Willkommen im Religions-Philosophischen Salon Berlin

Der Religionsphilosophische Salon Berlin ist seit 2007 eine Initiative von Christian Johannes Modehn und Hartmut Wiebus.

Seit Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 gab es keine öffentlichen Salon – Veranstaltungen (“Präsenz-Veranstaltungen”) mehr, hingegen werden oft neue Beiträge als Hinweise zur Debatte auf unserer Website publiziert.

Warum ein religionsphilosophischer Salon?

1.
Der Titel und die „Sache“ „philosophischer Salon“ sind alles andere als verstaubt. Das Interesse an philosophischen Gesprächen und Debatten in überschaubarem Kreis, in angenehmer Atmosphäre (also in einem „Salon“), ist evident.
(Frontal-) Vorträge – etwa in Akademien – vor zahlreichem, weithin bloß zuhörendem Publikum sind oft Ausdruck autoritären Belehrens. Ein Salon ist ein freundlicher Ort des Dialogs.

2.
In unserem religionsphilosophischen Salon soll das Philosophieren geübt werden, also das selbstkritische, systematische Nachdenken. Das Thema Religion wird auch in den heutigen Philosophien ernst genommen. Philosophische Religionskritik hat nicht mehr Sinn zu beweisen, dass Religion bedeutungslos ist, im Gegenteil: Philosophische Religionskritik zeigt, welche Form einer vernünftigen Religion bzw. Spiritualität heute zur Lebensgestaltung gehören kann. Und welche Gestalten von Religion/Kirchen/”Sekten” alles andere als einen befreienden Charakter haben. Der Klerikalismus herrscht ungebrochen in der katholischen Kirche und den orthodoxen Kirchen; im weiten Feld des Evangelischen nimmt die Herrschaft der fundamentalistischen evangelikalen Kirchen ständig. freisinnige, vernünftige christliche Kirchen sind leider marginal (vgl. die Remonstranten). 

3.
Unser religionsphilosophischer Salon ist wichtig angesichts des tiefgreifenden religiösen Umbruchs in Deutschland /Europa. Die Bindung an die Kirchen lässt bekanntlich immer mehr nach. Die so genannte Säkularisierung nimmt zu. Aber Säkularisierung bedeutet gerade nicht automatisch Zunahme des Atheismus. Religionsphilosophische Salons können die Themen der Religionen und das subjektive Bewegtsein durch religiöse Fragen angesichts der Kirchenkrise vernünftig weiterführen, in der Freiheit des Geistes… über den Klerikalismus oder den vielfältigen religiösen Fundamentalismus hinaus.

4.
Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie gibt es nur im Plural, die (Religions-)Philosophien in Afrika, Asien und Lateinamerika dürfen nicht länger als „zweitrangig“ behandelt werden. In welcher Weise Religion dort zum „Opium“ wird angesichts des Elends so vieler Menschen, ist eine besonders relevante Frage, auch angesichts der Zunahme christlicher und muslimischer Fundamentalismen. Dringend wird die Frage: Inwieweit ist philosophisches Denken Europas eng mit dem kolonialen Denken verbunden?

5.
Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phien bieten also in ihren vielfältigen Entwürfen unterschiedliche Hinweise zur Fähigkeit der Menschen, ihre engen Grenzen zu überschreiten und sich dem im Denken zu nähern, was die Tradition Gott oder Transzendenz nennt. Dabei treten diese unterschiedlichen Entwürfe in einen lernbereiten Dialog. In unserem religionsphilosophischen Salon gibt es z.B.ein starkes Interesse am (Zen-) Buddhismus.

6.
Uns ist es wichtig uns zu zeigen, dass Menschen im philosophischen Bedenken ihrer tieferen Lebenserfahrungen das Endliche überschreiten können und sollen und das Göttliche, das Transzendente erreichen können. Das Göttliche als das Gründende und Ewige zeigt sich dabei im Denken als bereits anwesend. Es ist sozusagen unthematisch gegenwärtig im Geist des Menschen.
Wenn der Mensch nach dem Göttlichen fragt, hat er also notwendigerweise „immer schon“ ein gewisses Vorverständnis vom Göttlichen. Dieses „Vorwissen“ gilt, nebenbei, für alles Fragen und Suchen.

7.
Insofern ist Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie auch eine subjektive Form der Lebensgestaltung, d.h. eine bestimmte Weise zu denken und zu handeln.
Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie kennt keine Dogmen, sicher ist nur das eine Dogma: Umfassend selbstkritisch zu denken und alle Grenzen zu prüfen, in die wir uns selbst einsperren oder in die wir durch andere, etwa durch politische Propaganda, durch Konsum und Werbung im Neoliberalismus, eingeschlossen werden. In dieser Offenheit, Grenzen zu überschreiten, zeigt sich die Lebendigkeit der Religions -Philosophie. Philosophieren ist etwas Lebendiges, im Unterschied zu vielen klerikalen Konfessionen ist sie nichts Erstarrtes voller Verbotsschilder

8.
Diese „Entdeckungsreisen“ der Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phien können angestoßen werden durch explizit philosophische Texte, aber auch durch Poesie und Literatur, Kunst und Musik, durch eine Phänomenologie des alltäglichen Lebens, durch die politische Analyse der vielfachen Formen von Unterdrückung, Rassismus, Fundamentalismus. Mit anderen Worten: Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie findet eigentlich in allen Lebensbereichen statt, kann sich von allen „Produkten des Geistes“ (Hegel) bewegen lassen. Wer die Gesprächsthemen anschaut, die wir seit 2007 in den meist monatlichen Veranstaltungen („Salon-Abende“) in den Mittelpunkt stellen, wird von der großen Vielfalt überrascht sein. Bisher fanden ca. 100 Salon-Gespräche statt.

9.
Wo hat unser religionsphilosophischer Salon seinen Ort? Als Raum eignet sich nicht nur eine große Wohnung oder der Nebenraum eines Cafés, sondern auch eine Kunst – Galerie. In den vergangenen 7 Jahren fanden wir in der Galerie „Fantom“ in Charlottenburg freundliche Aufnahme. Zuvor in verschiedenen Cafés. Kirchliche Räume, Gemeinderäume etwa, sind für uns keine offenen und öffentlichen Räume. Sie sind meist nicht sehr „inspirierend“, d.h. sie sind „ungemütlich“, also keine Salons, sondern eher Amtsstuben.

10.
In unserem religionsphilosophischen Salon sind selbstverständlich Menschen aller Kulturen, aller Weltanschauungen und Philosophien und Religionen willkommen. Unser Salon ist insofern hoffentlich ein praktisches Exempel, dass es in einer Metropole – wie Berlin – Orte geben kann, die auch immer vorhandenen „Gettos“ überwinden.
11.

Unser religionsphilosophischer Salon sollte auch ein Ort freundschaftlicher Begegnung und menschlicher Nähe. Darum haben wir in jedem Jahr im Sommer Tagesausflüge gestaltet, mit jeweils 10 – 12 TeilnehmerInnen: Etwa nach Erkner (Gerhart Hauptmann Haus), Karlshorst (das deutsch-russische Museum), Jüterbog als Ort der Reformation, das ehem. Kloster Chorin, Frohnau (Buddhistisches Haus), Lübars… Außerdem gestalteten wir kleine Feiern in privatem Rahmen anlässlich von Weihnachten. Auch ein Kreis, der sich mehrfach schon traf, um Gedichte zu lesen und zu meditieren, hat sich aus dem Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon entwickelt. Aber alle diese Initiativen waren (und sind wohl) mühsam, u.a. auch deswegen, weil letztlich die ganze Organisation von den beiden Initiatoren – ehrnemtlich selbstverständlich – geleistet wurde und wird.
12.

Anlässlich der „Welttage der Philosophie“, in jedem Jahr im November von der UNESCO vorgeschlagen, haben wir größere Veranstaltungen mit über 60 TeilnehmerInnen im Berliner AFRIKA Haus gestaltet, etwa mit dem Theologen Prof. Wilhelm Gräb, dem Theologen Michael Bongardt. Der Berliner Philosoph Jürgen Große hat in unserem Salon über Emil Cioran gesprochen, der Philosoph Peter Bieri diskutierte im Salon über sein Buch „Wie wollen wir leben?“, die Politologin Barbara Muraca stellte ihr Buch „Gut leben“ vor, Thomas Fatheuer von der Heinrich – Böll- Stiftung vertiefte das Thema; der evangelische Pfarrer Edgar Dusdal (Karlshorst) berichtete über seine Erfahrungen in der DDR; der Theologe der niederländischen Kirche der Remonstranten, Prof. Johan Goud (Den Haag), war zweimal bei uns zur Diskussion, öfter dabei waren Dik Mook und Margriet Dijkmans – van Gunst aus Amsterdam…

13.

Über vierzig viel beachtete Interviews mit dem protestantischen Theologen Prof. Wilhelm Gräb (Berlin, Humboldt – Universität) sind auf unserer Website publiziert. LINK.

Die Bilanz, vorläufig, Ende Juni 2022, formuliert: Einige wenige Interessenten außerhalb von Berlin haben die Idee des religionsphilosophischen Salons aufgegriffen. Aber wir können nicht sagen, dass etwa im kirchlichen Bereich, evangelisch wie katholisch, die Idee des freien und undogmatischen und offenen Salon-Gesprächs außerhalb der üblichen kirchlichen Räume (!), also in Café oder Galerien,  aufgegriffen und realisiert wurde. Das ist ein Faktum: Je mehr Christen aus den Kirchen austreten, um so ängstlicher und dogmatischer werden die Kirchen(führer), also auch ihre Pfarrer usw. Der Weg der Kirche in ein kulturelles Getto scheint vorgezeichnet zu sein, zumindest für die katholische Kirche. Tatsächlich haben sich über all die Jahre sehr sehr wenige “Vertreter” der großen Kirchen für unsere Initiative überhaupt interessiert. So konnten wir auch in jeder Hinsicht frei arbeiten!

Hinweis zu unseren Themen:
Eine Übersicht unserer Themen im Salon von Februar 2020 bis 2015 finden Sie hier. Die Themen von 2009 bis 2015 werden demnächst dokumentiert. Genauso wichtig wie die Salonabende sind auch die religionsphilosophischen und religionskritischen Hinweise Christian Modehn, publiziert auf der Website www.religionsphilosophischer-salon.de , bisher sind dort ca.1.300 Beiträge als „Hinweise“ veröffentlicht, mehr als eine Million vierhundertausend „Klicker“ gab es bisher (Stand 27.6.2022).

Der geplante religionsphilosophische Salon am 27.3.2020 über Hegel musste leider wegen der Corona – Pandemie ausfallen. Wir hoffen, dass noch einmal Salon – Gespräche stattfinden können. Sicher auch über Hegel.
Dass die Veranstaltung über Hegel anlässlich seines 250. Todestagesausfallen musste, ist aber besonders zu bedauern. Einige einführende Hinweise zur Philosophie Hegels hatte ich für den 27.3. 2020 vorbereitet, klicken Sie hier. Nach wie vor empfehle ich das große „Hegel-Handbuch“ von Walter Jaeschke, J.B. Metzler Verlag, 3. Auflage, 540 Seiten, nur 24, 90Euro.

Unser letztes Salongespräch fand am Freitag, den 14.Februar 2020 , wie immer um 19 Uhr statt, über das Thema: “Das Kalte Herz”. Mehr als ein Märchen (von Wilhelm Hauff). „Das kalte Herz“ offenbart die “imperiale Lebensweise”. 22 TeilnehmerInnen waren dabei. Leider mussten wir – wie öfter schon – acht Interessierten absagen, weil der Raum eben klein ist und nur eine Gruppe eine Gesprächssituation ermöglicht. Aber das große Interesse, ohne jede öffentliche Werbung, allein im Internet, und ohne jede Finanzierung von außen, ist schon bemerkenswert. Für einige vertiefende Hinweise zur imperialen Lebensweise: Beachten Sie diesen LINK.

Gründer und Initiator des „Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon Berlin“ sind:
Christian Modehn, 1948 in Berlin – Friedrichshagen geboren, hat nach dem Abitur in West-Berlin Theologie (Staatsexamen über Heidegger) und Philosophie (M.A. über Hegel) studiert: In Berlin (F.U.), St. Augustin, Bonn und München. Er arbeitete von 1973 bis 2007  immer als freier Journalist, über die Themen Religionen, Kirchen und Philosophien, für Fernseh- und Radiosender der ARD, sowie für die Zeitschrift PUBLIK – FORUM. Zur Information über einige meiner Hörfunksendungen und Fernsehdokumentationen klicken Sie bitte hier.
Und:
Hartmut Wiebus, 1944 in Seehausen/Altmark geboren, hat in Berlin (F.U.) Pädagogik (Diplomarbeit über Erich Fromm) und Psychologie studiert, und vor allem als evangelischer Klinikseelsorger gearbeitet.

Der religionsphilosophische Salon Berlin erhält von keiner Seite finanzielle Zuwendungen oder Unterstützung. Wir sind unabhängig und frei. Alle Arbeit für den Salon, also Organisation und die Impuls-Referate und die Moderation, leisten wir ehrenamtlich. Von den TeilnehmerInnen eines Salon-Abends werden lediglich 5 Euro erbeten … für die Raummiete in der Galerie Fantom.

Christian Johannes Modehn und Hartmut Wiebus, am 8.5.2021, erneut bearbeitet am 27.6.2022.

Willkommen im Religions-Philosophischen Salon Berlin

Der Religionsphilosophische Salon Berlin ist seit 2007 eine Initiative von Christian Johannes Modehn und Hartmut Wiebus. Seit Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 gab es keine öffentlichen Salon – Veranstaltungen (“Präsenz-Veranstaltungen”) mehr, hingegen werden oft neue Beiträge als Hinweise zur Debatte auf unserer Website publiziert.

Warum ein religionsphilosophischer Salon?
Warum ein religionsphilosophischer Salon?

1.

Der Titel und die „Sache“ „philosophischer Salon“ sind alles andere als verstaubt. Das Interesse an philosophischen Gesprächen und Debatten in überschaubarem Kreis, in angenehmer Atmosphäre (also in einem „Salon“), ist evident.
(Frontal-) Vorträge – etwa in Akademien – vor zahlreichem, weithin bloß zuhörendem Publikum sind oft Ausdruck autoritären Belehrens. Ein Salon ist ein freundlicher Ort des Dialogs.

2.

In unserem religionsphilosophischen Salon soll das Philosophieren geübt werden, also das selbstkritische, systematische Nachdenken. Das Thema Religion wird auch in den heutigen Philosophien ernst genommen. Philosophische Religionskritik hat nicht mehr Sinn zu beweisen, dass Religion bedeutungslos ist, im Gegenteil: Philosophische Religionskritik zeigt, welche Form einer vernünftigen Religion bzw. Spiritualität heute zur Lebensgestaltung gehören kann. Und welche Gestalten von Religion/Kirchen/”Sekten” alles andere als einen befreienden Charakter haben. Der Klerikalismus herrscht ungebrochen in der katholischen Kirche und den orthodoxen Kirchen; im weiten Feld des Evangelischen nimmt die Herrschaft der fundamentalistischen evangelikalen Kirchen ständig. freisinnige, vernünftige christliche Kirchen sind leider marginal (vgl. die Remonstranten). 

3.

Unser religionsphilosophischer Salon ist wichtig angesichts des tiefgreifenden religiösen Umbruchs in Deutschland /Europa. Die Bindung an die Kirchen lässt bekanntlich immer mehr nach. Die so genannte Säkularisierung nimmt zu. Aber Säkularisierung bedeutet gerade nicht automatisch Zunahme des Atheismus. Religionsphilosophische Salons können die Themen der Religionen und das subjektive Bewegtsein durch religiöse Fragen angesichts der Kirchenkrise vernünftig weiterführen, in der Freiheit des Geistes… über den Klerikalismus oder den vielfältigen religiösen Fundamentalismus hinaus.

4.

Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie gibt es nur im Plural, die (Religions-)Philosophien in Afrika, Asien und Lateinamerika dürfen nicht länger als „zweitrangig“ behandelt werden. In welcher Weise Religion dort zum „Opium“ wird angesichts des Elends so vieler Menschen, ist eine besonders relevante Frage, auch angesichts der Zunahme christlicher und muslimischer Fundamentalismen. Dringend wird die Frage: Inwieweit ist philosophisches Denken Europas eng mit dem kolonialen Denken verbunden?

5.

Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phien bieten also in ihren vielfältigen Entwürfen unterschiedliche Hinweise zur Fähigkeit der Menschen, ihre engen Grenzen zu überschreiten und sich dem im Denken zu nähern, was die Tradition Gott oder Transzendenz nennt. Dabei treten diese unterschiedlichen Entwürfe in einen lernbereiten Dialog. In unserem religionsphilosophischen Salon gibt es z.B.ein starkes Interesse am (Zen-) Buddhismus.

6.

Uns ist es wichtig uns zu zeigen, dass Menschen im philosophischen Bedenken ihrer tieferen Lebenserfahrungen das Endliche überschreiten können und sollen und das Göttliche, das Transzendente erreichen können. Das Göttliche als das Gründende und Ewige zeigt sich dabei im Denken als bereits anwesend. Es ist sozusagen unthematisch gegenwärtig im Geist des Menschen.
Wenn der Mensch nach dem Göttlichen fragt, hat er also notwendigerweise „immer schon“ ein gewisses Vorverständnis vom Göttlichen. Dieses „Vorwissen“ gilt, nebenbei, für alles Fragen und Suchen.

7.

Insofern ist Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie auch eine subjektive Form der Lebensgestaltung, d.h. eine bestimmte Weise zu denken und zu handeln.
Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie kennt keine Dogmen, sicher ist nur das eine Dogma: Umfassend selbstkritisch zu denken und alle Grenzen zu prüfen, in die wir uns selbst einsperren oder in die wir durch andere, etwa durch politische Propaganda, durch Konsum und Werbung im Neoliberalismus, eingeschlossen werden. In dieser Offenheit, Grenzen zu überschreiten, zeigt sich die Lebendigkeit der Religions -Philosophie. Philosophieren ist etwas Lebendiges, im Unterschied zu vielen klerikalen Konfessionen ist sie nichts Erstarrtes voller Verbotsschilder

8.

Diese „Entdeckungsreisen“ der Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phien können angestoßen werden durch explizit philosophische Texte, aber auch durch Poesie und Literatur, Kunst und Musik, durch eine Phänomenologie des alltäglichen Lebens, durch die politische Analyse der vielfachen Formen von Unterdrückung, Rassismus, Fundamentalismus. Mit anderen Worten: Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie findet eigentlich in allen Lebensbereichen statt, kann sich von allen „Produkten des Geistes“ (Hegel) bewegen lassen. Wer die Gesprächsthemen anschaut, die wir seit 2007 in den meist monatlichen Veranstaltungen („Salon-Abende“) in den Mittelpunkt stellen, wird von der großen Vielfalt überrascht sein. Bisher fanden ca. 100 Salon-Gespräche statt.

9.

Wo hat unser religionsphilosophischer Salon seinen Ort? Als Raum eignet sich nicht nur eine große Wohnung oder der Nebenraum eines Cafés, sondern auch eine Kunst – Galerie. In den vergangenen 7 Jahren fanden wir in der Galerie „Fantom“ in Charlottenburg freundliche Aufnahme. Zuvor in verschiedenen Cafés. Kirchliche Räume, Gemeinderäume etwa, sind für uns keine offenen und öffentlichen Räume. Sie sind meist nicht sehr „inspirierend“, d.h. sie sind „ungemütlich“, also keine Salons, sondern eher Amtsstuben.

10.

In unserem religionsphilosophischen Salon sind selbstverständlich Menschen aller Kulturen, aller Weltanschauungen und Philosophien und Religionen willkommen. Unser Salon ist insofern hoffentlich ein praktisches Exempel, dass es in einer Metropole – wie Berlin – Orte geben kann, die auch immer vorhandenen „Gettos“ überwinden.

11.

Unser religionsphilosophischer Salon sollte auch ein Ort freundschaftlicher Begegnung und menschlicher Nähe. Darum haben wir in jedem Jahr im Sommer Tagesausflüge gestaltet, mit jeweils 10 – 12 TeilnehmerInnen: Etwa nach Erkner (Gerhart Hauptmann Haus), Karlshorst (das deutsch-russische Museum), Jüterbog als Ort der Reformation, das ehem. Kloster Chorin, Frohnau (Buddhistisches Haus), Lübars… Außerdem gestalteten wir kleine Feiern in privatem Rahmen anlässlich von Weihnachten. Auch ein Kreis, der sich mehrfach schon traf, um Gedichte zu lesen und zu meditieren, hat sich aus dem Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon entwickelt. Aber alle diese Initiativen waren (und sind wohl) mühsam, u.a. auch deswegen, weil letztlich die ganze Organisation von den beiden Initiatoren – ehrnemtlich selbstverständlich – geleistet wurde und wird.

12.

Anlässlich der „Welttage der Philosophie“, in jedem Jahr im November von der UNESCO vorgeschlagen, haben wir größere Veranstaltungen mit über 60 TeilnehmerInnen im Berliner AFRIKA Haus gestaltet, etwa mit dem Theologen Prof. Wilhelm Gräb, dem Theologen Michael Bongardt. Der Berliner Philosoph Jürgen Große hat in unserem Salon über Emil Cioran gesprochen, der Philosoph Peter Bieri diskutierte im Salon über sein Buch „Wie wollen wir leben?“, die Politologin Barbara Muraca stellte ihr Buch „Gut leben“ vor, Thomas Fatheuer von der Heinrich – Böll- Stiftung vertiefte das Thema; der evangelische Pfarrer Edgar Dusdal (Karlshorst) berichtete über seine Erfahrungen in der DDR; der Theologe der niederländischen Kirche der Remonstranten, Prof. Johan Goud (Den Haag), war zweimal bei uns zur Diskussion, öfter dabei waren Dik Mook und Margriet Dijkmans – van Gunst aus Amsterdam…

Am 25.1.2023 notiert: Eine traurige Nachricht, ein großer Verlust für eine moderne “liberale Theologie”: Prof. Wilhelm Gräb, Prof. em. für praktische Theologie an der Humboldt-Universität Berlin,  ist am 23. Januar 2023 in Berlin nach langer Krankheit gestorben. Der Religionsphilosophische Salon Berlin verdankt ihm viele wichtige Anregungen und dankt nochmals auf diese Weise für insgesamt 65 Beiträge und Interviews, die Wilhelm Gräb in mehr als zehn Jahren für diese website gab. LINK.

Ich darf sagen, wir haben einen Freund verloren, der als ein Theologe der heutigen Moderne ungewöhnliche, aber richtige Perspektiven zeigte in seiner großen Aufgeschlossenheit und Freundlichkeit. Für ihn war die religiöse Glaubensform eines jeden Menschen wichtiger als die fixierenden, dogmatischen Lehren der Kirche. Diese theologische Freiheit, alle dogmatische Engstirnigkeit, allen Fundamentalismus auch in der evangelischen Kirche zu überwinden, “beiseite zu tun”, wie Wilhelm gern sagte, ist in ihrem radikalen Mut schon ziemlich einmalig. Ob diese Vorschläge und Ansätze zu einer Reformationen der Kirchen noch ernstgenommen werden, gerade in dieser “Kirchenkrise” ist eine offene Frage… Über seine Verdienste in der Forschung zu Schleiermacher wird später zu berichten sein.

Interessant in dem Zusammenhang das Interview, das uns Wilhelm Gräb 2012 zum Thema TOD und Sterben gab: LINK 

Zur theologischen Besinnung empfehle ich auch unser Interview mit Wilhelm Gräb “Der Gott der Liebe”. LINK:

Über vierzig viel beachtete Interviews mit dem protestantischen Theologen Prof. Wilhelm Gräb (Berlin, Humboldt – Universität) sind auf unserer Website publiziert. LINK.

Vorläufige Bilanz

Die Bilanz, vorläufig, Ende Juni 2022, formuliert: Einige wenige Interessenten außerhalb von Berlin haben die Idee des religionsphilosophischen Salons aufgegriffen. Aber wir können nicht sagen, dass etwa im kirchlichen Bereich, evangelisch wie katholisch, die Idee des freien und undogmatischen und offenen Salon-Gesprächs außerhalb der üblichen kirchlichen Räume (!), also in Café oder Galerien,  aufgegriffen und realisiert wurde. Das ist ein Faktum: Je mehr Christen aus den Kirchen austreten, um so ängstlicher und dogmatischer werden die Kirchen(führer), also auch ihre Pfarrer usw. Der Weg der Kirche in ein kulturelles Getto scheint vorgezeichnet zu sein, zumindest für die katholische Kirche. Tatsächlich haben sich über all die Jahre sehr sehr wenige “Vertreter” der großen Kirchen für unsere Initiative überhaupt interessiert. So konnten wir auch in jeder Hinsicht frei arbeiten!

Hinweis zu unseren Themen
Hinweis zu unseren Themen:
Eine Übersicht unserer Themen im Salon von Februar 2020 bis 2015 finden Sie hier. Die Themen von 2009 bis 2015 werden demnächst dokumentiert. Genauso wichtig wie die Salonabende sind auch die religionsphilosophischen und religionskritischen Hinweise Christian Modehn, publiziert auf der Website www.religionsphilosophischer-salon.de , bisher sind dort ca.1.300 Beiträge als „Hinweise“ veröffentlicht, mehr als eine Million vierhundertausend „Klicker“ gab es bisher (Stand 27.6.2022).

Der geplante religionsphilosophische Salon am 27.3.2020 über Hegel musste leider wegen der Corona – Pandemie ausfallen. Wir hoffen, dass noch einmal Salon – Gespräche stattfinden können. Sicher auch über Hegel.
Dass die Veranstaltung über Hegel anlässlich seines 250. Todestagesausfallen musste, ist aber besonders zu bedauern. Einige einführende Hinweise zur Philosophie Hegels hatte ich für den 27.3. 2020 vorbereitet, klicken Sie hier. Nach wie vor empfehle ich das große „Hegel-Handbuch“ von Walter Jaeschke, J.B. Metzler Verlag, 3. Auflage, 540 Seiten, nur 24, 90Euro.

Unser letztes Salongespräch fand am Freitag, den 14.Februar 2020 , wie immer um 19 Uhr statt, über das Thema: “Das Kalte Herz”. Mehr als ein Märchen (von Wilhelm Hauff). „Das kalte Herz“ offenbart die “imperiale Lebensweise”. 22 TeilnehmerInnen waren dabei. Leider mussten wir – wie öfter schon – acht Interessierten absagen, weil der Raum eben klein ist und nur eine Gruppe eine Gesprächssituation ermöglicht. Aber das große Interesse, ohne jede öffentliche Werbung, allein im Internet, und ohne jede Finanzierung von außen, ist schon bemerkenswert. Für einige vertiefende Hinweise zur imperialen Lebensweise: Beachten Sie diesen LINK.

Gründer

Gründer und Initiator des „Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon Berlin“ sind:
Christian Modehn, 1948 in Berlin – Friedrichshagen geboren, hat nach dem Abitur in West-Berlin Theologie (Staatsexamen über Heidegger) und Philosophie (M.A. über Hegel) studiert: In Berlin (F.U.), St. Augustin, Bonn und München. Er arbeitete von 1973 bis 2007  immer als freier Journalist, über die Themen Religionen, Kirchen und Philosophien, für Fernseh- und Radiosender der ARD, sowie für die Zeitschrift PUBLIK – FORUM. Zur Information über einige meiner Hörfunksendungen und Fernsehdokumentationen klicken Sie bitte hier.
Und:
Hartmut Wiebus, 1944 in Seehausen/Altmark geboren, hat in Berlin (F.U.) Pädagogik (Diplomarbeit über Erich Fromm) und Psychologie studiert, und vor allem als evangelischer Klinikseelsorger gearbeitet.

Der religionsphilosophische Salon Berlin erhält von keiner Seite finanzielle Zuwendungen oder Unterstützung. Wir sind unabhängig und frei. Alle Arbeit für den Salon, also Organisation und die Impuls-Referate und die Moderation, leisten wir ehrenamtlich. Von den TeilnehmerInnen eines Salon-Abends werden lediglich 5 Euro erbeten … für die Raummiete in der Galerie Fantom.

Christian Johannes Modehn und Hartmut Wiebus, am 8.5.2021, erneut bearbeitet am 27.6.2022.

Der Gott der Liebe. Drei Fragen an den Theologen Prof. Wilhelm Gräb, Berlin

Über Glauben und Hoffen haben wir theologische Meditationen mit dem protestantischen Theologen Wilhelm Gräb (Berlin) schon kürzlich publiziert.Nun drei Fragen zum “Gott der Liebe”. Glauben, Hoffen, Lieben gelten als Grundhaltungen (Tugenden) von Menschen, nicht nur von Christen.

Die Fragen stellte Christian Modehn.

1.
Ein komplexes Thema: „Der Gott der Liebe“. Die ersten Christen teilen im „1. Brief des Johannes“ ihre Überzeugung mit: „Gott ist die Liebe“ (4. Kap., Vers 8). Angesichts der Lebenserfahrungen im Laufe der Geschichte (Krieg, Gewalt, Krankheit) meinen aber viele, den Ge-danken an einen liebenden Gott aufgeben zu müssen. Ist das Thema „Der Gott der Liebe“ bzw. „Der Gott, der Liebe IST“, de facto also ob-solet und nur noch eine Art Ballast kirchlicher Sprache?

Mit dem Gott der Liebe, so denke ich, verhält es sich nicht anders als mit dem Gott des Glaubens und der Hoffnung. Immer geht es um un-sere Beziehung zu Gott und Gottes Beziehung zu uns. Das Beziehungs-verhältnis zwischen Gott und uns Menschen bildet sich im Glauben, den wir ein Grundvertrauen genannt haben. Es wird zum Grund einer Hoffnung, mit der wir unser Handeln auch noch in scheinbar ausweg-loser Situation mutig nach vorne ausrichten. Wenn wir nun von Gott auch als dem Gott der Liebe sprechen, so sagen wir damit aus, dass Gott derjenige ist, der uns und die Welt im Innersten zusammenhält. Über alle Gegensätze und Widersprüche hinweg tut er das, trotz der Grausamkeiten, dem Hass und der Gewalt, den Kriegen und Katastro-phen, den Erfahrungen von Krankheit, Sterben und Tod.

Nur weil Gott voll Liebe ist, ist überhaupt vorstellbar, dass er es ist, der diese Welt, so wie sie ist, in seinen Händen hält, er als ein leben-diger Gott in der Welt wirksam ist. Wäre das Handeln Gottes vom Zorn über die Bosheit der Menschen bestimmt und darauf ausgerichtet, Vergeltung zu üben und mit Gewalt gegen das Unrecht, das ge-schieht, vorzugehen, dann würde durch seine Interventionen ja alles noch viel schlimmer. Ist Gott hingegen der, der aus Liebe handelt, dann ist er der Grund dafür, weshalb wir allen schlimmen Erfahrun-gen zum Trotz, nichts und niemanden je ganz verloren geben müssen.

Es ist wichtig, die biblische Aussage, dass Gott die Liebe ist, von dem her zu verstehen, was mit „Liebe“ gemeint ist, was es heißt, aus Liebe zu handeln und Liebe zu erfahren. Auch da hilft uns das Neue Testa-ment weiter, vor allem die Hymne auf die Liebe, die Paulus im 13. Kap. des Korintherbriefes angestimmt hat. Dort setzt Paulus die Liebe nicht nur neben den Glauben und die Hoffnung, sondern er meint so-gar, sie sei die größte und stärkste Kraft unter diesen dreien, dem Glauben, der Hoffnung und der Liebe, denen gleichermaßen Ewig-keitswert, eine göttliche Qualität also, zukomme.

Die Liebe aber ist deshalb die größte und stärkste unter den göttli-chen Wirkkräften in der Welt, weil sie, wie Paulus ausführt, „alles verträgt, alles glaubt, alles hofft und alles duldet“ (1. Kor 13, 7), weil sie „das Ihre nicht sucht und … das Böse nicht zurechnet“ (13, 5).

Was die Liebe so stark macht und sie zum primären Qualitätsmerk-mal der Wirksamkeit Gottes in der Welt werden lässt, das ist ihre enorme Fähigkeit zum gewaltlosen Widerstand. Die negativen Erfah-rungen, die Sie, lieber Herr Modehn, nennen (Kriege, Gewalt, Krank-heit) und die uns ja in der Tat immer wieder fragen lassen, wie Gott, wenn er denn ein liebender Gott ist, all das Schreckliche in der Welt und im menschlichen Leben zulassen kann, sind recht verstanden kein Einwand gegen Gott. Sie sprechen weder gegen Gottes Liebe noch gegen seine Allmacht.

Liebe bedeutet Partnerschaft, wechselseitige Anerkennung, Rück-sichtnahme, Vertrauen, ein Selbst sein können, in der Beziehung zum, ja am Ort des anderen. Ein liebevoller Gott ist so in der von ihm ge-schaffenen Welt wirksam: Partnerschaftlich, in Anerkennung der Selbständigkeit der Welt und der in Freiheit – und nicht nur mit ihrer Liebe, sondern auch mit all ihrer Bosheit – in ihr tätigen Menschen. So ist Gott in der Welt wirksam, dass er das Böse nicht mit Bösem vergilt und dem Hass nicht mit Hass begegnet. Letztendlich ist es die Feindesliebe, wie sie Jesus empfohlen hat, mit der Gott in der Welt am Werke ist.

Spektakulär ist die Wirksamkeit dieser göttlichen Liebe, die nicht nach dem Motto wie du mir, so ich dir, verfährt, sondern das Böse durch das Tun des Guten überwindet, selten. Aber ohne diese Liebe, mit der Gott in der Welt da ist, dessen bin ich gewiss, müssten wir al-le Hoffnung auf Besserung und erst recht die auf einen guten Aus-gang aller Dinge gänzlich fahren lassen.

2.
Nun hat das Thema Liebe unter den Menschen, auch die erotische Liebe, in allen kulturellen Traditionen trotzdem die höchste Achtung. Und viele neigen dazu, die Liebe selbst als etwas Göttliches zu bewer-ten. Das passt gut zu der Aussage der frühen Christen im 1. Johannes-brief: „Wir wollen einander lieben, denn die Liebe ist aus Gott“ (4. Kap., Vers 7). Können wir daraus schließen: „Die Liebe der Menschen selbst ist göttlich?“

Die Liebe ist etwas Göttliches. Sie macht die Wirksamkeit Gottes in der Welt aus. Sie ist der Grund dafür, dass die Welt und der Men-schen Leben in ihr trotz Hass und Gewalt, trotz der Kriege und Kata-strophen, der Krankheiten und Epidemien nicht nur fortbesteht, son-dern wir uns Hoffnung darauf machen können, dass es Triebkräfte in der Welt gibt, die uns zumindest auf einen moralischen Fortschritt hoffen lassen.

Wir setzten darauf und kämpfen dafür, dass Kriege geächtet werden, die Würde jedes einzelnen Menschen anerkannt, die Menschrechte (ohne Gewalt) durchgesetzt, Hunger, Not und Krankheiten besiegt werden, und – die Liebe stärker bleibt als der Tod! Dies alles aus Liebe zum Leben!

Die Liebe, so könnte man daher auch sagen, ist das göttliche Welt-prinzip. Nicht in dem Sinne, dass man damit eine Weltformel hätte, mit der der faktische und zumeist immer noch viel zu grausame Gang der Dinge sich (weg-)erklären ließe. Eine solche Weltformel wird nie gefunden werden, weil es die Welt als objektiven, abgeschlossenen Tatbestand nicht gibt.

Die Liebe ist das göttliche Weltprinzip in genau dem Sinne, den die Stelle aus dem 1. Johannesbrief, den Sie, lieber Herr Modehn, zitie-ren, zum Ausdruck bringt. Gott ist mit seiner das Böse im Tun des Gu-ten überwindenden Liebe in der Welt wirksam, indem er Menschen unablässig und auch noch, wo es vergeblich erscheint, zu Taten der Liebe ermutigt und befähigt.

Ja, die Liebe, die wir Menschen füreinander empfinden, sie ist göttli-chen Ursprungs. Die Liebe, die uns, weiß nicht wie, überkommt, die uns ineinander verschmelzen und zugleich doch selbständige Wesen bleiben lässt, sie ist göttlich. Die Liebe gar, die die Feindschaft über-windet, sie ist göttlich. Überall, wo geliebt wird, ist das göttliche Weltprinzip wirksam.

Wie trostlos wäre es in der Welt, wenn es die Liebe nicht gäbe! Die Taten und Erfahrungen der Liebe sind der beste Gottesbeweis.

3.
Wird durch die Praxis des Lebens und die Praxis der Liebe eine Spur des Göttlichen in der Menschenwelt erfahrbar? Erhalten die üblichen philosophischen und theologischen Debatten über Sinn und Unsinn des Atheismus nicht eine ganz neue Dimension, wenn man in dem „1.Brief des Johannes“ liest: „Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt“ (4., 8). Kann man diese Erkenntnis auch so formulieren: „Wer liebt, hat Gott erkannt“? Und zwar jeder und jede, die lieben, egal, ob sie nun ein kirchliches Bekenntnis haben oder nicht?“

Die Taten und Erfahrungen der Liebe zeichnen die Spuren des Göttlichen in unser Leben und die Welt. Gott ist da, wo Menschen sich in Liebe begegnen, erst recht da, wo es dazu kommt, dass die Liebe Hass und Feindschaft überwindet.

Aber es liegt natürlich Gottes Wirken nicht offen zutage. Es ist unsere auf Symbole ausgreifende Deutung, die uns davon sprechen lässt, dass Gott uns zu Taten der Liebe ermutigt und er dort erfahren wird, wo Menschen einander, trotz allem was sie trennt, in Liebe begegnen.

Wie kommen wir dazu, die Liebe, die uns Menschen miteinander und mit den Dingen, die uns wichtig sind, auf elementare Weise verbin-det, auf Gottes Handeln in der Welt zurückzuführen? Nirgendwo sonst sind wir doch so sehr mit unserem Fühlen, Denken und Wollen selbst beteiligt wie eben dort, wo wir aus Liebe handeln und wir die Liebe anderer erfahren.

Wahr ist aber auch, dass die Liebe etwas ist, das über uns kommt, uns ergreift, uns widerfährt. Einen anderen Menschen oder auch eine Sache, die uns wichtig ist, zu lieben, dazu können wir uns schwerlich aus eigener Kraft entschließen. Die Liebe verwickelt uns in Erfahrungen, in denen wir auf beglückende Weise von Anderwärts her bestimmt, angefasst, angetrieben und erfüllt sind.

So verweist die Liebe uns auf Erfahrungen, in denen wir über uns selbst hinausgeführt werden. Wollen wir diesem uns selbst transzen-dierenden Von-Woher der alles verwandelnden Kraft der Liebe einen Namen geben, der sich mit einer personalen Vorstellung verbindet, dann legt es sich nahe, von Gott als dem Gott der Liebe zu sprechen.

Selbstverständlich ist Gott in den Taten und Erfahrungen der Liebe auch dann wirksam, wenn wir ihn nicht bei diesem Namen nennen und keine Vorstellung von ihm entwickeln. Er ist auf unser Bekenntnis zu ihm nicht angewiesen. Aber uns kann es helfen, ihn und nicht uns selbst als den Quellgrund der Liebe, die uns und alle Welt im Inners-ten zusammenhält, zu wissen.

An den Gott der Liebe zu glauben und auf seine Kraft zu hoffen, macht das eigene Bemühen um Taten der Liebe und das eigene Ver-langen nach Erfahrungen der Liebe nicht überflüssig – im Gegenteil. Aber es befreit uns von der hybriden Vorstellung, wir selbst müssten in unserer Liebe von göttlicher Vollkommenheit sein.

Copyright: Prof. Wilhelm Gräb und Religionsphilosophischer Salon Berlin

Was kann, was sollte Europa von Afrika lernen?

Drei Fragen an Prof. Wilhelm Gräb, Berlin

Die Fragen stellte Christian Modehn im Juli 2018

 

  1. Sie hatten sich im Frühjahr wieder zur Vorlesungen in Südafrika aufgehalten. Je länger man dort lebt, umso größer wird sicher der Abstand zu Europa und zu Deutschland in der Hinsicht, vermute ich mal: Also, dass man sich wundert, welche Themen uns in Europa so wichtig sind und welche dann vor Ort in Afrika entscheidend sind. Ein Beispiel nur: In der europäischen Presse wird Afrika pauschal als Problemkontinent dargestellt; vieles Wertvolle wird hier wohl nicht gesehen, trotz aller politischen Korruption auch in (Süd) Afrika. Welche positiven Eindrücke sind für sie in Afrika entscheidend geworden?

Was mich jedes Mal wieder begeistert, wenn ich in Afrika bin, das ist die Lebensenergie der Menschen. Die sozialen und politischen Probleme sind ungleich größer als in Europa, aber die deprimierende Stimmung, die hier so schnell über uns kommt, kennt man dort nicht. Dass es sich um überwiegend junge Gesellschaften handelt spielt dabei gewiss eine Rolle. Aber ein ebenso großes, wenn nicht sehr viel größeres Gewicht kommt einem eigentümlichen Merkmal afrikanischer Kultur zu.

Verallgemeinerungen sind immer schwierig, auch hier. Dennoch kann man sagen, dass die afrikanische Kultur kommunal und sogar kosmologisch in ein größeres Ganzes einbindet. Der einzelne fühlt sich immer als lebendiger und unverzichtbarer Teil einer Gemeinschaft und mit dieser in das Universum seiner sozialen Welt eingebunden. Das meint ja der zentrale Begriff „Ubuntu“. Blicken wir auf die ökonomischen Erfolgsbedingungen, so hat diese kulturelle Formation, die im südlichen Afrika mit dem Xhosa-Wort „Ubuntu“ beschrieben wird, natürlich auch Nachteile. Aber wir schrecken inzwischen ja doch eher davor zurück, unser Modell sozio-ökonomischer Entwicklung, das nach wie vor auf Wachstum und Profitsteigerung ausgelegt ist, als nachhaltig und zukunftsfähig auszugeben.

Demgegenüber stellt die Sinneinstellung, die es macht, dass der einzelne sich als ein unverzichtbares Element im großen Ganzen eines sozialen Organismus versteht, ein attraktives Element afrikanischer Kultur dar. Aus dieser Sinneinstellung entspringen ein unwahrscheinliche Lebensfreude und ein ungebrochener Lebensmut. Es liegt mir fern, die sozialen und erst recht die politischen Verhältnisse in den Ländern Afrikas zu romantisieren. Die Probleme, vor denen sie stehen, sind riesig und die politischen Eliten sind weithin korrupt. Aber ich kann von diesen Problemen keine Erwähnung machen, ohne zugleich zu betonen, dass die Staatsgrenzen überall in Afrika von den Kolonialmächten hinterlassen wurden. Die künstlich geschaffenen politischen Einheiten umschließen in einem Land wie Nigeria über hundert verschiedene Ethnien und Sprachen. Insofern kommt es eher einem Wunder gleich, als dass es Anlass sein kann, mit besorgter Miene auf Afrikas zu blicken, wie viel doch zusammenspielt, wie viel unternehmerischer Geist am Werk ist, wie lebendig die Kunstszene und die Musikkultur in allen Ländern Afrikas ist. Wenn es nur noch besser gelänge, Good Leadership and Good Governance – wovon in den Medien im südlichen Afrika permanent die Rede ist, weil das Wissen da ist, dass es das am dringendsten braucht – entstehen zu lassen, dann bräuchte niemand um die Zukunft Afrikas besorgt zu sein.

 

  1. Gelingt es den so vielfältigen, auch in kirchlicher Lehre und Liturgie unterschiedlichen Kirchen in Afrika einen gewissen Zusammenhalt und gemeinsame Praxis zu finden? Falls es da noch Probleme gibt, sind diese eher theologischer oder eher politisch – sozialer Prägung?

Die Kirchen stellen in nahezu allen Ländern Afrikas (südlich der Sahara) einen enorm wichtigen Faktor im öffentlichen Leben dar, allein schon deshalb, weil ihnen die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung angehört, in den Ländern des südlichen Afrika sind es fast 90 %, in den Ländern West- und Ostafrikas ist demgegenüber auch der Islam relativ stark vertreten, was bekanntlich immer wieder auch zu religiös aufgeladenen, gewaltsamen Konflikten führt.

Was den Zusammenhalt und die Zusammenarbeit der Kirchen anbelangt, so suchen die Kirchenleitungen sie energisch, aber ihre Bemühungen werden von der Basis kaum mitgetragen. Hier zeigt sich eine Kehrseite der „Ubuntu“-Kultur. Sie stärkt enorm die Bindungskräfte in der Social Community, auch die in der eigenen Kirchengemeinschaft. Sie setzt aber kaum Bridging-Forces frei. Die „Ubuntu“-Kultur trägt kaum dazu bei, die Markierungen zwischen den Kirchen zu überbrücken. Und diese Markierungen werden nach wie vor durch die sozialen und kulturellen Unterschiede (wozu die überkommenen Race-Issues gehören) als durch theologische gezogen. Auch die liturgischen Differenzen, die Stile der gottesdienstlichen Feiern, sind höchst unterschiedlich, spiegeln dabei aber die sozialen und kulturellen Zugehörigkeiten.

Das macht für mich immer noch eine der besonders enttäuschenden Erfahrungen in Südafrika aus, dass die südafrikanische Gesellschaft nie mehr so sehr getrennt ist, wie sonntagmorgens zwischen 10 und 11 Uhr, also zu den Zeiten der unterschiedlichen Gottesdienste.

 

  1. In Südafrika halten sich auch viele Flüchtlinge aus anderen afrikanischen Staaten auf. Auch da, so hört man in Europa, gibt es Probleme: Die „reichen“ Südafrikaner wollen nicht mit den ärmeren Leuten aus Zimbabwe usw. teilen. Gibt es auch Projekte des Miteinanders von Südafrikanern und „anderen“ Afrikanern? Könnten die für deutsche Flüchtlingsarbeit interessant sein, man spricht ja so viel von inter-kulturellem Austausch….

Es gab vor drei Jahre gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Einheimischen und Wirtschaftsmigranten aus den ärmeren Ländern im nördlichen Sub-Sahara-Afrika. Aber in Südafrika hat man daraufhin nicht angefangen Grenzzäune zu errichten und eine Politik der Abschottung zu betreiben. Im Gegenteil die südafrikanische Regierung legte einen National Action Plan vor, zu dem auch der Kampf gegen Racism and Xenophobia gehört: www.opengovpartnership.org/documents/south-africas-third-national-action-plan-2016-2018

Die Aufnahme von Flüchtlingen und Migranten ist politisch gewollt und wird von den Kirchen tatkräftig unterstützt. De facto sind es die Kirchen, vor allem die African Initiated Churches und die pentekostalen Kirchen, in denen die Geflüchteten und Migranten Aufnahme finden. Staatliche Sozialhilfe gibt es für sie nicht. In den Kirchen finden sie Anschluss, sodass sie nicht ins Bodenlose fallen.

Wenn ich gegenwärtig das Gerede verfolge, das sich nur noch darum dreht, wie Europa seine Außengrenzen schützen und die wenigen, die es noch schaffen durchzukommen, wieder auf offene Meer hinaustreiben kann, nötigt mir der Umgang mit Geflüchteten und Migranten in Südafrika eher Bewunderung ab. Natürlich gibt es an der Basis harte soziale Verteilungskämpfe. Aber die Politik dort scheint mir nie zu vergessen, dass es um Menschen geht, die in Not sind.

Copyright: Prof. Wilhelm Gräb und Religionsphilosophischer Salon Berlin