Hannah Arendt: Politisch denken in dieser Zeit der globalen Krisen

Hinweise von Christian Modehn am 11.5.2020

Der folgende, etwas ausführliche Hinweis auf Hannah Arendt wurde aus Anlass der großen „Hannah Arendt Ausstellung“ im Deutschen Historischen Museum in Berlin zusammengestellt.
Diese vier Beiträge habe ich 2016 geschrieben. Sie können heute hilfreich sein, als Inspiration im Umfeld eines Besuches der Ausstellung. Oder, wichtiger noch: Wenn man sich angesichts des zunehmenden Rechtsradikalismus die Frage stellt nach Ursprung und Überwindung dieser Verirrung, dieses Wahns.

Wesentliche und zum Teil heute weit verbreitete Urteile von Hannah Arendt vor allem zum „Eichmann-Prozess in Jerusalem“ 1961 werden in der Forschung der letzten Jahre immer mehr differenziert, korrigiert oder zurückgewiesen. Dies gilt besonders für Hannah Arendts Einschätzung, Eichmann sei ein Repräsentant der „Banalität des Bösen“ gewesen. Die bekannte Historikerin Irmtrud Wojak hat (in ihrem Buch „Eichmanns Memoiren“, 2001) gezeigt, „dass Hannah Arendt sich von Adolf Eichmanns Verteidigungsstrategie (im Jerusalemer Prozess) täuschen ließ“. So fasst Franziska Augstein die wesentliche Erkenntnis Wojaks zusammen (in: Hannah Arendt, „Über das Böse“. Piper Verlag 2015, Seite 184). Hannah Arendt kannte auch nicht die Protokolle der Gespräche Eichmanns (in Argentinien) mit dem niederländischen SS Offizier Willem Sassen, da sagt Eichmann ganz klar:“ Ich war kein normaler Befehlsempfänger… sondern ich habe mitgedacht, ich war ein Idealist gewesen“ (a.a.O. 185).
In Jerusalem (1961) hat sich Eichmann dann als „gehorsamer Befehlsempfänger“ stilisiert. Wenn die Rede von der Banalität des Bösen bezogen auf Eichmann z.B. überhaupt einen Sinn macht, dann nur, um zu betonen: Dieser entschiedene, von der Nazi-Ideologie total durchseuchte Massenmörder war ein Typ der „Jedermänner“, wie Franziska Augstein sagt. Also nach außen hin brav wirkend, der gehorsame Durchschnittsbürger: Eichmann und die vielen anderen braven, gehorsamen Deutschen waren bereit, den von „oben“, dem NS Staat definierten Feind, die Juden, total zu vernichten. Diese Normalbürger wurden zu Massenmördern weil sie sich gehorsam in die tödlichen „Logik“ des NS Regime einfügten.
Der populär gewordene Hannah-Arendt-Slogan „Die Banalität des Bösen bezogen auf Eichmann“ bedarf also der Korrektur.
Immer wieder wird auch in aktuellen Publikationen daran erinnert. In einem Beitrag über Gabriel Bach, einen der Ankläger in Jerusalem 1961, veröffentlicht in der Süddeutschen Zeitung (23./24. Mai 2020, Seite 51) betont die Autorin Alexandra Föderl-Schmid: „Bach lasse es nicht gelten, Eichmann sei eigentlich nur ein schlichter Schreibtischtäter gewesen. Er habe Hannah Arendt damals angeboten, ausführlicher mit ihm zu sprechen“. Dann wird Gabriel Bach zitiert: “Ich weiß bis heute nicht, warum sie das nicht angenommen hat“. „Das Buch Arendts „Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen“ habe er nur „überflogen“ und rasch wieder weggelegt“. „Es stimmt einfach so vieles nicht“.

Diese Hinweise machen auf die Grenzen der Studien Hannah Arendts aufmerksam. Diese Grenzen gilt es wahrzunehmen, angesichts der großen Popularität Hannah Arendts, populär, schon aufgrund ihrer leicht zugänglichen Sprache. Problematisch bleiben etliche ihrer Ausführungen: Dies gilt auch für ihre auch nach 1945 fortgesetzte Beziehung zu Martin Heidegger: Diese Beziehung berührte nicht nur das „Persönliche“, sondern: Heideggers Philosophie prägte in gewisser Weise auch ihr Denken noch nach 1945, darauf hat der Philosoph Emmanuel Faye hingewiesen. In Berlin, im Rahmen der Forschungen der FU, erscheint eine kritische Gesamtausgabe der Werke Hannah Arendts erscheinen. Dann wird noch mehr kritische Deutlichkeit möglich sein. (https://www.arendteditionprojekt.de/Neuigkeiten/Information_philosophie_29042020.html)

Es bleiben jetzt Fragen offen in der Interpretation ihrer Schriften. Darum ist auch die Auseinandersetzung mit den Studien von Emmanuel Faye in Deutschland wichtig. Hannah Arendt inspiriert zwar, aber sie ist keine umfassend nur positive, von jeglicher Kritik befreite, gar enthusiastisch gefeierte “Meisterin des Denkens”.

Die Ausstellung im DHM in Berlin wurde am 11.5. eröffnet …sie sollte bis zum 18.Oktober 2020 besucht werden.

1.
Hannah Arendt: Die Banalität des Bösen, die „lebenden Leichname“ und die Überflüssigen

Hannah Arendt legte Wert darauf, nicht (nur) als Philosophin (im „klassischen Sinne) zu gelten. Sie verstand sich ausdrücklich eher als Politikwissenschaftlerin, wobei selbstverständlich ihr origineller Blick auf politische Ereignisse und Politiker durchaus philosophische Prägungen (etwa durch die Methode der Phänomenologie) offenbart.

Dieser Blick, unverstellt und ohne ideologische Brille Phänomene zu sehen, wird wirksam in ihrer Beobachtung des Prozesses gegen Eichmann in Jerusalem 1961. Ihr Buch „Eichmann in Jerusalem“ trägt den – gleich nach der Veröffentlichung höchst umstrittenen – Titel „Ein Bericht von der Banalität des Bösen“. Damit wollte Hannah Arendt – entgegen vielfacher und tief verletzender Polemik – gerade NICHT den Völkermord an den Juden durch die Nazi Herrschaft als banales Geschehen darstellen. Sie wollte lediglich betonen: Einer der Hauptakteure der Vernichtung, Adolf Eichmann, sei eigentlich nicht ein unbeschreibliches Monster oder ein undefinierbarer Teufel oder sonst etwas Mysteriös – Bedrohliches! Sondern Eichmann ist ein banaler Durchschnittstyp, ein auf Gehorsam und Befehle empfangen und Befehle geben fixierter Bürokrat.

Dieser Täter (wie andere in der SS-Führung) ist banal, und gerade wegen dieser Alltäglichkeit beschreibbar und verstehbar und auf seinem Weg zum Schreibtischtäter “nachvollziehbar”. Nur wer das Böse „banalisiert“, also in den Alltag des Gewordenseins stellt, kann das Böse auch möglicherweise überwinden oder einschränken. Es müssen die Wege und Stufen beschrieben werden, die einen Menschen langsam zum Schreibtischtäter werden lassen. Das ist Hannah Arendts überzeugendes Argument! Die beispiellosesten Verbrechen der Menschheit werden von den gewöhnlichsten Leuten begangen. Die Philosophin Susan Neiman (Direktorin des Einstein Forums in Potsdam) hält in ihrem Buch „Das Böse denken“ zu recht die Studie Hanna Arendts zur „Banalität des Bösen“ für den wichtigsten philosophischen Beitrag zum Problem des Bösen im 20. Jahrhundert (Neiman, Seite 397, Suhrkamp).
1988 schrieb Ingeborg Bordmann (in: Freibeuter, Heft 36, 1988, S. 86): “Hannah Arendt versucht nicht, Eichmann zu entlarven, also eine verborgene Wahrheit hinter seinen Worten zu finden, sondern sie achtet darauf, wie Eichmann sich verhält, wie er redet, wann er stockt, verstummt oder in plötzliche emphatische Selbstdarstellung verfällt….Er erinnert sich nur an die Situationen, die mit den Wendepunkten seiner Karrriere zusammenfallen”. Eichmann lebt in einer geschlossenen Welt, seine “standardisierten Ausdrucks- und Verhaltensweisen sind nicht korrigierbar durch den Kontakt mit der Realität… Sein Gewissen ist systemkonform”. Hannah Arendts Eichmann Buch ist ein Bekenntnis zur Freiheit des Menschen. Und dieser menschliche Mensch besitzt eigentlich und immer die Fähigkeit, sich zu entscheiden und Verantwortung zu übernehmen. Bei Eichmann ist diese Fähigkeit der Verantwortung aber in einem langen Prozeß der Indoktrination von autoritären Verhaltensvorschriften Schritt für Schritt getötet worden. Das ist das eigentlich Böse an dieser Gestalt, dass diese Form des Absterbens von Verantwortung und Freiheit eigentlich immer wieder (bei allen Menschen) passieren kann. Das banale Böse ist in Hannah Arendts Sicht eigentlich wiederholbar. Denn es wütet, so ihr Bild, als das extreme Böse “wie ein Pilz auf der Oberfläche, der sich rasant verbreiten kann, wenn man den Pilz nicht ausreißt”, so Hannah Arendt in einem Brief an Gershom Scholem(vgl. Fn. 10 bei Ingeborg Normann, S. 94). Und Hannah Arendt geht noch weiter: Nicht die Zuverlässigen, die Treuen, die Stützen und gehorsamen Bürger sind diejenigen, die dem moralischen Zusammenbruch widerstehen. “Viel verläßlicher sind die Zweifler und Skeptiker, … weil sie daran gewöhnt sind, Dinge zu prüfen und sich eine eigene Meinung zu bilden…”(S. 92 in Freibeuter)

Und dieser Banalität des Bösen in Form der “Schreibtischtäter” begegnen wir heute vielfach, in der Kriegsführung, etwa im Einsatz von Drohnen, die ferngesteuert Bomben abwerfen und „eben“ zahllose „Kollateralschäden“ unter der Zivilbevölkerung bewirken. Oder im völlig verantwortungslosen Handeln gewisser Banker, die um ihres egoistischen Profits willen eine ökonomische Katastrophe und damit Schaden für Millionen Menschen in Kauf nehmen: immer sind es brave, ängstliche Männer, die die eigene Karriere für absolut vorrangig halten vor allen ethischen Verantwortlichkeiten…

Ein prominenter Schüler Hannah Arends ist Richard Sennett. In seinem Buch „Die Kultur des neuen Kapitalismus“ geht es ihm darum aufzuweisen, wie die neue Kultur, die von der New Economy der 1990er Jahre ausgeht, zu tief greifenden Veränderungen auf gesellschaftlicher und individueller Ebene führen. Sennett betont: Man muss darauf hinweisen, dass heute in der Ökonomie und Politik weltweit Massen sozusagen nutzloser Menschen „erzeugt“ werden, man denke heute an junge Arbeitslose zu Millionen in Spanien, Griechenland, Portugal usw. Oder an “Überflüssige” in den Slums der Großstädte Aftikas und Asiens…
Das kapitalistische System erzeugt förmlich permanent die überflüssigen Menschen, die zudem auch wissen, dass sie niemand braucht und vom System noch mit einer Minimalunterstützung manchmal noch gerade am Überleben erhalten werden.

Für Hannah Arendt stellten diese überflüssigen Menschen sozusagen die Basis dar, aus der die Mörderbande der Nazis ihre „Mitstreiter“ holten. Eine so genannte demokratische Gesellschaft und ein Staat, die ständig immer mehr „Nutzlose“ erzeugen, gefährden ihre eigene Zukunft.
Auch das ergibt sich aus einer Auseinandersetzung mit Hannah Arendts Werk. In ihrem Buch „Elemente und Ursprung totaler Herrschaft“ (1951) zeigt sie ausdrücklich, wie „der irrsinnigen Massenfabrikation von Leichen die historisch und politisch verständliche Präparation lebender Leichname vorangeht“. (S. 686, Serie Piper).
Damit meint sie: Die lebenden Leichname wurden „produziert“ vom Gesellschaftssystem, es sind die „Millionen Heimatlosen, Staatenlosen, Rechtlosen , wirtschaftlich Überflüssigen und sozial Unerwünschten“ (ebd.). Das totalitäre System des radikal Bösen konnte sich also nur entwickeln, weil so viele „überflüssige“ Menschen „produziert“ wurden. Denn auch die Henker und Täter fühlten sich als Nihilisten, sie lebten in dem Gefühl, dass ihr Leben sinnlos und überflüssig ist. Hannah Arendt warnt: Totalitäre Systeme können wieder „auftreten, wenn wieder hingenommen wird, dass es viele „überflüssige Menschen“ eben geben darf…
Die einzige „Therapie“ zur Rettung der wahren Demokratie ist für Hannah Arendt das aktive Leben, also das bewusste kritische und selbstkritische Handeln mit und für die Stadt, die Polis und die Gesellschaft. Wer das aktive Leben meidet, das Engagement gegen die Produzenten der „lebenden Leichen“, verfehlt sein eigenes Leben. So radikal ist die Botschaft Hannah Arends heute.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

2.
Ist Hannah Arendt gebunden an Heideggers eher braunen Denkweg?

Ein Hinweis auf ein verstörendes und inspirierende Buch des Philosophen Emmanuel Faye, Rouen

Am 12.5.2020 geschrieben:
Es ist interessant zu beobachten, dass manche Bücher, die sich auch sehr kritisch mit dem politischen Denken Hannah Arends befassen, in Deutschland kaum wahrgenommen werden. Das gilt etwa für das in Frankreich viel beachtete, sehr umfangreiche Buch von Emmanuel Faye, “Arendt et Heidegger”. Es hat in Frankreich seit seinem Erscheinen 2016 viele Debatten gefunden. Vor allem auch einige, zum Teil polemische Ablehnungen von Philosophen und Autoren, die sich “ihre” in jeder Hinsicht vorbildliche Hanna Arendt nicht nehmen lassen wollten.
Faye will nur darauf hinweisen: Dass Hannah Arendt stark an bestimmte Denkmuster von Martin Heidegger gebunden bleibt. Und dass sich deswegen konsequenterweise fragwürdige, problematische Äußerungen finden in ihren Büchern “Über die Revolution” oder “Vita activa”. In beiden Büchern legt Emmanuel Faye Aussagen, Tendenzen, frei, die mit einem demokratischen Denken und mit einer vorbehaltlosen Anerkennung und Verteidigung der Demokratie nicht so viel zu tun haben.
In einer Stellungnahme zu einer Rezension seines Buches in der Zeitschrift “La Vie des Idées” (Paris) macht Faye auf verschiedene Erkenntnisse aufmerksam: Heidegger ist für Hannah Arendt immer eine Art “Paradigma” des Denkens. Dabei betont Faye: “Ich kritisiere nicht die Person Arendt”. Aber von ihr wurde Heidegger zu einem Meisterdenker erklärt, “aufgrund ihrer Lobeshymnen auf ihn”. Wichtiger sind noch die Hinweise Fayes zu Arendts Buch “Vita activa”, in dem sie in gewisser Weise ihre Sehnsucht äußert nach einer “aristokratischen Politik”, verbunden mit einer Kritik an “egalitären Gesellschaften”. Eine Vorliebe für den Begriff des Aristokratischen bei Hannah Arendt steht im Mittelpunkt der Kritik Fayes.

Ich war einer der ersten in Deutschland, der auf diese Veröffentlichung des Buches von Emmanuel Faye 2016 reagiert hat. Als Hinweis verstanden! Hier noch einmal dieser Text, kurz nach Erscheinen von Fayes Buch. Und ich betone noch einmal: Dieser erste Hinweis sollte ein erster Anstoß zur Debatte auch in Deutschland sein. Diese kritische Debatte hat meines Wissens in Deutschland kaum stattgefunden. Als erste Information könnte vielen die auf Deutsch im Internet zugängliche Studie Fayes dienen:„Nationalismus und Totalitarismus bei Hannah Arendt und Aurel Kolnai“, in „Theologie-Geschichte. Beiheft 5/2012, Seite 61ff., Universitätsverlag Saarbrücken.
…………………………….
In Frankreich spricht man in diesen Tagen von einem „livre choc“ und einem „séisme intellectuel“, also einem „intellektuellen Erdbeben“: Ausgelöst hat dieses der französische Philosoph Prof. Emmanuel Faye: Er ist weltweit bekannt geworden durch seine Studien über die Verstrickungen Martin Heideggers in die Nazi-Ideologie. Dieses erste, von ihm in gewisser Weise unterstützte Erdbeben, wird in vollem Umfang nun auch bestätigt durch die Publikation der „Schwarzen Hefte“ Heideggers.
Jetzt aber steht ein zweites “Faye-Erdbeben”, womöglich noch größerer Art, bevor: Falls sich nicht ein noch Kompetenterer durch die 560 Seiten umfassende Studie Fayes so durcharbeitet, dass man zum Schluss herauskommt: Der Heidegger-Kritiker Faye hat geirrt. Es geht in der neuen „minutiös“ genannten Studie Fayes um eine globale und radikale Dekonstruktion, im Sinne von Entzauberung, wenn nicht Zerstörung, der international doch eigentlich hoch geschätzten, und kann man wohl sagen viel gelesenen und “beliebten” Philosophin und Politik-Denkerin Hannah Arendt. Sie wird jetzt in der französischen Presse (Le Monde, 7. Octobre 2016, S. 7) als „maitresse“ Heideggers tituliert. Selbst nach 1945 sei sie ihm gewogen geblieben, und zwar auch in ihrer Philosophie! Und das ist das Ergebnis der Studie von Faye. “Le Monde”-Autor Nicolas Weill nennt das umfassende Faye Buch (erschienen im Herbst 2016 bei Albin Michel, Paris) eine „unerbitterliche Anklagerede“ gegen Hannah Arendt. Die Rezensenten betonen, Faye haben alle greifbaren Ausgaben und Ausführungen Arendts gelesen, und er sei zu dem Schluss gekommen: Sie habe in zahlreichen Werken, in Andeutungen, Ausführungen und Thesen letztlich die Nazi-geprägte Philosophie Heideggers nach 1945 unterstützt. Wenn sie etwa von den umstrittenen Judenräten in den KZs spreche, dann wolle sie damit die Juden mitverantwortlich machen für ihr eigenes „Schicksal“, eine These, die Heideggers sympathisch gefunden haben soll. Eine andere These Fayes, über die “Le Monde” berichtet: Wenn Arendt Adolf Eichmann als Beispiel für die “Banalität des Bösen” wählt, dann sei ihr positives Gegenbild der „penseur par excellence Heidegger“, also Heidegger als der herausragende Denker. Eine These, mehr nicht, denke ich. Nicolas Weill schließt seinen Bericht über dieses insgesamt verstörende und beunruhigende Buch: “Es fehlen vielleicht die Nuancen, damit dieses Bild (von Hannah Arendt) vollständig sei“. Eine kurze Besprechung im „Philosophie Magazine“, Paris, (Oktober 2016) berichtet: Faye halte das Denken Hannah Arendts für „fascisante“, also faschistoid. Eine ungeheuerliche Behauptung, die jeder, der Hannah Arendts Werke liest, wohl zurückweisen wird. Ist Hannah Arendt nicht immer dem Denken des Aufklärers Kants verpflichtet gewesen? Wie aber passen etwas Kants “Kategorischer Imperativ” mit Heideggers (willkürlich wirkenden) “Seins-Geschicken” zusammen? Wie mit einem Heidegger, der sich weigerte, überhaupt eine Ethik zu denken und zu schreiben, weil eben alles “geschicklich” sei…Und überhaupt: Hannah Arendts Erkenntnis zur absoluten Notwendigkeit des Sich-selbst-Reflektierens ist ein Kontrast zu Heidegger, der offenbar ein weites Stück seines langen Lebens in der Nähe zum antisemitischem Denken sich eben NICHT selbst kritisch reflektierte!

Die Diskussion über dieses Buch Fayes hat in Deutschland meines Wissens noch nicht begonnen. Diese verstörende Studie wird hoffentlich nicht davon ablenken, nun auch noch die nazi-freundlichen Briefe Martin Heideggers an seinen Bruder Fritz gründlich zu lesen und allmählich ein Heidegger-Bild zu entwerfen, das sich der Frage stellt: Was brauchen wir von Heideggers Denken heute wirklich noch? Wie durchsetzt ist seine Philosophie von der Nazi-Ideologie und dem Antisemitismus? Dass dies überhaupt der Fall ist, wird immer deutlicher. Nun aber auch Hannah Arendt in das offenbar braune Denken Heideggers einzubeziehen und nun auch ihre aufklärerische Philosophie für faschistoid zu halten, das ist, einem ersten Eindruck der Rezensenten in Frankreich nach, wirklich schwierig, wenn nicht perfide. Der total antisemitisch “verdorbene” Heidegger soll wohl dadurch als solcher weiter etabliert werden, dass er mit seinem Denken selbst seine „maitresse“ Hannah, beeinflusste, die Jüdin, die vor dem Holocaust flüchten musste! Ein “Erdbeben”, wie Le Monde” schreibt, ist dieses Buch? Oder bloß – wieder einmal – eine französische “Intellektuellen Erregung”?

„Arendt et Heidegger. Extermination Nazi und Déstruction de la pensée“. Autor: Emmanuel Faye. Verlag: Albin Michel, Paris, 560 Seiten. 29 €.

Copyright: Christian Modehn

3.
Hannah Arendt über Pluralität und Erfahrung des anderen: Sie haben ihre Wurzeln im Selbstgespräch des einzelnen.

Ein Hinweis auf ein neues Buch von Hannah Arendt.

Hannah Arendt hat als Flüchtling in den USA nur noch politische Philosophie bzw. politische Theorie betreiben wollen, das hat sie etwa auch in dem berühmten Fernseh-Interview mit Günter Gaus betont. 1954 hat Hanna Arendt an der Notre-Dame University Vorträge zu dem Thema gehalten, auch über Sokrates und Platon hat sie gesprochen. Damit zeigte sie, dass die klassischen Themen der klassischen Philosophie für sie doch auch selbstverständlich wichtig blieben; sie wollte diese nur ausdrücklich im Zusammenhang des politischen Zusammenlebens erörtern.

Jetzt ist im Verlag „Matthes und Seitz“ (Berlin) zum ersten Mal eine deutsche Übersetzung ihres Vortrags mit dem Titel „Sokrates. Apologie der Pluralität“ erschienen. Dieser eher knappe Text ist originell und bedeutsam für weitere Diskussionen, weil er die Erfahrung der Andersheit der vielen anderen Menschen (Pluralität) gerade IN der Erfahrung des Selbst begründet: Von Selbstbewusstsein, diesem klassischen philosophischen Begriff, spricht Arendt in dem Text – soweit ich sehe – nicht. Aber sie verweist auf die elementare Denkerfahrung, die sich abstrakt etwa so beschreiben lässt: Ich denke mich und erlebe mich dabei als den von mir Gedachten, wobei das von mir gedachte Ich in gewisser Weise von mir als dem Denkenden verschieden ist. Es ist also eine gewisse Spaltung, “Pluralität”, im Ich oder im Selbstbewusstsein sichtbar und erfahrbar. Also eine Art zweifache Gegebenheit des einen Ich, so dass Hannah Arendt tatsächlich meint: Das Ich ist in seinem Selbstbewusstsein pluralistisch: “In sich selbst trägt der Mensch die Signatur dieser Pluralität in sich” (Seite 60 in dem genannten Buch). Also ist die Vielfalt verwurzelt im Ich selbst, und nur aufgrund dieser pluralistischen Erfahrung kann der einzelne auch den anderen als den anderen erkennen. Dies ist die zentrale These in dem Buch. (Es bietet darüber hinaus und im Gang der Argumentation wichtige Hinweise zu einer Philosophie der Freundschaft oder zur Differenz Sokrates-Platon, darauf kann hier nicht näher eingegangen werden).

Diesen zentralen abstrakten Gedanken formuliert Arendt mit den Begriffen des im einzelnen immer schon gegebenen Selbstgesprächs: „Indem ich mit mir selbst spreche, lebe ich auch mit mir zusammen…. Die Menschen tragen die Signatur der Pluralität in sich“ (S.26 in dem genannten Buch). Das hat ethische Konsequenzen: Ich muss also mit mir (als dem gedachten Ich) ins Reine kommen; ich darf mit mir (als dem gedachten Ich) nicht im Widerspruch stehen. Ziel ist eigentlich: Ich muss mit mir übereinstimmen. Das ist der oberste Lebenssinn für Sokrates. Und Hannah Arendt zeigt in dem Buch, wie Sokrates dieses Mit-sich-Eins-Sein selber lebte und lehrte. Dieses Mit-sich-Eins-Sein ist ein Werden, ein Prozess, eine bleibende Aufgabe.

Wer als Ich diese dauernde Aufgabe erkennt, wird auch mit den anderen Menschen in seiner Umgebung geduldig umgehen, weil diese sich ja auch wahrscheinlich bemühen, mit sich selbst überein zu stimmen. Voraussetzung für eine humane Gestaltung der Pluralität bleibt für Arendt: „Die Einsamkeit mit sich selbst, der Dialog des Zwei-in-Einem ist integraler Bestandteil des Zusammenseins und Zusammenlebens mit anderen“ (S. 81). Nur im Mit mit sich selbst allein sein kann diese Entdeckung der inneren, eigenen Pluralität denkend wahrgenommen werden.

Bedrängend, wenn nicht zerstörerisch ist die Erfahrung, wenn die Nicht-Übereinstimmung des Ich mit sich selbst erlebt und dann aber ignoriert bzw. überspielt wird. Dann wird die Daseinslüge zum Gesetz des Ich.

Jedenfalls ist die innere Pluralität im Selbstbewusstsein des einzelnen für Arendt so elementar, dass sie das große philosophische Wort thaumzein, sich verwundern, darauf bezieht: Im Thaumazein, Erstauntsein und Sich-Wundern, wird ja die Urerfahrung beschrieben, mit der Sokrates und Platon – zunächst über die Sprachlosigkeit im Thaumazein – ins weitere Philosophieren fanden.

Das Ur-Erstaunliche ist also das Selbstbewusstsein, das mit sich selbst übereinstimmen soll, das also die Differenz der Andersheit in seinem Selbst sozusagen positiv gestalten kann.

Diese Begründung der Erfahrung der menschlichen Pluralität, also die Erfahrung des anderen, erscheint für viele wahrscheinlich neu und sicher erstaunlich. Man könnte meinen, Hannah Arendt sei insofern doch klassische Philosophin geblieben, als sie für die Erfahrung des anderen als anderen eine Art apriorische Struktur im Ich entdeckt bzw. freilegt. Diese Denkhaltung könnte man wohl transzendentalphilosophisch nennen. Vielleicht ahnte dies Hannah Arendt, und vielleicht verwendet sie deswegen nicht den klassischen Begriff Selbstbewusstsein. Um eine apriorische Struktur handelt es bei Hannah Arendts Hinweis dann doch, wenn sie auf das in sich plurale „Selbstgespräch“, wie sie sagt, hinweist als Voraussetzung, über die andere Person als andere Person wahrzunehmen und zu respektieren.

Gewonnen ist die wichtige auch politisch so relevante Einsicht: Wir Menschen können und sollen Pluralität unter den Menschen anerkennen. Sie ist normal. Ich sage: Sie ist apriorisch und gehört zum “Wesen des Menschen”, könnte man auch klassisch sagen. Pluralität unter den Menschen ist also etwas allgemein Menschliches, noch einmal anders gesagt, Pluralität – in Gleichberechtigung – ist also zu hegen und zu pflegen.

Die weitere Frage bleibt, die Hanna Arendt nicht beantwortet, ob denn die Erfahrung des “anderen” in mir selbst noch einmal eine andere Qualität hat, als jene Erfahrung im Ich-Du bzw. Ich-Wir, wenn ich dem anderen, leibhaftig vor mir stehenden Anderen, begegne. Ich denke, etwa Lévinas hätte dem zugestimmt. Der leibhaftige Andere ist für ihn wohl die Gründung erst meiner Ich-Erfahrung. Das unterscheidet Lévinas von Heideggers “Sein und Zeit”, wo die Freilegung der Strukturen der Existenz auch ohne den herausfordernden “Anderen”, das Du, das Wir, geleistet wird.So werden hier auch die Grenzen dieser Überlegung Hannah Arendts sichtbar, oder ihre Bindung an Heideggers “Sein und Zeit”?

Hannah Arendt lag daran, in einer Zeit kurz nach dem Holocaust und in der Nachkriegsgeschichte entschieden für die unabweisbare Pluralität der Menschen zu plädieren. Und für den Respekt dieser Pluralität einzutreten.

Hannah Arendt, Sokrates. Apologie der Pluralität. Matthes und Seitz Verlag, Berlin. 2016, 109 Seiten. 12 Euro. Übersetzung: Joachim Kalka.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

4.
Von der Macht der Kommunikation: Hannah Arendt. Eine Sonderausgabe des „Philosophie Magazin“.

Wer Hannah Arendt liest, wird ins (selbst)kritische Denken geführt und ins Streiten für und über die Demokratie verbunden. Ist es diese Sehnsucht nach einem radikalen-tätigen, aber stets erhellenden Denken, die so viele LeserInnen heute zu Hannah Arendt führt?

Die neue Sonderausgabe über Hanna Arendt der Zeitschrift PHILOSOPHIE MAGAZIN bietet wichtige neue Erkenntnisse, die zum weiteren Forschen und Lesen einladen. Das Sonderheft wurde von Catherine Newmark redaktionell inspiriert und verantwortet. Und es ist nicht übertrieben: Damit ist ihr ein kleines Meisterwerk gelungen. Dieses Sonderheft wird weite Verbreitung finden, es wird einen sicheren Platz haben unter den schon zahlreichen Einführungen ins Denken und Handeln Hannah Arendts. Es ist diese Verbindung von wichtigen Arendt-Texten mit neuen Interpretation und kritischen Hinweisen, die dieses Heft so wertvoll macht.

Hannah Arendt war eine Meisterin der Freundschaft und der liebenden Beziehungen, dazu schreibt Michel Legros einen schönen Beitrag unter dem schon Wesentliches sagenden Titel „Zwischen zwei Menschen entsteht eine Welt“.

Als sie in den USA, zuerst viele Jahre als Staatenlose in rechtlicher Schutzlosigkeit lebend, dann doch Karriere machte, gab es viele, die ihr Denken und ihre Schriften als „Journalismus abgetan haben“, wie ihr einstiger Schüler, der Dirigent und Autor Leon Botstein im Interview mit Catherine Newmark berichtet. Wie das Exil und die von den Nazis erzwungene Flucht aus Deutschland Arendts Denken beeinflusste, zeigt die Philosophin Stefania Maffeis (FU). „Der philosophische Standpunkt des Exils ist jener der Lücke und des Bruchs. Er steht nicht auf dem sicheren Boden der unhinterfragten Wahrheiten der Vergangenheit und kann auch seine zukünftigen Ziele nicht vorhersehen“ (S.55).

Es sind die Interviews, die Catherine Newmark leitet, die in dem Heft in meiner Sicht besonders herausragen. Die Gründerin des Hannah Arendt Zentrums an der Uni Oldenburg, Antonia Grunenberg ist auch vertreten. Sie stellt sich auch der eher spekulativen Frage, wie denn etwa Hannah Arendt auf den IS reagiert hätte: „Sie hätte mehr darüber nachgedacht, wie sich die westlichen Gesellschaften verteidigen gegen diese Gefahr, ob sie einknicken oder ihre plurale Öffentlichkeit leben und öffentlich verteidigen“, so Antonia Grunenberg (S. 74). Erneut und sehr zurecht wird in dem Heft auf die eigenständige Leistung Arendts hingewiesen, dass sie eben als eine der wenigen „PhilosophInnen“ über die Geburt nachgedacht hat: Mit jedem neuen Menschsein wird jeweils ein Anfang gesetzt, und deswegen „können Menschen die Initiative ergreifen, Anfänger werden und Neues in Bewegung setzen“ (Arendt).

Besonders umstritten ist auch heute die viel zitierte Einschätzung Arendts, der Nazi-Verbrecher Adolf Eichmann sei eine typischer Vertreter für die Sichtbarkeit der „Banalität des Bösen“. Da finde ich die Hinweise der Philosophin Susan Neimann sehr erhellend: Hannah Arendt habe viele historische Details über Eichmann im Jahr 1961 eben gar nicht kennen können, als sie in Jerusalem den Eichmann-Prozess beobachtete. Noch wichtiger aber erscheint mir der Hinweis von Susan Neiman:. „Das Böse ist (für Hannah Arendt) nicht dämonisch und allumfassend, sondern nur die Summe von menschlichen Handlungen, oft gedankenlosen“ (S. 107). Neiman meint, Arendt habe in dieser „Relativität des Bösen“ eine Art philosophische Theodizee gesehen (S. 107). Praktisch heißt das: Mit besserem Denken und besserem Handeln können wir Menschen gegen das Böse vorgehen. „Die These von der Banalität des Bösen mag zwar historisch für Eichmann nicht zutreffend gewesen sein, aber für Millionen von anderen Menschen stimmt sie schon, Menschen , deren Absichten nicht dämonisch böse waren. Sondern irgendwo zwischen relativ niedrig und deutlich gut rangieren, aber ohne die es keinen Holocaust gegeben hätte“ (ebd.).

Eine andere, schärfere, Vernunft-skeptische Position vertritt die Philosophin Bettina Stangneth, die kürzlich das Buch „Böses Denken“ (bei Rowohlt) veröffentlichte. Sie sagt: „Das Denken ist ein Werkzeug. Und mit Werkzeugen kann man bekanntlich alles Mögliche anstellen – so wie man mit einem Hammer einen Nagel einschlagen oder aber die Schwiegermutter erschlagen kann, deshalb versuche ich, mehr über das böse Denken zu lernen“. Aber darüber wäre viel zu diskutieren, ob Denken überhaupt ein Werkzeug ist und ob nicht auch derjenige, der Böses denkt und Böse tut, sich meistens, wenn nicht gehirngeschädigt, doch wohl frei für diese Tat entschieden hat.
Und der Böse erlebt dieses Böses-Tun dann doch als seine Form seines privaten egoistischen Ego-Glücks und des nur für ihn subjektiven „Guten“. Womit gesagt sein soll, dass auch der Böse letztlich an eine Priorität des Guten (formal) gebunden ist. Das Gute ist also in der Wahrnehmung selbst noch des Bösen vorhanden und als Gutes in der Hinsicht nicht “totzuschlagen”. Das könnte heißen: Menschen als Wesen des Geistes, der Vernunft, sind an die Idee des Guten irgendwie “gebunden”. Aber diese interessanten “spekulativen” Fragen führen über das Heft hinaus.

Politisch sehr aktuell und sehr inspirierend ist das moderierte Gespräch Gesine Schwans mit Volker Gerhardt, die sich beide in den meisten Fragen zum Thema “Öffentlicher Streit in der Demokratie” einig sind. Sie sind sich auch einig, wenn es um die These von Hannah Arendt geht „Macht gründet auf Kommunikation“. Da wird sehr zurecht von beiden Philosophen daran erinnert, dass die Kanzlerin Merkel – etwa auch in der Flüchtlingspolitik – „gerade nicht kommunikativ war“, so Gesine Schwan (S. 142). …“und unsere Kanzlerin ist ganz besonders avers gegen öffentliche Kommunikation und gegen die Kommunikation von Alternativen“ (ebd). Volker Gerhardt sagt: „Die Politiker (Deutschlands, Europas) konnten schon seit langem wissen, was auf Europa zukommt, aber sie haben die Bürger nicht auf den bevorstehenden Ansturm eingestimmt… Aus der Sicht Hannah Arendts haben die Offenheit und die immer auch visionäre Kraft des Arguments gefehlt“ (S, 142).

Insofern möchte man hoffen, dass dieses Heft über Hannah Arendt auch von Politikern gelesen und besprochen wird. Gibt es das eigentlich, dass PolitikerInnen über ihre gemeinsame philosophische Lektüre öffentlich sprechen? Oder sind sie nur im hektischen Geschäft des politischen Agierens und Tuns befasst?

Zum Heft selbst eine kleine kritische Anmerkung: Ich hätte mir einen eigenen Beitrag gewünscht zu der Tatsache, dass Hannah Arendt im Gespräch mit Günter Gaus von 1964 ausdrücklich darauf besteht, sie sei keine Philosophin mehr sei, sondern eine Theoretikerin der Politik (S. 17). Diese ausdrückliche Abwehr seit ihrer Zeit in den USA, eben nicht mehr als Philosophin zu gelten, hat sicher ihre Gründe: Erkenntnis der Abgehobenheit „der“ (klassischen) Philosophie? Arendt schrieb ja noch bei Heidegger eine Doktorarbeit über die „Liebe bei Augustin“. Ein hübsches Thema?! Spielt etwa auch das Erleben der Spätphilosophie Heideggers (nach 1945) eine Rolle, dieses angeblich so unpolitische Stammeln von Seins – Erfahrungen, so dass Hannah Arendt nicht mehr als Philosophin, zu diesem „Club“ gehördend, gelten wollte?

Die Sonderausgabe des “Philosophie Magazin” über Hannah Arendt hat den Titel “Die Freiheit des Denkens”. Es ist im Juni 2016 erschienen, hat 146 Seiten, zahlreiche Fotos und Graphiken,Literaturhinweise usw. Es kostet nur 9,90 Euro.

Copyright: Christian Modehn Religionsphilosophischer Salon Berlin.

Vom Glauben religiöser Menschen und vom Glauben nicht-religiöser Menschen: Denken in Zeiten der Krise. 4. Teil.

Hinweise des Philosophen Jim Holt zu Richard Dawkins
Von Christian Modehn
1.
Über die oberflächlichen Argumente von Richard Dawkins gegen den Glauben an Gott ist schon vieles und vieles Richtige gesagt worden. Sein Buch „Der Gotteswahn“ (2006) hat trotzdem sehr viele Käufer, wahrscheinlich auch etliche LeserInnen weltweit gefunden. Die sagten stolz und befriedigt: „Seht Ihr, es gibt keinen Gott, sagt doch Meister Dawkins“.
Nebenbei: Man könnte wohl nachweisen, wie etliche polemische Publikationen von Michael Schmidt-Salomon (Giordano-Bruno-Stiftung) unter dem Eindruck des polemischen Bestsellers von Dawkins erst so richtig verbreitet wurden. Der ehemalige Vorsitzende des Humanistischen Verbandes HVD, Horst Groschopp, nannte solche Atheisten deswegen „Krawall-Atheisten“…
2.
Die Debatte um dieses oft sehr polemisch geschriebene Buch des Evolutionsbiologen Dawkins „Der Gotteswahn“ wird jetzt noch einmal weitergeführt durch eine kleine, aber erhellende Studie des auch in Deutschland bekannten US-amerikanischen Philosophen und Autors Jim Holt. In seinem neuen Buch „Als Einstein und Gödel spazieren gingen“ (Rowohlt, 2020) hat Holt ein Kapitel zu Dawkins Atheismus-Werbung publiziert, mit dem Titel „Dawkins und Deus“. Die 19 Seiten dieser Studie könnten eigentlich jene sehr ins Grübeln bringen, die noch immer Dawkins-Fans sind. Abgesehen von den Hinweisen Holts zur oft lächerlichen Polemik Dawkins stört ihn, „wenn Dawkins die Aufrichtigkeit ernsthafter Denker in Frage stellt“ (S.410). Der militante Atheist Dawkins versetzt, so Holt, „einen besonderen (intellektuellen) Tiefschlag“ (S. 410) etwa dem Philosophen Richard Swinburne. Dawkins schreibe in einer, so Holt wörtlich, „erklärten Feindseligkeit“ (410) gegen die Religion(en).
3.
Die Frage ist also: In wieweit kann man das sich philosophisch nennende Buch eines Biologen ernst nehmen, wenn dieser als Wissenschaftler feindselig zu argumentieren versucht?
Holt bring nur einige zentrale Argumente gegen Dawkins Verteidigung der Wissenschaftlichkeit des Atheismus vor.
Wichtig ist, dass Holt den klassischen „ontologischen Gottesbeweis“ nach wie vor für bedenkenswert hält. „Dawkins ist offenbar nicht klar, das Argument (des ontologischen Gottesbeweises), auch wenn es mittelalterlichen Ursprungs ist, verfeinerte moderne Versionen hat, die keineswegs leicht zu widerlegen sind“ (411). Wobei allen klar ist, dass ein so genannter „Gottes-Beweis“ alles andere als ein mathematischer „Beweis“ ist, treffender wird von Aufweis gesprochen…Kein geringerer als der Philosoph und Mathematiker Bertrand Russell hat den ontologischen Gottesbeweis zumindest ernst genommen…Selbst die berechtigte Frage nach einer „letztgültigen Erklärung für das Entstehen des lebensfreundlichen Kosmos“ will Holt als treffend und berechtigt respektieren … im Unterschied zu Dawkins. Holt meint: Wenn man diese letztgültige Erklärung sucht, „dann ist es doch zumindest vernünftig, sich an die Gotteshypothese zu halten, oder?“ (412). Wer eine letzte Erklärung für unsere zufällige und vergängliche Welt sucht, so Holt, kann etwas, das „notwenig wie auch unvergänglich“ ist, „getrost Gott nennen“( 413).
Damit keine Missverständnisse aufkommen: Jim Holt will keinen unschlagbaren Beweis für die „Existenz“ Gottes vorführen. Daran denkt er gar nicht. Er will nur einem Biologen (Dawkins) philosophisch zeigen, dass dieser sich gar nicht korrekt „Intuitionen“ (wie Dawkins selbst sagt) anvertraut: Dass er oft nur „Vermutungen“ äußert (416) und letztlich einem „darwinistischen Nihilismus“ (415) anhängt. Das sagt Jim Holt, der wahrlich kein Kirchenvertreter, kein klerikaler Apologet ist, sondern ein analytischer Philosoph, der die Mathematik zudem über alles schätzt. Im Grunde legt er Dawkins Buch „frustriert“ (416) beiseite. Holt weiß: Für oder gegen die „Existenz“ Gottes gibt es keine definitiven, alles ein für allemal entscheidenden Argumente. Wie sollte es bei dieser umfassenden und wahrlich letzten Frage auch anders sein.
4.
Kluge, reflektierte Menschen werden also wohl noch lange Ja zu Gott sagen, wie eben auch andere kluge Menschen eben auch Nein zu Gott sagen. Und beide haben ein Wissen von der eigenen Haltung, die dann eine Glaubenshaltung genannt werden muss: Definitives über Gott oder „Nicht Gott“ wissen also beide nicht. Es sollte deswegen konsequenterweise auch keine mit dem Anspruch der letzten gültigen Wissenschaft auftretende atheistische Missionierung, keine atheistische Werbung à la Dawkins geben. So wie die Zeiten der theistischer Propaganda hoffentlich auch vorbei sind.
Unter diesen Bedingungen bleibt jeder tolerant und offen bei seiner stets als für ihn selbst relativ zu verstehenden religiösen Überzeugung. Denn auch der Atheismus ist als eine nicht beweisbare Überzeugung vom Nichtvorhandensein Gottes eben auch nichts anderes als eine Form, eine Gestalt des Glaubens.
Was hat das für Konsequenzen? So vereinen sich dann die Menschen als Gleichberechtigte, als „Brüder und Schwestern“ möchte man fast pathetisch sagen. Weil religiös Glaubende und atheistisch Glaubende eben zu der universalen menschlichen Gemeinschaft der Glaubenden gehören. Beide, religiös Glaubende wie nicht-religiös Glaubende stehen glaubend vor dem Geheimnis des Lebens. Welche Chance wäre dies, wenn sich diese Erkenntnis, dieses Wissen vom je eigenen Glauben, herumspräche. Und Humanismus dann gerade diese universale Haltung und Spiritualität wäre, sozusagen das “geistuge Dach” der Menschheit, unter dem sich religiös Glaubende wie nicht religiös Glaubende Menschen treffen.
5.
Dass es Glaubensformen unter religiös Glaubenden wie unter nichtreligiös Glaubenden gibt, die für den einzelnen wie für die Gesellschaft gefährlich sind, ist heute völlig klar. Diese der umfassenden Menschlichkeit widersprechenden Glaubensformen und Glaubensinhalte (etwa Fundamentalismen unter religiösen wie nicht-religiös Glaubenden) müssen kritisiert und ins Private zurückgesetzt werden. Maßstab dieser Kritik kann nicht ein Kriterium sein, das einer dieser Glaubensformen, ob religiös oder nicht religös, entnommen ist. Die Kritik an Fundamentalismen kann nur aus der allgemeinen Vernunft kommen, d.h. auch aus den Menschenrechten, den Werten der demokratischen Rechtsstaaten. Niemals aber können diese Kriterien aus dem Glauben einer Kirche stammen, sei es nun eine religiöse Kirche/Institution oder eine nicht-religiöse „Kirche“, also ein Verein, Verband, eine „Gesellschaft“, eine “Stiftung”…

Jim Holt, Als Einstein und Gödel spazieren gingen. Ausflüge an den Rand des Denkens. Rowohlt Verlag, 2020, 495 Seiten, 26 EURO.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Sicherheit oder Freiheit. Was ist wichtiger? Denken in Zeiten der Krise. 3. Teil.

Eine Herausforderung in diesen Zeiten.
Ein Hinweis von Christian Modehn

1.
Die Debatte ist da oder sollte da sein: Sicherheit contra Freiheit. Was ist wichtiger?
Viele meinen jetzt: „Natürlich ist Sicherheit wichtiger. Sogar möglichst viel Sicherheit wollen wir“. Es geht schließlich um die Eindämmung und Überwindung einer Pandemie. Es geht ums Überleben.
In welcher Hinsicht ist es also berechtigt zu sagen: Freiheit, persönliche Freiheit, ist gegenüber der Sicherheit doch nicht so wichtig? Wer das sagt: Ist er sich der Konsequenzen dieser Aussage bewusst?
2.
Wie lange werden diese Einschränkungen gelten? Wer legt die Dauer der Einschränkungen fest? Wie wirksam werden Forderungen sein, zu einem festen Zeitpunkt dann die Einschränkungen wieder aufzuheben zugunsten der allseits geltenden Bürgerrechte in einem Rechtsstaat?
3.
Viele Demokratien stehen angesichts dieses Problems noch recht gut da. Das ist eine Hoffnung. Aber auch in Demokratien kann die demokratische Stimmung umkippen und von Rechtsextremen zur breiten „Bewegung“ manipuliert werden.
Autoritäre Regime nützen schon jetzt ihre Chance: Sie begrenzen mit den Einschränkungen durch das Corona- Virus das freie Zusammenleben auf Dauer noch weiter ein. Oder die Pressefreiheit wird noch weiter durch Zensur behindert. Das wurde schon dokumentiert. Man lese die Studien von „Reporter ohne Grenzen“. Klicken Sie hier. Wie schnell wird sich China zu einem totalitären Regime entwickeln? Haben die Herrscher in Ungarn oder Polen förmlich auf diese Situation gewartet, um nun die Bürgerrechte noch weiter einzuschränken und auf eine Diktatur mitten in Europa hin zu steuern? Werden sich die Leute in den USA an ihren tatsächlich ignoranten Machthaber Mister Trump gewöhnen? Und sogar noch dessen absolut dummen Sprüchen glauben?
4.
Philosophisch und damit einer allgemeinen und begründeten Erkenntnis zugänglich, jenseits von bloßen Meinungen, gilt:
In der Debatte „Was ist wichtiger: Sicherheit oder Freiheit?“ müssen die zentralen Begriffe sozusagen präziser gefasst werden:
Sicherheit meint tatsächlich immer ein Sicherheitssystem, also immer gemachte Gesetze und Bestimmungen. Diese sind selbstverständlich nach einer Reflexion und in einem Willensentschluss bestimmter Menschen in die Wirklichkeit „überführt“ worden. Sicherheit hat eine geistige Basis, und diese Basis ist Reflexion, Vernunft und Wille. Diese Erkenntnis ist elementar, wird aber oft übersehen.
5.
Der gleiche Ansatz gilt auch für den Begriff Freiheit. Freiheit ist das Leben des Geistes: Der Mensch kann sich frei auf sein eigenes Denken beziehen und dabei elementar sein Selbstbewusstsein entdecken als die Basis seiner Reflexionen und Entscheidungen. Aber abgesehen von dieser Basis des inneren geistigen Freiseins als der Form des geistigen Bei-Mir-Selbstsein: Auch diese geistige Freiheit muss sich Institutionen der Freiheit schaffen, in denen diese menschliche Freiheit lebbar und sichtbar wird, dies ist der Rechtsstaat und die sind die Menschenrechte.
6.
So verändert sich unsere Ausgangsfrage zur Erkenntnis: Es geht eigentlich „nur“ um die Institutionen der Sicherheit und um die Institutionen der Freiheit. Beide sind Schöpfungen des menschlichen Geistes und dessen Kraft zur kritischen Reflexion. Beide sind in gewisser Hinsicht „Welten“, in denen man sich bewegt.
7.
Darum kann die Frage nur heißen: Ist die Institution der Sicherheit wichtiger als die Institution der Freiheit? Konkret: Ist die Institution der aktuellen Sicherheitsbestimmungen als Freiheitsbegrenzungen wichtiger als die Institution des Rechtsstaates und der Menschenrechte?
8.
Die Antwort ist klar: Die Institution des Rechtsstaates und der Menschenrechte sind wichtiger, fundamentaler, einzigartig. Die von der Sache her kleinere, weil prinzipiell zeitlich begrenzte Welt der Sonder-Sicherheits-Maßnahmen steht unterhalb der „Welt“ der Demokratie und der Menschenrechte
9.
Die Sicherheitsbestimmungen („Sicherheitsinstitutionen“) haben also nur vorübergehend und sehr genau demokratisch kontrolliert ihr Recht. Demokratisch kontrolliert heißt ja bereits: Es ist die Vernunft, die den Rechtsstaat ja erzeugt hat, diese Vernunft legt nun auch das Ausmaß der durchaus vernünftigen Sicherheitsbestimmungen fest.
10.
Wichtig ist nur zu erkennen: Sicherheit und Freiheit, verstanden als lebendige, wirkliche Institutionen, hängen ab von der Vernunft und leben nur dank der kritischen Kraft der Vernunft. Sie hat das letzte Wort.
11.
Wer nur innerhalb der Sicherheitswelt denkt, sich darin förmlich einschließt, der denkt und lebt begrenzt. Und das ist sogar gefährlich. Denn der Sicherheitsverteidiger/Fanatiker sieht das Ganze nicht. Wer im Horizont der Freiheit denkt und dieses ist ein Denken der Demokratie und der Menschenrechte, der denkt und lebt prinzipiell nicht nur größer, weiter, humaner, sondern auch universaler ist.
12.
Und dieses Denken der Freiheit als Denken der Demokratie und Menschenrechte muss heute aktiver werden: Es gilt nicht nur, an die bleibenden Korrekturen der Weltwirtschaft zugunsten des Klimaschutzes zu erinnern; es gilt zu warnen, dass vor lauter Resignation und „Aufbauwille“ nach überstandener Krise wieder die alten falschen Regeln der Umweltpolitik fortgesetzt werden.
13.
Genauso wichtig ist es innerhalb eines demokratischen Denkens und Handelns zu wissen: Die vielen Millionen Leidenden, also jetzt die Corona – Leidenden und Corona Toten in den armen Ländern dieser Welt (die von ultrareichen Diktatoren, umgeben von der entsprechenden so genannten Millionärs – Elite regiert werden) brauchen auch die Unterstützung der reichen Länder, reich immer noch im Vergleich zur Masse der armen Bevölkerung im Süden. Wer denkt im reichen Europa eigentlich daran? Was sagen wir dazu, wenn etwa das katholische Hilfswerk für Lateinamerika jetzt 100.000 Euro als „Soforthilfe“ für die Corona-Krise (in allen lateinamerikanischen Staaten!) zur Verfügung stellt. Während wir, auch unsere Regierung, mit Milliarden EURO für uns in Deutschland förmlich so um sich wirft. Wie die Lebensbedingungen unter dem Corona Virus in Peru aussehen, zeigt dieser Beitrag.
14.
Es ist nicht also das Denken innerhalb der engen Welt der Sicherheit, das jetzt Europa retten wird: Denn das Denken an die Sicherheit ist (fast) immer das Denken an die eigene Sicherheit, also auch an die nationale Sicherheit. Die Corona-Krise hat zum Aufflammen eines allumfassenden Nationalismus geführt: Aber an die Zukunft Europas, und damit der EU, gilt es zu denken. Und das kann man nur, wenn man aus der engen Welt des Sicherheitsdenkens heraustritt und sich vernünftig argumentierend innerhalb der Demokratie und der Menschenrechte bewegt.
15.
Weil Freiheit im emphatischen Sinne mit Vernunft identisch ist, hat natürlich immer die Freiheit als Vernunft den Vorrang. Denn nur die Vernunft kann die Formen der Sicherheit und der Sicherheits-Bestimmungen reflektieren und festlegen.
16.
Worauf es entscheidend ankommt, ist: Freiheit nicht banal als Freiheit zu verstehen, in der man alles tun und lassen kann. Entscheidend ist zu verstehen: freiheit ist, philosophisch gesehen, ein anderer Name für kriisch reflektierende Vernunft. Und die soll eigentlich das humane Zusammenleben bestimmen, auch die Fragen der Sicherheit.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Über die Menschenwürde: Ein philosophischer Salon

In unserem religionsphilosophischen Salon wollen wir uns am Freitag, den 30. August 2019, um 19 Uhr mit einem der zentralen Themen des menschlichen Zusammenlebens befassen: der absoluten und unantastbaren Würde aller Menschen.
Bekanntlich ist im Grundgesetze der Bundesrepublik Deutschland von der Menschenwürde an erster Stelle, im Artikel 1, die Rede. Die Menschenwürde aller Menschen ist heute faktisch leider eher noch ein Ideal, wenn nicht eine Utopie, ein Traum. Aber die Menschenwürde sie ist absolut unverzichtbar, wenn diese Welt den Anspruch haben will, eine menschliche Welt zu sein.
Jeder und jede kann in unserem Salon berichten, wie er/sie Menschenwürde erlebt, auch als persönliche Verletzung der Menschenwürde, und wie gerade in den Kontrast-Erfahrungen der Wunsch stark wird, Menschenwürde als Realität auch politisch zu gestalten. Dass dabei auch philosophische und religionsphilosophische Aspekte zur Sprache kommen, ist selbstverständlich.

Die Veranstaltung findet in der Kunstgalerie Fantom statt, Hektorstr. 9, Berlin Wilmersdorf. Beginn um 19 Uhr. Wer teilnehmen will, sollte sich bitte anmelden: christian.modehn@berlin.de , denn die Anzahl der Plätze ist begrenzt. Herzliche Einladung!

Niedergang der Demokratie in Österreich. Ein Buch von Robert Misik

Über ein neues Buch von Robert Misik, Wien
Ein Hinweis von Christian Modehn, zuerst veröffentlicht im April 2019, erneut publiziert am 19.5.2019.

In Österreich wird es Neuwahlen geben, nachdem die faschistoiden Äußerungen von Hans-Christian Strache FPÖ, bis zum 18.5.2019 Außenminister Österreichs, bekannt wurden, etwa zur Überwindung der Pressefreiheit und zum Aufbau eines antidemokratischen Systems im Sinne Orbans. Aus diesem Anlass ein erneuter Hinweis auf das neue Buch von Robert Misik, Wien.

Der neue rechte bzw. rechtsextreme Populismus in Europa hat sich früher als anderswo in Österreich öffentlich bemerkbar gemacht, etwa, als die FPÖ schon im Januar 1993 ein „Ausländervolksbegehren“ mit dem Titel „Österreich zuerst“ startete. Mit geringem Erfolg anfangs, aber bei den Nationalratswahlen 1994 stimmten mehr als eine Million Österreicher dann doch für die FPÖ. Österreich ist seitdem ein Staat mit einer starken rechtsextremen Partei geblieben. Bei den Wahlen 2017 erhielt die FPÖ 26% aller Stimmen. Sie ist in der Regierung vertreten, unter Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), und erhielt 6 von 14 Ministerien, darunter das Innenministerium.
„Österreich zuerst“: Diese Forderung ist heute politisches Prinzip zumal in der Ausländer und Flüchtlingspolitik; es wird – in der werbenden Selbstdarstellung – in den gefälligen Slogan „Genussland Österreich“ übersetzt: Allerorten und in allen Zusammenhängen wird mit „Genuss“ geworben für das, nun ja, von der Natur her tatsächlich meist schöne und von der Kultur her oft interessante Österreich. Nur soll dieses (gastronomisch gemeinte) „Genussland Österreich“nicht allen dort lebenden Menschen zur Verfügung stehen, schon gar nicht den Flüchtlingen, den Asylanten, den Muslims oder gar den Armen, die in der Polemik der FPÖ und der ÖVP jetzt nur als „Nutznießer des Sozialsystems“ verstanden und auch öffentlich so bezeichnet werden.
Wer sich für den aktuellen Zustand des Genusslandes „Österreich First“ interessiert, sollte zu dem neuen, wichtigen Buch des Publizisten und bekannten Buchautors Robert Misik greifen: „Herrschaft der Niedertracht. Warum wir so nicht regiert werden wollen“ ist der Titel seiner von ihm selbst so bezeichneten „Streitschrift“, die wie ein Aufschrei wirkt angesichts der Zerstörung demokratischer Kultur durch die jetzigen populistischen Regierungen in Europa, zumal in Österreich. Ein Buch, das den Willen stärken sollte, die Demokratie und die Menschenrechte zu retten in unserem Europa.
Aber was jetzt an Zerstörung der humanen demokratischen Umgangsformen beschrieben wird, ist mehr als ein österreichisches Problem. Es ist ein europäisches Problem! Und das macht Misiks Buch deutlich: Erschienen ist das sehr inspirierende Buch Anfang 2019 im Picus Verlag in Wien. Es hat 143 Seiten und kostet 15 Euro!
Robert Misik ist als Journalist in Wien u.a. für die Wochenzeitung „Falter“, die Tageszeitung „Standard“, das Magazin „Profil“ und die deutsche TAZ tätig, er hat zahlreiche Bücher, auch zur Religionskritik, veröffentlicht.
Zentral ist seine Erkenntnis: In Österreich wird mit aller Bravour eine „konservative Revolution“ betrieben, die letztlich auf einen Umbau der bisherigen demokratischen Verhältnisse hinausläuft: Der Titel „konservative Revolution“ wird heute in allen europäischen Ländern prominent unterstützt: In Deutschland hat sich der Chef der CSU im Bundestag Alexander Dobrindt ausdrücklich für diese „konservative Revolution der Bürger“ ausgesprochen. Der Titel erinnert an die Propaganda rechter Philosophen und Autoren in den neunzehnhundertdreißiger Jahren, wie Carl Schmitt oder Ernst Jünger. Nach der konservativen Revolution setzte sich der Faschismus durch…

Die erste Hälfte des Buches von Robert Misik ist stark auf Österreich bezogen, was ja kein Nachteil ist für deutsche Leser, die etwa als Touristen immer wieder mit dem „Genussland“ konfrontiert sind. Misik spricht eine deutliche Sprache: Nur einige Zitate:
„Österreich hat jetzt eine national autoritäre Regierung“ (28). „Die Regierung will, dass „die Opposition nicht opponieren sollte“.
„Opposition und Zivilgesellschaft sollen nicht mehr aufmucken“ (20).
Die Sprache der führenden verantwortlichen Regierungspolitiker sei von „Rohheit“ bestimmt, „der Zynismus ist an der Macht“ (27). Der Kanzler Sebastian Kurz „ist das Geschöpf einer Zeit, in der die Welt als Kampf aller gegen alle empfunden wird und noch der hilfsbedürftigste arme Schlucker als Konkurrent um knapper werdende Ressourcen gilt – und dies in einer Welt, in der Solidarität, das schlicht Humanitäre, die leise Stimme der Vernunft und Rationalität, aber auch ein Geist des Fortschritts einen schweren Stand hat (51).
In dieser Situation des Kampfes aller gegen alle entsteht die „Sehnsucht danach, dass Gewalt ausbreche,… dass das Elementare einbreche in die Langeweile des Systems…Von dieser Sehnsucht lebt der radikale rechte Neokonservatismus seit jeher“ (81). Explizit werden diese Untergangswünsche und Visionen etwa von dem Katholiken Steve Bannon (USA, mit Einfluss auf Europas Rechtsextreme) propagiert. Jetzt geht es, so schreibt Misik in seinem neuen Buch, diesen Leuten erst einmal darum, die demokratischen Strukturen langsam zu zersetzen; kritische Publizistik, auch in Österreich, wird marginalisiert und mundtot gemacht (76), kritische NGOs werden dort finanziell ausgetrocknet, den Kirchen und ihrer Caritas/Diakonie wird eine übertriebene „Hypermoral“ vorgeworfen, weil sie „Asylbusiness“ (was für ein Unwort der Politiker) betreiben….(131). Politiker in Österreich entwickeln, so Misik, ihre eigenen „Fake-News-Schleudern“ (ebd.).
Es geht letztlich darum, die Demokratie „mit kleinen Schritten in eine wackelige Fassade ihrer selbst zu verwandeln“ (77).Misik zitiert den Schriftsteller Peter Turrini, der bezogen auf Österreich von „einem Staatstreich in Zeitlupe“ spricht (28).
Diese Aussagen versteht Robert Misik als Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes. Dabei klagt er die Führer und Ideologen der rechtsextremen Politiker an, nicht aber pauschal viele der irritierten Wähler der FPÖ oder auch der AFD: Zu den AFD Wählern zitiert Misik eine Studie, die zeigt: Viele dieser AFD Sympathisanten sind, so empirische Studien (103), beklagen den Verlust von sozialen Netzwerken in ihrer Lebenswelt, beklagen, dass sich die Politik aus ihren Vierteln zurückgezogen hat, dass sie as Gefühl haben: niemand interessiert sich mehr für sie“(104). „Nicht dass Migranten geholfen wird, regt die Leute, Wähler der AFD, primär auf, sondern dass sie das Gefühl haben, dass ihnen niemand zuhört, dass sich für sie niemand interessiert, dass da niemand ist, der in der Nähe erreichbar wäre“ (ebd.) Dies ist der „psycho-politische Gefühlscocktail“, so Misik sehr treffend (104).
Der Autor will keineswegs das allgemeine Wehklagen der Demokraten befördern, er will mit seiner heftigen Analyse Mut machen, die Demokratie, die Menschenrechte, die Menschenwürde, noch zu retten, TROTZ aller FPÖ Politiker und Orbans und erzkatholischen Populisten(Nationalisten) in Polen usw. „Haltet euch mit Empörung nicht zurück“, fordert Robert Misik (142). Und er zitiert zum Schluss Robert „Bobby“ Kennedy: “Jedes mal, wenn ein Mensch für ein demokratisches Ideal eintritt oder handelt, um das Los anderer zu verbessern oder gegen Ungerechtigkeit aufsteht, sendet er eine winzige Welle der Hoffnung aus, die sich wiederum mit vielen Millionen anderer Energien und Kühnheiten kreuzt. Und zusammen bauen diese kleine Wellen eine Woge auf, die die mächtigsten Mauern der Unterdrückung hinwegspülen“. (Nebenbei: Man könnte, religionsphilosophisch, in diesen Worten einen guten Ansatz sehen für ein Verständnis von „Auferstehung“ zu Ostern). Wer noch konkretere Formen des vernünftigen demokratischen Widerstands gegen den rechtsextremen Populismus wünscht, lese die Zeilen, die der Autor von dem Sozialexperten der evangelischen Diakonie in Wien, Martin Schenk, übernimmt (135f).
Überhaupt hätte ich mir gewünscht, dass die Stellung der Kirchen, auch der offiziellen Kirchenleitungen, gegenüber der „Herrschaft der Niedertracht“ aussehen. Gibt es Pfarrer und Bischöfe, die noch zur FPÖ halten? Bischof Krenn, St. Pölten, gestorben 2014, war ja ein Freund von Jörg Haider FPÖ… Und wie lebt die jüdische Gemeinschaft in Österreich, wie fühlen sich Muslime fühlen in dieser Angst erzeugenden Situation…

PS: Das Buch wurde geschrieben, bevor einmal mehr deutlich wurde, wie stark die internationalen Verflechtungen der „Identitären“ in Österreich sind. Diese militante Gruppe ist bekanntlich mit der FPÖ eng verbunden. Kanzler Kurz wurde in dem Zusammenhang nun einmal sehr emotional, als er die nun bekannt gewordene finanzielle Unterstützung zugunsten der österreichischen „Identitären“ durch den Massenmörder in Neuseeland (Christchurch, Mitte März 2019) „abscheulich“ fand. Ob es nun zum Koalitionsbruch mit der FPÖ (und der in ihr starken auf Identität eingeschworenen Gruppen) kommen wird, ist wohl eher unwahrscheinlich. Es wird wohl alles nur eine scheinbare Aufregung sein, die bald wieder vergessen wird, weil die brutale Abwehr der Flüchtlinge im Mittelmeer dieser populistischen Regierung z.B. viel dringender erscheint …

Robert Misik, „Herrschaft der Niedertracht. Warum wir so nicht regiert werden wollen“, 2019, Picus Verlag Wien, 15 Euro.

Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

Christian Wolff – zur Aktualität eines Philosophen der Aufklärung

Eine Biographie von Hans-Joachim Kertscher
Ein Hinweis von Christian Modehn

1.

Wir leben bekanntlich noch nicht in „aufgeklärten“ Zeiten, sondern immer noch in einer „modernen“ Welt, die um Aufklärung als Prinzip der Gestaltung von Gesellschaft, Staat, Religionen, Kirchen usw. ringt. Das heißt: Die universale Vernunft der Menschenrechte ist noch immer ein fernes Ideal, kein dauerhafter „Zustand“. Wir leben in einem 21. Jahrhundert, das von wahnhaftem Nationalismus bestimmt ist, geführt von wahnhaften Politikern und Präsidenten, die so verrückt sein könnten, die Menschheit ins Verderben zu stürzen.
Darum ist es vielleicht ein kleiner Trost, sich immer wieder mit Gründergestalten der Aufklärung, auch der mühsamen Aufklärung in Deutschland, zu befassen. Wahrscheinlich ist die Geschichte der Aufklärung in Deutschland eine Geschichte des immer wieder neuen Scheiterns der Aufklärung…

2.

Seit November 2018 liegt endlich eine ausführliche, vom Autor durchaus als zugänglich, d.h. „populär-wissenschaftlich“ verstandene Biographie des großen Philosophen der Aufklärung (und Universalgelehrten) Christian Wolff vor. Er lehrte in Halle und Marburg. Riesig ist der Umfang seiner Schriften. Wichtig ist auch, dass Wolff einer der ersten war, der die deutsche Sprache in seinen Vorlesungen und Publikationen verwendete und nicht mehr, wie damals üblich, der lateinischen Sprache unbedingt folgte! Viele philosophische Begriffe der deutschen Sprache wie Bewusstsein, Wesen, Eigenschaft, Wirklichkeit usw. hat Wolff in die deutsche Philosophie eingeführt. Eine großartige Leistung, darin folgte er Christian Thomasius! Später hat Wolff noch lateinische Werke verfasst, nur so konnte ein Philosoph damals international bekannt werden und außerordentliche Wirkung erzielen. „Wolff hat den Deutschen die Möglichkeit verschafft, sich ihrer Muttersprache in philosophischen Fragestellungen zu bedienen“, so der Autor des Buches, der Literaturwissenschaftler Prof. Hans-Joachim Kertscher in seiner umfangreichen, 312 Seiten umfassenden Biographie (das Zitat auf S. 104). Das Buch hat den Titel „Er brachte Licht und Ordnung in die Welt. Christian Wolff- eine Biographie“, erschienen im “Mitteldeutschen Verlag“.

3.

In dem Buch werden exakt, mit vielen Zitaten (diese sind zum großen Teil leider oft, eher schwer lesbar, in der „alten“ deutschen Sprache des frühen 18. Jahrhunderts wiedergegeben) die verschiedenen Etappen in Wolffs Leben chronologisch beschrieben: Seine Kindheit und Jugend in Breslau (geboren 27.1.1679), sein Studium u.a. der Theologie in Jena. Danach hielt er Vorlesungen in Leipzig… Leibniz lernte Wolff 1707 kennen (S. 98)
Ab 1706 lehrte der Philosoph an Halles Universität vor allem Mathematik und eine Vielzahl anderer Gebiete (wie Meteorologie, Medizin, Ernährung). In Halle kommt es zu heftigen Auseinandersetzungen mit den sehr frommen Pietisten, die Wolff dann pauschal und unberechtigt des Atheismus beschuldigen. Sie sehen darin wie so oft eine Bedrohung der politischen Ordnung. Kein Wunder, dass der preußische König Friedrich Wilhelm I. den Verleumdern glaubt. Er verfügt brutal, wie er ist, die schnellst mögliche Ausweisung von Christian Wolff aus Halle, ein Skandal ohne Gleichen, der in der damaligen Welt der Intellektuellen entsprechend kommentiert wird. Die Vertreibung Wolffs ist ein Sieg der Pietisten, der Frommen, die eine vernünftige Philosophie und Theologie nicht akzeptieren wollen… Wolf schrieb „Vernünftige Gedanken über Gott“, natürlich wie alle Philosophie ein begrenztes Unternehmen, aber eben nicht falsch, sondern immer gültig, dass man über Gott eben vernünftig reden sollte. Selbst unvernünftige Charismatiker bedienen sich ja für ihre Schilderungen noch der vernünftigen Grammatik… Leider werden entsprechende Verbindungen zur Gegenwart (Muslimische Fundamentalisten, Macht der Evangelikalen in der Politik der USA und in Brasilien usw.) vom Autor nicht gezogen. Gerade solche aktuellen Beziehungen hätten die Leser erfreut und dem Buch und damit Wolff einen großen „Schub an Aktualität“ verliehen….
So wurde also Wolff 1723 aus Halle vertrieben. Er lebte und lehrte dann bis 1740 in Marburg. Friedrich II., der „Alte Fritz“, rief Wolff nach Halle zurück. Dort starb am 9.4. 1754.
Als wichtiger Aufklärungsphilosoph in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wird er später von Kant gelobt, von Hegel positiv erwähnt, wenn auch mit entsprechenden Einschränkungen, Wolff sei doch noch einer oberflächlichen „Verstandesmetaphysik“ verhaftet geblieben. Die Beziehungen zu Leibniz bleiben bedeutend, vor allem schließt sich Wolff auf seine Weise der Leibnizschen Überzeugung an, Gott habe als Gott die beste aller möglichen Welten erschaffen.

4.

Für unsere Interessen im Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon Berlin ist die Auseinandersetzung Christians Wolffs mit der chinesischen Philosophie, vor allem mit Konfuzius, sehr wichtig. Dieses Thema wird meiner Meinung nach viel zu kurz von Hans-Joachim Kertscher dargestellt: Er erwähnt zwar die so genannte „Sineser-Rede“ (also die China – Rede Wolffs) aus dem Jahr 1721: Darin lobt Wolff die Sittlichkeits-Idee der Philosophie des Konfuzius, durchaus auch als ein „Muster für das christliche Europa“ (S. 135), solche religiöse Lernbereitschaft von einer „heidnischen Philosophie“ war den frommen Pietisten natürlich unerträglich. Sie wollten die absolute Sonderstellung des Christentums und der Kirche und ihrer Ethik festhalten. Ich meine, diese Konfuzius Rezeption ist eine der zentralen Leistungen von Wolff, darin durchaus einer gewissen „China-Mode“ (etwa in der Kunst, Tapeten etc. ) folgend! Ich empfehle zum Thema Christian „Wolff und China bzw. der autonomen Moral“ den Beitrag der chinesischen Religionswissenschaftlerin Julia Ching (Toronto, Kanada, gestorben 2001) in dem Hans Küng gewidmeten Buch „Gegenentwürfe“ (Piper Verlag, 1988, S. 187 bis 196), sie zeigt u.a. auch, wie durch die Lektüre der Übersetzungen des Jesuiten Francois Noel (1651 – 1729) der Philosoph Christian Wolff schon 1711 mit chinesischer Philosophie vertraut wurde, Julia Ching zeigt, wie die beiden Werke Wolffs über China viel Aufmerksamkeit in katholischen Kreisen fanden (dort S. 194), sogar die strenge Inquisition des Papstes veröffentlichte einen China-Text von Wolff, dies geschah ohne Zustimmung von Wolff, um so größer war die Aufregung! „Die Literatur, die im Laufe der lang anhaltenden Kontroverse (wegen Konfuzius!) zwischen Wolff und den Pietisten entstand, ist wirklich voluminös“, so Julia Ching, S. 194.
5.Der Gesamteindruck: Hans-Joachim Kertscher zeichnet das Bild des Philosophen Christian Wolff, der im Vertrauen auf die Wirkungen der Vernunft lebte, durchaus in einem elementaren Optimismus. Er war überzeugt, dass die Philosophie doch vieles beitragen kann für die Gewinnung der „Glückseligkeit“ in dieser Welt für alle Menschen.

Hans-Joachim Kertscher, „Er brachte Licht und Ordnung in die Welt: Christian Wolff – eine Biographie“. Mitteldeutscher Verlag Halle, 2018, 312 S., zahlreiche Fotos, 25€. (Herausgegeben von der Christian-Wolff-Gesellschaft für die Philosophie der Aufklärung in Halle/Saale)
Sehr empfehlenswert ist auch die so interessant gestaltete Ausstellung im „Wolff-Haus“ von Halle: Große Märkerstraße 10, 06108 Halle (Saale)

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

“Unterbrechungen – Abstandnehmen – Freiwerden“. Ein religions-philosophischer Salon

Ein religionsphilosophischer Salon am Freitag, den 14. Dezember 2018 um 19 Uhr. Unterbrechungen sollten zu (m)einer Lebensphilosophie gehören. Unterbrechungen sind zum Beispiel Feste und Feiern. Wenn wir sie denn als wirklichen Ausstieg aus dem Alltag gestalten. Darüber wollen wir sprechen. Denn auch Weihnachten ist – eigentlich – eine Unterbrechung. Und es wird philosophisch kaum bedacht: In den Mythen der Bibel wird sogar von einer Unterbrechung Gottes in seinem Himmel berichtet: Der ewige göttliche „Logos“ verlässt den Himmel und wird Mensch in Jesus von Nazareth. Der Logos als armer Mann. Man lese im Neuen Testament mal den Philipperbrief, Kap. 2, Verse 6 bis 9. Wenn Gott ein Mensch wird, dann wird der Mensch als Mensch aufgewertet, so, dass er Göttliches in sich hat. Eine uralte Einsicht, auch bei Feuerbach. Man lese aber auch den Philosophen Meister Eckart. Der sagt klar: Der Mensch „hat“ etwas Ewiges, Göttliches. ( Meister Eckart, “Vom Wunder der Seele”, Reclam Heft, Seite 64 und 65, 3 Euro!). Ist das plausibel? Auch der Philosoph Gianni Vattimo hat sich in seiner Studie “Glauben – Philosophieren” (Reclam Verlag 1997) mit dem Thema der Kenosis, also des Menschwerdens des Logos, auseinandergesetzt. Ein philosophischer Salon also mit einigen (hilfreichen) religionsphilosophischen Überraschungen. Und auch mit Wein und etwas Gebäck… Herzliche Einladung und die Bitte um Anmeldung: christian.modehn@berlin.de Wir treffen uns in der Galerie Fantom, Hektorstr. 9, in Wilmersdorf. Für die Raummiete bitte ich um 5 Euro, Studenten haben freien „Eintritt“. Christian Modehn