenden Hütten, am Rande der Städte der Dominikanischen Republik.  Jetzt wird berichtet, dass Kinder aus Haiti unbegleitet in den dominikanischen Städten umherirren, als Arbeitssklaven oder als „Sex – Objekte“ missbraucht werden. Und „der Staat“ schaut zu. Nun hat sich die katholische Bischofskonferenz Haitis bei einer Pressekonferenz in Santo Domingo zu der Erklärung verführen lassen, es gebe in der Dominikanischen Republik keinen Rassismus, sondern nur „schlimme Einzelfälle“. Wer hat diese Stellungnahme bezahlt? Wer hat die katholischen Bischöfe Haitis bestochen, solches zu sagen, wo alle Priester und Nonnen an der Basis von offenem Rassismus sprechen, der sich zwar gebessert hat nach dem 12. 1. 2010, aber der fortbesteht…

Wir weisen aber gern darauf hin, dass es vor allem ein Zentrum des Jesuitenordens ist, das den Haitianern seit 15 Jahren beisteht. Der Leiter des „Servicio Jesuita“, Pater Mario Serrano, organisiert immer wieder Konferenzen zum Thema, sein Werk bietet Rechtsberatung und soziale Hilfe auch in Dajabon, an der Grenze. Der „Servicio Jesuita“ für die Haitianer ist mit dem Kulturzentrum BONO der Jesuiten in Santo Domingo verbunden. Dort wiederum treffen sich viele Gruppen der Zivil- Gesellschaft, das Zentrum BONO ist ein Lichtblick in der politisch – sozialen Szene im Land. Dabei darf nicht übersehen werden, dass eine gewisse Müdigkeit unter den Engagierten um sich greift. Zu sehr ist die politische Kultur eher als Unkultur wahrnehmbar: Laut der Umfrage von Greenberg – Diario Libre vom März 2012 sehen 51% der Menschen die Kriminalität als das größte Problem der Dominikanischen Republik, gefolgt von der Arbeitslosigkeit (38%),  den Lebenserhaltungskosten (26%), dem Drogenhandel (23%), der Korruption (19%), der Bildung (16%), Stromausfälle (12%) und das Gesundheitswesen (7%).

Am 20. Mai 2012 wird es Präsidentschaftswahlen geben. Wird es eine Wende zu  mehr Demokratie sein und ein Nein zum faktischen Rassismus ?

Copyright: Christian Modehn.

Benedikt XVI. in Mexiko: Die offizielle Hymne macht aus ihm eine göttliche Gestalt

 

Benedikt XVI. ist der Heilbringer – Die offizielle Hymne zum Papstbesuch in Mexiko bewegt sich an der Grenze zur Idolatrie.

Wird die Ökumene gnädig schweigen?

Von Christian Modehn am 16. 3. 2012

„Wenn alles grau und dunkel ist,

Wenn ich den Weg nicht finde

und in meiner Welt nur Einsamkeit ist.

Dann erscheinst du in meinem Leben,

wie ein Leuchtturm, der mich leitet,

erleuchtest du all mein Inneres“.

Ein Loblied auf Jesus Christus, den die ersten Christen in ihren Evangelientexten als Licht und Leben gerühmt haben, als den Erlöser, der aus der Finsternis der Sünde und aus dem Dunkel der Todesverfallenheit ins Licht führt? Ein neuer Christushymnus also? Ganz und gar NICHT. Es handelt sich um die ersten Verse der offiziellen Hymne, die in Mexiko anlässlich des Papstbesuches Benedikt XVI. allerorten gesungen werden wird.

Der Refrain des Liedes heißt:

Du bringst den Wind unter meine Flügel zurück.

Du bist ein Pfad

von Licht und Wahrheit.

Bote des Friedens

Bote der Liebe,

der du meinem Herzen Hoffnung gibst.

Dieses Volk ist dir treu,

Du bringst uns den Glauben zurück,

den wir in unserer Seele tragen.

Wir teilen dein Licht.

(wir folgen der Übersetzung durch http//das hoerendeherz.blogspot.com, gelesen am 16. 3. 2012 um 10 Uhr)

Benedikt XVI. wird als Heilbringer begrüßt, er ist Licht, er bringt den Wind, wie ein Schöpfergott, er gibt ewig währende Hoffnung. Die Grenzen zwischen Christus, dem Erlöser, werden verwischt. Bote des Friedens, Bote der Liebe: Sind das nicht Ehrentitel, die in der klassischen Theologie auf Jesus Christus bezogen sind? Sind nicht alle Lieder zur Weihnacht oder zu Ostern voll von solchen Christus – Bekenntnissen?  Und jetzt wird Benedikt XVI. diese Rolle des göttlichen Heilbringers zugewiesen.

Weiter heißt es in dem offiziellen Papst Lied in Mexiko im März 2012, und da werden göttliche Prädikate Joseph Ratzinger zugeschrieben:

Zusammen mit dir gibt es keine Angst,

keine Traurigkeit, keine Klagen

dein Blick ist voller Hoffnung.

Du kommst um Freude zu säen,

kommst, um jedes Leben zu berühren,

mit deiner Liebe nimmst du jeden Schmerz.

Mit diesem Papst gibt es also keine Traurigkeit, keine Klagen: Was werden die vielen tausend Missbrauchsopfer sagen, die vielen Millionen wiederverheiratet Geschiedenen, die nicht zur Eucharistie zugelassen sind, die vielen tausend verheirateten Priester, die Millionen katholischer Homosexueller, die objektiv als Sünder im Katechismus der römischen Kirche gelten. Was werden die vilen tausend Mitglieder von Basisgemeinden sagen, die Kirche von unten leben und so gern Frauen und Männer aus ihren Reihen zu Priestern weihen lassen möchten? Was werden die vielen gemaßregelten (Befreiungs-)Theologen sagen, denen Joseph Ratzinger als Chef der Glaubensbehörde und jetzt als Papst jegliche Zukunft verstellt?

Mit  diesem Papst also soll es keine Traurigkeit, keine Angst, keine Klagen geben…. Diese Worte kann man ja verwenden… aber sie sollten auf den transzendenten Gott bezogen sein und nicht auf Joseph Ratzinger.

Wie tief muss eine Kirchenführung theologisch gesunken sein, um solche Songs tatsächlich als offizielles Lied zu gestatten? Ist die Theologie völlig verblödet? Sind nur Dilettanten theologisch einflussreich? in Mexiko werden solche Fragen gestellt, wir geben sie gern weiter. Dieser überdrehte Triumphalismus verbirgt nur die innere Schwäche dieses Papst – Katholizismus. Wie schlecht muss es seelisch und politisch einem Volk gehen, das solche Lieder singt und in dem angeblich völlig unpolitischen Benedikt XVI. den Heilbringer sieht?

Werden die vernünftigen Christen in der weiten Ökumene die Sprüche der Idolatrie kritisieren?  Gibt es noch kritischen Mut in der Ökumene? Wir warten ab.

Wir wollen auch berichten, dass ein Leser unseres religionsphilosophischen Salons uns in diesem Zusammenhang die Anfangsverse des SED Liedes „Die Partei, die Partei, die hat immer recht“ von 1950 mitteilte. Der Leser meinte gewisse Verbindungen zum Papstlied in Mexiko zu sehen, was ja genau besehen in gewisser Hinsicht so ganz falsch nicht ist. Darüber kann sich jeder Leser seine eigene Meinung bilden. Wir jedenfalls wollen nicht darauf verzichten, diese ersten Verse des Liedes der Partei sozusagen zum Vergleich mitzuteilen:

Sie hat uns alles gegeben.

Sonne und Wind und sie geizte nie.

Wo sie war, war das Leben.

Was wir sind, sind wir durch sie.

Sie hat uns niemals verlassen.

Fror auch die Welt, uns war warm.

Uns schützt die Mutter der Massen.

Uns trägt ihr mächtiger Arm.

Genauso wichtig ist der Hinweis, dass die Kirche in Mexiko selbst alle inhaltliche Berichterstattung zum Papstbesuch übernommen hat, alles im Sinne des „maximo leader“  Benedikt XVI. Maximo líder ist übrigens der Ehrentitel für Fidel Castro. Zwei oder drei kritische Katholiken in Mexiko  verwenden diesen Titel für Benedikt XVI, was ja so falsch nicht ist angesichts der Hymne.

Wir weisen darauf hin, dass Religionskritik als Kritik faktischer Religionen zum Kernbereich der Philosophie gehört und Teil einer demokratischen Kultur ist, die sich der Aufklärung verpflichtet weiß.

Copyright: Christian Modehn

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Kommentar von Paul Haverkamp:

Wenn es im Hymnen-Text heißt….:

„Wenn alles grau und dunkel ist,

Wenn ich den Weg nicht finde

und in meiner Welt nur Einsamkeit ist.

Dann erscheinst du in meinem Leben,

wie ein Leuchtturm, der mich leitet,

erleuchtest du all mein Inneres“.

.. so kann ich in diesen Worten nur pure Blasphemie eines unheilvollen Papalismus erkennen.

Der Text spiegelt eine zur Vergöttlichung neigende Attitüde des

Klerikerstandes wider, die von Papst Benedikt immer wieder untermauert wird.

In seinem Schreiben an die Priester vom 18. Juni 2009 zum Jahr des Priesters

zitiert Papst Benedikt XVI. zustimmend Johannes Maria Vianney (19. Jh.) , den Pfarrer

von Ars; mit folgenden Worten beschreibt Benedikt mit den Worten des

Pfarrers von Ars die Würde des Priesters: „Oh, wie groß ist der Priester! …

Wenn er sich selbst verstünde, würde er sterben. Gott gehorcht ihm.

Er spricht zwei Sätze aus, und auf sein Wort hin

steigt der Herr vom Himmel herab und schließt sich in eine kleine Hostie ein

…Der Priester ist es, der das Werk der Erlösung auf Erden fortführt…“

 

D.h: Priester gelten in den Augen von Papst Benedikt XVI. als besonders auserwählte

Menschen, durch die andere erst Zugang zu Erlösung und Frieden erhalten.“

Paul Haverkamp, Lingen, am 18.3.2012

 

 

 

 

Paulo Freire: „Von befreiender Pädagogik zur Pädagogik der Autonomie“

 

         „VON BEFREIENDER PÄDAGOGIK ZUR PÄDAGOGIK DER AUTONOMIE“

                                        Eine Begegnung mit Paulo Freire (1927-1997)

                                          Von Hernán Silva-Santisteban Larco. Biografische Hinweise zur Person am Ende dieses Beitrags.

Der nächste Salon am 23. März 2012 wird sich mit wichtigen philosophischen und pädagogischen Anregungen des brasilianischen Philosophen und Pädagogen Paulo Freire befassen.

Unser Referent, der Philosoph Hernán Silva -Santibestan Larco, hat schon einige Thesen und Fragen zusammengestellt:

 

Die besondere Leistung von Paulo Freire lag in dem Widerstand, den er mit seinem Werk in der

Praxis der Erwachsenenbildung gegen die Unterdrückung der Menschen in der sogenannten

„Dritten Welt“ geleistet hat. Die von ihm genannte „Pädagogik der Befreiung“ ist eine

Erziehungstheorie, die aus dem alltäglichen Leben hervorgeht, sich in dem alltäglichen Leben

bewährt und eine mögliche „Praxis der Befreiung“ einleitet zur Überwindung der sozialen-,

kulturellen-, ökonomischen-, und politischen Unterdrückungen. Das eigentliche Ziel der

Pädagogik Paulo Freires ist die Ausbildung einer konkreten „Utopie der Befreiung“ um die Welt

menschlicher zu gestalten. In Hinblick auf die Erfüllung dieser Aufgabe, entwickelte Paulo Freire

eine Methodik und Didaktik der Bewusstmachung, das sogenannte Alphabetisierungsprogramm,

dessen wesentliches und einziges Erziehungsinstrument die „Haltung des Dialogs „ ist.

Laut Gustavo Gutierrez „stellen die Erfahrungen und Arbeiten Paulo Freires eines der

schöpferischsten und fruchtbarsten Werke dar, die in Lateinamerika je entstanden sind“ (1). Auch

im gesellschaftlichen Kontext der Industrienationen des Westens wird die These vertreten, dass

man von Paulo Freire lernen kann, denn seine Pädagogik ist „als eine Art allgemeiner Didaktik

anzusehen, die sich  auf jede potentielle Lernsituation anwenden lässt“ (2)

I.- Einige Frage für unsere Teilnehmer des Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salons:

– Welches ist mein Bewusstsein von mir als Mensch in der heutigen Leistungs-, Konsum-,

Unterhaltungs-, und Massenmedien Gesellschaft?

– Wie ist mein Lebensprojekt?  Ist es das Resultat einer Selbstgestaltung als Ausdruck meiner

Initiativkraft, oder ist  mein Lebensprojekt eine Anpassung an die Welt?

– Wie kann ich ein klareres Bewusstsein meines Menschsein und damit Selbstsicherheit, Stärke,

Authentizität und Autonomie gewinnen?

– Wie kann ich eine Distanzierung gewinnen, um damit zu lernen, die fraglos akzeptierten

unterdrückerischen Normen und sozialen Strukturen zu relativieren und schließlich aufzuheben?

– Inwiefern bin ich ein Teilnehmer einer „Kultur des Schweigens“, der unmenschliche soziale

Umstände unkritisch gelten lässt, anstatt ein Teilnehmer einer „Kultur des Sprechens“ zu sein, der

diese Umstände kritisch versucht zu hinterfragen und zu verändern?

– Wie können wir „die spezifische Unverständlichkeit systematischer verzerrter Kommunikation“

(J. Habermas) in unserer heutigen Gesellschaft der Massenmedien aufklären

– Wie können wir uns in unserer Lebenswelt vernünftig verhalten und „Verantwortung als

Ausdruck der Freiheit“ (Joachim Gauck) für diese tragen?

– Wie können wir unsere heutigen Konflikte in Beziehungen zwischen verschiedenen Gruppen,

Kulturen, Länder in unserer heutigen Welt menschlich lösen?

II.- Einige Frage in Beziehung zu staatlichen Schulen und staatlicher Erziehung (3):

– Wie werden Schüler mit ihren Bedürfnissen, Interessen und Vorstellungen von den Lehrern

wahrgenommen und angenommen?

– Wie werden Kenntnisse und Erfahrungen der Schüler, ihr kulturelles Umfeld und ihre

„Schichtenherkunft“ von der Schule aufgenommen?

– Welchen Stellenwert haben die konkreten Lebenszusammenhänge der Schüler?

– Erscheint der Unterricht eher als Programmierung der Schuler mit Fremdwissen und fremder

Wirklichkeit anstatt als Erkenntnisvorgang zur Veränderung des Lebens?

– Wie werden die Unterrichtsabläufe im Verhältnis zu den Entfaltungsmöglichkeiten der Schüler

gestaltet?

– Gründet sich das Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler auf einem respektvollen und kreativen

Dialog, oder unterdrückt der Lehrer den Schüler (oder der Schüler den Lehrer) unter seiner

angebliche Autorität als Ausdruck der Macht?

– Welche Möglichkeiten haben die Schüler in der Bestimmung am Lernprozess teilzunehmen?

– Welchen Stellenwert bekommt die Freiheit der am Erziehungsprozess Beteiligten?

………………………………………………………………………………………………………………………..

(1) Gustavo Gutierrez, Theologie der Befreiung. Mit einem Nachwort von Johann Baptist Metz,

3. Auflage, München 1978, S.90.

(2) René Bendit/ Achim Heimburger, Von Paulo Freire lernen. Ein neuer Ansatz für Pädagogik

und Sozialarbeit, München 1977, S.125.

(3) mehr über das Thema in: Joachim Dabisch, Die Pädagogik Paulo Freires im Schulsystem,

Saarbrücken 1987. Auch in: Dimas Figueroa, Paulo Freire zur Einführung, Hamburg 1989

 

………..

Zur Person: Hernán Silva-Santisteban Larco

• Geboren 1948. Deutsch-Peruaner.

• Primär- und Sekundarschule in Lima.

• Universitätsstudium der Philosophie, Theologie

und Pädagogik in Peru, Argentinien und Chile.

Master of Arts in Philosophie.

• Hochschuldozent für Philosophie in Peru.

• Dozent in indigenen Bauerngemeinschaften in

den Zentral-Anden und dem Amazonasgebiet in Peru.

• Ausbildung zum Waldorflehrer am Waldorflehrerseminar

in Berlin. Lehrertätigkeit (Primär- und

Sekundarstufe) an Waldorfschulen in Deutschland

und Mexiko.

• Langjähriges Studium der Anthroposophie

und Dozent in der anthroposophischen

Erwachsenenbildung.

• Ausbildung als Biographie-Berater und Leiter von

Seminaren zur Biographiearbeit bei Hellmuth ten

Siethoff (Schüler von Bernard Lievegoed) in Frankreich

und Deutschland.

• Veröffentlichung von drei Gedichtsammlungen sowie

Aufsätzen zu philosophischen und pädagogischen

Themen.

 

 

 

 

 

 

Advent – ein philosophisches Thema?

Advent – ein philosophisches Thema?

Von Christian Modehn, im Jahr 2011. Siehe auch die philosophische Meditation: Advent in Kiew 2022. LINK

1.

Der Philosophie, so der Ausgangspunkt, ist grundsätzlich kein Thema fremd. Alle Lebensfragen können im besinnlichen Denken, kritisch fragend, nach Gründen suchend, aber weiteres Fragen offen haltend, erhellt werden. Auch der Advent kann ein Thema sein; jene 4 Wochen vor Weihnachten, die, wie der Name sagt, der Ankunft eines besonderen Ereignisses gewidmet sind, dieses erwartete Ereignis wird heute populär Weihnachten genannt. Tatsächlich ist das große ersehnte und erhoffte Ereignis im religiösen Bewusstsein der informierten Christen die Geburt Jesu von Nazareth. Dass davon heute immer weniger Menschen selbst in Europa noch etwas wissen, ist ein anderes Thema.

2.

Die ersten Christen der frühen Kirche feierten eigentlich noch nicht diesen Advent. Sie warteten auf die alsbaldige machtvolle Wiederkunft Jesu Christi als des Weltenrichters. Als dieses Ereignis ausblieb – das stellten die ersten Christen wohl spätestens am Ende des 1. Jahrhunderts fest  – wurde für die Gottesdienste während des Jahres ein liturgischer Kalender etabliert, und da begann man „unseren“ Advent zu feiern. Die Christen versuchten also einige Wochen vor dem Geburtsfest Jesu von Nazareth sich noch einmal hineinzuversetzen in die frühere Situation, als „man“ auf ihn, den Erlöser, wartete. Wer ist dieses „man“? Die Christen deuten die hebräische Bibel so, dass sie alle dortigen Ankündigungen eines kommenden Retters und Erlösers auf diesen Jesus von Nazareth beziehen, was Juden nicht unterstützen können. Da also nur wenige Juden sich der christlichen Interpretation der Weissagungen der hebräischen Bibel anschließen konnten, d.h. Christen wurden, suchten die christlichen Theologen die Erwartungshaltung auch in philosophischen Kreisen der gebildeten griechischen („heidnischen“) Bevölkerung aufzudecken. Und hier beginnt eigentlich erst eine philosophische Besinnung auf den Advent.

3.

Für das besinnliche philosophische Nachdenken kann die für Christen zentrale Gestalt Jesu Christi als des Gott – Menschen bedeutsam sein. Dabei hängt alles davon ab, wie man den Gott – Menschen versteht. Die von der griechischen Philosophie inspirierte frühe Theologie (ab dem 2. Jahrhundert) hat dieses Symbol des Gott – Menschen immer wieder der frommen Betrachtung empfohlen. Dabei hat diese Theologie m.E. nie plausibel zeigen können, wie denn der einzelne Mensch diesem Gott – Menschen überhaupt nachfolgen kann, von Nachfolge Jesu Christi ist ja ständig – gerade auch als Aufforderung zum Tun – in kirchlichen Kreisen die Rede. Die irdischen Menschen kommen natürlich permanent an ihre Grenzen, wenn sie dem Gott – Menschen nachfolgen. Denn dieser wird als frei von Sünde beschrieben, d.h. er habe keinen Anteil am Bösen. Dieser Gott – Mensch Jesus von Nazareth hat seine Freiheit nur positiv gelebt, eine Fehlentscheidung aus Freiheit sei bei ihm ausgeschlossen, heißt es in der kirchlichen Spiritualität. So bleibt also die Verehrung dieses Gott – Menschen insofern problematisch, als der Mensch immer nur an seine Grenzen geführt wird; er kann seine Freiheit nie nur positiv leben, er hat Anteil am Bösen. So bleibt also nichts als der bewundernd – verzückte Blick auf diesen unerreichbaren Gott – Menschen. Insofern ist beim Feiern der Weihnacht, also der Geburt des göttlichen Kindes, auch religiös für den einzelnen und die Gemeinde immer schon „Frustration“ und Ungenügen angesagt.

Diese Form der Religion vermittelt offenbar  kein Gefühl von Erlöstsein und Befreitsein…

4.

Hat die Philosophie einen anderen Vorschlag? Ich denke ja, sie kann die Erwartung eines „besonderen“ Menschen, eines Gott – Menschen, unterstützen, indem sie allerdings deutlich macht: Menschliches und Göttliches stehen einander nicht fremd gegenüber; unter der Voraussetzung, philosophisch könnte der Aufweis gelingen, der Mensch sei in seinem Geist über das Endliche immer schon hinaus und tangiere so sehr das Göttliche, dass er die Möglichkeit dieses Transzendierens bereits als Kraft des Göttlichen IM Menschen erlebt. Darauf wurde früher schon hingewiesen in einer philosophischen Besinnung auf „Weihnachten“.

5.

Wäre also philosophisch der Advent das fragende Suchen und Warten nach dem, was im Symbol unbeholfen „Gott – Mensch“ genannt wird?  Also eine Erfahrung der Einheit des Weltlichen und des Nichtweltlichen, des absolut Gründenden, ein Verbundensein von Endlichem  und Unendlichem im Menschen, und zwar in jedem Menschen, nicht nur in den konfessionell Gebundenen, nicht nur unter denen, die sich Christen nennen. Vielmehr hat philosophisch gesehen jeder Mensch natürlich das gute Recht, auf seine individuelle Weise sein In – Gott – Sein oder sein mit der Transzendenz Verbundensein zu leben und zu gestalten. Das muss nicht im Rahmen einer (sich orthodox nennenden) Kirche geschehen, sondern überall im weiten Feld der Kultur. Wesentlich ist: In einer philosophischen Überlegung zum Advent hat jeder Mensch bereits Anteil am Göttlichen. Das macht die Würde des Menschen aus, er ist eigentlich – wie Jesus Christus – selbst schon auf seine Art Gott – Mensch, nicht als fertiger Zustand, sondern immer voller Gefährdungen und Irrwegen.

6.

Vielleicht sollte man philosophisch angesichts des Advents eher vom Warten und Suchen nach der Realisierung des „neuen Menschen“ sprechen; auch dieses Symbol ist belastet; jeglicher ideologischer Missbrauch in totalitären Systemen mit diesem Symbol muss zurückgewiesen werden. Aber sollte nicht – trotz des Missbrauchs – weiterhin vom „neuen Menschen“ gesprochen werden, einem Menschen, der Anteil hat an der gerechten und friedvollen Welt? Diese Worte formulieren ja nicht einen naiven, kindlichen Traum. Der „neue Mensch“ wäre als das Symbol weltweiter politischer demokratischer Bewegungen zu denken; diese Gruppen, meist spontan und nicht hierarchisiert, äußern sich im Protest gegen den alles zermalmenden Kapitalismus; sie äußern sich in der Anklage an das gewissenlose Ignorieren  ökologischer Erkenntnisse auf höchster politischer Ebene.

7.

Diesem neuen Menschen gilt die philosophische Aufmerksamkeit im Advent. Dabei ist das Philosophieren nicht nur von der Ungeduld erfüllt über das Fortdauern alter, überholter unmenschlicher Systeme. Das Philosophieren muss die Erkenntnis aushalten, dass diese Sehnsucht, dieses Warten, aufs schlimmste behindert wird vom Konsum-Rausch der Vorweihnachtszeit, von der Banalisierung des Erwarteten, dem totalen Kitsch der Weihnachtslieder – auch der kirchlichen. So erscheint der Advent heute vor allem als Zeit egozentrischer Wünsche.

8.

Die Sehnsucht nach dem „neuen Menschen“, dieser gelungenen Vereinigung von Endlichem und Unendlichem, Thema aller philosophischen Mystik, braucht die innere Erfahrung und das geduldiges Handeln in Gruppen und Gemeinden, auch in philosophischen.

copyright:christian modehn, berlin.

 

 

Wenn die Menschenrechte mobil machen

Wenn die Menschenrechte mobil machen
Copyright: Christian Modehn

-Eine Kurzfassung dieses Beitrags erschien in der empfehlenswerten Zeitschrift PUBLIK FORUM am 26.8.2011-

Von einer Welle der Gewalt wurden einige Städte Englands erschüttert. Junge Leute ließen sich in maßloser Wut zu zerstörerischem Hass hinreißen. Unter den Randalierern sind zweifellos viele Kriminelle, sie werden bestraft. Auch Jugendliche aus „gutem Haus“ haben besinnungslos geplündert und geklaut. „Aber dieser Aufstand war auch ein sozialer Aufstand“, sagt der Sozialarbeiter Konstantin Argeitis. Er kennt die „Szene“ in den „Problemvierteln“ von Manchester genau. „Wir holen uns zurück, was man uns genommen hat“, hört er immer wieder. „Die Krawalle sind eine direkte Folge der neoliberalen Regierung Camerons“, betont auch der in London lehrende Soziologe Richard Sennett, „viele soziale Leistungen für junge Leute wurden gestrichen. Und die Ursachen liegen für mich darin, dass diese Regierung die Zivilgesellschaft und die zivilen Institutionen zerstört hat“.
Die Demokratie muss grundlegend verändert, wenn nicht neu begründet werden: In allen Teilen Europas werden diese Stimmen laut. In Spanien z.B. agieren viele tausend „Indignados“,„Empörte“, ohne Gewalt, aber voller Energie: Sie versammeln sich seit 4 Monaten ständig zu öffentlichen Debatten auf den großen Plätzen. Mitte Juni demonstrierten Hunderttausende in Madrid gegen die Wirtschaftspolitik der Europäischen Union mit der Forderung: „Es kommt auf die Achtung der Grundrechte an, auf Wohnung, Arbeit, Kultur, Gesundheit, Bildung, politische Beteiligung für jeden. Wir fordern eine freie Entwicklung der Persönlichkeit“. In Athen, Lissabon und Paris solidarisieren sich Tausende, eine neue politische Bewegung außerhalb der etablierten Parteien entsteht. Diese Aktivisten beziehen ihre Power aus einem eher abstrakt formulierten Dokument, der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1948. In Artikel 22 heißt es: „Jeder hat als Mitglied der Gesellschaft das Recht auf soziale Sicherheit und Anspruch darauf, durch innerstaatliche Maßnahmen und internationale Zusammenarbeit … in den Genuss der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte zu gelangen, die für seine Würde und die freie Entwicklung seiner Persönlichkeit unentbehrlich sind“.
Diese abstrakten Formulierungen inspirieren heute zu der Frage: Warum soll es nicht in absehbarer Zeit das Menschenrecht auf demokratische Kontrolle der Finanzmärkte geben mit der Einführung eine Finanztransaktionssteuer? Neue Menschenrechte können prinzipiell „entdeckt“ und formuliert werden. Immer schon wurden Menschenrechte „geboren“, wenn Ungerechtigkeit zum Himmel schreit. Für den Philosophen Francois Jullien (Paris) sind der „basale Aufschrei“ und der „Protest gegen das Untragbare“ entscheidend. Es waren die Schrecken der Nazi – Barbarei und des Weltkrieges, die zur Menschenrechtserklärung der UNO 1948 führten. Seitdem gilt absolut: Jeder Mensch hat eine unverletzbare Würde, zu jeder Zeit und an jedem Ort. Alle Wesen, die Menschenantlitz tragen, sind Menschen.
Im 18. Jahrhundert waren es die Bürger und der niedere Klerus, die nicht länger die maßlosen Privilegien der Könige und den Hunger der Bevölkerung hinnehmen wollten. Aus einer Protest -Bewegung entstand die Französische Revolution. Und aus demselben Geist wurde im August 1789, gut einen Monat nach dem „Sturm auf die Bastille“, die damals sensationelle „Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte“ verabschiedet. Ausdrücklich wurde – zeitlos gültig – betont, „dass die Unkenntnis und die Missachtung der Menschenrechte die alleinigen Ursachen für die öffentlichen Missstände und die Verderbtheit der Regierungen sind“. Die neue politische Ordnung muss respektieren, dass jeder Mensch als Mensch unantastbare Rechte hat: „Die Menschen werden frei und gleich an Rechten geboren und bleiben es“ (Artikel 1). Das Zeitung „Journal de la Ville“ (Paris) schrieb wenige Tage nach dieser „Déclaration“: „Zum ersten Mal erlebt die Welt, wie ein aufgeklärtes Volk die Gedankenarbeit eines ganzen Jahrhunderts in die Menschenrechtserklärung hineinschreibt und in seinen Beratungen fünfzig Jahre Philosophie mit der Forderung Freiheit für alle zusammenfasst“.
Tatsächlich haben Philosophen der englischen und französischen Aufklärung (Hobbes, Locke, Rousseau, Diderot) mit ihrer Kritik an der gesetzlosen Unordnung des Absolutismus die Idee der Menschenrechte in der öffentlichen Debatte gefördert. Sie hatten Vorbilder, vor allem die Philosophen der Stoa: “Niemand ist vornehmer als andere“, schreibt Seneca (1 bis 65 n.Chr.), und er betont: „Dies sei eine klare Vernunfterkenntis“. Denn alle Menschen haben als Menschen an der „vernünftigen Weltseele“ (dem Ursprung) teil; deswegen haben alle auch gleiche Würde und gleiche Rechte. Darum wehren sich Stoiker auch gegen die Sklaverei. Die Philosophie der Menschenrechte hat durch Immanuel Kant (1724 – 1804) ihre grundlegende Prägung erhalten: Für ihn ist es unbestreitbare Erkenntnis der Vernunft, dass jeder Menschen als Zweck für sich selbst anzusehen sei. Deswegen, und nicht wegen religiöser Überzeugungen, hat jeder Mensch absoluten Wert: Kein Mensch darf bloß als Mittel für egoistische Ziele anderer behandelt werden.
Tatsache ist, dass bis heute „die Menschenrechte“ bestenfalls als ein schönes, aber realpolitisch irrelevantes Dokument angesehen werden. Wenn Staaten Mitglieder UNO werden – fast alle sind es – dann erkennen sie zwar automatisch deren Menschenrechtserklärung an. Aber Amnesty International weist darauf hin, dass es heute in fast allen Staaten schlimme Menschen­rechts­ver­letz­ungen gibt. Und die UNO muss meist hilflos zusehen. In Straßburg kümmert sich immerhin der „Europäische Gerichtshof für Menschenrechte“ um den Schutz dieses höchsten Gutes.
Etliche Philosophen (wie die Expertin Katharina Ceming) empfinden es in dieser Situation als höchst befremdlich, wenn Philosophen, wie Richard Rorty (1931 – 2007) als „Kulturrelativisten“ die rigorose Allgemeingültigkeit der Menschenrechte in Frage stellen. Rorty möchte die Menschenrechte aus dem Mitgefühl mit anderen Kulturen praktisch begründen und nur aus dem Einzelfall entwickeln. „Wir sollten unsere Menschenrechtskultur nicht als Überlegenheit gegenüber anderen Kulturen demonstrieren“, meint er: Nur so könnten europäische Besserwisserei und kultureller Imperialismus verhindert werden. Keine Frage: Westliche Politiker haben ihre eigene Machtpolitik z.B. gegenüber der „Dritten Welt“ mit dem Eintreten für die Menschenrechte kaschiert. Der Kampf gegen die Sandinisten in Nikaragua oder gegen Präsident Allende wurde so begründet, tatsächlich aber waren Antikommunismus und ökonomischer Dominanz entscheidend.
Aber darf der politische Missbrauch zur Relativierung der absolut zu schützenden Würde eines jeden Menschen führen? „Die Alternative zum viel geschmähten kulturellen Imperialismus der Menschenrechte entpuppt sich als Kultur- Rassismus, der das Existenzrecht eines Lebens vom kulturellen Kontext abhängen lässt“, betont Katharina Ceming.
Staaten, die heute strikt die absolute Gültigkeit der Menschenrechtserklärung der UNO von 1948 zurückweisen, kennen Menschenrechts – Traditionen. China beruft sich auf den „Lehrer der Harmonie“ (d.h. der Gehorsamshaltung und Unterwürfigkeit) Konfuzius. Aber das Regime übersieht gern, dass Konfuzius´ Meisterschüler, der hochgeschätzte Menzius bzw. Mengzi ( 370 bis 290 v.Chr.), in seinen Lehrgesprächen betont: „Jeder Mensch hat eine ihm angeborene Würde in sich selbst. Diese Würde wurde jedem Menschen vom „Himmel“ verliehen. Deswegen kann ein Machthaber sie weder gewähren noch nehmen. Jede Herrschaft ist daran gebunden“.
Auch in muslimisch geprägten Kulturen ist die Idee des Respekts vor jedem Menschen verbreitet, wenn auch der Koran nicht als Quelle für moderne Menschenrechte herangezogen werden kann. Immerhin, es gibt eine muslimische Hochschätzung der universal gültigen „Goldenen Regel“, die da heißt: „Tu den anderen nur das an, was dir selbst angetan werden soll“. In einer Sammlung von Hadithen (Interpretationen zu Mohammed) aus dem 13. Jahrhundert heißt es: „Keiner ist gläubiger Muslim, solange er nicht für seinen Bruder wünscht, was er sich selbst wünscht“. Abu Hurayra, ein Gefährte Mohammeds, sagte: „Wünsche den anderen Menschen, was du dir selbst wünschst. Dann erst wirst du ein wahrer Muslim“.
Die meisten „Aufständischen“ in Tunis und Kairo im Januar 2011 ließen sich nicht von religiösen Traditionen inspirieren: „Wir wollen Demokratie“, berichtet der weltbekannte syrische Philosoph Sadiq al Azm. „So denkt die junge Generation dort, es ist die bürgerliche Selbstbehauptung gegen die Macht der Regime“. Sadiq al Azm spricht im Blick auf Nordafrika von „einer Transformation der religiösen Haltung“, es geht – endlich – um Selbstbestimmung, also ansatzweise um Menschenrechte.
Dabei weiß er genau, wie umstritten diese Ansätze sind. Die „Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam“ von 1990 wurde noch nicht revidiert. Diesem Dokument zufolge können die Rechte und Freiheiten des einzelnen nicht universell gelten, sie sind vielmehr der Scharia unterworfen.
Religiöse Kategorien begrenzen die Geltung der Menschrechte: Dies ist auch die Rechtsauffassung der katholischen Kirche. Wie im Islam wird die „Würde des Menschen“ einzig von Gott hergeleitet. Ohne einen ausdrücklichen Gottes Bezug kann es keine Menschenrechte geben, darin stimmen islamische und römische Texte überein. Gleichlautend wird die Überzeugung verbreitet, „der Mensch könne ohne die Offenbarung Gottes nicht den besten Weg des Lebens beschreiten“. Diese Lehre kann aber nur Menschen überzeugen, die bereits an Gott glauben. In ihrer inneren Verfasstheit haben die universalen Menschenrechte nicht das letzte Wort. Der „Codex“, das offizielle Gesetzbuch von 1983, bietet viele Beispiele. Wenn Gläubige von der zuständigen Autorität vor Gericht gezogen werden, haben sie auch „Anrecht auf ein Urteil, das nach Recht und Billigkeit gefällt wird“, so § 221, 3. Von Verteidigung und unabhängigen Richtern ist keine Rede. Denn „der kirchlichen Autorität steht es zu, die Ausübung der Rechte, die den Gläubigen eigen sind, zu regeln“, § 223, 2. Der Begriff „Demokratie“ kommt im offiziellen Katechismus von 1993 nicht vor. Demokratie und Menschenrechte sind Produkte der Vernunft. Aber der menschlichen Erkenntnis misstraut die Kirche entschieden. Führung und Gehorsam sollen gelten, nicht Autonomie und Freiheit. Es ist bekannt, dass die Päpste unmittelbar nach der amerikanischen und der französischen Menschenrechtserklärung, also ab 1791, in langen Hasstiraden diese „schlimmsten Übel“ verurteilten. Erst mit dem 2. Vatikanischen Konzil wurde diese Polemik aufgegeben Aber nun behauptet die Kirche, an der Bildung der Menschenrechte beteiligt gewesen zu sein… Wenn heute Laien und Priester politisch zugunsten der Menschenrechte eintreten, etwa in Lateinamerika und Afrika, bleibt bei aller Anerkennung ihres Engagements die Frage: Wie können sie die Menschenrechte als politisch absolut richtig und gottgewollt vertreten, wenn sie in der eigenen Kirche nicht gelten? Wie kann die Kirche ernsthaft behaupten, die Menschenrechte hätten nichts mit der angeblich göttlichen Ordnung der Kirche zu tun? Wie viel Machtideologie ist da immer noch lebendig? Wie lange nehmen Katholiken diese Situation hin?
Die universalen Menschenrechte, als lebendiger Prozess verstanden, werden erst dann weltweit praktisch von sehr vielen Menschen respektiert werden, wenn politische Willkürregime verschwinden und religiöse Führer die Grenzen ihrer Kompetenz anerkennen. Aber: Das Wichtigste ist getan! Die Menschenrechtserklärung der UNO wird niemand mehr aus den Herzen der Menschen vertreiben können.

Proteste zum Papstbesuch

Proteste zum Papstbesuch
Priester in Madrid kritisieren den Weltjugendtag und den Papstbesuch
Von Christian Modehn

Im religionsphilosophischen Salon werden die Diskussionen über die konsequente Trennung von Kirche und Staat mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt. Das ist ein Erbe der philosophischen Aufklärung, das niemals vergessen werden darf, so meinen es viele Teilnehmer unserer Salons. In einer multireligiösen Gesellschaft ist die konsequente Trennung von Kirche und Staat zudem der beste Weg für ein respektvolles Miteinander. Dass auch Jesus sich den Herrschern niemals andiente oder von ihnen finanziell profitierte, dürfte unter bibelfesten Kreisen ohnehin bekannt sein.
In Spanien melden sich jetzt 120 Priester aus dem Erzbistum Madrid zu Wort. Sie kritisieren öffentlich und ohne Angst die hohen Unkosten, die der katholische Weltjugendtag in Madrid (vom 16. bis 21. August 2011) verursachen wird. Mindestens 50 Millionen Euro soll das Treffen mit dem Papst kosten, etwa 25 Millionen will der spanische Staat zur Verfügung stellen. Das berichten verschiedene spanische Tageszeitungen und etwa auch die Amsterdamer Tageszeitung Trouw vom 24. 6. 2011. Dieser Protest gegen die hohen Kosten wie gegen die einseitig spirituelle Dimension de Weltjugendtage erscheint sehr bemerkenswert: Katholische Priester in Madrid haben den Mut zu öffentlicher Papst – und Kirchenkritik, solches wäre wohl in Deutschland, dem Land der Angst, kaum vorstellbar. Rafael Rojo und Eubilio Rodriguez, beide Pfarrer in Madrid, haben in Interviews mit den großen Tageszeitungen ihr Anliegen deutlich gemacht. Wir werden sehen, wann sie ihres Amtes enthoben werden…
In einem eigenständigen Dokument zeigen die Priester, die zum „Foro curas de Madrid“ gehören: Der Kardinal von Madrid, Antonio Rouco Varela, hat Sponsoren für das internationale Jugend – Treffen in Kreisen der allmächtigen Banken und Konzerne gesucht und gefunden. Die Chefetagen geben sich gern religiös generös. Dabei wissen die meisten kritischen Spanier, dass die falsche Finanzpolitik, das Verhalten der Banken vor allem, die tiefe ökonomische un soziale Krise Spaniens mit verursacht hat. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt in Spanien bei über 40 %. Das Dokument der Priester, eine Studie politischer Theologie, konkret, voller Fakten und nicht allgemein und ausgewogen, wie in Kirchenkreisen anderer Länder üblich, ist nachzulesen in der empfehlenswerten website www.atrio.org. Der Titel dieses Dokuments: „Die Mäzene von Rouco“, „Los Mecenas de Rouco“.
Darüber hinaus gibt es ein Bündnis von 45 Vereinen, die gegen die hohen staatlichen Zuschüsse zu dem religiösen Treffen protestieren und entsprechende Demonstrationen im Umfeld des Papstbesuches planen. . Dazu gehören die Basisgemeinen, religionskritische Kreise wie die Freidenker und die Vereine der Lesben und Schwulen und linke politische Organisationen. Sie meinen, es sei mit der Trennung von Kirche und Staat unvereinbar, dass der Staat mit ca 25 Millionen das religiöse Treffen finanziert. Der Sprecher der katholischen Weltjugendtage behauptet hingegen, die Kosten würden von den „Pilgern“ erbracht und eben von den Spendern aus der Finanzwelt.
Die Madrider Priester schreiben: „Die Weltjugendtage sind kein geeignetes Mittel für die so genannte Jugendpastoral. Viele Jugendliche sehen die Kirche als veraltet, mit Privilegien von Geld und Macht, sie bietet keine gültige Antwort mehr für ihr Leben. Man kann nicht die Botschaft des Evangeliums in einem Bündnis mit der Ökonomie und der Politik stark machen. Das verstärkt nur das Image, die Kirche sei eine privilegierte Organisation, die nahe bei der Macht steht“.
Nebenbei: In vielen spanischen Städten finden seit Mitte Mai 2011 sozusagen ständig öffentliche Weltjugendtage statt: Junge Menschen diskutieren auf großen Plätzen über die Zukunft ihres Landes, über die Zukunft Europas über eine gerechte Welt… Es sind jene zumeist nicht konfessionell gebundenen jungen Leute, darunter viele Akademiker, die für sich selbst als Arbeitslose und „Vergessene“ eine bessere Zukunft erwarten. Man darf gespannt sein, wie die jungen Leute des päpstlichen Weltjugendtages im August aus den Kreisen des Opus Dei, der Legionäre Christi, der Charismatiker, der Neokatechumenalen mit diesen jungen Menschen eines ganz anderen Weltjugendtreffens zusammenkommen. Den 120 Pfarrern in Madrid ist klar: Das Weltjugendtreffen wird eine Heerschau extrem konservativer Katholiken sein. Und Nonnen, so wird berichtet, müssen in diesen Tagen in Madrid wieder ihren klassischen Habit tragen, den sie seit dem Konzil in den Schrank gehängt haben. Auch über die Kleiderordnung soll die dogmatische Einheitlichkeit Ausdruck finden. copyright:christian modehn.