Ein Gerichtsprozess im Vatikan: Der Legionär Christi Pater John O Reilly

Ein Hinweis von Christian Modehn

Im Rahmen unserer nur exemplarisch zu verstehenden religionskritischen Studien hat der „Religionsphilosophische Salon Berlin“ seit über 10 Jahren über den offiziellen katholischen Orden „Legionäre Christi“ wie über die mit ihm verbundene Laien-Bewegung „Regnum Christi“ berichtet. Weil sich kein anderes publizistisches oder religionswissenschaftliches oder wenigstens theologisches Zentrum in Deutschland ausführlich und ständig um diese weltweit einflussreichen Gruppen kümmert, nun also hier ein weiteres Kapitel aus diesem klerikalen Sumpf…

Jetzt wird erneut einem prominenten Priester, Pater O Reilly aus Chile, wegen pädophiler Verbrechen der Prozess im Vatikan gemacht. Das berichten am 9. August 2016 „Le Monde“ und „Figaro“.

Zur Erinnerung: Schon gegen den ebenfalls „betroffenen“ Nuntius in der Dominikanischen Republik, Erzbischof Jozef Wesolowski, wollte ein päpstliches Gericht ein Urteil fällen, aber der pädophile Erzbischof verstarb am 27.8.2015 kurz vor Prozessbeginn in Rom … an „Herzstillstand“, so heißt es …. Während Nuntius Wesolowski sich den Knaben „zuwandte“, hat sich der aus Irland stammende Pater John O Reilly an Mädchen vergriffen. Das haben Gerichte in Chile erwiesen. Weil dem Priester die Ausweisung aus Chile droht, soll er nun sozusagen im sicheren Vatikan „untergebracht“ werden… Konkrete Daten für den Prozess gibt es noch nicht.

Pater John O Reilly LC, 69 Jahre, wurde schon von chilenischen Gerichten verurteilt. In den Jahren 2010 bis 2012, so wissen die Gerichte, habe er als „spiritueller Meister“ im Legionärs Kolleg “Cumbres” mehrfach ein ihm anvertrautes Mädchen von 9 Jahren sexuell missbraucht. Er wurde im November 2014 zu 4 Jahren „überwachter Freiheit“, „liberté surveillée“, wie Le Monde schreibt, verurteilt. Seine chilenische Staatsbürgerschaft wurde ihm im März 2015 aberkannt, nun soll er aus Chile abgeschoben werden. Ist das Grund, dass der Vatikan den alsbald wohl staatenlosen Pater zu sich holt? Oder sind die Hintergründe der Tat so belastend, dass sie besser im sehr schweigsamen Vatikan verhandelt werden? Warum also diese Sonderbehandlung für Pater O Reilly? Denn allein in Chile sind über 20 pädophile Priester nun auch kirchenamtlich „enttarnt“. Wenn allein diese im vatikanischen Gefängnis untergebracht würden, wären die eher bescheidenen Gefängniskapazitäten des Vatikans wohl bald erreicht … und der „Apostolische Palast“ müsste umgebaut werden…

Merkwürdig ist, dass die pädophilen Aktivitäten von Pater O Reilly aus dem Orden der Legionäre Christi auch dann kein Ende fanden, als der Ober-„Verbrecher“ im Orden, so fast wörtlich Papst Benedikt XVI., also der Gründer Pater Marcial Maciel, zahlreicher Untaten 2006 definitiv überführt wurde und der Orden danach sozusagen auf der Kippe stand: Denn viele kluge Leute meinten, dieser katholische Club solle besser aufgelöst werden. Aber Pater O Reilly wurde wohl in seinem Tun „gedeckt“; er war offenbar unersetzlich, denn er galt als wichtiger „Geldeintreiber“ im bekanntermaßen geldgierigen Orden. Sie leben in den teuersten Vierteln von Santiago, etwa Las Condes. Über den Reichtum des Ordens allein in Chile haben die Journalisten Andrea Insunza und javier Ortega ein Buch publiziert: “Los Legionarios de Cristo en Chile. Dios, Dinero y Poder”,

John O Reilly wurde in der Nähe von Dublin geboren, sein Vater widmete sich vor allem der Hühnerzucht. Das Kind wurde bei den Großeltern erzogen. „Aber von seiner sehr bescheidenen Vergangenheit sprach er in Chile nie“, berichten ehemalige Bekannte, wie der Ex-Legionär Glenn Favre. 1965 trat O Reilly in den Orden der Legionäre Christi ein. An dem bewiesenen verbrecherischen Leben des Ordensgründer Maciel hatte er stets seine Zweifel, BBC zitiert O Reilly aus dem Jahr 2006: “Nadie duda de la absolutísima inocencia del padre Marcial Maciel, por su vida y por sus obras, por lo que ha entregado a cada uno de nosotros, a la Iglesia y al mundo”, comentó O’Reilly en 2006 en entrevista con el sitio web Emol al conocerse la decisión vaticana“… „Niemals zweifle ich an der aboluten Unschuld Pater Maciels….“

Nach Chile kam O Reilly 1984, er arbeitete in den Kollegien „für Kinder aus reichem Hause“. Die Tageszeitung „El Mercurio“ beschrieb 2002 die Beziehung des Priesters zu den ihm anvertrauten Mädchen:“ “Parece una gallina con sus pollos, rodeado de niñitas que le conversan y le piden ‘nosotras queremos quedarnos contigo, padre’: „Er erschien wie ein Huhn mit seinen Hühnchen, umringt von kleinen Mädchen, die ihn unterhielten und ihn baten: Wir bitten, bleibe mit uns, Pater“., so BBC, http://www.bbc.com/mundo/noticias/2014/11/141111_perfil_oreilly_legionarios_millonarios_ch

Mit dem bevorstehenden Prozess im Vatikan wird erneut das öffentliche Interesse auf die Aktivitäten der Legionäre Christi und des Regnum Christi in CHILE gelenkt. Dieser Orden kam erst 1980 nach Chile, zu der Zeit, als der Diktator Pinochet (seit 1973) herrschte. Der Journalist Alfonso Torres Robles berichtet in seinem Buch „La prodigiosa aventura de los Legionarios de Cristo“ (Madrid 2001), Seite 58 f., dass die Legionäre in Chile sofort Anschluss fanden an zahlreiche große Unternehmer und Politiker. Vor allem mit dem rechtsextremen Innenminister Pinochets, Carlos Cáveres Contreras (geboren 1940), gab es enge Kontakte. Dieser Herr hat noch den Diktator Pinochet in seinem Londoner Gefängnis besucht und unterstützt. Bekanntlich setzte sich der so genannte „Heilige Stuhl“ (Vatikan) ebenfalls für die Freilassung Pinochets ein. Unter der Herrschaft von Pinochet war Erzbischof Angelo Sodano Nuntius des Vatikans dort, mit Pinochet verband ihn eine herzliche Verbundenheit. So lernten auch die Legionäre und Erzbischof Sodano einander schätzen, was sich dann beim späteren Aufenthalt Sodanos im Vatikans sehr gewinnbringend für die Legionäre auswirkte, aber das nur nebenbei…

Caveres Contreras jedenfalls wurde schon in den neunzehnhundertachtziger Jahren als einer der einflussreichsten Männer Chiles betrachtet, zugleich wurde Präsident des von den Legionären Christi gegründeten „Rates der unternehmerischen Generation“. Mit diesem elitären Finanz-Club wollte Marcial Maciel, der Legionärs Gründer, nach bewährter und bekannter Art „Kontakte knüpfen“ und sich beliebt machen in der Welt der Reichen und Einflussreichen. Warum wohl? Um, ebenfalls nach bekannter Manier, immer mehr Geld zu gewinnen. Gleichzeitig „kümmerte“ sich der Orden, seinem Hauptinteresse folgend, um gute Kontakte zum Militär und zur einflussreichen Tages-Zeitung „El Mercurio“. Darüber hinaus gründeten die Legionäre Collegien, etwa die in Chile ziemlich berühmten „Cumbres“ und „Everest“, „die von den Politikern der Rechten bevorzugt worden“, so in dem genannten Buch von Torres Robles, S. 60. Pater O Reilly arbeitete auch an dem Legionärs-Radiosender „Santa Maria de Guadelupe“ als Programmdirektor.

Im Umfeld des Prozesses gegen O Reilly in Santiago wurde ein psychologisches Gutachten erstellt, das ein journalistisches Netzwerk in Chile dann ausführlich publizierte. Darin heißt es über den Legionärs-Priester: „Se vincula con personas que posean poder, riqueza o influencia, en busca de prestigio personal y de mayor liderazgo”. „Er verbündete sich mit Personen, die Macht, Reichtum oder Einfluss besitzen, auf der Suche nach persönlichem Prestige und einer größeren Führungsrolle“. Quelle: http://ciperchile.cl/2015/01/22/el-desconocido-perfil-sicologico-de-oreilly-rasgos-narcisistas-sexualidad-infantil-y-busqueda-de-poder/

copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

“Menschen sind wie Objekte. Man kann sie vernichten”: Philosophisches zum Internationalen Tag der Indigenen Völker“

Menschen sind wie Objekte. Man kann sie vernichten: Philosophisches zum Internationalen Tag der Indigenen Völker“

Von Christian Modehn

Philosophisches Denken, wenn es lebendig ist, bezieht sich auf die Gegenwart. Und heute werden Menschen wie Objekte behandelt, die man irgendwo hinbestellen kann, verwalten kann, entlassen kann, fertigmachen kann usw. Diese Verdinglichung der Menschen durch das System der Herrschaft ist philosophisch oft, leider noch zu selten, analysiert und diskutiert worden.

Am „Welttag der Indigenen Völker“ am 9. August gibt es einmal mehr eine Chance, kritisch philosophisch nachzudenken. Denn indigene Völker sind in der Sicht der Herrschenden, also der Mehrheit, die quantité négligeable, sind die Restbestände wilder Wesen, wilder Menschen aus angeblichen Vorzeiten, die „man“ ignorieren kann.

Das wird besonders deutlich im Umgang der Herrschenden, und das sind nicht immer nur Politiker, sondern vor allem die gierigen Internationalen Konzerne, in Brasilien. Und sicher in vielen anderen lateinamerikanischen Staaten. Wer heute nach Rio blickt, zur Olympiade inmitten des Elends der Slums bei selbstverständlich gewordener Korruption, der sollte immer die Indigenas in den Wäldern rund um den Amazonas mit-bedenken und für sie eintreten. „Diese Völker sind nur noch ein Hindernis für die Modernisierung des Landes“, sagt der katholische Bischof Roque Paloschi. Er kümmert sich intensiv um die Menschenrechte der Indianer, in einer sicher verdienstvollen katholischen Organisation, die aber immer noch den Titel „Indianermissionsrat“ (CIMI) hat. Denkt man in diesen katholischen Kreisen nicht mit Grauen an die Mission, die im Zusammenhang der Kolonisierung und Auslöschung so vieler Millionen „Indianer“ seit 1492 betrieben wurde? Warum noch diese Sprache? Soll die Kirche doch sagen: Wir wollen keine Mission für diese indigenen Völker. Wir wollen mit ihnen solidarisch sein und sie unterstützen in eigenen Projekten…. aber das nur am religionskritischen „Rande“…

Die Rechte der Indigenas, ihr Lebensraum, ihre Kultur, das zählt nichts für den so genannten Fortschritt, den die Regierungen als ausführende Organe der internationalen Industrien betreiben. Dieser Fortschritt vernichtet die Natur, vernichtet die Menschheit, das ist tausendfach geschrieben worden, aber von den maßgeblichen Bürokratien nicht wahrgenommen worden.. Man lese die Hinweise auf den wichtigen Film von Martin Kessler über das Staudammprojekt Belo Monte! Die Ureinwohner am Amazonas, die eigentlichen Landeigentümer seit Jahrhunderten, werden einfach so mit einem bürokratischen Akt enteignet, vertrieben, angeblich „entschädigt“. Denn sie stehen der Ausbeutung der Rohstoffvorkommen im Wege. Von dem Profit bekommen die Indigenas selbstverständlich nichts ab, denn meist überleben sie nicht den rabiaten Zugriff auf ihr Land, ihre Wälder, ihre Tiere, ihr Wasser. Das Morden geht weiter, das Morden der Weißen, das Morden der Internationalen Firmen. Diese Institutionen, und die von ihnen bestens bezahlten Manager, haben keinen Sinn für den Menschen, den anderen, den Schwachen, den Kleinen, den Fremden, den Indianer oder den Schwarzen. Der Kleine als der andere gilt ihnen nichts. Die Geschichten zur Gentrifizierung in europäischen Großstädten erzählen auch vom Umgang mit „den anderen“. Eine weltweite Geschichte…”Menschen sind wie Objekte, man kann sie vernichten”, sagt so direkt niemand von den Herrschenden. Aber viele denken so und handeln so.

Copyright: Christian Modehn

 

Olympiade in Rio: Im Land der Rechtlosigkeit. Der Film “Count-Down am XINGU”

Olympiade in Rio: Im Land der Korruption und Rechtlosigkeit.

Der neue Film „Count-Down am Xingu“ von Martin Keßler.

Ein Hinweis von Christian Modehn. Zur aktuellen Rezeption dieses wichtigen Films finden Sie Infos am Ende dieses Beitrags. Interessant auch, dass dieser Film in Kurzfassung im Netz zu sehen ist, auch auf Portugiesisch!

Am 5. August 2016 beginnen in Rio de Janeiro die Olympischen Spiele. Ihr Motto: „Lebe deine Leidenschaft“. Wer wissen will, wer in Brasilien und in der globalen Welt des internationalen Kapitalismus seine gierige Leidenschaft lebt und austobt und wer von diesen korrupten Leuten dabei an den Rand gedrängt wird, sollte den neuen Dokumentarfilm von Martin Kessler sehen und verbreiten: „Count-Down am Xingu“. Der 95 Minuten dauernde großartige Film wurde erst vor kurzem fertig gestellt. Dass dieser Film anstelle der ewigen Wiederholungen von „Tatort“ und „Wallander“ im deutschen Fernsehen im Abendprogramm gezeigt wird, ist angesichts der politischen Aussage dringend gewünscht, von der Bevölkerung, die mehr will als Unterhaltung. Denn der Film Count-Down am Xingu“ zeigt die totale Rechtlosigkeit nicht in einer der allseits bekannten „Tatort“ Versionen, sondern in der brutalen Realität der globalen Ökonomie im Land der angeblich „glorreichen Olympischen Spiele“.

„Count–Down am Xingu“ dokumentiert die Ereignisse und Konsequenzen beim Bau der des Megastaudamms „BELO MONTE“ am Fluss XINGU im weiten Umfeld der Amazonas-Region. Die zwei Stauseen haben etwa die Größe des Bodensees. Am 5. Mai 2016 wurde die erste Turbine des weltweit drittgrößten gigantischen Staudamms eröffnet. Der Staudamm wird Strom erzeugen für die rasant wachsende Wachstums-Gesellschaft, vor allem für die Montanindustrie dort, nicht für die Bewohner. Er soll die Profit-Gier etwa der multinationalen Aluminium-Konzerne befriedigen.

Der Staudamm dient also in der Propaganda der Herrschenden dem Fortschritt. Und Fortschritt, dass wissen wir allmählich, heißt oft genug Zerstörung der Natur und Degradierung der Menschenrechte, vor allem der Armen und der indigenen Völker. Denn diese stören den Fortschritt der Herrschenden, stören deren Ideologie, die da heißt: „Es gibt keine Alternative“. Also: Wir müssen die Natur zerstören und Menschen drangsalieren.

Die verheerenden Konsequenzen dieses Ultra-Mega-Projektes sind schon heute vor aller Augen, sie sind sichtbar, auch wenn sie von den Regierenden und den internationalen Konzernen, darunter auch Siemens, selbstverständlich, wie üblich, bestritten werden.

Die Liste der Verletzungen der Menschenrechte, also die Liste der Rechtsbrüche und Korruptionsskandale im Umfeld der Errichtung von „Belo Monte“, ist lang. Nur einige Beispiele, die der Film von Martin Keßler ausführlich dokumentiert:

Der Bau des Staudamms hat riesige Flächen Natur, von Wald, unwiederbringlich zerstört. Das hat Auswirkungen auf das Klima weltweit, zumal am Amazonas die Konzerne seit Jahren permanent weiter massenhaft Urwald vernichten, etwa für den Maisanbau, verwendbar für die Tiernahrung, von der wiederum nur die Reichen profitieren…

Der Bau des Staudamms erforderte die Zwangsumsiedlung von etwa 40.000 Einwohnern. Die Arbeitslosigkeit der Bewohner dieser Region hat zugenommen. Fischer ziehen nun tote Fische aus dem verseuchten Fluss. Indigene Völker verlieren ihren typischen Lebensraum. Das Bauwerk ist nur entstanden, weil ein Netzwerk von korrupten Politikern in ihrer maßlosen Gier sich auf diese Weise bereichern wollten. Das „Movimiento Xingu“, eine Bürgerinitiative, mehr noch eine entschlossene, gewaltfrei kämpfende Gemeinschaft, die für die Menschenrechte aller eintritt, sagt: “Dieses Bauwerk ist von Grund auf korrupt. Dieses Bauwerk hat die Regierungsmitglieder auch von Dilma Rousseff bereichert“. Vor allem: 36 der 38 Mitglieder, die zur Kommission der Amtsenthebung von Dilma Rousseff gehörten, sind der Korruption überführt worden. Der Film zeigt die Hintergründe des Korruptionsskandals um „Petrobras“, korrupte Konzerne die den Staudamm bauten, haben auch die Stadien in Rio für die Olympiade gebaut. Deutlich wird die Hilflosigkeit der Justiz in einem von Korruption zerfressen Land. Die Justiz ist ohnmächtig: “Die Entscheidungen unterer Instanzen gegen massive Rechtsverstöße bei Belo Monte werden immer wieder zurückgewiesen, weil ein oberster bundesrichter kann die Entscheidungen aufheben, wenn nationale Interessen in gefahr sind. Dies ist ein Verfahren aus Zeiten der Militärdiktatur”, so Martin Keßler in FREITAG, 4.8.2016, Seite 7.

Selbstverständlich kommt in dem Film der inzwischen weltbekannte katholische Bischof Erwin Kräuter, Bischof von Altamira, Xingu, zu Wort. Ohne seine, auch international bekannte, Jahre dauernde Solidarität mit den indianischen Völkern und den Armen dort, wäre vielleicht von dem Mega-Wahn des Mega Staudamms wenig bekannt geworden. Bischof Kräutler sagt wie andere kritische Beobachter: „Ohne Korruption wäre der Staudamm Belo Monte nicht gebaut worden“. Er kritisiert, dass europäische Firmen, wie Siemens, Turbinen für dieses Projekt geliefert haben, ohne dabei auf die verheerenden ökologischen Konsequenzen zu achten.

Es sollen weitere Staudämme in Brasilien gebaut werden, etwa am Fluss Tapajos, wo Menschen aus dem Volk der Munduruku leben. Der Wahn, der sich Fortschritt nennt, aber tatsächlich verbrecherische Strukturen hat, ist also überhaupt nicht beendet.  Die Entwicklung von Solar-Strom kommt offenbar in einem „Sonnenland“ wie Brasilien nicht voran. Noch viel weniger die Diskussion übeer das Ende der Wachstumsgesellschaft. Wachsen sollten nur noch die Armen, in der Bildung, der Gesundheitsfürsorge usw.,  Abspecken die Herren der internationalen Konzerne und Regierungs-Bürokratien.

Nur am Rande notiert: Man darf nicht vergessen, dass in einem anderen lateinamerikanischen Staat, in HONDURAS, der Protest gegen den Bau des Staudamms Agua Zarca bereits zum Mord an der Aktivistin Berta Cáceres geführt hat. Die empfehlenswerte Zeitschrift WELTSICHTEN, Frankfurt M. berichtet in ihrer Ausgabe Juli 2016 S. 25 ff. über die hierzulande kaum wahrgenommenen Verbrechen in HONDURAS unter dem Titel: “Die Eliten lassen töten”. In dem Beitrag heißt es: “Das kleine HONDURAS ist nicht nur das Land mit der höchsten Mordrate weltweit, hier werden auch die meisten Umweltaktivisten getötet” (S. 26). Weiter heißt es in dem Beitrag von Kathrin Zeiske: “Siemens und Voith sind mitschuldig an Menschen­rechts­ver­letz­ungen in Ländern wie Honduras, Brasilien, Kolumbien und China, weil sie u.a. Turbinen für Wasserkraftprojekte liefern, die mit Zwangsumsiedlungen, Gewalt und Morden durchgesetzt werden, heißt es in dee OXFAM-Veröffentlichung” (S. 27).

Also: Die Diskussionen über die Wachstumsgesellschaft und die Solar-Energie müssen weitergehen. Der Film „Count-Down am Xingu“ bietet dafür beste Anregungen. Auch in Gesprächsrunden, in Parteien, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden, selbstverständlich auch bei Siemens und dem deutschen Wirtschaftsministerium. „Zu den beteiligten europäischen Firmen gehören als Zulieferer Alstom, Andritz, Voith und Siemens. Die Münchener Rückversicherungsgesellschaft Munich Re versichert das Projekt“ (Quelle: wikipedia).

Selbstverständlich werden –so die utopische Hoffnung- Kirchengemeinden den Film in Form eines public-viewing anschauen. Zur Fußball EM hat man ja da in Kirchenkreisen und Gemeindehäusern beste Erfahrungen machen, warum nicht auch bei einem politischen Film? Die Kurzfassung von 25 Minuten ersetzt auch wunderbar eine Sonntagspredigt mitten im Gottesdienst und bringt mehr Licht in die Lebensdeutung des heutigen globalisierten Menschen als eine immer wieder alte moralische Standpauke mit frommen Sprüchen.

Es gibt inzwischen auch die 25 Minutenversion im Internet, auf Deutsch als auch in Portugiesisch. Auf Deutsch: https://www.youtube.com/watch?v=Ugi0kP-Mj6o

Versão curta (25 min) em português:     https://www.youtube.com/edit?o=U&video_id=xHdslKr7EOA

Die Langfassung als DVD, Länge 95 Minuten, kann bestellt werden für 19,90 EURO bei bestellung@neuewut.de     Weitere Infos: www.neuewut.de

Der Religionsphilosophische Salon Berlin setzt sich nicht nur für die philosophische Idee der universalen Menschenrechte für alle ein, er verteidigt auch den politischen Einsatz für die Menschenrechte.

Von unserem religionskritischen Interesse her können wir uns eine Bemerkung nicht „verkneifen“: Der Film zeigt den großartigen Bischof Erwin Kräutler inmitten der protestierenden, empörten Armen und indianischen Völker. Und dann plötzlich muss er wohl auftreten in dem barocken Dom zu Würzburg, umgeben von prächtig gewandeten Bischöfen in einer üppigen Kirche. Und man fragt sich beim Anblick der so gut versorgten deutschen “Hirten”: Werden diese deutschen Bischöfe dem Vorbild Erwin Kräutlers folgen und etwa bei Siemens, Alstrom, Voith, der Münchner Rückversicherung nachfragen, warum sie dieses Projekt Belo Monte mit betreiben? Wir haben von entsprechenden Gesprächen deutscher Bischöfe mit den internationalen Konzernen mit Sitz in Deutschland bisher nichts gehört. Den immer selben Ritus einer Messe zu feiern ist ja auch viel einfacher und viel harmloser und unverbindlicher. Den realen, lebensgefährlichen Kampf um die Menschenrechte und die Menschenwürde überlässt man lieber unentwegten Gestalten wie Erwin Kräutler. Inzwischen wurde er aus Altersgründen pensioniert.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Aktuelle Infos:

Kurzbericht aktueller Stand (2.8.2016) von Martin Keßler:

Die Premieren in Frankfurt (5.7.16), Berlin (12.7.16) und Stuttgart 817.7.16) sind super gelaufen – allein in Frankfurt 160 Premierengäste. Der Film ist sehr gut angekommen – auch bei der Kritik. U.a. in der „FR“, „taz“ und es gab längere Interviews in Hr2 und Radio Eins / RBB. (siehe Anhang und www.neuewut.de). Die Wochenzeitung „Freitag“ wird diese Woche noch ein langes Interview bringen, die „FR“ hat den Film als „Sommerlektüre“ empfohlen. Auch in blogs im Internet gab es mehrere Besprechungen. Nach der Sommerpause wird es weitere Vorstellungen geben, u.a. in Hamburg, Saarbrücken, der Schweiz und Österreich.

Außerdem wird der Film am 24.Sept. aus Anlass der Verleihung des Menschenrechtspreises der Stadt Memmingen an Bischof Erwin Kräutler (am 25.Sept.) von dem Kulturamt der Stadt Memmingen und dem Preiskomitee im Kino im Memmingen gezeigt.

Die portugiesische Fassung ist jetzt auch fertig und wir haben schon viele DVDs an Bischof Kräutler, Xingu vivo, die Mundurukus etc versandt, damit der Film jetzt auch in Brasilien gezeigt werden kann.

Inzwischen gibt es auch die Kurzfassung im Netz:

Kurzfassung (25 min) auf Deutsch:

https://www.youtube.com/watch?v=Ugi0kP-Mj6o

Versão curta (25 min) em português:

https://www.youtube.com/edit?o=U&video_id=xHdslKr7EOA

“Wir hoffen, dass zahlreiche am Thema interessierte Organisationen die Kurzfassung mit Ihren Internetseiten verlinken und helfen, den Film zu verbreiten. Das selbe gilt für die DVD mit der Lang – und Kurzfassung, Auch hier hoffen wir auf Unterstützung bei der Verbreitung / dem Verkauf der DVD und der Organisation von Veranstaltungen sowie der Nutzung des Filmes in der Bildungsarbeit. Hier besteht ein enormes Potential, das leider nur mithilfe von Partnern – auch den Organisationen / Stiftungen, die das Filmprojekt gefördert haben – genutzt werden kann. Wir sind aus personellen und finanziellen Gründen dazu alleine leider nicht in der Lage” (Martin Kessler).

 

Brasilien-Xingú: Korruption und Verbrechen am Staudamm-Projekt

Der Religionsphilosophische Salon Berlin ist nicht nur der Idee, sondern der politischen Durchsetzung der universalen und für alle Menschen dieser Erde gültigen Menschenrechte verpflichtet.

Deswegen unser Hinweis auf einen wichtigen Film über das wahnsinnige Staudamm Projekt am Xingu in Brasilien.

Count Down am Xingu:
Über den Kampf gegen Megastaudämme und Korruption in Brasilien

Im Mai 2016 hat die brasilianische Präsidentin Dilma Roussef „Belo Monte“ offiziell eingeweiht. Den drittgrößten Staudamm der Welt am Amazonasfluss  Xingu. Dafür wurden der Urwald gerodet, Fischer und Indigene vertrieben, 40.000 Menschen zwangsumgesiedelt. Strom für multinationale Aluminiumkonzerne und das Schwellenland Brasilien. „Alles gegen das Gesetz“, so die zuständige Staatsanwältin.

Der Film erzählt die vorerst letzte Etappe beim Bau des Megastaudamms – die Flutung. Und deren Vorgeschichte und Hintergründe: den gigantischen Korruptionsskandal „Petrobras“ um die großen brasilianischen Baukonzerne. Jene Konzerne, die Belo Monte gebaut haben. Und die Stadien zur Olympiade in Rio.

„Ohne Korruption wäre Belo Monte nicht gebaut worden“, sagt der katholische Bischof Erwin Kräutler. Und kritisiert europäische Firmen wie Siemens, die die Turbinen für den „Staudammwahn“ liefern. Inzwischen ist die brasilianische Präsidentin selbst einem bizarren Machtkampf als Folge des Korruptionsskandals zum „Opfer“ gefallen. Doch der Konflikt geht weiter. Am Fluss Tapajos, wo der Stamm der Munduruku gegen weitere Großstaudämme kämpft. Und gegen ein weltweites Wirtschaftssystem, das „Mutter Erde“ immer mehr zerstört.

Weitere Informationen zum Film „Count Down am Xingu V“, sowie zu anderen Filmen aus der Reihe, Kurzversionen, Bestell- und Vorführmöglichkeiten finden Sie auf: www.neuewut.de.

Das Filmprojekt wird gefördert von: Heinrich-Böll-Stiftung (Brasilien), Business Crime Control (BCC), Diözese Würzburg der katholischen Kirche, Haleakala Stiftung in der GLS – Treuhand, POEMA e. V., Misereor e.V., Stiftung Menschenwürde und Arbeitswelt

Die Tournee unterstützen: ASW – Aktionsgemeinschaft Solidarische Welt, Attac Frankfurt, Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm (AG DOK), Business Crime Control (BCC), Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika (FDCL), Gegenströmung, GLS-Bank, Gesellschaft für bedrohte Völker (gfbv),  Heinrich-Böll-Stiftung, Klima-Bündnis, Leserinitiative Publik-Forum, Misereor, Otto-Brenner-Stiftung, POEMA Stuttgart.

Satt, übersättigt, hungrig. Ein Philosophischer Salon in Berlin-Neukölln.

Satt und übersättigt und hungrig

Philosophische Hinweise. Von Christian Modehn

Anlässlich des Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salons am 24.6. 2016 in der Weinhandlung Sinnesfreude Neukölln

Vom 24. bis 26. Juni findet wieder das allmählich schon berühmte, wichtige Kunstfestival „48 Stunden Neukölln“ statt. Diesmal zum Thema „Satt und Übersättigt“. Das Programm ist so umfassend, dass alle an Kunst Interessierten allein in diesem Teil des nördlichen Neukölln schnell selbst, voll der Kunst, übersättigt sein könnten.

Philosophie als lebendige Form des freien Philosophierens stellt sich schlechthin jedem Thema. Das ist unsere Überzeugung. Hinzu kommt: Es gibt inzwischen eine eigene philosophische Disziplin, die Gastro-Sophie, die vor allem und entscheidend von dem Philosophen Harald Lemke (Hamburg) entwickelt wird, in zahlreichen Publikationen und mit einer eigenen website: http://www.haraldlemke.de/ Wenn es schon eine Disziplin „Sportphilosophie“ seit Jahren gibt, dann erscheint eine Gastrosophie viel dringender, weil allgemeiner orientiert. Zum Schluss dieses Beitrags weise ich auch auf das Übersättigtsein durch die Fülle etwa christlicher Lehren und Lehrgebäude hin, sozusagen als Beitrag zu einer neuen Gastro-Theologie.

Einleitend möchte ich, von Lemkes Forschungen inspiriert, nur auf zwei philosophie-historische Aspekte hinweisen. Von Epikur, dem Meister der Diät und eben kein „Epikuräer“, soll hier nicht die Rede sein, darüber haben wir früher schon einmal in unserem Salon gesprochen und entsprechende Hinweise publiziert. Hier soll an Immanuel Kant erinnert werden, der schlank und rank geblieben war sein langes Leben lang; wahrscheinlich, weil er nur einmal am Tag, eben mittags, ein langes ausführliches gutes Mahl zu sich nahm. Früh morgens um 5 weckte ihn der Diener Lampe, brachte ihm Tee und die Tabakspfeife, das war es denn auch bis mittags.

Auch wenn Kant in seiner ästhetischen Philosophie das Essen trennt von der Erfahrung der Schönheit, weil das ästhetisch Schöne für ihn zweckfrei ist, so ist das Speisen für Kant persönlich und dann auch für eine Philosophie des Miteinanders, der Freundschaft, wichtig: Als ein gemeinschaftlicher Vollzug. Gemeinsames Essen soll eine Erfahrung von Freundschaft sein. Es geht Kant auch nicht immer um große philosophische Debatten beim Mittagessen, sondern durchaus um die Freude und Lust, dem Magen etwas Schönes anzubieten.

An den Philosophen Ludwig Feuerbachs wäre zu erinnern, den Autor des großen und immer noch wichtigen Buches „Das Wesen des Christentums“ von 1841. Allgemein bekannt ist ja das Zitat Feuerbachs: „Der Mensch ist, was er isst“. Damit will Feuerbach, kurz gefasst, sagen: Der Mensch ist nicht durch Geist zuerst bestimmt. Essen ist der fundamentale Wesenszug des Menschen. Arme sind arm und oft krank, weil sie zu wenig bzw. qualitativ zu schlecht essen. „Weil du arm bist, musst du früher sterben“: Dieser Spruch hat leider heute immer noch Gültigkeit, man denke etwa an die Lebenserwartungen der Hungernden in Niger, Tschad und anderswo… Feuerbach vertrat also eine materialistisch gefärbte Anthropologie und wurde deswegen von der Uni gefeuert, weil er meinte: Vor aller Philosophie ist der Mensch auf das Essen angewiesen, er ist ein essendes Wesen. Das heißt: Er ist angewiesen auf die äußere Natur. Der Mensch kann nicht aus sich existieren. Diese äußere Natur muss der Mensch erhalten und mit anderen teilen, wenn er denn will, dass alle Menschen eben Menschen bleiben können. Feuerbach sagt religionskritisch sehr treffend in einem materialistischen Sinne: „Heilig sei uns darum das Brot, heilig der Wein, aber auch heilig das Wasser!”

Das Sattsein und Übersättigtsein des einzelnen.

Philosophisches Nachdenken zu dem Thema, wie auch sonst, kann dabei niemals die empirische Situation und die soziale-historische Welt beiseite lassen. Wir sind hier in Deutschland fast immer alle satt und sehr viele sind sogar übersättigt oder zu übergewichtig. Aber Tatsache ist auch, dass es etwa in Berlin Kinder gibt, die ohne eine Mahlzeit in die Schule kommen. Viele tausend Menschen, Opfer der rigiden HARTZ IV Gesetze, können sich nur ernähren, weil es die berühmten TAFELN gibt. Der deutsche Staat wird seinem Anspruch, Sozialstaat zu sein, längst nicht mehr gerecht.

Auf Weltebene, nur einige Hinweise: 2,1 Milliarden Menschen auf der Welt sind zu dick: Auch in Afrika steigen die Zahlen der Adipösen rasant an, während viele Tausend gleichzeitig hungern. „Die Welt“ schreibt am 10.6.2014: 48 Prozent der Ägypterinnen sind fettleibig, 42 Prozent der Südafrikanerinnen. In Deutschland, zum Vergleich, sind es 23 Prozent, in den USA 34 Prozent der Frauen. Die Fettleibigkeit ist Resultat u.a. eines zu starken Zuckerkonsums auch in Zucker-Getränken, die von Europa aus in diesen Ländern verbreitet werden.

Gleichzeitig sind die TV Sendungen im reichen Norden, Europa und Amerika, zum Thema Kochen geradezu inflationär und die Zahl der Zeitschriften zum Essen ist nicht mehr überschaubar. Weil wir Europäer fast alle Küchen und Rezepte durchprobiert haben, macht sich jetzt die peruanische Küche in Deutschland breit. Schön für die hier lebenden peruanischen Köche. Problematisch, wenn man bedenkt, wie wenige Menschen in Peru tatsächlich diese peruanische Küche genießen können: Ein Zitat aus dem katholischen Sozialhilfswerk „fe y alegria“: „Ein Viertel der peruanischen Bevölkerung (30 Millionen) lebt in der Hauptstadt Lima. Rund 54 Prozent der Peruaner leben am Rande des Existenzminimums, nahezu 20 Prozent in absoluter Armut“. (Quelle: http://www.editionschwarze.de/Armut_und_Elend_in_Peru/armut_und_elend_in_peru.html)

Feinstes Speisen wird hierzulande als Luxus-Erfahrung eingestuft; die Kreise, die sich das leisten können, wollen ja in den Restaurants nicht etwa ihren ohnehin sehr seltenen Hunger stillen, sondern sich sehen lassen, gesehen werden und nebenbei ein Häppchen – halb – verzehren. Die Bewertung der stetig zunehmenden Zahl von Luxus-Restaurants mit Sternen ist dafür der beste Ausdruck. Der verwöhnte Gaumen braucht immer neue Reize. Dabei soll keineswegs eine moralisierende Haltung eingenommen werden; gelegentliche Freude am Luxus soll nicht verurteilt werden. Jeder, selbst der Arme, hat irgendwo seinen (kleinen) Luxus als Ausdruck von Lebensfreude. Ethisch schwierig wird es, wenn die Superreichen, sie stellen etwa 0,5 Prozent der Weltbevölkerung dar, also die Milliardäre, deren Zahl stetig steigt, absolut nur den eigenen Luxus frönen und jegliche wirksame (!) soziale Verantwortung von sich weisen. Und sich etwa gegen Form von Reichensteuer erfolgreich wehren, weil eben die Gesetz- gebenden Parlamentarier es sich mit diesen Kreisen nicht verderben wollen.

Der Philosoph Lambert Wiesing, Uni Jena, schreibt im neuen Heft „Philosophie Magazin“, Juni 2016, S. 74: Luxus ist ein Gegenstand, „der mit einem irrationalen, unvernünftigen, übertriebenen Aufwand hergestellt wurde. Notwendig und zweckmäßig ist ein Luxus niemals. Luxus ist unvernünftig und aufwendig“. Dann wird Luxus aber doch in gewisser Weise gelobt: Man entziehe sich im Luxus-Genuss dem Effizienz-Denken. Darin liege ein Trotz und ein Sichverweigern. Luxus Liebhaber also als Rebellen? Das wäre neu! Es bilde sich so ästhetische Freude, meint der Philosoph. Wie unterschiedlich diese Freude für einen Milliardär ist, der nur noch um des suchtvollen Haben-Wollens Geld und Güter anhäuft und wie anders die Freude bei einem Bettler aussieht, der sich einmal am Tag den Luxus gönnt, eine Curry-Wurst zu kaufen, sei dahin gestellt. Wir leben jedenfalls in einer Gesellschaft, die den Luxus, das Überflüssige, liebt; eben weil es zu viele Leute nicht wissen, wie sie ihr sich stetig vermehrendes Geld aus Finanzkapital Erträgen, nicht aus eigener Arbeit!, ausgeben können.

Die Industrie, die Luxusgüter, diverse „tod (!)- chice“ Accessoires oder Parfums oder edelste Cognacs herstellt, gilt als die stabilste und ertragreichste weltweit. Aber, sie beschäftigt, relativ gesehen, nur wenige Mitarbeiter. Eine Überwindung der Arbeitslosigkeit durch Zunahme der Luxus-Güter-Industrie ist also ein abwegiger Gedanke.

Der einzelne satte Mensch: Bei dem Thema wäre daran zu erinnern, dass Sattsein bedeutet, nicht zu hungern, also ein Leben führen zu können, das kein Elend kennt, das die Kräfte des Körpers erhält und so ein gemeinschaftliches Leben ermöglicht. Die Freude am Essen, die Freude am gemeinsamen Essen, ist die erste Dimension, die es zu pflegen gilt. Gleichzeitig aber ist klar, dass Essen und Sattwerden kein Endziel im Leben ist, sondern nur die Ermöglichung eines humanen, gemeinschaftlichen Lebens. Hingegen kann Hungern eine zentrale Erfahrung sein: Gemeint ist die biblische Lehre vom Hungern und Dürsten nach der Gerechtigkeit. Die so viel Hunger und Durst ertragen um einer gerechten Weltordnung willen, die werden im Evangelium selig genannt, also als vorbildliche Menschen gepriesen. Wer hungert und dürstet heute unter nach der Gerechtigkeit auf dieser Welt und setzt diesen Hunger, diesen Durst, in politisches Handeln um? Es sind wohl Menschen wie Rupert Neudeck oder Menschen, die sich in humanen NGOS engagieren.

Vom Fasten wäre zu sprechen, der Diät, der Freude am einfachen Essen, von der philosophisch gebotenen Abwehr des fast food. Diese Abwehr bedeutet: Selbst bei einfachen Speisen, dem berühmten „Schwarzbrot der Mystiker“, gibt es genussvolles Miteinander Essen. Von der Bewegung des besseren gemeinsamen Essens, im „slow food“, wäre zu sprechen. Langsamkeit beim Essen ist sicher auch ein medizinischer und kommunikativer Gewinn. Die Frage bleibt jedoch, was genau wir denn nun slowly essen, etwa eine prachtvolle seltene Fischsorte aus dem Viktoriasee in Afrika? Können wir bei dem Gedanken an hungernde Fischer dort noch happy slowly genießen? Vielleicht sollte man endlich, dies wäre eine neue Idee, die zu besprechen wäre, den Community-Food entwickeln, etwa in neu zu gründenden Speisestuben in den Städten, wo Menschen, besonders Nachbarn aus unterschiedlichen Kulturen und Sprachen, täglich mit einander kochen und preiswert essen. So könnte Kommunikation in der Stadt erlebt werden. Kirchengemeinden könnten ihre ins religiöse Getto abgedrängten Abendmahl – bzw. Eucharistie – Zelebration überwinden und neuen Schwung des Humanen erhalten, wenn sie ihre halbwegs erträglich -„gemütlichen“ Gemeinderäume und dort vorhandenen Küchen von allen nutzen ließen… aber das geschiehrt eben nicht, Bürokratie herrscht überall. Das ist ein anderes, ein religionskritisches Thema, das sich mit der kaum vorhandenen Bereitschaft zu grundlegendem Wandel in den Kirchen befassen müsste.

Die zentrale Frage ist: Wie kommt der einzelnen zu einer neuen Lebensform, die dem hier Beschriebenen in etwa nahe kommt? Es gibt das Plädoyer für eine Selbstbindungskultur, von ihr spricht der Philosoph Volker Heidbrink (Uni Kiel) ebenfalls im „Philosophie- Magazin“ vom Juni 2016: „Wir brauchen eine stärkere Selbstbindungskultur, eine stärkere Selbstbindungskompetenz. Menschen müssen erkennen können, wie sie sich selbst binden. Und vor allem in Situationen, in denen sie leicht schwach werden. Der Konsument zum Beispiel kauft im Supermarkt häufig die konventionellen Produkte, weil sie billiger sind. Dieser Konsument muss sich viel stärker binden. So wie Odysseus sich hat fesseln lassen, um dem Gesang der Sirenen zu widerstehen. Odysseus ist der Prototyp dieser intelligenten Selbstbindung. Eine solche Bindung ist im Grunde ein Hilfskonstrukt zur Unterstützung einer nicht funktionierenden Kultur der Eigenverantwortlichkeit“. Darauf antwortet der Schriftsteller Bernhard Schlink: „Das Interessante an dem Mythos ist: Odysseus kann sich nicht selbst an den Mast binden, er muss von den Gefährten an den an den Mast sich binden lassen. Er will gebunden wrden, aber er kann, was er will, nicht ohne die anderen bewerkstelligen…“

Es muss aber auch auf den entscheidenden Hintergrund für unser Sattsein in Europa und Amerika hingewiesen werden, dabei sind die Milliardäre aus dem kommunistischen China in ihrer totalen Luxus-Verschwendungssucht mitgemeint: Wir leben in einer Gesellschaft, in Staaten, die uns ständig, von den globalisierten Ökonomien angefeuert, überall einreden und propagieren: Wir müssen immer weiter wachsen. Wir müssen ständig wirtschaftlich wachsen. Stillstand oder Abnehmen seien tödlich.

Dieser Ideologie (die Philosophin Barbara Muraca spricht deswegen von Götzen, in ihrem wichtigen Buch „Gut leben“, Seite 50) kann sich kaum jemand entziehen. Dieser Götze hat ein Dogma: Es gibt zum ökonomischen Wachstum keine Alternative. TINA heißt diese Göttin: There is no alternative. So glauben die Menschen hier, man müsste ständig wachsen, weiter wachsen und größer werden. Und das kann schnell auch körperlich verstanden werden. Denn die andere Seite der Wachstumsgesellschaft ist der Konsumismus, die Idee, wir Menschen seien in erster Linie Konsumenten. Überall werden wir als Konsumenten angesprochen, zum Verzehr aufgefordert, zum Kaufen … damit die Konzerne Profit machen. Sparen lohnt nicht mehr, also konsumieren wir. Dabei werden eigentlich Menschen, die die Jugendzeit hinter sich gelassen haben, Er-Wachsene genannt. Sie haben sozusagen den Status der körperlichen Reife erreicht, den man nur noch hüten und pflegen sollte. Ohne dabei dem Wahn zu verfallen, körperlich noch mehr er-wachsen sein zu wollen, als man ohnehin ist. Wachsen ist für einen Er-wachsenen nur ein geistiges Wachsen, nur ein Reifen und Weiterreifen, im ganzen Leben. Die Idee des Wachstums hat also nur unter einer, der geistigen Perspektive, Sinn. Wachsen als ständige Erweiterung der Leibesfülle ist medizinisch Unsinn. Aber diese Erkenntnis ist schwer, weil wir nun einmal in einer absoluten Konsumgesellschaft leben. In manchen fast food Lokalen bestellen manche Over-Eater nicht einen Becher Hähnchenflügel, sondern einen ganzen großen Eimer, so wörtlich, für sich allein. Man möchte die Welt verschlingen, um aus ihr herauszutreten und fettleibig zu verschwinden…

Dabei ist klar, dass wir wenigen Reichen diese unsere gemeinsame Erde schon ausgeplündert haben. Wenn tatsächlich unseren europäischen bzw. deutschen Lebensstil und Konsumstil alle Menschen jetzt praktizieren würden, dann bräuchten wir nicht nur eine Erde, sondern gleich sechs Erden. Der Untergang könnte fast programmiert sein. So dunkel ist das Thema Sattsein und Übersättigtsein. Nur ein schlichtes Beispiel: Für ein Kilogramm Rindfleisch werden 15.000 Liter Wasser benötigt: Für einen Hamburger werden 2.400 Liter Wasser benötigt, denken wir dabei an die Wasserknappheit, die beginnt schon in Spanien, in den ausgedorrten Regionen Andalusiens, wo die Gemüse-Produktion das Wasser frisst…damit wir im Dezember frische Tomaten essen anstatt eingelegten Kohl aus hiesigen Gebieten.

Philosophisch gesehen ist dieser Vorgang sehr interessant: Wir definieren uns als Subjekte. Das sind die individuellen Herrscher, die der Welt, auch der Natur gegenüber-stehen. Und über diese Natur können wir verfügen, meinen wir, denn wir können sie uns aneignen, wir können sie wörtlich fressen. Denn diese Natur ist das andere zum Menschen, das Unterlegene, über das die Menschen herrschen können. Dabei wird nicht mehr gesehen, dass die Menschen TEIL der Natur sind. Wir gehören zur Natur, sie ist die Mutter allen Lebens. Und das muss auch spirituell neu eingeübt werden. Etwa in den Gottesdiensten: Da sollte man nicht so viel „Großer Gott wir loben dich“ singen, sondern „Du liebe Mutter Erde, wir ehren dich“. Aber so viel politische Vernunft ist den Kirchen kaum noch zuzutrauen, sie sind eben ad (in)finitum dogmatisch erstarrt.

Wenn man sich dieser hier beschriebenen Perspektive anschließt: Dann geht s nicht mehr nur um slow food als Überwindung des fast food, es kommt auf das andere Essen an und das gelingt nur, wenn sich eine Neu-Definition des Menschen als Teil der Natur durchsetzt. Wir sind nicht isolierte Subjekte, sondern immer schon mit anderen, mit Welt auch, verbunden. Dies ist der Ausgangspunkt aller Reflexion über „den“ Menschen.

Nebenbei zur Vertiefung: Bezeichnenderweise werden Praktiker wie Theoretiker, die die Verwüstungen der ökonomischen Wachstums-Ideologie kritisieren, also die Verwüstungen in Natur und Umwelt und Gesundheit, die diese Wachstums-Ideologie anrichtet, Vertreter der „Dé-croissance“ genannt. Dieses französische Wort könnte man als „Ent-Wachstum“ bezeichnen, als Zurücknahme des Wachstums. Man denke an den maßgeblichen französischen Denker wie Serge Latouche oder den deutschen Theoretiker Niko Paech. Sie gehen gegen die kollektive Vorstellung an, Wachstum sei immer und überall gut. Dass von dieser Herrschafts-Ideologie nur die 10 % der Reichen dieser Welt profitieren, die anderen aber hungern und krepieren, wird verschwiegen von den Ökonomen des Wachstums.

Ich finde es hoch interessant, dass sogar der sehr konservative Finanzminister Schäuble in einem Interview mit der ZEIT vom 9. Juni 2016 betont: „ Ich sage es meinen G7 Kollegen: Eigentlich brauchen wir doch gar nicht mehr so viel Wachstum, lasst uns doch lieber die aufstrebenden Ökonomien des Süden stärker fördern. Das wollen die G7 Kollegen allerdings nicht hören“. Wird Schäuble ähnliche vernünftige Worte noch von sich geben?

Also: Auch ökonomisch ist Ent-Wachstum angesagt, Diät sozusagen. Und diese Diät muss noch gefunden werden und besprochen werden und ausprobiert werden. Wie sieht eine Gesellschaft aus, die nicht ständig wachsen will? Dieser Gedanke ist revolutionär, er wird deswegen von den herrschen Cliquen, den Profiteuren, die nur an ihren eigenen Gewinn denken, verschmäht als Unsinn. Dabei werden die insgesamt desaströsen Konsequenzen unseres Wachstumswahns nicht gesehen….

Ein anderes Thema wäre die Reflexion zu der Aussage: „Ich habe das satt“. Ich habe meinen bisherigen Job satt, meine Partei, meine Kirche usw. Dann wird der Ausstieg vorbereitet aus einer satten Umgebung hin in eine noch ungewisse „hungernde“ Zukunft. Aber viele Menschen, die den Spruch „Ich habe das satt“ nicht länger bloß sagen wollten, sondern in den „Hunger“ gingen, sind über ihre Entscheidung doch recht froh geworden. Lieber mal hungern als vor Sattsein gelangweilt dahin dämmern.

Übersättigt im Wissen

Das Dringende gilt es zu erkennen. Aber was ist das Dringende?  Die Antwort liegt auf der Hand: Was der Menschheit zum Überleben hilft. Jetzt folgt ein besonders problematischer Teil: Wir erleben alle ein große Breite der Übersättigungen, der Überinformationen, oft mit dramatischen Ausgängen: Nur einige zufällig gewählte Beispiel: Etwa in Molenebeek und den Anschlägen in Brüssel: Da wussten die vielen getrennt arbeitenden Dienste von Polizei usw. offensichtlich viel zu viel, sie konnten das überbordende Wissen nicht koordinieren. Auch zum Mörder der Homosexuellen in Orlando, Florida. Da wusste man einiges vom Täter, beobachtete ihn aber nicht, das Wissen taugte nichts. Auf facebook werden wir mit Informationen überschüttet. Alles sind kurze Meldungen, manchmal 100 am Tag. Wir werden mit Stichworten überflutet. Selbst wer seriöse Zeitungen und Bücher liest: Wir werden dort überschüttet mit Informationen, haben zehn Minuten nach der Lektüre von Schlagzeilen schon wieder vergessen, worum es eigentlich geht. Diese Halbbildung ist inszeniert. Die reaktionäre Boulevard – Presse, Bild in Deutschland, in England Sun und Daily Mirror oder Die Krone in Österreich, wollen den halbgebildeten, vieles und letztlich dann doch nichts lesenden und nichts verstehenden Menschen. Dieser lässt sich aufhetzen, populistisch verblöden, er wählt dann FPÖ, AFD, Le Pen, PVV in Holland und stimmt für den Brexit. Dies ist eine Meinungsäußerung!

Auch seriöse Vielleser klagen über die Überfütterung, Übersättigung: Ein Zitat von Emil CIORAN im Interview mit Hans Jürgen Heinrichs, „Ich habe ungeheure viel gelesen, aber das aus Verzweiflung nur, um nicht zu denken. Ich habe Philosophie studiert, aber ich vermied das Philosophieren, ich wollte nur anhäufen, Bekenntnisse und Bücher, eine Furcht vor dem Leben. Ich habe dann aber bemerkt, dass die Wahrheit nicht in den Büchern ist, sie ist in den Empfindungen, nicht in den Büchern, nicht in den Ideen…“

In seinem neuesten Buch mit dem Titel „Überlebenswichtig. Warum wir einen Kurswechsel zu echter Nachhaltigkeit brauchen“ sagt der brasilianische Religionswissenschaftler Leonardo Boff: „Wir sind in der größten Krise der Menschheit, was die Gerechtigkeit angeht, die Pflege der Natur, das Überleben der Erde. Diese globale Krise ist eine Krise auf Leben und Tod. Angesichts dieser Krise hilft nur die Einführung neuer Parameter, neuer Werte“.

Es gilt also, angesichts dieser tödlichen Krise der Menschheit vor allem das Wichtige zu lesen, den Quatsch der Kleinigkeiten beiseite zu lassen. Boff zitiert das berühmte Dokument „ERD Charta“, darin heißt es: „Wir haben die Wahl, entweder bilden wir eine globale Partnerschaft, um für die Erde und für einander zu sorgen. Oder wir riskieren, uns selbst und die Vielfalt des Lebens zugrunde zu richten“ (S. 11). Unsere Erkenntnis, unser Studium, unsere geistige Energie sollte auf diese Priorität gerichtet sein. Damit wird überhaupt nicht gegen das Wissen und Wissenwollen und die allseits hoffentlich blühende Wissenschaft gesprochen. In der von Boff zitierten und gelobten „ERD Charta“ heißt es: „In die formale Bildung in das lebenslange Lernen muss das Wissen, müssen die Werte und Fähigkeiten integriert werden, die für eine nachhaltige Lebensweise nötig sind“.

Es wird auch von mir nur verlangt, dass jenes Wissen vertieft und verbreitet wird, dass der Menschheit eine allseits humane Zukunft bringt. Der große Philosoph Ivan Illich (Cuernava, Mexiko) sprach von „Lebensdienlichkeit der Forschung“. Das bedeutet auch, dass viel mehr in dieser Hinsicht relevante Themen geforscht und verbreitet werden. Dass etwa die Pharmaforschung auch die Krankheiten der Menschen in Afrika in den Blick nimmt und preiswerte Medikamente zur Verfügung stellt. Das bedeutet, dass etwa Theologen nicht zum 1000. Mal  die Tugendlehre des Thomas von Aquin erforschen. Sondern sich etwa fragen, wie können Menschen in einer multireligiösen Welt  zu einander finden … und dafür praktische Beispiele erkunden.

Oder in der Philosophie: Nicht zum 1000. mal über Descartes schreiben, sondern den Menschen das Philosophieren und Fragen und Zweifeln beibringen in neuen philosophischen Akademien.

Das heißt: Wir müssen aus dem üblichen Überfressensein durch übliche Anhäufung selbst abwegiger wissenschaftlicher, aber bloß noch marginal relevanter Erkenntnisse herausfinden zu Wissenschaften, die dem Überleben der Menschheit und den Menschenrechten dienen. Das klingt jetzt alles sehr funktional, erinnert vielleicht an staatliche Eingriffe in die Forschung: Aber das ist überhaupt nicht gemeint. Natürlich sollen sich etwa Historiker mit der ganzen Breite der Geschichte befassen. Aber Konzentration auf das Wesentliche im Sinne der „Rettung der Menschheit“ wäre doch ein hübsches Diskussionsthema.

Hier wird also ein Filter empfohlen, um der Überfressenheit der Wissenschaften und Philosophien etwas Einhalt zu gebieten. Dieser Filter, dieses Sieb, dieses Kriterium, ist die Frage: Welchen Beitrag leistet mein angehäuftes Wissen, das ich in mich hineinfresse, für die Menschheit? Für die Gerechtigkeit, für das Überleben der Mutter Erde, für den Frieden, die Fragen nach der Gerechtigkeit, der bedrohten Demokratie, der Sorge um die Mitmenschen.

Zur Gastro-Theologie:

In der alten Welt der umfassenden christlichen Belehrung, und die dauerte in Europa bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts, war ein guter Christ ein solcher, der umfassend viel vom Glauben wusste. Glaubenswissen wurde von der Hierarchie und deren Mitarbeitern förmlich eingehämmert. Der offizielle Katechismus der katholischen Kirche, erschienen 1993, verfasst unter Leitung von Kardinal Ratzinger und Kardinal Schönborn, Wien, umfasst mehr als 800 eng bedruckte Seiten. Das alles sollte ein Katholik eigentlich wissen. Glaube wurde so noch einmal als Annahme einer äußeren Lehre, von außen, von den Autoritäten vorgegeben, verstanden. Welche religiösen Erfahrungen sich im einzelnen zeigten, was er/sie wirklich innerlich glaubte, woran das Herz wirklich innerlich glaubte, das galt als zweitrangig, interessierte offiziell nicht, höchstens als Wiedergabe des eingepaukten Wissens. Glaube wurde also vor allem im katholischen Raum als Übernahme eines Herrschaftswissens verstanden: Der Papst weiß, was Glauben heißt, nur er und seine alles prüfenden und beurteilenden bischöflichen Untergebenen. Sie stellen dann auch die Ketzer fest, die zu viel Eigensinn haben in der Zusammenstellung des je eigenen religiösen “Menus”. Dieses Menu hat sich das “fromme Volk” ohnehin doch selbst zusammengestellt, und eben Maria mehr verehrt als die Trinität. Die Zeugnisse der barocken Kunst in den Kirchengebäuden geben davon ein Zeugnis, dass de facto jeder sich seinen eigenen Glauben zusammenstellte. Er durfte es nur den Autoritäten gegenüber nicht sagen. Es gab also immer individuelle Auswege aus der dogmatischen/moralischen Übersättigung.

Wer aber, etwa als Theologe, diese offiziellen Lehren tatsächlich übernahm, in seinen Kopf stopfte, fühlte sich schnell sehr satt, wenn nicht übersättigt. Manche hatten es dann mit diesem Glauben satt, der ja immer auch als ausgetüftelte, angeblich  „ewige“ Moral „des“ Menschen daher kam. Und sie suchen sich einen einfachen Glauben, liebten etwa die Bergpredigt, die Gleichnisse Jesu, einige Psalmen usw. Die Mystik und die Mystiker wurde für viele ein Ausweg angesichts des Übersättigtseins durch die Dogmen und die Moralvorschriften.

Glauben ist einfach, dafür haben wir im Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon schon oft deutlich plädiert und entsprechend publiziert.

Auch das neueste Interview mit dem protestantischen Theologen Wilhelm Gräb, Humboldt Uni, geht in diese Richtung. Ich empfehle dringend die Lektüre dieses Interviews vom Juni 2016, klicken Sie hier.

 

Copyright: Christian Modehn Religionsphilosophischer Salon

 

 

 

 

 

 

 

 

Welttag der Humanisten – Humanismus ist universal. Zum 21. Juni.

Welttag der Humanisten – Humanismus ist universal

Ein Hinweis von Christian Modehn zum Welt-Humanisten-Tag am 21. JUNI

Verschiedene humanistische Verbände und Vereinigungen haben den Begriff „Humanismus“ für die Öffentlichkeit, auch als politisches Stichwort, sozusagen gerettet. Es sind Gruppen, die von einem explizit säkularen (atheistischen) Konzept des Menschen und der Welt ausgehen. Wer würde bezweifeln, dass solch eine Glaubenshaltung ein gutes Recht hat? Humanismus ist ja niemals (Natur)-Wissenschaft, sondern Glaubens-Überzeugung.

Dennoch ist es bei allem Respekt vor dem humanistischen, auch praktischen, man möchte sagen „diakonischen Engagement“ (in Kindergärten, Hospizen etc), etwa des HVD, doch die Frage:
Sind diese säkularen, also agnostisch-atheistischen Verbände nicht deswegen auf den Titel Humanismus gekommen, weil er zwischendurch verloren ging, seit der Renaissance spätestens, weil die Christen diesen Titel nicht wollten, sondern sich in ihre Sonderwelt /“nur religiös“/ einschlossen? Aber: Wer denkt noch in humanistischen Kreisen an ERASMUS von Rotterdam, wer an Pico de la Mirandola, wer an Kant, einen Humanisten avant (ou après) la lettre?

Es ist jetzt an der Zeit, den Humanismus Begriff wieder in die tatsächliche Weite zu führen.

Warum sollten sich religiöse Menschen nicht zuerst wie alle anderen Menschen eben als Humanisten verstehen? Religiöse Bekenntnisse wären dann das zweite, sozusagen Ergänzende. Denn Religion kann und darf niemals oberste Priorität im Bewusstsein eines Menschen (!) sein, immer ist Religion die speziellere Auslegung des Menschseins. Das gilt für religiöse wie für nicht-religiöse Auslegungen, die beide auf einer Stufe der Sinndeutung stehen und eben beide keine Wissenschaften sind. Humanismus wäre dann die Basis, verstanden als explizite Lebensform im Geist der Menschenrechte.

Brauchen wir in dieser verrückten Welt nicht zuerst Humanisten überall? Sind nicht auch so viele NGOs Humanisten, Amnesty international Ärzte ohne Grenzen und viele viele andere, etwa: die jetzt im Mittelmeer Flüchtlinge retten oder dort aufgrund antihumanistischer Politik Leichen bergen. Sind sie eben doch zu allererst Humanisten, auch wenn sie sich so nicht nennen. Wie klein erscheinen demgegenüber humanistische Organisationen, wurde ich kürzlich gefragt…

Kurz und gut: Ich plädiere dringend für eine Weitung des Humanismus-Begriffes über die (kleinen) humanistischen Verbände hinaus. Die verlieren ja nichts, wenn nicht nur sie sich humanistisch nennen. Humanismus wäre in unterschiedlicher Auslegung, aber immer verpflichtet dem Respekt für die Menschenrechte, sozusagen die allgemeine, menschliche Haltung. So wie die sich christlich nennenden Kirchen nichts verlieren, wenn es überall Menschen gibt, die im Geist dieses Jesus von Nazareth, eben jesuanisch, wie man theologisch treffend sagt, leben und handeln, natürlich auch außerhalb der Kirchen.

Copyright: Christian Modehn

Rupert Neudeck und Albert Camus.

Rupert Neudeck: Von Albert Camus inspiriert

Ein Hinweis von Christian Modehn

In den zahllosen wichtigen Erinnerungen an den großen Humanisten Rupert Neudeck wird meines Erachtens oft vergessen: Rupert Neudeck wollte nicht nur in der Tat den radikalen ethischen Forderungen des Jesus von Nazareth entsprechen, den ursprünglichen, noch kirchlich nicht verfälschten Lebensweisheiten Jesu, wie sie im Neuen Testament, etwa in der Bergpredigt oder den „Endzeitreden Jesu“, deutlich werden. Wichtig ist: Rupert Neudeck lebte auch aus dem Geist des humanistischen Philosophen Albert Camus. Das Denken Albert Camus war ihm, darf ich sagen, genauso wichtig wie die Bibel. Humanismus ist eben niemals nur “atheistischer Humanismus”. Humanismus ist in der weitenTradition vielmehr immer auch eine Verbindung von religiösem-etwa auch christlichem- und philosophischem Denken. Das hat Rupert Neudeck als Einheit gelebt. Dafür sind ihm so viele so dankbar. Er ist ein Lebens-Retter.  Insofern ist Rupert Neudeck auch ein Mensch, der zeigt: Auch philosophische Vorschläge und philosophische Erkenntnisse können ein Leben gestalten. Philosophieren hat mit dem Leben zu tun. Sie ist keine graue Theorie…

Über „Die politische Ethik bei Jean Paul Sartre und Albert Camus“ wurde Rupert Neudeck 1972 in Münster zum Doktor der Philosophie promoviert.

Im Jahr 2013 hatte ich erneut Gelegenheit, Rupert Neudeck in Berlin (anläßlich einer Konferenz über das “ROTE KREUZ”) zu sprechen und für die ARD Sender zu interviewen. 2013 war das Jahr der Erinnerung an Albert Camus (geboren 1913).

Nur drei zentrale Zitate Rupert Neudeckes zu Albert Camus:

1. „Ich erzähle immer die Geschichte, dass wir unseren Mitarbeitern bei Cap Anamur, wenn sie rausgegangen sind nach Kambodscha, Somalia, Uganda, immer ein Buch mitgegeben haben, und das geradezu das Vademecum der humanitären Arbeit ist, nämlich die „Die Pest“ von Camus, von Albert Camus“.

….. Der Roman „Die Pest“ handelt von menschlicher Solidarität in verzweifelter Lage: Rupert Neudeck:

2. „Wenn man diese Parabel gelesen hat, verstanden hat, dann weiß man die Richtung, in die man gehen muss. Und die Richtung ist nicht, dass man auf etwas verzichten muss, sondern das einzige, wozu wir in der Lage sein müssen, ist, dass wir uns schämen müssen, allein glücklich zu sein.“

Aus den Vorschlägen Albert Camus` zieht Rupert Neudeck diese Konsequenzen:

3. „Wenn wir uns ehrlich vor Augen was wir sind, was für Waschlappen wir sind, dann ist es schon etwas ganz Erfreuliches, wenn man nicht aufgibt. Wenn man nicht sagt: Macht alles keinen Sinn. Ich denke, dass es nicht stimmt, dass alles auf der Welt zum heulen ist und kaputt geht. Das ist nur eine Hälfte der Realität, es gibt eine andere, in der uns was gelingt, in der Solidarität gelingt, in kleinen Einheiten, in Kommunen, Gemeinden Dinge passieren, die großartig sind. Diese Geschichten vom Gelingen, die brauchen wir, um uns nicht immer wieder zu verzehren im Wortsinn“.

Zwei kurze, zentrale Zitate von Albert Camus, die Rupert Neudeck genau gesprochen hätte:

– „Schöpferisch sein, bedeutet zweimal zu leben“.

– „Ich empöre mich. Also sind wir!“

Zur Vertiefung in die Spiritualität von Albert Camus finden Sie u.a. in einem Beitrag des NDR, klicken Sie hier.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin