Vor 20 Jahren haben sich die Traditionalisten von Rom getrennt

Vor 20 Jahren haben sich die Traditionalisten von Rom getrennt

Von Christian Modehn
1.SPR.: Erzähler
2.SPR.:Übertsetzer der O TÖNE
7 O TÖNE, incl. Einer musikal Zusp.

Moderationshinweis:
Die römisch-katholische Kirche ist seit 20 Jahren gespalten. Das höchste Ideal des Papstes, die Einheit aller Katholiken, hat keinen Bestand. Es waren nicht progressive Rebellen aus der Ecke der Befreiungstheologie, es waren auch nicht die leidenschaftlichen Ökumeniker zugunsten einer „Verbrüderung“  mit den Protestanten, die sich vom Papst lossagten. Nein. Die Spaltung haben vielmehr die besonders Konservativen vollzogen, jene nostalgischen Anhänger uralter katholischer Traditionen. Morgen sind es 20 Jahre her, dass sich der Führer der so genannten Traditionalisten, Erzbischof Marcel Lefèbvre, (sprich Lefähvr) vom Papst getrennt hat: Und das geschah ausgerechnet bei einer feierlichen lateinischen Messe. Christian Modehn berichtet:

———-

1. Zuspielung, Lateinisches Kirchenlied, bleibt ca. 0 05“ freistehend, dann herunterziehen:

1.SPR.:
6000 Katholiken aus aller Welt sind am 30. Juni 1988 im schweizerischen Dorf Econe zusammengekommen. Sie wissen: Heute geschieht ein welthistorisches Ereignis. Der Führer der extrem konservativen Katholiken, der französische Erzbischof Marcel Lefèbvre, wird vier ihm ergebene Priester zu Bischöfen weihen. Ohne Erlaubnis des Papstes neue Oberhirten zu weihen, ist ein Akt, der automatisch die Trennung von Rom bedeutet. Erzbischof Lefèbvre kennt natürlich diesen Grundsatz des Kirchenrechts. Aber er sieht sich auf der Seite Gottes: Denn die Irrlehrer seien im Vatikan, meint er,  Päpste und Prälaten hätten sich im Gefolge des vatikanischen Reformkonzils der sechziger Jahre vom wahren Glauben abgewandt:

2. O TON, Lefèbvre, 0 37
2. SPR.:
Seit dem Konzil haben die römischen Behörden übernommen, was wir verurteilt haben: Wir haben den Liberalismus verurteilt, wir haben den Kommunismus, verurteilt, den Sozialismus, den Modernismus, den Zionismus. Alle diese von uns verurteilten Irrtümer werden jetzt von den Autoritäten der Kirche vertreten und gefördert.

1.SPR.:
Der greise Erzbischof sieht die katholische Kirche auf dem Weg ins Verderben: Wie in einer Wahnvorstellung glaubt er Liberale und Kommunisten, bunt gemischt, in der Kirche am Werk, von „den“ Juden ganz zu schweigen. Die Reformen des Konzils seien das Werk verblendeter Feinde der Kirche. Sie hätten z.B. die übliche lateinische Messe abgeschafft oder den partnerschaftlichen Dialog mit Nichtkatholiken gefördert. Im Moment seiner Trennung von Rom sagte Lefèbvre:

3. O TON,  0 31″.
2. SPR.:
So denke ich, ist es meine Pflicht, mich um die entsprechenden Mittel zu kümmern, die meiner Aktion dienen; ich würde sie die Aktion “für das Überleben der Tradition” nennen. Wenn ich heute Bischöfe weihe, dann bin ich davon überzeugt: Auf diese Weise der Tradition ein Fortbestehen in der Katholischen Kirche zu sichern. (Beifall)

1. SPR.:
Erzbischof Lefèbvre ist 1991 gestorben, seine Nachfolger kümmern sich um den Aufbau der eigenen traditonalistischen oder auch „integristischen“ Kirche: Integristisch deswegen, weil sie meinen,  „integer“, also rein und vollständig, die uralten Traditionen zu pflegen. Aber nicht mehr als 100.000 Katholiken fühlen sich mit dieser Kirche weltweit verbunden, in Deutschland sind es etwa 20.000 Menschen, die päpstlicher als der Papst sein wollen. Sie haben ihre eigenen Pfarrgemeinden errichtet, ihre Priesterseminare und Schulen,  Klöster und Bildungszentren. Diese Katholiken feiern ihre Messe im Ritus des 16. Jahrhunderts, d.h.: Der Priester, mit dem Rücken zur Gemeinde, spricht still die Gebete vor sich hin, während die Gläubigen den Rosenkranz beten oder Lieder singen. Theologisch sind diese Kreise auf dem Niveau des 19. Jahrhunderts stehen geblieben: Sie verurteilen alle bürgerlichen Freiheiten und glauben, jeder Mensch habe die Pflicht, katholisch zu werden. Daran erinnerte kürzlich Pater Franz Schmidberger, einer der führenden Traditionalisten innerhalb der „Priesterbruderschaft Sankt Pius X.“:

4. O TON
“Heiliger Vater, wenn sie Angehörige anderer Religionen treffen, wie dies unlängst in Köln geschehen ist beim Besuch der dortigen Synagoge, dann handeln sie wie der erste Papst, der Heilige Petrus, gehandelt hat. Dieser hat den Juden gesagt: Wenn ihr das Heil erlangen wollt, dann müsst ihr eure Sünden bereuen, euch bekehren. Zweitens ihr müsst an unseren Herrn Jesus Christus glauben und drittens ihr müsst getauft werden.

1.SPR.:
Papst Benedikt XVI. hat die Versöhnung mit diesen Kreisen zu einem seiner Schwerpunkte gemacht: Kürzlich erlaubte er wieder offiziell allen Katholiken, die Messe im Ritus der Traditionalisten zu feiern, also gemäß den Regeln Papst Pius V. aus dem 16. Jahrhundert. Darin kann nun hochoffiziell für die Bekehrung der Juden gebetet werden, was sich ja der Traditionalist Pater Schmidberger ausdrücklich wünschte. Inzwischen versucht Rom, die Gemeinden der Traditionalisten zu spalten: Ultrakonservativ eingestellte Priester können sich mit Rom wieder versöhnen, wenn sie nur die Autorität des Papstes wieder anzuerkennen. An ihrer Zurückweisung jeglicher Kirchenreform dürfen sie hingegen weiter festhalten. Zu diesen „traditionalistisch – römischen“ Gruppen gehört etwa die weltweit agierende „Bruderschaft Sankt Petrus“ oder das „Oratorium Philipp Neri“. Gründer dieser Gruppe in Berlin ist Propst Gerald Gösche. Er bekennt ganz offen: Das Reformkonzil sei von minderer Bedeutung:

5. O TON, Propst Gösche, 0 21″.
Das 2. Vatikanische Konzil ist ein Konzil von anderen. Ich würde mich immer dagegen wehren, das als totale Zeitenwende zu sehen, sondern in der Kontinuität. Und da ist zum Beispiel sicher der Begriff der Religionsfreiheit, wie er da erscheint, zu besprechen.

1.SPR.:
Die Religionsfreiheit wie die Demokratie im ganzen hat schon Erzbischof Lefèbvre abgelehnt. Voller Wohlwollen sprach er etwa von der Diktatur des chilenischen Generals Pinochet, bekannt waren seine Sympathien für die rechtsextreme Partei „Front National“ in Frankreich. Aber diese Tatsachen scheinen Papst Benedikt XVI. kaum zu stören, er hat kein dringenderes Anliegen, als diese Traditionalisten mit Rom zu vereinen. Zu der entsprechenden päpstlichen Arbeitsgruppe gehört chilenische Kardinal Jorge Medina, auch er übrigens ein enger Freund General Pinochets:

6. O TON, Kardinal Medina, 0 24”.
2. SPR.:
Ich für meinen Teil habe Kontakt gehabt mit Monseigneur Fellay, er ist der Nachfolger von Erzbischof Lefèbvre. Diese Kontakte waren freundschaftlich und durchaus wohlmeinend. Und darum denke, dass man zu einer guten Lösung kommen wird, die gut ist für die Priesterbruderschaft Sankt Pius X wie auch für die Kirche selbst.

1. SPR.:
Die Sympathien des Vatikans für die Traditionalisten haben viele Ursachen: Die Bewunderung für die radikale Liebe zum Uralten verbindet sich mit dem Wunsch, jegliche Spaltung in der „heiligen Kirche“ zu überwinden.  Vor allem aber gibt es in traditionalistischen Kreisen viele Berufungen zum Priestertum: Und junge Pfarrer, die von kritischem Ungeist befreit, ungebrochen den Zölibat lieben, werden in ganz Europa dringend benötigt. Aber weltweit wehren sich Theologen gegen die Einbeziehung dieser Kreise in die römische Kirche. Pater Henri Freidier (sprich Frädjé), Bischofsvikar in Nizza, erklärt rigoros:

7. O TON
2. SPR.:
Es handelt es sich um eine Theologie, sogar um eine Politik, die in Opposition steht zur christlichen Botschaft. Also, mit dieser Haltung können wir nicht einverstanden sein.